01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.02.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010204012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901020401
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- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901020401
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- LDP: Zeitungen
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
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Anzeigen-Preis die Sgespaltene Petitzeile SS Reklamen unter dem Ridaction-strtch (4 gespalten) 75 vor den Familienna«^ richten («gespalten) KO H. Tabellarischer und Ziffernsatz eatsprrchend höhrr. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 85 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen.illu-gabe, ohne Postbesärderung ./l SO.—, mit Postbesärderung ^tl 70.—» Ännahmeschluß für Änzrige«: Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. vei de« Filialen und Annahmestellen je ei« halb« Stund» früher. Anzeige« sind stet« an die Expehftis« zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Druck uud Verlag von E. Pol» in Leipzig 83. Montag den 4. Februar 1901. 95. Jahrgang. Saline Mensah im Vogtlande. Nackdruck «erbotm. In einer, der anmuthigsten Gegenden des Vogtlandes, zwei Stunden südöstlich von Plauen, umgeben von schön be waldeten Hügeln, saftigen Wiesen und fruchtbaren Auen liegt das Dorf Altensalz. Hier sprudelte vor Jahrhunderten eine Soolquelle, deren Gehalt so stark war, daß eine Saline entstand. Leider fließen über diese die Nachrichten recht dürftig; die ältesten Nachrichten sind wahrscheinlich bei dem Einfall der Hussiten im Jahre 1430, da das vogtländisch-burggräfliche Schloß zu Plauen, der Ratschauer genannt, von den entmenschten Böhmen in van- dalischer Weise verwüstet ward, mit verloren gegangen. Hundert Jahre lang hat dann die Tradition dafür gesorgt, daß die Saline Altensalz nicht völlig der Vergessenheit anheim fiel. Die erste Nachricht nach dem Verfall stammt aus dem Jahre 1520. Schon vor 1520 hatte man wiederholt Ver suche gemacht, die Saline Altensalz wieder in Betrieb zu setzen, und die demolirten Gebäude aufzurichten; 1520 aber lieferten nachweislich die nahe gelegenen kurfürstlichen Waldungen starkes Holz zum Aufbau und zur Reparatur der Salinenanlagen. Es kam auch soweit, daß die Saline gang- und benutzbar ward. Eine durchgreifende Reparatur machte sich auch im Jahre 1569 wieder nöthig. Da aber um diese Zeit großer Holzmangel herrschte, auch die Kosten der Herstellung sehr hohe gewesen sein würden, so unterblieb der in diesem Jahre angeregte Ausbau, und die An lage ging ihrem Verfalle wiederum entgegen. Obwohl in den Jahren von 1569 bis 1596 verschiedene bemittelte Personen an sehnliche Summen zur Erhaltung der Saline verwandten, so wurde doch deren Verfall dadurch nicht aufgehalten. Das Bergamt Schneeberg gedenkt des Salzwerkes zu Altensalz in einem Berichte vom 28. Mai 1642 Es heißt darin unter Anderem: „Warum dieses Werk von den lieben Alten auf lässig worden, bat man keine Nachrichten als diese: Es sind zwei große Teiche über Dreye — dem heutigen Treuen — gelegen, eine Meile Wegs von dem Dorfe Altensalz, dieselben durch eine große Wasserfluth vor 100 Jahren sehn abgerissen worden und sollen solche Gebäude verschlämmt haben, wie es denn der be findliche Augenschein jetzo giebt, da wir 12 Lachter tief in den Gruben Schlacken von Hammerwerken, Bachsteinen und anders mehr gefunden, auch noch jetzo im Wasserlauf, welcher vom Mundloch an bis oben an die First fast die Hälfte noch offen, doch aber aller im Gezimmer und kein Lachter im ganzen Gestein, auch alles von dergleichen Schlacken und Bachsteinen voll liegt." Aus diesem Bericht ersieht man, daß eine große Wasserfluth dir Schächte der Saline ersäufte und sie ungangbar machte. Ilm 1596 gedenkt die Staatsregierung wiederum der Saline Altensalz. Unterm 22. Juli und 29. August 1596 empfängt der Amtsschösser Peter Schönselder zu Plauen Befehl, „eine Flasche voll guter, reiner Soole aus dem Salz brunnen zu Altensalz nach Dresden zu schicken." In Dresden muß man die Soole reichhaltig genug befunden haben, um eine Wiederaufrichtung der Saline in's Werk zu setzen; denn unterm 29. August 1596 erhält der Amtsschöffer den weiteren Befehl, „die drei Pingen zu Altensalz gewältigen zu lassen." (Unter Pingen versteht man zusammengebrochene Schachtanlagen.) In welchem Umfange die Wiederherstellungsarbeiten der Saline Altensalz durch den Amtsschösser Peter Schönefelder ausge nommen wurden, läßt sich nicht mehr ermitteln, da bei dem großen Brande zu Plauen am 1. Mai 1635 die diesbezüglichen Acten mit vernichtet wurden. Eine Wiederaufnahme der He rste l lu ngs- arbeiten der Saline Altensalz erfolgte im Jahre 1638 durch den Landjägermeister Hans Georg^von Carlowitz. Ehe er die Erneuerung der verschütteten Saline in Angriff nahm, suchte er von der Landesregierung die Be leihung der Salzquelle Altensalz als auch die Beleihung der an deren rn der Umgebung vorhandenen Salzadern zu erlangen. Die Beleihung ward denn auch am 6. Februar 1638 aus gesprochen und am 12. September 1642 ward ihm ein ander- weites Privilegium ertheilt, nach welchem er „den Salzbrunnen zu Altensalz, andere innerhalb Drei Meilen Wegs gelegene Salz adern zu eröffnen, abgcwältigen, versinken, die Wasser aus der Teufe und wo es von Nöthen, in Gräben zu den Kunst- und an deren Zeugen führen, die Salzquelle fassen, zu Tag ausbrinzen und alle nothivendigen Gebäude, als Wohn und Gradir-, wie auch Siedehäuser, sowohl was sonst zu Anrichtung des Salz werkes gehörig und zur Erhaltung der dazu bedürftigen Leute, füglich nicht zu entrathen, erbauen und aufrichten möge." Der Kurfürst Johann Georgi, begnadete den Land jägermeister von Carlowitz auch noch mit weiteren Vor rechten. Sollte Jemand innerhalb eines Umkreises von drei Meilen eine Salzquelle oder Salzstein erschürfen, so sollte von Carlowitz gegen „eine billige Ergötzlichkeit" dazu das Vorkaufs recht Haden. Ferner wurde von Carlowitz auf zehn Jahre, vom ersten Salzsieden an gerechnet, von der üblichen Zchntengedühr gänzlich befreit. Das zu Altensalz gesottene Salz sollte er nach eigenem Ermessen in- und außerhalb des Landes frei verkaufen können unter der Bedingung, daß es beim jetzigen >alzquell verbleib«, derselbe sollte weder gesteigert, noch sollte sonst etwas Neues darauf geschlagen werden. Zur Erbauung der Kothen, Künste, Gradir, Berg, Huth und anderer Häuser, zur Aus zimmerung der Schächte und Gruben sollte von Carlowitz das nöthige Holz aus den kurfürstlichen Forsten gegen das übliche Anweisegebd erhalten. Ferner sollten alle bei dem Salzwerk an gestellten Personen aller Dienste, „wie die Namen haben möch ten, Wachen, Heerzüge, Anlagen UND Steuern befreit sehn, sowohl einis freien Zu- und Abzugs mit allem dem, was sie dahin brächten, ererbten und erweckten, zu genießen und damit ihres Willens zu gebahren seyn sollten". Sollte das Bergwerk zu Altensalz im Schwange getrieben werden, so sollte gestattet wer den, "daß neben einem Wirthshaus auch ein Brau- nnd Malzhans aufgerichtet wende, das hier erzeugte Bier sollte nur mit der halben Steuer belegt werden; auch wurde für die zum Salzwerk gehörenden Personen freies Backen und Schlachten bewilligt; sollte das Salzwcrk einen solchen Aufschwung nehmen, daß Wochen-, Vieh- »der Jahrmärkte sich nöthig machten, so würde auf Ansuchen solches auch gnädigst gestattet werden. Der Aufbau der Saline Altensalz durch Herrn von Carlowitz begann im Jahre 1638. Die Be schaffung des geeigneten Bauholzes bereitete Schwierigkeilen, da durch den Aufbau der Saline in früheren Jahren und durch an dere Bauten der kurfürstliche Wald in der Umgebung von Alien salz an starkem Bauholze arm war, so daß von Carlowitz von der verstatteten kurfürstlichen Freiheit nur in so weit Gebrauch machen konnte, als er das bcnöthigte Fcuerungsholz zum Sieden und Kochen des Salzes und der Beheizung der Gebäude aus den kurfürstlichen Forsten entnehmen konnte, das Bauholz mußte er anderweit beschaffen. Drei Jahre nach Beginn der Arbeiten, also 1641, gedenkt das Bergamt Schneeberg des Salzbrunnens M Altensalz mit folgenden Worten: „daß von Carlowitz den Salzbrunnen zu Altensalz, in der Hoffnung, reichere Soole zu gewinnen, wieder gewältigt habe, und daß er sich auch alle Mühe gebe, die wilden Wasser abzufllhren und zu bereichern". Das aufgerichtete Gradirhaus war 47 Ellen lang, IOV2 Ellen hoch, zum Sieden ließ er eine Pfanne anfertigen, die fast 7 Ellen t.n Geviert gehabt haben soll. Zum Sieden scheint es aber .1641 noch nicht gekommen zu sein, denn als am 8. November das Gradiren kaum begonnen hatte, trat «in heftiges Regenwetter ein, die Trieb trat aus und setzte die neuen Anlagen unter Wasser, wodurch das Auspumpen von Soole unmöglich gemacht wurde. Di« Trieb war überhaupt idem Unternehmen ein dauerndes Hin derniß, ihre oft reißenden und ungeahnt schnell anschwellenden Wogen bedrohten dasselbe gar zu leicht. Diesem Uebelstand« abzuhelfen, war von Carlowitz fortgesetzt besorgt. Wegen Füh rung eines Abzugsgrabens scheint er mit den Flurnachbarn tn Streit gerathen zu sein, wodurch der Betrieb der Saline wie derum hinausgeschoben wurde; auch fehlte es ihm an geschultem Personal. An Betriebspersonal hatte er auf dec Saline einen Steiger, drei ständige Arbeiter und die nöthigen Hüttenleut:. Nach seinem Tode ward der Betrieb der Saline wiederum ein gestellt. Durch Professor Lehmann aus Leipzig wurde 1722 bas Salzbergwerk wieder gangbar gemacht, die Siede- und Trockenhäuser wurden wieder hergestellt, 1740 aber hörte der Betrieb für immer auf. Das zu Altensalz gewonnene Salz batte nach Jahn's Angaben eine dunklere F^rbe als das der Salinen zu Käsen und Diirrenberg, hatte aber fast eine doppelte Schwere und Schärfe. Als 1641 durch den Landjägermeister von Carlowitz die erste Soole gefördert wurde, fand man diese bei einer Tiefe von 7^(> Lachter dreipfündig, bei 11^ Lachter — ein Lachter gleich zwei Meter — war sie bereits vierpfündig. Daraus, daß die Landesregierung wiederholt Diejenigen, die sich mit der Wiederherstellung der Saline Altensalz befaßten, thatkräftig unterstützte, ist zu schließen, daß man höheren Ortes von Der Ertragsfähigkeit Dieses Unternehmens überzeugt war. Durch Verknüpfung widriger Umstände, wie ungünstige Lage des Schachtes im Uebcrschwemmungsgobiet der Trieb, ungeschultes Betkiebspersonal, unzureichende Mittel und unruhige Zeiten, blieb dieser unterirdische Schatz ungehoben und harrt noch heute des Augenblicks, in dem rr der Menschheit in irgend einer Art dienstbar gemacht werden soll. Hauptversammlung des Leipziger Lezirksvereius gegen den Mißbrauch geistiger Getränke. In der am 28. Januar im Saale der vormaligen I. Bürger schule abgehaltenen Hauptversammlung des Bezirksvereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke wurde, wie in Ergänzung des von uns bereits gebrachten kurzen Berichts mitgetheilt sei, von dem Vorsitzenden, Herrn Justizrath vr. Gensel, folgender Geschäftsbericht erstattet: In der Hauptversammlung vom 10. April v. I., die trotz dringlichster Einladung nur sehr schwach besucht war, wurde auf Antrag des Herrn Justizrath I)r. Fels beschlossen, die Mit glieder mittels Rundschreibens aufzufordern, daß jedes mindestens 2 oder 3 neue Mitglieder für den Verein gewinnen möge. Dies wurde im Mai ausgeführt, es wurden auch den Briefen je einige mit Vordruck zur Beitrittserklärung versehene Karten beige- fiigt. Das Ergebmß war jedoch sehr gering: zu den früheren 69 Mitgliedern kamen im Ganzen 5 neue hinzu, andererseits sind inzwischen wieder 3 ausgeschieden, so daß der Bestand jetzt 71 beträgt. Der Mißerfolg ist um so auffälliger, als anoer- wärtsjetztdasVerständnißfürdreBedeutung unddieNothwendigkeitdesDeutschenDereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke sicht lich w ä ch st. In einer am 2. December unter Theilnahm« des Geschäftsführers Herrn Just gehaltenen Besprechung wurde auf dessen Anregung in Aussicht genommen, nach dem Beispiele des blühenden Casseler Vereins besondere Aufrufe an die verschiedenen Berufsgruppen zu erlassen. Die be züglichen Schriftstücke sind vor Kurzem eingegangen, und der Vorstand wird sich nunmehr näher damit zu beschäftigen haben. Bereits früher hatte der Vorstand die Vertheilung einer Schrift geplant, welche die überaus wichtige Frage der Bewahrung der Kinder vor Den Gefahren deS Alkohols be handelt. In der Sitzung vom 3. October wurde dafür die Schrift des früheren Geschäftsführers, Herrn vr. Bode, aus ersehen: „Warum unsere Kinder Wein und Bier nicht haben sollen." Der Vorsitzende wurde beauftragt, wegen Vertheilung dieser Schrift in den höheren Claffen der Volksschulen mit dem städtischen Schulausschuß ins Vernehmen zu treten. Dieser hat nach Gehör der Directoren-Conserenz die Vertheilung an über 11800 Kinder genehmigt. Nach Be schaffung der erforderlichen Zahl ist um Mitte Januar die Schrift den betheiligten 48 Directoren zugestellt, auch sind sie bei dieser Gelegenheit um ihre Mitarbeit für die Zukunft ersucht worden. Auf Veranlassung des Vorstandes sind in der ersten Hälfte des Winters zwei Vorträge gehalten worden, der eine, nach wiederholt nothwcndig gewordener Verschiebung, am 1. Te- cember von Herrn I)r. rueck. Hinze über die Wirkungen des Alkohols auf die Gesundheit der Kinder, der andere am 15. De cember von dem Wanderlehrer Herrn vr. Sim 0 ni : „Der Alkohol und sein Einfluß auf die allgemeine Nervosität." Der Besuch war in beiden Fällen nicht so stark, wie es zu wünschen gewesen wäre, aber immerhin verhältnißmäßig leidlich. Bei der schon erwähnten Besprechung vom 2. December wurde aber der Erkenntniß Ausdruck gegeben, daß mit Vorträgen allein die Zwecke des Vereins nicht genügend gefördert werden, daß eS vielmehr dauernder Einrichtungen bedarf, die diesen Zwecken dienen. In dieser Hinsicht wurde in erster Reihe die Be schaffung von Räumen genannt, indenenjungeLeute ohne Trinkzwang verkehren können. Der Vor stand glaubt auf die Opferwilligkeit unserer Mitbürger für solch: offenbar nützliche Einrichtungen rechnen zu dürfen. Bei der Hauptversammlung des Deutschen Vereins, die gegen Ende September in Dresden stattfand, war unser Verein durch die beiden Vorsitzenden vertreten, di« aber beide wegen dringender Geschäfte den Verhandlungen nicht in ihrer ganzen Dauer beiwohnen konnten. Unter den Beschlüssen ist der auf Schaffung einer regelmäßigen Vereins- Correspondenz für dieZeitungen gerichtete hervor zuheben. Die Leitung wurde zunächst in die Hände des Dres dener Vereins gelegt, unter Mitwirkung eines Preßausschusseß, in dem die verschiedenen Landes- und Provinzialverbände Ver tretung finden sollen. Im Zusammenhang mit der Versammlung des Deutschen Vereins sand eine sächsische Landesoersammlung statt, um Frrrilleton. Der Liebesbrief. Humoreske von A. W. I. Kahle. Nachdruck verboten. „Du willst also den Emil Götz nicht heirathen?" sagte Herr Philips und schoß unter den zusammengezogenen, buschigen, schwarzen Augenbrauen kriegerische Blicke hervor auf seine hell äugige Tochter. Sonst hatte Else vok derartigen Blicken gezittert. Heute aber blieb sie standhaft und ließ muthig die Kanonen ihrer kleinen Festung spielen. „Nein, Vater, ich will ihn nicht", erwiderte sie. „Wie Du mich auch nur fragen kannst! Du weißt ja, ich liebe ihn nicht und werde ihn nie lieben." „Niemals ist ein langes Wort!" »Ja, Papa, das weiß ich. Aber wirklich, in der That, Du hast meine unveränderliche Meinung gehört." „Was Du sagst! Wirklich, Deine unveränderliche Meinung?" wiederholte der Herr in gedämpftem Tone. „Nun will ich Dir aber etwas sagen. Du willst mich glauben machen, daß Du Götz nur darum nicht magst, weil Du ihn nicht liebst. Denkst Du, ich wüßte nicht den wahren Grund? Dieser über Alles liebens würdige Farbenkleckser, dieser Max Wies«, steckt Dir im Kopfe!" Else wurde sehr roth. „Papa!" „Zum Teufel mit solchem Künstler!" brach der Vater zornig los. „Ich will keinen Tagedieb zum Schwiegersohn!" Wenn er noch wenigstens mit Stubenmalen und Häuseranstreichen einen anständigen Lebensunterhalt verdienen wollte —" „Aber Papa —" „Brauchst nicht mit mir streiten zu wollen, Else!" schnitt ihr der Vater streng das Wort ab. „Ich mag einen Menschen nicht, der keine feste Heimath hat und überall in der Welt um herstreift; ich sage eS Dir jetzt! Und wenn er sich beikommen lassen sollte, mein Hau» zu betreten, würde er mit bedeutender Geschwindigkeit wieder hinausfliegen. Das kannst Du ihm sagen!" Mit diesen Worten verließ der Papa die Küche, um sich über den Hof nach dem Pferdestall zu begeben. Die zarte, kleine Else blickte mit ihren sanften, blauen Augen ihm sorgenvoll nach. Dann stellte sie da» Plätteisen hin, mit dem sie de» Vater» Hemden geplättet hatte (Herr Philips hielt eS für eine schreiende Sünde, seine Wäsche fremden Händen an zuvertrauen, so lange noch seine Tochter sich ihrer gewöhnlichen Gesundheit erfreut»), lehnte sich mit dem Rücken gegen daS Fenster, auf welches die Sonnenstrahlen durch di« herzförmigen Blatt« «tau mächtige» Lind« hindurch zitternd herablugten, zog einen Brief aus der Tasche und entfaltete ihn. Er war von einer festen männlichen Hand geschrieben: „Meine theuerste Else! Ich liebe Dich. Willst Du mir ver sprechen, mein Weib zu werden, trotz allen Widerstandes? Willst Du es mir mit Deinen eigenen Lippen sagen? Immer der Deinige, treu bis in den Tod. Max." — Wie feurig blitzten ihre Augen, als sie die kurzen, einfachen Zeilen immer und immer wieder las! Zuletzt drückte sie den Brief an ihre rothen Lippen. „Ja, ich liebe ihn! Ich will sein Weib werden!" sprach sie vor sich hin. „Und bei der nächsten Gelegenheit will ich es ihm sagen. Nur der Papa, ach, der Papa!" Ein kummervoller Ausdruck beschattete ihre eben noch so freudig erregten Züge; aber nur einen Augenblick, dann hatte der Frohsinn wieder die Oberhand. „Vom Davonlaufen halte ich zwar nicht viel,", fuhr sie in ihrem Selbstgespräch fort, während sie noch immer auf das Papier in ihrer Hand blickte; „aber, wenn Papa wirklich uner bittlich ist und dabei beharrt, von unserer Verbindung nichts wissen zu wollen, dann will ich meine Heimath verlassen und Hand in Hand mit Max hinausgehen in die weite Welt!" Gerade, als dieser revolutionäre Gedanke durch ihr Köpfchen ging, rasselte der Thürdrücker, die Thür öffnete sich knarrend, und «in schwerer, wohlbekannter Schritt ertönte auf der Schwelle. „O Himmel — es ist der Papa!" flüsterte Else ängstlich in sich hinein. In ihrer Bestürzung konnte das arme, kleine Mädchen in den zahlreichen Falten ihres Kleides ihre Tasche nicht sogleich finden und steckte, um der drohenden Gefahr einer Emdeckung zu ent gehen, das aufrührerische Dokument hastig in den offenen Beutel, der, zur Hälft« mit Mohrrübensamcn gefüllt, an einem Winkel des Küchenfensters hing. Im nächsten Augenblick war Herr Philips in der Küche. „Else", sagte er, „geh hinauf und hole wir aus meinem Zimmer «in reines Taschentuch." Und Else ging, nachdem sie noch verstohlen einen ängstlichen Blick auf den Äeutel geworfen hatte. Als sie wiederkam, war Herr Philips dabei, seinen auf dem Hofe stehenden Wagen zu besteigen. „Bring nur das Tuch hierher!" rief er ihr zu. „Ich will zu Fräulein Els« Kallenbach hinüber und das Faß holen, in dem ich ihr den Apfelwein geschickt habe. Sie hätte auch daran denken können, es selber zurückzubringen!" Er steckte das Taschentuch ein und nahm gerade die Züg:l auf, als Else aus der Küche, in welche sie eilig zunickgckehrt war, zum zweiten Male herausstürmte, feuerroth bis an die Haarwurzeln. „Ach, Papa, hast Du den Beutel mit dem Samen ^mitge nommen?" „Jawohl, Kind, jawohl, ich habe ihn'', erwiderte er gütig. „Ich hab« schon vor längerer Zeit dem Fräulein Kallenbach «in wenig Samen von unseren schönen, dicken Mohrrüben ver sprochen, und an dem hier im Beutel wird sie wohl genug haben." „Aber, Papa", preßte de arme Else mühsam hervor, „soll ich ihn nicht — lieber noch einmal aufbinden — und nachsehen, ob — es richtig ist?" „Unsinn!" brummte er. Die Pferde zogen an und der Wagen rasselte über den gepflasterten Weg davon; Else ging in die Küche zurück, sich in eine Thränenfluth aufzulösen. „Ach, mein Brief, mein Brief!"schluchzte sie. „Warum war ich auch eine solche Thörin, ihn gerade da hineinzustecken!" — Fräulein Else Kallenbach, eine sehr dürre, stets sehr jugend lich gekleidete Jungfrau von sehr ungewissem Alter und sehr verliebter Natur, öffnete den Beutel mit dem Mohrrübensamen, als Philips das Gehöft ihrer Verwandten, denen sie die Wirth- schaft führte, wieder verließ. „Der alte Narr", keifte sie dabri. „Jetzt erst den Samen zu bringen! Und cs ist fast schon ein halbes Jahr her, daß wir ihn bekommen sollten! Ich verachte solche Menschen, die immer Alles aufschieben — Gott steh mir bei! Was ist dies?" Sie zog Else's Brief heraus. „Gewiß eine Rechnung für heimlich gekaufte Putzsachen, die das dumme, unbeholfene Ding, die Else, hier hat verstecken wollen! — Nein, doch nicht! — Wahrhaftig, es ist ein Liebesbrief! Und für mich, für mich! — „Meine theuerste Else!" — und unterschrieben „Max". Max Wilhelm Philips ist sein vollständiger Name. Jetzt ist es mir klar! — „Trotz allen Widerstandes." Wahrscheinlich meint er Else und meine Verwandten, die in dem thörichten Wahne befangen sind, ein junges Mädchen von neununddreißig Jahren brauche nicht mehr zu heirathen! Aber ich will doch sehen" — sie lachte ver ächtlich — „ob es ihnen gelingen wird, mich zu ihren Gunsten umzustimmen und mich zu ihren abgeschmackten Ansichten von der Ehe zu bekehren! — „Willst Du es mir mit Deinen eigenen Lippen sagen?" — „O, freilich, will ich das! Keinen Augenblick will ich zögern! Ich hasse das Aufschieben! Und wenn er es wirklich so eilig hat —" Else's Finger zitterten, als sie ihre kleinen Löckchen aus den Rollen wickelte und einen neuen, weißen Kragen nebst einem blauen Bande um ihren hageren Hals legte. Dann setzte sie ihr kokettes Darettchen auf, probirte noch mit ihren starren Augen vor dem Spiegel einen schmachtenden Blick und machte sich Mit schnellen Schritten auf den Weg. — Der Hausherr saß mit seiner Tochter beim Abendbrot», als Fräulein Kallenbach keuchend in das Eßzimmer hereinwankte. „Bitte, setzen Sie sich und essen Sie ein ivenig mit", sagte Herr Philips, während er sich nicht stören ließ. „Else, bringe noch einen Teller für Fräulein Kallenbach." „Ach, der liebe, liebe Max", dachte Fräulein Kallenbach, „er schickt Else fort, damit wir Beide allein sind!" Und sobald ihre zukünftige Stieftochter hinausgegangen war, erhob sie sich entschlossen von ihnm Stuhle und streckte beide Arme wie eine Ertrinkende aus. „Max!" rief sie, „ich bin die Deinige!" „Wa—s?" fragte Herr Philips und hörte auf zu essen. „Dein für immer und ewig!" Fräulein Kallenbach schlang ihre Arme um seinen Rockkragen und bohrte mit ihrem lockigen Haupte ohne Rücksicht auf ihr schönes Barett gegen seine Brust. „Sind Sie toll geworden?" rief der Herr und machte auf springend sich ziemlich unsanft von ihr los. „Sie haben mich gefragt, ob ich Ihr Weib sein wollte", sagte Fräulein Kallenbach schmachtend. Herr Philips wurde ernstlich böse. „Das ist nicht wahr!" brüllte er. „Ei! und was bedeutet dieser Brief? wie?" fragte Fräulein Else mit schlauem Lächeln und holte das verhängNißvoll« Papier aus der Tasche. „Das ist eine so deutliche Liebeserklärung, wie sie nur je Einer geschrieben hat." Herr Philips starrte bestürzt auf das Papier, welches sie triumphirend vor seine Augen hielt. „Aber — ich habe das nicht geschrieben", brachte er endlich heraus. „Ei! wer denn?" fragt« Fräulein Kallenbach lächelnd. In diesem Augenblicke trat Else mit frischem Thee und einen Teller ein. „Mein Brief!" rief sie mit blitzenden Augen und erglühenden Wangen, „mein Brief! Wie konnten Sie es wagen, ihn zu lesen, Fräulein Kallenbach?" „Bitte, er gehört mir", protestirte die alte Jungfer, „ich habe ihn aus Ihres Vaters Samenbeutel herauSgenvmmen." „Und ich habe ihn da hineingesteckt — um ihn zu verbergen", bekannte Else und wünschte sich weit fort auS dem Zimmer. „Wer hat ihn geschrieben?" fragte Herr Philips in gebiete rischem Tone. „Max Wiese, Papa." — Und Fräulein Kallenbach mußte mit getäuschten Erwar tungen heimgehen und schimpfte nach Herzenslust. „Papa", sagte Else, als Jene das Zimmer verlassen hatte, „Du läßt mir meinen Max, ja?" Herr Philips sah sie nachdenklich an. „Am Ende", dachte er, „thut sie wirklich so, wie der Schlingel verlangt, und geht mit ihm durch, wenn ich nein sage." „Mach' w-aS Du willst", brummte er verdrießlich. „Ich werde mich nicht mebr darum kümmern." — Und er kümmerte sich in der That nicht darum, al» am fol genden Tage — er sah gerade vom Fenster aus über den kleinen Blumengarten vor dem Hause hinweg auf die staubige Land straße — der junge Maler zögernd an der Gartenpforte erschien und gleich darauf Else aus dem Hause auf denselben zugeflogen kam und ihn bei der Hand hereinzog. Er blieb am Fenster stehen, als die Beiden in daS Zimmer und auf ihn zutraten, schüttelte die Hand, welche der junge Mann ihm treuherzig entgegenstreckte und gab ihm und Els« den Rath, ihn nicht weiter zu behelligen und «» unter sich aulzumachen, wo sie künftig ihr Nest bauen wollten.
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