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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.01.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-01-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010131028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901013102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901013102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-01
- Tag1901-01-31
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Lnrversitätsstraße 3 (Paulinum), Lvuts Lösche, Katharinenstr 14, Part, und König-Platz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. ÄlttLsvlatt -es HönigkiciM Land- U'id ÄmlsgerichLes Leipzig, des Mathes und Nokizei-Ämtes der LtadL Leipzig. Anzeige« »Preis die 6gespaltene Petitzeile LS H. Reklamen unter dem Redacttonsstrich («gespalten) 75 L,, vor den Familiennack« richten («gespalten) SO H. Tabellarischer und Ziffernsatz enttprechead höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteaannahme 25 ö, (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbesörderung ÜO.—, niit Poslbesörderung >il 7V.—» Ännalsmeichlub für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Ubr^ Morgen-Ausgabe' Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbroche» geöffnet oon früh 8 bis AdendS 7 Uhr. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig. 57. Donnerstag den 31. Januar 1901. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. -p. WaS diese Nacht und beute Morgen von neuen Nach richten vom Kriegsschauplätze einzelaufen ist, ist nichts Erfreuliches für England. Es tritt zwar wieder der Gegensatz zwischen privaten und amtlichen Meldungen zu Tage, aber die letzteren lassen doch durchbacken, daß die ersteren die glaubwürdigen sind. So berichtete unser Londoner Corresponvent: Smilb Dorrien bei Carolina (südlich der Telagoababn) total gesck lagen, mit schwerem Verlust auf Pretoria zurückgeworsen. Kiickener dagegen depeschirt: Smilb Dorrien von Carolina zurückgekebrt, nachdem er dieBverentruppen zersprengt, aber er fügk hinzu, daß der General auf dem Rückwege mebrre kleine Gefechte mit dem Feinde zu belieben ge habt babe. Tie Z-rsprenrung der Boerentiuppen kann also nur eine sebr problematische gewesen sein; viel wahrschein licher ist nach dem Wortlaut der Depesche Kitchener'S, daß SmitbDorrien gen öihigt war,zurückzugehen,fortwährend von den Boeren verfolgt und engagirt. Wie konnte er auch bei der gegenwärtigen Lage, die für Pretoria immer bedrohlicher wird, sich damit begnügen, die Boeren zu „zersprengen"! Seine Aufgabe mußte doch sein, sie zu schlagen, aufzureiben oder gefangen zu nebmen, um Pretoria und Johannesburg wenigstens von der Ostseite her Lust zu macken. Aber eS war ihm offenbar nicht möglich, diese selbstverständliche Aufgabe zu erfüllen. Zngestehen muß die amtliche Depesche, daß Knox bei Tbadanchu erfolglos mit De Wet gekämpft und daß er nickt vermocht bat, diesen auf seinem neuerlichen Vorstoß gegen die C-'pcolonie auszukalten. Ist doch heute das folgende Telegramm zu verzeichnen: * London, ZI. Januar. (Telegramm.) „Daily Mail" berichtet aus (Kapstadt unter dem 30. Januar: Nach einer nichtamtlichen Nachricht istTc Wct mit einer ztrmltch grasten Truppe»,nati« tu die Cap- colouie eingedrungeu. Zugestehcn muß der annlicke Draht endlich, daß die Boeren in unmittelbarster Näke von Johannesburg, bei Boxburg, wieder eine Anzahl Minen zerstört haben. Höchst bedenklich lautet außerdem die resignirle Wendung des „Neuter'schen Bureaus", man befürchte, die Aufgabe, die Boeren aus der Capcolonie zu vertreiben, sei äußerst schwie rig, da das Terrain ihnen außerordentlich günstig sei. Keine Beurlaubungen mehr tu Südafrika. Mit Bezug auf ein von einflußreicher Seite befürwortetes Entlassungsgesuck von Söhnen verschiedener sebr bekannter Londoner Großkauflento bat Lord Kiickener einen Tagcsbef-bl erlaßen, welcher erklärt, daß von den in Südafrika stehenden Tiuppen nicht mehr ein einziger Mann die Erlaubnis zur Heimreise erhalten werde, ehe nickt der Krieg beendet sei. Dieser Befehl soll der immer mehr um sich greifenden KampfeSmüdigkeit der britischen Truppen Einhalt gebieten, besonders da die Söhne reicher Eltern, welche in der I o- manry dienen, in immer ausgedehnterem Maße die baldige Beurlaubung zur Rückkehr nack England nacksuchen. Sollte jedoch diese Anorduung Kitckener's genau befolgt werden, so wird sicherlich die Zahl der täglichen Krankmeldungen um so gewaltiger anschwellen. So wird für den 26- Januar folgende Verlustliste ge meldet: Gefallen: 7, verwundet: 23, an Krankheit gestorben: 82, alS krank >n die Spitäler eingeliefert: 165! — Diese Ler- luste können jedoch nur in nächster Nähe des Hauptquartiers Kitckener's vorgekommen sein; denn mit sehr vielen Tkeilen seiner Truppen besteht zur Zeil keine oder nur eine sehr schwierige Verbindung, welche es ganz unmöglich macht, von Pretoria ans täglich eine genaue Verlustliste anzugeben. Die augenblicklich in der Capcolonie neu ausgebobenen Truppen haben nach der Ansicht NoberiS' nur wenig Werth, da sie theilweise des heimlichen Zusammenwirkens mit den Boeren verdächtig seien. Von dieicr Seite könne daher eine wesentliche Verstärkung der englischen Truppen nicht erwartet werden. Die Wirren in China. Eine neue Wendung ! Den neuesten aus Skanghai eingetroffenen Depeschen nach zu schließen, sind die Verhandlungen wieder voll- uandig zum Stillstand gekommen. Die Vertreter der AUiirten haben sich geweigert, weiter zu verbandeln, so- lange die Präliminarbedingungen nickt buchstäblich ersüllt sind. Es Hal den Anschein, als ob wieder, und zwar noch ciftiger als je vorher Jntriguen im Spiele wären. Aus Singanfu wird der „Frkf. Zig." zufolge berichtet, daß viele Beamte der südlichen Provinzen die Kaiscrin-Wittwe besuchen. Sie denunciren Li-Hung-Tschang und machen alle Anstrengungen, ibn und den Prinzen Tick ing zu discreviliren. Diese Beamten stehen zweifellos unter dem Einfluß von Tsckang - tschl - tung (des Vice- königS von Wntsckun-Hankau), welcher beinahe die Unter zeichnung der Präliminainole vereitelte. Vor einem Monat sandten die chinesischen Friedensunterhändler in Peking ein Telegramm nach Singanfu, in dem sic aufragte», ob die Ka rser i n - W i ltwe bereit sei, nack Peinig zursickzukebre^. wenn die Mächte ihr Sicherheit, einen lebenslänglichen Jabre-?- gekalt und den Aufenthalt >m Sommerpalast oder so st wo an einem von ter N sikenz des Kaisers getrennten Orte zu sickerten. Die Antwort darauf ist gerade cingelaunu >.-/ lautet: Die Kaiscrin-Wiltwe könne einen solchen Voricklag erst bann in Erwägung ziehen, wenn alle ausländischen Soldaten von Peking entfernt sein würden, vorder würde sie auch dem Kaiser nicht erlauben, dorthin zurück- zukehren. Tie Todesstrafe. Prinz Tsckung, der, wie gemeldet, ebenso wie Jubsien am Sonntag in Schansi hingerichtet worden sei» soll, gehörte zum kaiserlichen Elan, nickt aber dir-ct zur kaiserlichen Familie. Während der frcmdenseindlicken Unruhen war Prinz Dickung einfach eine Creaiur des Prinzen Tua» und ist für diesen der Sündenbock geworden. In Shanghai beißt es, die Feindseligkeit des Hofes habe zugenommen. — Linkunyi, der Vicekönig von Nanking, ihul sei» Möglichstes, um den Hof zu überreden, nach Peking zurückzukehrcn, da dies seine einzige Hoffnung sei. Nack einer Meldung deS „Bureaus Laffan" aus Peking wird daS diplomatische Corps am 1. Februar eine Plenarsitzung abkaltcn und dann die Liste der zu be strafenden Personen vervollständigen. Es ist aber sicher, daß, wenn nicht die Haltung der Vereinigten Staaten sich ändert, die Gesandten nickt auf Todesstrafe für den Prinzen Tuan, General Tungsub-siang und den Herzog Lau bestehen werden. Die Vtreiniglen Staaten, Ruß land und Japan werden bei der Abstimmung dagegen sein, daß man auf der Todesstrafe besteht. Die Gesandten sine sich zwar über Vie Schuld Vieser Personen im Klaren und sie sind noch immer der Ansicht, daß die Todesstrafe wünsckens- werth wäre, aber sie sind davon überzeugt, daß die chinesische Negierung gegenwärtig außer Stande ist, die verdiente Strafe zu verhängen und daß es nutzlos wäre, sie unter den Um ttänden zu verlangen. Dies war Conger's Standpunct auf der letzten Conferenz. * Shanghai, 30. Januar. Die „North China Daily NcwS" berichten: Bei der Vernichtung ckinesiichen Pulvers in Shanghai» klvan sind durch eine Explosion 40 japanische Soldaten gelobtet und 2 englische verwundet worden. * London, 31. Januar. (Telegramm.) Dem „Standard" wird aus Tientsin berichtet: In Peking erschoß gestern ein Däne Namens Lindberg seine Frau und dann sich selbst, nachdem er einen englischen Ossicier verwundet hatte. Lieser wird wahrscheinlich mit dem Leben davonkommen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 31. Januar. Nachdem der Reichskanzler kürzlich erklärt bat, die W o h nungsrefor in müsse Gegenstand der einzelstaatlickcn Verwaltung bezw. Gesetzgebung bleibe», wird der gestern im Reichstage angenommene Antrag, von Reicks wegen eine Commission eiuzusttzen, welche die in nationaler und socialer Hiiisichi hockbedeulsame, aber äußerst schwierige Frage nach allen Ricktungen hm ausklären und für die Gesetzgebung vorbereilen soll, die Zustimmung des Bundesratds schwerlich finden. Und sollte demnächst der vom Goethebundc an geregt- und gestern vom Abg. Müller-Meiningen befür wortete Antrag auf Aufhebung der Tbeaterceu für zur A.inabm gelangen, so würde er sickerlick dasselbe Schicksal haben. Tie von dem gknanuien Abgeordneten der Praxis enlnommencn Fälle von Mißgriffen der polizeilichen Censrrr-Bebördeu sine in der Tbat vielfach so, daß man zu der Vermuldung kommen tarn: , cs würden dL und -art !.ut d.-^ A.vrle des CevwrS Personen betraut, die zu diesem Amte sich eigneten wie ein altes Eskimoweib zur Nolle der Julie in Sdakespeare's un sterblicher Tragödie. Aber diese Auszählung ist einseitig und müßie ergänzt werde» durch Blüthenlesen aus dramatischen Werken, die nicht nur geschrieben und gedruckt, sondern auch trotz de, Censur da und kort aufgeführl werden. Eine solche Biiilhenles- würde wohl selbst den Abg. Müller-Meiningen zu der Einsicht führen, daß ein reicksgesetzlickes Verbot jeder Thcaterceiisur nickt möglich sein würde, olme zu sehr bedenklichen Folgen zu führen. Den» selbst dieser Herr wird doch nickt meinen, daß durch nachträgliches Verbot Vie Wirkung vergiftender Stellen aufgehoben werden könnte. Nock weniger wird er glauben, im Tbeater werde bei allen Zuschauern nur eine reinigende Erleichterung der angeregten Leidenschaften erzielt, und endlich trauen wir ihm nickt die Ansicht zu, Pflicht des Staates sei cs lediglich, den Brunnen zuzucecken, nachdem das Kind hineingefallen. Jedenfalls herrschen solche An sichten bei den verbündeien Negierungen nickt. Es würde also ein Schlag ins Wasser sein, wenn der Reichstag den Antrag annähme. Und koch wäre es höchst wünschenswert!), wenn etwas geschehen könnte, Lenrlleton« Die Geschwister. Roman von Alexander Römer. Nattrna »irdolen. Der Unterricht in der böberen Mädchenschule war be endet, in Sckaaren strömten die Kleinen und Großen aus den verschiedenen Elasten durch den Sckulbof inS Freie. Vom Thurm der alten Domkircke schlug eS zwölf. ES war beute der letzte Schultag vor den Osterferien, und die Ccnsuren über den Fleiß und die Fortschritte im Winterhalbjahr wart« vertheilt worden. Da kam die tänneude Lust ungebandigter alS sonst zum Ausdruck. Die Schultaschen wurden geschwenkt, die Köpfe zusammengesteckt, die fest geflochtenen Zöpfe flogen um die frischen lackenden Gefickter. Einzelne iahen stolz und beglückt auS, Andere suchten unter lautem Lachen und übermüthiger Prahlerei eine Niederlage zu verstecken oder schlichen in gedrückter Stimmung »ach Hause. Die Gruppc, welche au- dem rechten Flügel de- steinernen Gebäude- bervorquoll, bestand au- vir,zehn- bi- sechzehn» jährigen, der ersten Clafle und der Selecta Angehörigen. Hübsche Erscheinungen darunter, schlank in die Höhe ge wachsene Gestalten Sie lärmten nickt mehr laut, redeten aber nicht minder eifrig, nur in unterdrücktem Flüsterton. Sie hatten sckon Geheimnisse zu vertrauen und zu hüten. Allen voran schritten Zwei. Die Eine, rin auffallend bübscke- Mädchen mit einem feinen aristokratischen Gesicht und lebhaften Augen. Um den rothen Mund mit den kühn geschwungenen Lippen spielte rin moquantrr Zug. Jkre Gefährtin war kleiner und gedrungener, eia kernige- Mädel, mit einem offenen frischen Gesicht und klugen Augen. Sie hielt ihr Zeugnißbuch in der Hand und sab sehr beglückt auS. »Ja Du kannst schon mit dem Dinge da prahlen, Ellen", sagte die Andere, sorglo- lackend, ich hüte mich damit zum Barschem zu kommen. E« sällt mir gar nicht eiu, mich mit all dem wirren Zeug berumzuplagen, wenn Du mir nickt meine Aufsätze und die schriftlichen Arbeiten überhaupt durch- cvrrigirst, säße ich ja Wohl ganz unten an. Juch! ein halbe- Jahr uock, dann bin ich mit dem Krempel fertig." „Adinel" rief Ellen lachend, mit der Arbeit hast Du Dir den Magen verdorben, solch einen brillanten Kops, wie Du hast — im Französischen und Englischen hast Du übrigens „gut", Sprachen lernst Du samoS." „Na — weist Tu — für die babe ich Interesse. Sie sind das Einzige, WaS ich in meinem Leben allenfalls brauche." Fräulein Akine, Freiin von Rodenfels, warf ihren Kopf in den Nacken und machte ihr hockmü'biges Gesicht. Ellen Kramer wollte abschwenken, aber Acine hielt sie fest. „Du fährst natürlich mit mir, keine AuSrede! Sieb nur, wie schön das Wetter geworden ist, strahlender Sonnen schein. Wir fahren auf einem Umwege in Deine Emiliei.- straße." „Nein, Adine, ich babe Eile, der Poldel kommt auS den, Examen, mir schlägt ordentlich daS Herz, ob er bestanden." „Dein Musterknabe? Um den brauchst Du dock nickt zu sorgen. Ihr beiden Geschwister babt ja die Weisheit mit Löffeln gegessen. Deine Mama zerflösse gewiß in Tbränen, wenn eins von Euch mal mit einem schlechten Zeugniß käme." „Ack, Mama" — Ellen's Ton war schwer zu deuten, „die wollen wir nur in Frieden lasten. Die macht sich medr Noth, als auSzudenken ist. Ader gerade darum — für alle Fälle !— muß ich beute rasch nack Hause." Adine dielt die Freundin mit zwingender Energie fest. „Kleine, sperr Dick nickt, — solltest e» bereits wissen, daß e» Dir nichts hilft. Sieb da ist Peter sckon, ata ob Du nicht auf dem Wägelchen früber nach Hause kämst, als wenn Du laufen mußt. Rasch! binausl Guten Tag, Peter, die Zügel her! Mensck! Du weißt doch, daß ick selber fahre! Eiu zierliche- Eab, mit zwei Sitzplätzen vorn und einem Rücksitz für den Diener, hielt vor dem Portal de« Schul gebäude-. Adine saß schon obeo und faßte die Zügel der beiden herrlichen Braunen. Sie trug eine Jacke von seinem, schwarzem Wollstoff, die ibr» elegante Figur verhüllte und zugleich al- Staudmantel dient«, und ein schlichte« Matrosen- bülchen, unter dem die schwarzen Flechten in üppiger Fülle hervorquollen. Ellen gab nach und kletterte gehorsam auf den Sitz neben idr. „Ader dann keinen Umweg um den Ziegelsee", sagt: sie, „da- nimmt eine gute Viertelstunde." „Wenn Dein Eigensinn da« nicht zuläßt, >sboao " Adine wippte mit der Peitsch«, ein leichte- Zuugrnschaalzen, die muthigen Nosse zogen an, Perer sprang behende auf seinen luftigen Sitz, (los L dos der jungen Damen. „Giebs gefälligst zu, solch eine Fahrt im raschen Tempo ist etwas ScköneS", rief Adine mit blitzenden Augen, „diese frische Früdlingslufk muß uns den Staub der alten gräß licken Sckulstube auS den Kehlen fegen. Ack! wenn das graue Gemäuer erst einmal auf Nimmerwiedersehen hinter mir läge!" „Ich begreife eS gar nickt, warum Du Dich so nack dem Ende der Schulzeit sebnst", meinte Ellen, „ich fühle mich iu der Schule eigentlich am wohlsteu". „Tugendspiegel! Gottlob, bist Du wenigstens nicht lang weilig dabei". Sie fuhren rasck durch die Straßen, und mancher Vorüber gehende stand still und sab der zierlichen Equipage mit ihren bübicken Insassinnen nach. Ellen's Muiter, die früh vrrwittwete Doctorin Kramer, wohnte in dem neugebaulen Stadttbeil der kleinen Residenz' start Sckwanau. Die Wohnungen lagen fast noch «m freien Felde und waren hier sebr billig. Die Witiwc batte Grund, sick nach allen Richtungen ein- rnsckränken. Ihr Mann war Arzt gewesen, jung gestorben, Vermögen nickt vorhanden, und die kleine Pension, die sie auS einer Casse, in die ibr Mann sie einkaufie, bezog, reichte nicht weit. Sie schlug sich mit ihren beiden Kindern mübsani durch. Da war denn auch unter den Sorgen und Kümmernissen ihr einst so schöne- Haar früh gebleicht und ihr seine- Ge sichtchen blaß geworden. Adine lenkte daS G'fäbrt direct nack Ellen's Wobnung, fuhr die kable, sonnige, nur balbbebaute Straße in raschem Trabe entlang und parirte die Rosse elegant vor der Num mer 16. „Sieb dal der Poldel", sagte sie halblaut. Ukbcr Ellen's Gefickt flog die Rötbe der Erregung, als sie den Bruder jetzt gewahrte. Ein hochaufgeschossener, blondhaariger Jüngling, gut auS- sebend, mir einem stutzerhaften Anflug, schritt auf dem Trottoir und lenkte auf das Hau- zu. Ellen war mit einem b»sckickten Sprung unten, ehe Peter zur Stelle war, um dem jungen Fräulein zu helfen. Sie eilte aus den Bruder zu und rief athemloS: „Na Poldel?" Der junpe, etwa 18jährige Herr zog ehrerbietig mit einem graciosea Nachdruck seine rothe Primaoermütz« vor waS den neuerdings immer zahlreicher und grotesker Fe- mordenen Mißgriffen der polizeilichen Censur-Behörden moz- lickst vorbeugte. Gerate weil das Drama, indem eS un tief in daS Werden der menschlichen Tbarcn hineinsübrt, eine Ergänzung tes starren Gesetzes ist und mithin Wandlungen in der Auffassung von Schuld und Sühne vorbereitet» so ist im Interesse der Cultur dringend zu wünschen, daß daS Cc'iisoren-Amt nur nack soigfältigst vom juristischen, historischen und ästhetischen Standpunkte aus erwogenen Grundiätzen von hochgebildeten Männern auSgeübt werde. Die Commission, an die vielleicht der Antrag verwiesen wiid, würde daber am besten thun, wenn sie ibn seine- radikalen CbarakterS entkleidete und sich mit ihren Vorschlägen rem annäberte, waS kürzlich der preußische Minister des Innern v. Rh ein babe» über die neuerdings von ihm an geordnete Handhabung der Thealer-Censur mitgetbcilt hat. Freilich scheinen diese Anordnungen noch nicht in die Praxi- übergegangen zu sein. Das aber würde im preußischen Ab geordnetenhaus zu rügen sein und den Minister nöihigen, mit den preußischen Censoren eiu ernstes Wort zu reden. Noch immer findet man selbst in den angesehensten französischen Blättern Artikel, die die giößte Unkenntniß deutscher Verhältnisse verratben. Ein derartiger Artikel liegt in Bezug auf die Abstimmung des Abgeordnetenhauses zu Gunsten eine- gcstcigertcu Zollichnstes für die Laud- wirthschaft im „Journal des Dsbats" vor. Da- genannte Pariser Blatt leitet aus jener Abstimmung die merkwürdigsten Schlüsse sowohl türdie innere, wie für die äußere Politik desReicheS her. In der Voraussetzung, daß die Mehrheit deS Abgeord netenhauses dnrck ihren Beschluß sich in einen Gegensatz zur Mebrkcit des Reichstags gebracht habe, prophezeit da- „Journal des TöbalS", daß im Reiche eine Verstimmung gegen die preußische Hegemonie Platz greifen und daß in Preußen ein Sturm gegen daS Dreiclassen-Wahlrecht losbrechen werde. So verkehrt die Voraussetzung des Pariser Blatte-, so falsch sind seine Schlußfolgerung n. DaS „Journal deS TsbatS" hältc sich nur an dieBeralhung des Fleitckbeschaugesctzes im Reichs tage zu eiinnein brauchen, um sich darüber klar zu werden, daß auch im Reichstage eine schutzzöllneruche Mehrheit vorhanden ist. Nicht weniger haltlos als die Prophezeiungen für die innere deutsche Politik sind die betrcffs der auswärtigen. In Bezug auf letziere. nämlich hofft daS „Journal de- TsbaiS", eS werde die deutsche Zollpolitik Oesterreich und Italien die Erneuerung des ", noch proble matischer erscheinen lassen da- Pariser Blait einen Blick in die Hanl - geworfen, so würde es die Erhöhung de >Ue mit dem Dreibund schwerlich in Be raben. Hat doch das deutsche Reich in -99 weder aus Ocsterreick-Ungarn noc» aus Italien eine Roggen-, Weizen- und Hafcrcinsubr zu verzeichnen gehabt. Vielmehr hat eS in dem genannten Zeiträume eine Roagenausfubr aus dem Reiche nach Ocsterreick-Ungarn ge geben. Unk zwar wurden im Jahre 1895 nur 337 l, im Jahre 1898 52 987 t, im Jahre 1899 17 595 t Roggen nach Oester reick-Ungarn ausgesübrt. Auch eine Weizenausfubr auS dem Reick nach Oesterreich Ungarn hat in dem gegebenen Zeit räume staNgefnnden, da 1898 26 112, 1899 15 026 t Weizen nach Oesterreich Ungarn gingen. Eingesübrt bat da- Reich aus Oesterreich-Ungarn — auS Italien nicht — lediglich Gerste. Und zwar im Jakre 1899 375 797 t im Werthe von 53 Millionen Mark. Der Gerstenzoü betragt gegen wärtig 2 nachdem er bis zum Abschlüsse des bestehenden rem gnädigen Fräulein da oben auf ihrem tbronartigea Sitz und sagte dann in herablassendem Ton halblaut zur Schwester: „Nun — Nummer Ein« mit Auszeichnung." „O Poldel!" Ellen's Züge strahlten, sie machte Miene, den Bruder zu umarmen, er verhinderte da- indcß durch seine abwehrende Haltung. Fräulein Adine amüsirte sich augenscheinlich köstlich ü-er das Gebabren der Ge'ckwister. „Ich höre so mit halbem Odr ein vielsagendes Gemurmel", ries sie neckisch herab, „ich will nur gleich gratuliren. Das Einzige, wa- bei dem junge» Herrn zu erwarten war, die Nummer Ein« in höchster Voll kommenheit ist natürlich da in der Mappe." Herr Leopold Kramer, fertiger, sieggekrönter Abiturient, verbeugte sich etwas linkisch. Er ärgerte sich schmäblig, weil er rolh wurde und keine schlagfertige Rede in Bereitschaft batte. Diese schneidige junge Dame, der er um jeden Prei- böllisck zu imponiren wünschte, hatte die verflixte Manier, ihn aus dem Concept zu dringen. Sic war sehr wobl bekannt in der obersten Schicht der Prima, und hieß kort „die schwarze lllanin." Wie sie zu dem Namen gekommen, war nickt mehr nackznweisen, aber e- galt uneingestanden sür ein riesige- „Schwein", wenn mau ihr begegnet war, ober gar mit ibr gesprochen hatte. Leopold Kramer, dessen Schwester für ihre Intima galt, wurde über sie, ihr Tbun und ihre Reben gelegentlich auS- geforickt, und äußerte sich dann vielsagend gebeimnißvoll, iu dem Bemühen, bie Commilitonen an ernen prickelnd vertrau lichen Verkehr zwischen idm und ibr glauben zu machen. Ja Wahrheit sah er dir „schwarze Ulanm" selten in der Nabe, sie stieg nickt oft di« drei Treppen in der Emilieostraße hinauf, sondern lud ihre geliebte Ellen zu sick eia. So dienerte dena der Poldel jetzt auch uur wieder holt linkisch und kreb-rvth im Gesicht und ver schwand dann so eilig wie möglich im Hause, um athem- loS vom schnellen Aufstieg, wo er immer drei Stufen auf einmal genommen, oben am Flurfenster hinter ter Gardine zu spähen, nack ihr, die unten noch mit Ellen schwatzte und lachte. Gelacht hatte sie schon, al- er vor ibr stand, diese« infame moquaate Lachen, da- sie doch so bübisch kleidete. Brillant sab sie au« di« Hexe, so vor nehm, so elegant. Die kannte keine Verlegenheit. Hal Jetzt wanderten ihre Augen hinauf, wo er stand, er verbarg sick noch weiter hinter der Garbine — wie ihre Weiße» Zähne in der Sonne bliylen! So — endlich! Sie streckte Ellen noch einmal die Ha»d
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