Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.01.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-01-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010129023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901012902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901012902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-01
- Tag1901-01-29
- Monat1901-01
- Jahr1901
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
734 Deutsche- Reich. Ll. 0. Berlin, 28. Januar. (Freundschaft-Vertrag zwischen der Lega Navale Italiana und dem Deutschen Flotten-Verein.) Wir theilen nachstehend den Wortlaut diese» Vertrage» mit, der in der General» Versammlung de« Deutschen Flotten-Verein« am 24. Januar mit allgemeinem, zustimmendem Beifall ausgenommen worden ist: In Erkenntniß der Gemeinsamkeit der hohen Ziele, denen gleicher Weise die Bestrebungen der Lega Navale Italiana, wie die de« Deutschen Flotten-Verein« gewidmet sind, und aus Grund des Schutz- und Trubbündntsse», daS die Völker Italien« und Deutschlands ver knüpft, sind dir Präsidenten der Lega Navale Italiana und deS Deutschen Flotten»Verein« übrreingekommen, die Gemeinsamkeit ihrer Ziele und Bestrebungen auch durch offenkundige gemeinsame Arbeit darzuthun. Da« 19. Jahrhundert hat dir Völker Europas vor die neue Aufgabe der Ueberseepolitik großen StilS gestellt, zu welcher die Industrie» und HandelSentwickelung aller Culturstaaten mit elemen tarer Gewalt hindrängt. Die Erfüllung Lieser Ausgabe hat den Besitz starker Kriegs» und Handelsflotten zur nothwendigen Voraus» setzung. Au« dieser Erkenntniß heraus ist in Italien wie ganz besonders in Deutschland eine gewaltige Bewegung für die Vergrößerung der beiderseitigen Kriegsflotten mit staunenSwerther Schnelligkeit empor gewachsen und hat al- Träger dieses nationalen Willens die beiden großen Flottrnliguen geschaffen. Und wie die durch Staatsvrrträge besiegelte Allianz der beiden Völker «ine der werthvollsten Bürgschaften für die Erhaltung des Friedens bildet, so soll der zwischen der Lega Navale Italiana und dem Deutschen Flotten-Verein geschlossene Freundschastsvertrag als vornehmstes Ziel anstreben, daß die beiderseitigen Rüstungen zur See durch einen ihren stetig wachsenden Ueberseeinteressen ange» messenen Ausbau sich zu einer immer machtvolleren FriedenSbürg- schast gestalten. Die Betätigung ihrer gemeinsamen Arbeit erblicken die beiden Flottrnliguen vor Allem in einem regen Gedanken» und Meinungs austausch, in der Auswechselung der herauSgegrbenen Veröffent lichungen und in der Beschickung der Hauptversammlungen durch Lelegirte. Dir Hauptaufgabe beider Vereine beruht in einer zielbewutzten Aufklärung der öffentliche» Meinung darüber, daß die weltwirt schaftlich bedingte Ueberseepolitik beiden alliirten Nationen gleiche Ziele in wirtschaftlicher wie in politischer Hinsicht aufgcrichtet hat. Santa Margherita Ligure, 24. 11. 1900. Der Präsident der Der Präsident des Lega Navale Italiana: Deutschen Flotten-Verein-: grz. Conte E. di Falicon. gez. Wilhelm Fürst zu Wied. Seiten« deS ersten Vorsitzenden der Lega Navale Italiana, de« Grasen di Falicon, >st am 27. Januar dem Präsidenten de« Deutschen Flotten-VereinS, dem Fürsten zu Wied, folgendes Telegramm übersandt worben: Die Generalversammlung der Lega Navale Italiana hat mit lebhaftestem Veisall die Verlesung deS mit dem großen Schwester- Verbände „Deutscher Flotten-Verein" — dem sie herzlichste Grüß« schickt — abgeschlossenen JreundschastSvertrages ausgenommen. * Berlin, 28. Januar. (Gouverneur Jaeschke si.) Dem leider so früb seinem Dienst entrissenen Gouverneur von Kiaulscbau, Capitän Jaeschke, widmet der „Reichs anzeiger* solgenden Nachruf: „Laut telegraphischer Nachricht ist der Gouverneur deS Kiautjchau-Gebiets, Capitän zur See Jaeschke, am 27. d. MtS. in Tsingtau verstorben. Durch Allerhöchst» Ordre vom 10. October 1898 zum Gouverneur ernannt, hat Capitän zur See Jaeschke, ausgestaltet mit hervorragenden Geistesgaben, von dem ersten Tag« der Uebernahme an mit seltener Energie in unermüdlicher Thätigkeit seines Amtes gewaltet und die Entwickelung deS Schutz gebiets unler den schwierigsten Verhältnissen mit großer Umsicht und ebensolchem Erfolge geleitet und gefördert. Sein Tod bedeutet für das Schutzgebiet einen großen Verlust. Die kaiserliche Marine verliert in ihm einen ihrer fähigsten Osficierr. Er hat sich in der Geschichte der Entwickelung deS Kiautschau-GebietS selbst ein Denk mal gesetzt und sein Andenken wird in der kaiserlichen Marine stets in hohen Ehren gehalten werden." Ten LcbenSgang des Verstorbenen schildern die „B. N. N." wie folgt: Capitän Jaeschke war am 4. August 1851 zu BreSlau geboren und am 26. April 1868 als Cadett in Dienst getreten, am 15. Juli 1869 wurde er zum Fähnrich zur See, am 26. Juni 1872 zum Leut nant, am 18. November 1875 zum Oberleutnant befördert. Vom 6. Lctober 1877 bis 1. October 1879 war er Cadetten- und Wacht- Ofsicier an Bord des Seecadetten-Schulschiffes „Leipzig". Nach dem er am 16. April 1881 daS Patent als Capilän-Leutnant erhalten hatte, commandirte er vom April 1881 bi« 9. Juni 1886 daS Kanonenboot „Wolf" und wurde am 15. November 1888 zum Corvetten-Capitän ernannt. Am 11. Juni 1894 wurde Jaeschke Capitän zur See und war vom 27. April 1895 bis 8. Mar 1896 in Ostasien Commandant des großen Kreuzers „Kaiser", den er auch hinausgesührt hat. Nach der Rückkehr in die Heimath trat er in den Stob de« Oberkommando« der Markne, in welcher Stellung er im Gpätderdst 1897 die Mobil machung für Kiautschau leitete. Im October 1898 zum Gouverneur des neuen Schutzgebiete- ernannt, ward ihm schon nach Iadresfrist für seine ausgezeichneten Leistungen di» kaiserliche An erkennung ausgesprochen. Berens im Januar vorige« Jahres war er am Darmcntarrh erkrankt, von dem er sich jedoch bald erholte. Im Sommer konnte er zu seiner Wiedervermählung schreiten. Aus allen Gebieten der jungen Eolonie betbäligir sich seine fördernde Hand und seine schöpserisch organisatorische Kraft nnt großem Er- folge. Ein umsichtiger entschlossener Seemann, rin muthiaec Soldat, ein zu den größten Erwartungen berechtigender Oificirr und Organisator ist er geschieden — der hochverdiente Maun ruh« tu Frieden! — Der K ai s er hat die Minister deS Innern und der öffent lichen Arbeiten für die Zeit nach seiner Rückkehr zu einem Jmmediatvortrag über Versuche mit Schutzvorrichtungen an Straßenbahnwagen gegen ein Uebcrfahrenkverden befohlen. — Der Oberhof- und Hausmarschall Graf Eulenburg hat sich zum Kaiser nach England begeben. — Gegenüber der dem Kaiser zugeschriebenen Aeußerung der Unzufriedenheit darüber, daß weder Reichstag noch preußisches Abgeordnetenhaus die Sitzung zum Zeichen der Trauer um England- tobte Königin aufgehoben, wird io parlamentarischen Kreisen darauf bingcwiesen, daß Graf Ballestrem, der ja sehr streng auf äußere Formen hält, Vie Trauerknndgebung im Reichstage vorher mit dem Reichskanzler vereinbart bat. Dabei ist hervorzuhcben, daß vaö Erscheinen des Reichskanzlers selbst in dieser Sitzung und dessen Ansprache an den Reichstag bereits über den Nahmen dessen binausgegangen seien, was bis dahin üblich war. Es giebt dafür in der ganzen Geschichte deS deutschen Reichstags nur ein einziges Seilcnstück: Als Kaiser Wilhelm I. ge storben war, erschien Fürst BiSmarck iin Reichs tage, theilte diesem die Trauerkunve mit und knüpfte daran tiefempfundene Betrachtungen. Sonst bat noch nie ein deutscher Reichskanzler anläßlich deS Hinscheiden« eines Herrschers daS Wort im Reichstage ergriffen. Der Reichstag hat also Alles gethan, was von ihm bc» dieser Gelegenbeil zu verlangen war, zumal auch das englische Parlament beim Hinscheidcn Kaiser Wilhclm'S I. sich lediglich auf eine Trauerknndgebung beschränkte, die Sitzung aber nicht aus hob. (Tägl. Rrsch.) — Die Ausschüsse desBunvesrathes für Justizwesen und für Handel und Verkehr hielten heute Sitzungen. — In der heutigen Sitzung der nationalliberalen Fraktion des preußischen Abgeordnetenhauses widmete der Vor sitzende, Abg. Hollermann, dem am 26. verstorbenen früheren Abg. S e y f f a r d t - Crefeld einen tief empfundenen Nachruf, der die reichen Verdienste Seyffarvt's um öffentlich Interessen und um das freundschaftliche Zusammensein und gemeinsame Wirken in der Fraktion wirksam hervorhob. — Mit der Besserung ihrer Arbeitsbedingungen be schäftigte sich beute Abend eine zahlreich besuchte Versamm lung der Berliner La t er n en w är t er. Der Hauptredner tbeilte mit, daß eine Forderung auf Lohnerhöhung von dem Stabtvcrvrdnctencvllegiuni an die zuständige GaSvepulakion verwiesen worbe» fei. Tie Forderung au die Verwaltung wegen Schaffung von UntcrtnnslSräuinen sei abgelehnt worben. Laut Beschluß wird nun der Arbeilerausschuß in dieser Be- ziebung vorstellig werden. An Löhnen wird gefordert: für Ausbilfsmannschasten 66 ^k, für Arbeiter der 1. Classe 70 .«!, der 2. Classe 75 .6, der 3. Elaste 80 — Prinz August Wilhelm, der vierte Sohn des Kaiser- paareS, geboren ani 29. Januar 1887, vollendet am Mittwoch jein vierzehntes Lebensjahr. — Der Bevollmächtigte zum Bnndesrath, großherzoglich mecklen- burgiiche Lber-Zollvirector Kunckel ist von Berlin abgcreist. — Der Oberpräsibent a. D. Frlir. v. Wilanioivitz-Mölteildorfs hat sich von hier nach Markowitz zurückbegeben. — Der Rothe Adlrr-Orden des Herrn Müller aus Fulda kann jein ..Schmuckplätzchen" anscheinend noch immer nicht finden. Im „ReichSanz." war dec Orden bekanntlich verzeichnet für: „Müller, Fabrikbesitzer zu Fulda". Die „Germ." erklärt, daß der Abg. Müller-Fulda den Orden nicht erhalten habe; es gebe drei Fabrikbesitzer Müller in Fulda. Daraus antwortet die „Futb. Ztg.", daß in Fnlda außer dem früheren Fabrikbesitzer ReichStageabg. Müller-Fulda unter den vielen Müller in Fulda nicht ein einziger Fabrikbesitzer sei. Hat Abg. Müller-Fulda den Orden nicht erdalten, so ist er, schreibt die „Fuld. Ztg.", überhaupt nicht nach Fulda gekommen. — Wie in Pressekreisen schon einige Zeit bekannt war, jetzt aber auch publicirt wird, har der bisherige Herausgeber der „National!. Corr.", vr. Martin Mohr, sein Amt niedergelegt, um mit Ablauf dieses Vierteljahres bte ChesreLacteursielle der „Münch. Allg. Ztg." zu übernehmen. (D Stettin, 28. Januar. Seit heute Vormittag ruht hier auf allen Bauten die Arbeit, da die Maurer in den Gene- ralstr «ik eingetreten sind. Den Anlaß dazu gaben Lohn- differenzen. * Oldenburg, 28. Januar. Der Großherzog hat die letzten Tage ohne wesentliche Beschwerden verbracht. Der erzielte lhcilweise Rückgang der Herzerweiterung ist von dauerndem Bestände und hat die Atheninolh wesentlich ver mindert. Temperatur und Pulsfrequenz sind normal. * HerSstld, 28. Januar. Ein Seneralstab-offlcier der serbi sche» Armee »ar dieser Tage in unserer Stadt anwesend, um mit einer hiesigea größeren Tuchfabrik wegen Lieferung von Uniform tuchen für die serbische Armee zu unterhandeln »«d abjuschließen. * Nürnberg, 28. Januar. Die KreiSregierung hat die Auflösung der ZwanqSiunuug für da« Tapezierer bandwerk verfügt, nachdem eine Innung-Versammlung die Auflösung beschlossen hat. * Karlsruhe, 28. Januar. Im hiesigen RathhauS ver sammelten sich in vergangener Woche die Vertreter der beiden Kammerpräsidien, der größeren und mittleren Städte, der Vereine, Corporationen u. s. w., um über die Veran staltungen beim 50jährigen Regierungsjubiläum des Groß Herzogs, das im April 1902 festlich begangen werben soll, zu berathen. Die Anregung, eine allgemeine Lande-» sammlung, die dem Großberzog zur freien Verfügung für einen wobltbätigen Zweck übergeben werden soll, vorzu nehmen, fand allseitigen Beifall. Der Aufruf dazu soll am diesjährigen JabreStag der Negierungsübernahme durch den Großberzog erlassen werden. * Strnhburg, 28. Januar. Die zahlreichen hiesigen Nechtsliberalen, die bisher keinerlei Organisation belaßen, beabsichtigen, einen politischen Verein mit dem Namen Straß burger Bürgerverein inS Leben zu rufen. Der Gründungs aufruf geht von zwei Alt-Elsässern, dem früheren LandeS- auSsckußmitglieb Commerzicnrath Eissen und Professor vr. CbriSmann, sowie zwei Alt-Deutschen, dem früheren BeigcorLnelen Justizruth Leiber und Professor v. Caloer auS. * München, 28. Januar. DaS Verordnungsblatt des königl. bayerischen Kriegsministeriums bringt jetzt ordnung»- gemäß folgende Nachricht: „Se. königl. Hoheit der Prinz-Rcqent hat verfügt, am 18. d. M. inhaltlich allerhöchsten Handschreibens den Generalmajor Prinzen Alfons von Bayern, königl Hoheit, unter Belassung L I» suite deS 1. schweren Reiterregiments Prinz Karl von Bayern in Ge- nehinigung höchsljeincs Gesuches von der Stelle als Coinmandeur der 1. Cavalleriebrigade zu entheben und unter Verleihung des Grohcomthurkreuzes Les Militärverdicnstordeus zum Generalleutnant zu befördern." Diese Veröffentlichung wird an den meisten Stellen so anfgefaßt, daß der Prinz damit definitiv auS der Armee ausgeschieden sei. Oesterreich-Ungarn. Kronprinzessin von Griechenland; deutsche Zollrrhöhnng. * Wir», 28. Januar. Die Kronprinzessin Sophie von Griechenland ist zum Besuche der Kaiserin Friedrich nach Erouberg hier durchgereist. * Pest, 28. Januar. Abgeordnetenhaus. Bei der Be- rathung des Buügeis des Handelsministeriums bespricht der opvo- silioneUe Abgeordnete Polonyi die vorgestrige Erklärung des deutschen Reichskanzlers Grasen von Bülow betreffend die Zoll erhöhung für l andwirthschaslliche Products undweist aus di« daraus folgende Gesühr dun g der ungarisch en La ndwtrth- schast hin, die durch Erschwerung der Einfuhr von Borstenvieh nach Deutschland ohnehin geschädigt sei. Polonyi bezweifelt unter solchen Umständen die Möglichkeit des Abschlusses der Handels verträge und ersucht die Regierung, daS Land über ihre Stellung nahme zu unterrichten. Frankreich. Geburtstag vcs Vcutschcu Kaiser«; Kammer. * Pari«, 28. Januar. Aus Anlaß deS Geburtstages des deutschen Kaisers fand gestern im Hotel Continental unter dem Vorsitze des deutschen Geschäftsträgers Gesandten v. Schlözer ein Festessen stakt, an welchem der bayerische GeschästSlräglr Freiherr v. d. Tann, die Mitglieder der Bot schaft, ReichScominissar Richter, sowie über zweihundert Herren und Damen der deutschen Colonie theilnabmen. Nach einem mit lebhaftem Beifall ausgenommenen Trinkspruch des Frei herrn v. d. Tann auf den Präsidenten Loubct krackte Ge sandter v. Scklözer das Hock auf den Kaiser aus. Ter Ge sandte erinnerte an die großen Erfolge, welche Deutsch land Dank der Initiative deS Kaisers während dessen Regierungszeit in Frieden und Freundschaft mit den anderen Mächten erzielt babe und hob mit Genug- thuung hervor, daß Teutschlanv und Frankreich sich der ge meinsamen Erfüllung großer civilisatoriscker Aufgaben widmen konnten. Zum Schlüsse gedachte Redner de« schmerzlichen Verlustes, der den Kaiser betroffen. Mil Begeisterung stimmte die Festversammlung in das dreifache Hock ans den Kaiser ein, worauf ein Hulvigungstelegramm nach Oöbornc ab gesandt wurde. * Paris, 28. Januar. DieDeputirtenkammer genehmigte mit 425 gegen 41 Stimmen den Gesetzentwurf, betreffend die Be willigung eines zweiten provisorischen Zwölftels, und nabm darauf die Berathnng des Bereinsgejetzes wieder auf. Der AbbS Gayraud befürwortete einen Gegeuentwurf, welcher voll ständige VereinSfreiheit fordert. Er sucht bei Begründung seines GegenentwursS die Lehre der Jesuiten zu rechtfertigen und erwähnt den SyUabus und die Inquisition. Nachdem der Bericht erstalter erwidert hat, wird der Gegeaentwurs mit 419 gegen 94 Stimmen verworfen. Großbritannien. Ker Thronwechsel. * v<h«rue, 28. Januar. Heute Vormittag wurde der deutsche Kronprinz vom Könige in feierlicher Weise mit dem Hosenbandorden investirt. Der unter grvtzem Glanz vollzogene Act fand in dem Zimmer de- Gelltimen Rathe- statt. Anwesend waren die bohen Würdenträger de- HofeS und daS militärische Gefolge Er. Majestät deS Kaiser- Wilhelm. Die deutschen Officiere, welche sich deS Vormittags zur Feierlichkeit von Trinily Pier nach O-borne begeben hatten, kehrten nach derselben zur „Hobenzollero* zurück. * Lowe«, 29. Januar. (Telegramm.) Bei der In» vestitur des Kronprinzen hielt der König an den Prinzen, der vor ihm kniete, «ine herzliche Ansprache. Alsdann wandle sich der König in tief bewegten Worten an den Kaiser, besprach seinen Besuch, der in die Zeit eines schmerzlichen Verlustes falle, und verweilte dann bei den übrigen Familienbeziehungen, die beide Länder verbänden. * Lonvn'k, 29. Januar. (Telegramm.) Nach einer Bekanntma >g im Amtsblatte dauert die Landestrauer bis zum 6. März, worauf Halbtrauer bi- zu« 17. April folgt. — Der König hat bestimmt, daß der 2. Februar, der Tag der Beisetzung der Königin, als allgemeiner Trauertag gelte. Alle Banken sollen geschlofsea sei» und alle Geschäfte ruhen. * Rom, 28. Januar. Die „Agenzia Stefaai* meldet: Der Vatican beschloß auS Anlaß der Beisetzung der Königin Victoria nicht von den herkömmliche» Gewohn heiten abzuweichen und keine officielle Vertretung hierzu abzusenden. Der Vatican wird sich darauf beschränken, sich bei der Krönung deS Königs Eduard durch eine Abordnung vertreten zu lassen. * London» 28. Januar. Die meisten Morgenblätter widmen dem deutschen Kaiser anläßlich seine- CeburtSIages sympathisch« Leitartikel. „Daily Telegraph" schreibt: Der Versuch, dem Kaiser besuche «ine politische Bedeutung beizulegen, würde rin ungerechtfertigter Irrthum sein, aber eS giebt nicht riuen einzigen Engländer, der nicht die Zuversicht hegt, daß die innige Berührung, in welche der deulsche Kaiser und daS britische Volk miteinander gebracht worden, di« völlige Beseitigung eines großen Mißverständnisse« zur Folge haben werde. Man sage in kundigen Kreisen, eS herrsche im Gcmüthe de« Kaiser- der Ein- druck vor, daß er bei uns nicht beliebt sei. Wenn ein Land zu einer anderen Zeit (!) alS der seiner Trauer und Zurück- Haltung Gelegenheit hätte, seinen Gesinnungen Ausdruck zu geben, so würbe jedweder Zweifel hinsichtlich der Popularität Les Kaisers in England ein- für allemal gänzlich gehoben werden durch die Kundgebung einer öffentlichen Begeisterung, wie solche niemals zuvor einem großen Gaste Englands zu Theil geworden. (Mgdb. Ztg.) * London, 28. Januar. Dem „Daily Chronicle" wird aus Portsmouth gemeldet, die Thatsache, daß Deutschland im Stande ist, einen großen Theil seiner Marine so rasch in daS Ausland zu senden, sei nicht der Beachtung entgangen. In Flottenkrriseu trete beharrlich das Gerücht aus, daß etwa« mehr al» ein bloße- Flotten- jchauspiel bevorstehe; man erwarte, daß bei dieser Gelegenheit irgend rin anglo-deutscher Pact besiegelt werden würde. (!?) * Petersburg, 28. Januar. Während der „Swjet" und die „BioShewija Wjcdomosti" auS dem Aufenthalte des deutschen Kaisers in England und seiner Ernennung zum Feldmarschall willkürliche Schlüsse auf ein angebliches deutsch-englisches Bündniß ziehen, erblicken die „Nowosti" in der Reise des Kaisers nach England und die Entsendung deS deutschen Geschwaders nach Spithead keine Umstände, die für eiu Bündniß sprächen. Ein derartige- Bündniß sei kaum zu verwirklichen. „Wir sind weit entfernt," sagt da» Blatt, „die deutsche Politik gegen verschiedene mehr oder weniger gerechte Bo» würfe zu vertheidigen, müssen aber sagen, daß den Leitern dieser Politik gegenwärtig Pläne zugeschrieben werden, die sie wahrscheinlich nicht hegen." Die Zeit sei allerdings geeignet für die Verbreitung phantastischer Gerüchte, die wohl erst aushörteo, wenn die Ereignisse sie dementirten, was vielleicht bald geschähe. ES wird osficicll mitaetheilt, daß die nach der „Daily Mail* erzählte Scene im Sterbezimmer zu Osborne bei Ankunft des deutschen Kaisers reine Erfindung sei. (Tie Königin sollte angeblich zuerst geglaubt haben, Kaiser Friedrich stehe an ihrem Bette, worauf Kaiser Wilbelm bemerkte: „Nein, nein, ick bin ja Dein Enkel Wilhelm"^ Mehr alS eine derartige ungehörige Erfindung, sagt die „Morning Post", sei in der vergangenen Woche gemacht worden und dadurch sei die königliche Familie in ihrem tiefen Schmerze nicht nur peinlich berührt worden, sondern auch der Ruf deS Journalismus babe gelitten. Auch der Correspondent der „Times" in Cowes beklagt sich über das Benehmen einer Anzahl Journalisten, weiche vor dem Parkthore de« Schlosses die Nachricht von dem Tode der Königin er warteten. Der Correspondent passirte um di« Zeit, al« die Königin starb, die nach dem Schloß führende Straße, als er auf höchst häßliche Weise von dem Ereigniß in Kenutniß gesetzt wurde: „In der Ferne hörte man laute- Rusen, dann kam eine Menge Wagen im Galopp hergrjaust, Radfahrer jagten mit halSbreche- sichert. DaS Fallissement der altehrwürdigen Firma Schwändi stand vor der Thür — eine Folge der in gutem Glauben von ihm unternommenen, aber durch die bodenlos leichtsinnigen Projecte seine« Mitarbeiters, de« am Tage der „Enthüllungen" flüchtig ge wordenen Götz Orell, verfehlten Speculation. Das theuer auf gekauft« Land ist für andere als Bahnzwecke fast unbrauchbar. Es ist den vielen armen Kleinbesitzern, die seiner Zeit ihre un fruchtbaren Länderstrecken zu so gutem Preise loswurdrn, nicht zu verargen, daß sie den Verkauf, der daS Glück ihres Lebens be deutete, nicht rückgängig machen wollten. Andererseits verdiente Schwändi in seinem Unglück die volle Sympathie Aller, die um sein tragisches Geschick, die um den Muth seiner Selbstaufopfe rung wußten. Er starb, treu gepflegt von seiner einzigen Tochter, ohne in den letzten Tagen zum Bewußtsein gekommen zu sein. Friede seiner Asche." „Friede seiner Asche!" wiederholte auch der Professor er schüttert. Alexander war ans Fenster getreten. An dem kleinen Kirch lein vorbei, blickte er au» nach dem Gotte-acker, in dessen geweihte Erde er selbst mit der Segnung der Religion so manchen Mit streiter im rauhen Kampfe umS Dasein versenken geholfen hatte. Ob da drüben auch solche Lügen Uber den steinigen Gräbern noch fortwebten - Da war nun dieser armselige Schwändi in di« Grube ge fahren — bittere Verwünschungen gegen sein Kind autstoßend, da» dem kategorischen Imperativ der Pflicht gefolgt war, da» sich und ihn, in einer höheren Auffassung des Leben«, zu Bettlern gemacht hatte, um di» Ehre vor Gott und den Menschen zu retten. Niemand wußte darum, daß er au» freien Stücken nie und nimmer ein solche» schwere» Opfer auf sich genommen hätte, außer seiner Tochter, außer Orell — außer Elisabeth und ihm. Anna hatte dor dem Bunde erklärt, im Auftrage ihr,» Vater» die Entbüllungen dorzunehmen, — es war durch Gotte» wundersame Fügung, die den zürnenden Schwändi von der Erd« avrtef, bevor er sich selbst die Dornenkrone de» Märtyrer» vom Haupte gerissen hatte, nicht zu einer Widerlegung gekommen. Orell war feig in» Ausland enMobea; irgendwo im fernen Lande mochte er al- „Mann der Thai* sein lecke» Abenteurerleben von Neuem beginnen, bi» auch ihn einmal die zermalmend- Hand GotiS erreichte. Eine Aufdeckung de» frommen Betruges, den Atm« deriibt, war durch ihn tsum mehr zu erwarten — wohl auch «eh» »hhttch. Und sollte cr oder sollte Elisabeth der Mythe von Schwiindi's Opferthat ein Ende machen? Nein, ihm, dem christlichen Diener Gottes, stand nur daS Recht der Vergebung — nicht der Strafe zu. Alexander faltete die Hände, hob seinen Blick von den kümmer lichen Holzkreuzen, die die Gräber da drüben schmückten, zum blauen Himmel empor, der über der wunderbaren, stillen Alpen landschaft leuchtete, und flüsterte, gleich dem Bettlägerigen, in tiefer Bewegung: „Friede seiner Asche!" Still hatte sich Alexander in der Mittagsstunde aufgemacht, um Anna cntgegenzugehcn. Da sic nach ihrem Telegramm den weiteren, aber mit dem Wagen besser zu befahrenden Weg über Oberndorf nahm, so war ein Verfehlen ausgeschlossen. Es wäre ihm lieber gewesen, hätte ihn Elisabeth begleitet. Aber sie wollte sich vor Anna nicht mehr zeigen. Ihr Kirchen Hab' und Gut war geordnet und gepackt. Während Anna beim Kranken weilte, wollte sie abschievslos aus dem Hause gehen. Anna verließ den Wagen, als sie den ehrfürchtig grüßenden jungen Geistlichen sah. Er reichte ihr schlicht und herzlich die Hand. Langsam folgten sie dann dem Wagen. Anfangs wollte daS Gespräch nicht in Fluß kommen. Ob wohl sie Beide in der letzten Zeit so viel von einander gehört hatten und sie Beide wußten, daß sie sich genauer kannten, als wenn sie jahrelang einen äußeren Verkehr mit einander gehabt hätten, war es ihnen Beidcn doch wunderlich, ja, fast auch peinlich, daß sie nun über Vie jo tragische Situation sich mit einander auSsvrechen sollten. Und doch hatten sie Beide so unendlich diel auf dem Herzen. Anna'» ehrliche Sorge um den Zustand Arnold'» öffnete ihr endlich die Lippen. „Ich hatte oft dir Feder angesetzt in diesen schweren Tagen, um an Sie oder Ihre Schwester zu schreiben, Sie zu bitten, mir eine Nachricht über Arnold zUkommen ru lassen", sagte sie, während ein düsterer Schatten über ihr Antlitz huschte, „aber ich brachte es nicht über mich. Ich mußte erst innerlich frei ge worden sein von meinen grausamen Selbstoorwiirfen — uns von den Anklagen, die auch gegen ihn durch mein« Seele klangen/ Alexander war zögernd stehen geblieben. „Und der letzt; Groll ist nun endlich au» Ihrem Herzen geschwunden?" Tief athmete Anna auf. „Ja. Jetzt habe ich meinen Frieden wiedergefunden. Und ich danke Gott au» voller Seele, daß er meinen unglücklichen Vater zu sich gerufen hat, »Mor «r, auf s-tiu alte« Lage noch, materiell« Noch k«,«« lerne» mutzt«. Mein Vater besaß keine Kämpfernatur. Er wäre schwächlich unterlegen im Kampfe um's Dasein. Das Alles sage ich mir jetzt, und es versöhnt mich mit seinem Hintritt. Aber cs hat auch Stunden gegeben, wo ich mir geradezu als seine Mörderin vorkam!" Schaudernd wehrte der junge Geistliche ihr ab. „Dieser ent setzliche Vorwurf trifft Sie ebensowenig als Arnold. Sie thaten Leide nur Ihre Pflicht." „Ich glaube cs jetzt selbst. Und ein Trost ist mir ja geblieben: der, daß sie Achtung der Welt den Entschlafenen übcr'S Grab hinaus begleitet." Langsam nickte Alexander. „Oo moi-tuis ui! rüsi bono. Ich glaube, der pietätvolle Spruch der Alten paßt so ganz in den Rahmen der christlichen Gebote, daß Gott Ihnen Ihren frommen Betrug gewiß verziehen hat!" Diesen Worten erst entnahm Anna, daß der Pfarrer auch über die schwerste und härteste Erfahrung ihre» Lebens unter richtet war. „Ihre Schwester hat Ihnen gesagt . . . .? Ist sie denn noch bei Ihnen? Ich muß ihr noch innigen Dank sagen. Sic hat mir grausame Worte gesagt, wegen deren ich ibr zuerst zürnte, die mich dann aber doch aus meiner Ruhe aufritttelten, mich tn einen furchtbaren Streit mit meinen angeborenen und an erzogenen Anschauungen brachten und mir schließlich die Kraft gaben, den harten Kampf aufzunehmen. Und nicht nur als Mah nerin erschien sie vor mir — auch Worte des Trostes fand sie, als sie mich schließlich so klein und gedemüthigt sah." Arrf ihre dringliche Aufforderung, ihr den Aufenthalt seiner Schwester zu nennen, erwiderte Alexander nur ausweichend: „Ich werde ihr jedes Wort von Ihnen mittheilen, Fräulein Schwändi, und glauben Sie mir, die stolzeste Errungenschaft ihre» Leben» wird die sein, Sie auf den rechten Weg gebracht zu haben." Tief sah sie dem bleichen Manne in» Äugt. „Was sind Sie doch für wunderbare Menschen, Sie Beide." Verwirrt wandte der Geistliche da» Antlitz von ihr. „Wir thaten Beide nicht» Andere» al» da» — wa» wir für unsere Pflicht hielten." Anna war wiederum stehen geblieben. Nun trat «tn melan cholische» Lächeln tn ihre feinen Züge. „Die Erfüllung di«s«r Pflicht forderte von Ihrer Schwester aber ein noch viel größere» Opfer al- wie von mir." „Wit — meinen Sie das, Fräulein Schwändi?" „Ich braucht«, um aut LKd gerecht zu handeln, nur auf «itl«, ituß«r« Güter zu verzichten. Ihr« Schivrfkr atz»» Will «la tzatll« geres Opfer bringen: sie will ihrem ÄebensglÜL entsagen. Denn Hanv auf's Herz, Herr Pfarrer, sic liebt Arnold -doch innig und aufrichtig?" „Das — ist wohl — «in Irrthum, Fräulein Schwändi! Elisabeth hat Ihnen da» doch nicht gesagt?!" „Nein, gesagt hat sie es mir nicht. Und in meinem Wohl leben, in den Tagen meines früheren Glanze», würde ich auch nicht verstanden haben, das Nichtgcsagte, das Verschwiegene mir zu deuten — zwischen den Zeilen zu lesen. Erst seitdem ich selbst unglücklich geworden bin, tisf unglücklich, habe ich gelernt, da» Unglück der Nebenmenschcn zu begreifen, überhaupt darauf zu achten, danach zu forschen, ob und warum Andere unglücklich sind." „Aber ich verstehe nicht, wie Sie darauf kommen, Fräulein Schwändi, anzunehmen, daß Elisabeth — daß mein« Schwester . . ." „Daß Ihre Schwester den Professor liebt?" fiel Anna matt lächelnd ein. „Ihre Angst um sein Glück, ihre Verzweiflung darüber, daß ich zuerst gar nicht verstehen wollte, wie schwer ich ihn gekränkt hatte, und ihr Jubel, als ich endlich einwilligte, zu ihm zu eilen, um ihn mit beiden Armen am Leben festzuhaltea — Dies Alles verrieth mir, wie eS in ihrer Seele auisah. Anna hielt dem Pfarrer beide Hände hin und blickte ihn bittens an. „Wollen wir nun nicht ganz ehrlich gegen einander sein? Au» diesem stillen Pfarrhaus von Wängli, da» ich noch nie in meinem Leben gesehen, ist in den vergangenen Tagen so manche wunder same Mahnung an mein Ohr und an mein Herz aedrungen. Die größt«, strengste, aber auch erhabenste, war die Forderung rücksichtsloser Wahrhaftigkeit. Nur ein« Lügt ließ ich mir, seit dem Ihre Schwester zu mir gesprochen, zu Schulden kommen, die um meines DatetS willen; und Sie, der Diener Gotte» selbst, haben sie mir verziehen. Sonst aber habe ich tn Allem der Wahr heit thr Recht gegeben. Wollen Sie nun da» Distr nicht gleichfalls öffnen und mir ehrlich einaestehen, wa» dir Ahnung mir schon länast oerrieth?" Alexander war sehr bewegt von ihren Worten. Fr fuhr sich Uber die Augen und erwiderte tonlo»: „Nun ja, Fräulein — wie dürst' ick'» jetzt noch leugnen — Elisabeth ließt ihn. Seit Jahren schon. Sie waren getreue Jugendfreunde. Aber sie liebte ihn niemal» au» selbstsüchtigen Motiven. Und so war*» auch fetzt, well sie ibn verzweifeln sah, gab sie ihm dies» «ine beilig», groß- Ehrenpflicht, die seinem sonst vrrlorrnrn L«tzrn neuen Muth verleihen sollte."
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder