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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.02.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010205021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901020502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901020502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-02
- Tag1901-02-05
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Da- von Kitchener recht kleinlaut gemeldete Mißgeschick von Modderfontein zeigt, daß auch die Gegend westlich von der Eisenbahn Ver- eeniging-Pretoria um Johannesburg herum nickt in den HL den der Engländer ist. Modderfontein liegt 35 km süd westlich von Krügersdorp, an den östlichen Ausläufern des GatSrandeS — jenes Hödenzuges, au den sich nach Osten der WitwatcrSrand «»schließt —, an der Straße Potckef- stroom-Jobannesburg und ist von der näcküen Bahnstation an der Linie KlerkSvorp-JobanneSburg 17 km entfernt. Es ist ein schlechter Trost für die Engländer, daß die gefangenen Osficiere und Mannschaften bereits wieder in Berecniging einzelroffen sind; daq Odium bleibt bestehen, daß hier aber mals eine englische Abtheilung durch eigene Unachtsamkeit oder durch Versagen der UnterstütznngSabkheilnngen eine Schlappe erlitten hat, deren moralischer Eindruck auf die Boeren gewiß bedeutend ist. UrbrigenS bat wieder einer der britischen Unterführer die Liste der gefallenen Größen vermehrt: General Hunter. Er ist des CommandoS über die Oranje-River-Coloni: enthoben worden, weSbalb, entzieht sich leider unserer Kenntniß; möglicher Weise ist das Einkommen De Wels nach seinem ersten Versuch, in die Capcolonie einzufallen, daran schuld. Sein Nackfolger in Bloemfontein ist General Tucker geworden, dessen Commando in Pretoria General Elements trotz deS Mißgeschickes bei Rooitgedackt übertragen worden ist, während Cunningham Clemeni'S Nachfolger in KrügerSdorp geworden ist. * London, 5. Februar. (Telegramm.) Wie ocr „Daily Telegraph" unter dem L. Februar ans (tapstadt berichtet, glanbt man dort, daß Piet Botha mit 2000 Maun und 7 (Kcfchntrcu von Smithfield ans in Sie Capcolonie eiugedrungen ist. * London, 4. Februar. Lord Kitckener telegraphirt aus Pretoria vom 3. d. M.: General French, der die Boeren ostwärts treibt, nahm denselben ein Fünfzehnpfnnder.Geschütz weg und fand aus dem Wege wichtige Theile eines anderen Geschützes, daS durch das Feuer dec britischen Truppen unbrauchbar gemacht war. — Die Kitchener - Scoats griffen an der Doornriver« Brücke 100 Boeren an. Diese zogen sich mit Verlust eines Tobten, verschiedener Pferde, Wage» und Tchießbedarf zurück. Die Briten hatten zwei Verwundete. Tas Widland-Commando wird durch Haig in der Richtung auf Steytlerville getrieben. — In den neuerlichen Schar- miitzrln verloren die Briten an Tobten 16 Mann. Die Wirren in China. Tie Garnison von Peking. Nach den letzten Nachrichten des „Dstasiat. Lloyd" -besteht die Garnison von Peking aus folgenden Truppen: Deutsches Reich: 1 Jntfanterie-Brigade (4 Bataillone), I Jäger-Compagnie, 2 Schwadronen des Ostasiatischcn Reiterregiments, I Abtheilung deS Ostasiatischen Feldartillerie-Regim«ntö (1. und 2. fahrende und 7. Gebirgsbatterie), Marine-Expeditionscorps: 2 Seebatail- lon«, Marine-Feldbatterie und Pionier-Detachement. Rußland: I Compagnie des 8. Schützenregiments, I Sotnie Kosaken mit 3 Maschinengewehren. Vereinigte Staaten von Amerika: 9. In fanterie-Regiment mit 10 Compagnien, 6. Cavallerie-Regiment, 1 Batterie des 3. 'Artillerie-Regiments. Großbritannien: Marineabtheilung (250 Mann mit 12-Pfündern), 7. Benga lisches Infanterie-Regiment (6 Compagnien), 1 Sikh-Jnfanterie- Regiment, 24. Pentschab-Jnfanterie-Regiment, 26. Bombay-Jn- fanterie-Regiment (6 Compagnien), 16. Bengalisches Lanzen- reiter-Reziment (3 Schwadronen), 12 Felsbatterten, 4. Com pagnie der Bengalischen Pioniere. Oesterreich-Ungarn^ Lan- dnngsabtheilung. Japan: 21. Infanterie-Regiment, 2 Schwa dronen des 5. Cavallerie-Rcgiments, 2 Batterien des 5. Artil lerie-Regiments, 1 Pionierdctachement. Italien: 1 Bataillon Infanterie, 1 Matrosenabtheilung (400 Mann), 3 Compagnien Becsaglieri, 1 Batterie Artillerie. Frankreich: 3 Bataillone Marine-Infanterie, 2 fahrende, 2 Gebirgsbatterien. Chinesische Vcutestncke. Mit der Post aus China träfen nähere Mittheilungen über die Regelung der französischen Beutefragein Marseille ein. Die noch auf chinesischem Gebiet befindlichen erbeuteten Gegenstände sollen, wie sie find, zurückerstattet, s:e bereits ver sandten — worunter vor Allem die auf Veranlassung des Gene rals Frey in Frankreich eingetroffenen zu verstehen sein werden — in Frankreich öffentlich versteigert und der Erlös von der chinesischerseits zu zahlenden Kriegsentschädigung in Abzug ge bracht werden. Bekanntlich ruht ein großer Theil der Beu» unter behördlicher Aufsicht in Marseille. Die seiner Zeit verbreitete und ein gewisses Aufsehen er regende Nachricht, das russische Mittelmccrgcschwnürr solle nach O st a sien gehen, ist unzutreffend. Sie ist wohl da durch entstanden, daß die Linienschiffe I. Classe „Poltawa" und „Ssewastopol" den Befehl erhalten haben, ihren Aufenthalt i m M i t t c l m e e r e abzutürzen und die Reise nach Ost- asien fortzusetzen. Die Schiffe haben vor mehreren Wochen be reits Port Said passirt. Auch eine weitere Verstärkung der russischen Seemacht ist vorgesehen; ein Panzerkreuzer „Gro- moboi" liegt im Piräus, umgeben von drei Torpedobooten; zwei sollen noch zu diesem Geschwader stoßen, es sind die beiden in Cherbourg reparirten Boote „Shom" und „Kassatia". Nacy dieser Vereinigung werden die sechs Schiffe ebenfalls nach China ahdainpfen. -- Nvroam ' ?' la wird demnächst o ,.e, d ri t t - n A d m i r a l Royers mit der „New Jork" nach Ostdfien hinaussendeu politische Tagesschau. * Leipzig, 5. Februar. Das Schwergewicht der gestrigen parlamentarischen Ver handlungen lag im preussischen Abgeordnetenhanse, ras in die erste Beralbnng der neuen Canalvorlage cinlrat. Klarheit über ras Sckicksal der Vorlage hat die Debatte, au rcr außer ren Ministern v. Thielen und v. Miquel die Abgg. am Zehn ho ff (Centr.), Graf Limburg-Stiruni (eons.), v. Eynern (nal.-lib.) und v. Zedlitz (RcickSp.) sich betbeiligten, allerdings noch nicht gebrackt, aber sie bat doch wenigstens den ganzen und halben Gegnern der Vorlage die Hoffnung genommen, au-Z Wendungen des Finanzministers abermals Capital gegen den Entwurf schlagen zu können. Für diesen trat Herr v. Miquel so warm und mit so gewichtigen Gründen ein, daß selbst der „Kreuzzei'ung", die ihn noch kürzlich auf Grund einer gelegentlichen Aeußcrung als stillen Gegner der Vorlage denuncireu zu dürfen glaubte, solche Ver suche künftig wird aufgeben müssen. Der Finanzminister wies u. A. darauf biu, daß die Nbein-Elbe-Linie bereits in dem Rhein-Ems-Canalprojecte zubesagt sei und daß es sich dabei lediglich um die Einlösung einer allen Verpflichtung bandele. Man werde in der Lage sein, druck bessere Entwicklung der Canalzebübren sür eine gewisse Rentabilität- der Wasser straßen zu sorgen, und dürfe auch nach den bisherigen E fabrungeu hoffen, daß dis Eisenbahnüberscküsse, welche anfänglich zwar einen Rückgang erfahren dürften, sich sehr bald wieder auf den früheren Stand heben würden. Er habe es sich, als er ins Amt trat, zur Aufgabe gestellt, die preußischen Finanzen zu consolidiren, und werde jetzt nach elfjähriger Amlslbätigkeit zum Schlüsse nicht einer Vorlage zustlmmeu, welcke dieses sein LebeuSwerk zu vernickten drohte. Die preußischen Finanzen seien glücklicherweise so fest fundirt, daß sie eine jährliche Ausgabe von 26 Millionen Mark und schlimmstenfalls ein Risico von l2 Millionen Mark zur Ver zinsung und Tilgung der Canalbaukosteu unbedenklich über nehmen könnten. Die Eisenbahneinnahmen seien in den letzten zehn Jahren in starkem, wenn auch etwas schwanken dem Fortschreitcn begriffen und eS sei auch für die fünf zehn Jabre, bis ter Canal erbaut sein werde, bei der Gesundheit der preußischen Verhältnisse eine weitere ge deihliche Zunahme der Eisenbahneinnahmen und Eisen- baknübcrschüsse zu gewärtigen. Ein Staat, der in Wirklichkeit keine Schulden habe, vielmehr seinem werbenden Vermögen eine erheblicke Summe zur Deckung der Staals- auSgaben entnehme, könne nölbigenfalls auch das Baueapital von beinahe 400 Millionen Mart riskiren, wenn die Er wartungen, welche jetzt an den Rbein-Elbe-Canal geknüpft werben, sick nickt erfüllen sollten. Aber eine lolche Befürch tung sei ungerecktfertigt. Vielmehr werde diese Wasserstraßen verbindung zweifellos eine wesentliche Erleichterung und Ver billigung des Verkehrs für weite Theile deS Landes berbei- füdren. Die wasserwirtbsckaftlicke Vorlage sei ihrer Natur nach zwar eine wirthsckaftliche Vorlage, aber eine solche von der allergrößten Bedeutung, und eS wäre schlimm, wenn aus einem Streite um diese Vorlage Verstimmung zwischen Parteien, welche gerade jetzt auf ein festes Zusammenhalten angewiesen seien, oder zwiicken der Staatsregierung und der Mehrheit des Abgeordnetenhauses, mit der sie im All gemeinen so gut zusammenarbeite, erwüchsen. Er gebe 'sich iber der sc'ul Zucersicht bin, daß sine Ver ständigung zwischen der Staatsregierung und der Mehr heit deS Abgeordnetenhauses jetzt zu erreichen sein werbe. Welchen Eindruck diese Rede auf das HauS machte, konnte man freilich nicht erkennen, denn »ach dem Minister sprach nur der Abg. v. Zedlitz, und diesem erging es ähnlich, wie unlängst im Reichstage dem Reichskanzler Grafen Bülow, als er dem Abg. Professor vr. Hasse in einer Weise ant wortet, die offenbar vorher zurecht gemacht war und aus die Rede Hasse s wie die Faust aufs Auge paßte. So war die Zeblitz'icke Rede sichtlich auswendig gelernt und machte finanzielle Bedenken geltend, die der Minister soeben wider legt hatte. Und die übrigen Redner, von denen nur der Abg. v. Eynern unbedingt für die Vorlage eingetreten war, batten vor dem Finanzminister gesprochen. Immerhin wird man aus ren Erklärungen des CentrumsrebnerS ent nehmen können, Laß er kein grundsätzlicher Gegner einer planmäßigen Entwickelung der Wasserstraßen ist, denn er wollte die Moselcanalisation in den Plan mit einbczvgcn und die Emsckertbaliinlc durch die Canaliiation der Lippe ersetzt wissen. Am unfreundlichsten hatte sick zu der Vorlage der konservative Redner gestellt, der allenfalls den Nvein-Dort- munb-Canal bewilligen zu wollen schien, den Mittelland Canal aber auf keinen Fall. Ob seine Fraction trotz der Rede Miquel'S auf diesem Standpuncte beharren will, wird man vielleicht heute erkennen, vielleicht auch erst, wenn die Zoll- tarisvorlage vorliegt, die auch Herr v. Zedlitz abwarten zu wollen erklärte, „um zu sehen, ob die nationale Wirt schaftspolitik sick auf Jabre hinaus in festen Bahnen bewegt." — Im Reichstage, wo die zweite Beratbung des Etat« tesR eichsj »stizamtS begann, erfuhr man von dem Staatssekretär l)r. Nieberding u. A, daß die Regierung hinsichtlich der vom Reichstag in einer Resolution verlangten Errichtung kaufmännischer Schiedsgerichte trotz der Wichtigkeit dieser Angelegenheit bis jetzt noch keine Ent schließung gefaßt habe; ebenso sei die Frage der Sickerung der Bauhanvwerker leider nock unerledigt. Freilich wird sich der Reichstag darüber nickt beschweren dürfen; muß er dock heute von den „Berl. Polit. Nachr." folgende officwse Rüge ruhig einsteckcn: „Am letzten Freitag hat der Reichstag seine Berathung über den Etat des ReichSamts des Innern abgeschlossen. Un erledigt sind noch ein Capitel des Ordinariums und daS ganze Extraordinarium. Für die bisherigen Kerathungen dieses Etats sind 11 volle Sitzungstage und zwei halbe Sitzungs tage, somit im Ganzen 13 Sitzungen verwendet, wozu bei der Berathung des nock) rückständigen Titels und deS Extraordinariums wahrscheinlich mehrere weitere Sitzung-- tage treten. Derselbe ganze Etat hat im Jahre 90/91 6 Tage, 91,82 5, 92/93 8, 93/94 18, 94 95 4, 95/96 4, 96/97 5, 97/98 7, 98 I I, 99 10 und 1900 5 Tage erfordert. Es ist bei der diesmaligen Berathung des Etats des Reichsamts des Innern nicht weniger als 114 Mal das Wort ergriffen. Man gewinnt aus Liesen Zahlen ein eigenthümliches Bild. Es ist auffallend, daß Mitglieder, die man seit Eröffnung des Reichstages kaum im Reichstag gesehen hat, über irgend eine unter geordnete Frage das Wort ergreifen und häufig nicht einmal die Antwort der politischen Gegner oder vom Regierungstische aus im Sitzungssaale abwarten. Es scheint, daß man so den Wählern gegenüber urkundlich feststellen will, daß man im Reichstage an wesend gewesen ist. Es wird viel geklagt über die Redelust dec Socialdemokratie Tie bürgerlichen Parteien sollten sich aber klar sein, daß lediglich die Schuld bei ihnen selbst liegt. Wenn von 339 Mitgliedern der bürgerlichen Parteien während der letzten Wochen vielfach nur 15 bis 20 Vertreter im Hause anwesend waren, so wirst daS schon ein bedenkliches Licht aus die Pflichttreue der fehlenden Abgeordneten. Man hört oft den Einwand, daß man den Wählern sofort erklärt habe, man könne nur selten in Berlin fein. Die Herren vergessen aber, daß sie nach der Reichsverfassnng Abgeordnete deS gesammten deutschen Volkes sind und nicht nur ihren Wählern gegenüber, sondern auch gegenüber dem Reiche und seiner Regierung, sowie gegenüber ihren Fractionsgen ossen Pflichten haben und daß sie von dieser öffentlichen Ver pflichtung durch kein Abkommen nist ihren Wählern entbunden werden können. Eine gesetzgebende Versammlung, die das wichtigste Tisciplinarmittel zur Aufrechterhaltung ihrer Autorität, die Stellung von Schlußanträgcn, nicht mehr anwenden kann, weil sie chronisch beschlußunfähig ist, muß an innerer Kraft und an äußerem Ansehen verlieren. Gerade gegenüber den stets wiederholten socialbemokratischen Reden sollten die bürgerlichen Parteien die Pflicht empfinden, möglichst vollzählig zur Stelle zu fein, um die Auffassung der bürgerlichen Majorität zum Ausdruck zu bringen. Der Zustand der Gleichgiltig- Feuilleton. Die Geschwister. 5s Roman von Alexander Römer. Nachdruck »ttdvleu. Am anderen Tage war wolkenloser Himmel, ein strahlender Tag. DaS Dampfschiff, welches seine regelmäßigen Fahrten über den Ser schon begonnen, war am Nachmittag Vicht besetzt mit DergnüqungsauSfluglern. Ellen saß mit einigen Freundinnen am oberen Ende auf den kleinen Bänken beim Steuerruder. Leopold hielt sich zu ihnen und war sehr aufgeräumt und liebenswürdig. In der Mitte unter dem Zeltdach machte sich unter der bunt gewürfelten, dicht gedrängten Menge eine laute lustige Gesellschaft bemerkbar, die zwei hübschen Helmke'schen Töchter mit etlichen Dämchen und Jünglingen vom Theatcrpersonal. Unter ihnen Susi. Leopold gab sich die Miene, die Gruppe gar nicht zu beachten. Er benahm sich so liebenswürdig, daß Ellen, wäre sie nicht wis send, sondern unbefangen gewesen, heut« ihre herzliche Freud« an oem Bruder gehabt hätte. Er war ein ausfallend hübscher, vor- znhm aussehender Mensch. Sie mußte immer verstohlen nach Susi hinüberlugen, die im TageS- und Sonnenlicht rrirend aussah, inmitkn ihrer Um gebung wie «im thaufrische Blume, der der sie umwirbelnde »taub nichts anhaben konnte. Sie schien ernst und still unter den Anderen zu sein, Ellen hörte ein paar Mal die kecke heraus fordernd« Stimme des jüngsten Fräulein Helmke rufen: „Aber Sufi, waS ist Dir denn heut«, so lache doch mit." Di« Kleine bedrückte wohl dir Näh« des Geliebten, der ihr so fern blieb. In Zoppendorf angrlanat, wo ein stattliches Rrstaurant mit bis an den Ser reichender Terrasse zur Einkehr lud, vertheilte sich di« Menge. Die Geschwister mit ihrer Begleitung setzten sich so, daß sie die Helmke'sche Gesellschaft, welche an einem großen Tische Platz nahm und unter viel Lachen und Lärmen Pro- viantkörde auspackte, im Auge behielt. Ellen'S Freunndinnen fragten bald: „Wer ist das hübsche Mädchen drüben?" eine Fremde jedenfalls, denn in Schwanau kannte J«d«r den Andern. Leopold blickt« in die Richtung, klemmte oeu Kneifer, der ihm eigentlich nur als Modezuthat am Bande hing, ins Auge und that, als ob er di« fremde Schönheit sitzt erst gewahre. Ei der Tausend! die kannte er ja, von Clausthal her — er mußt« sie einmal begrüßen. ZN«» Mrd« rotz Md verlegen ssii dem Stzirl, Altz hie ab gekartete Komödie nun zur Aufführung kam, Leopold ihr Sufi als eine ihm bekannte Clausthaler junge Dame oorstellte, tadelte sie sich innerlich, daß sie dem Plan zugestimmt hatte. Das un schuldige Gesichtchen da vor ihr klagt«'sie an; das Lügengewebe, m welches ihr Bruder das unerfahrene Mädchen verwickelte, wurde immer dichter. Während Susi jetzt an ihrem Tische saß und eine allgemeine Unterhaltung mühsam in Gang gebracht wurde, vernahm man das Heranrollen einer Equipage, durchaus nichts Ungewöhnliches auf dieser schönen Straße, aber Ellen'S Bekannte ««kannten das Gefährt und neigten sich intercssirt über die Brüstung. „Ei! die Hofmarschallin von Rodenfels mit ihrer Tochter, so sind sie von der Riviera zurück", riefen sie lebhaft. Ellen trat rasch an Vie Brüstung vor. „Avine!" cs freute sie ungemein, sie wiederzusehen. Der mit zwei herrlichen Füchsen bespannte Wagen fuhr dicht an ihnen vorüber, in den grauen Seioenpolsiern lehnte eine r-cht krank aussehende Frau, ihr zur Seite saß eine junge Dame im Hellen Staubmantel, das Hütchen mit einem Wald weißer Federn garnirt. Sie neigte sich vor mit einem hochmüthigen Lächeln auf den schönen Zügen und inusterte dis Schaar der Restaurantgäste. Ellen grüßte sie mit ihrem heiteren offenen Gesicht. Adln« neigt« sehr verbindlich ihr Haupt, — Ellen schaute sich ver wundert um, der Gruß galt nicht ihr, sondern Leopold stand neben ihr, das Antlitz wie in Gluth getaucht mit einem völlig geistesabwesenden Ausdruck. Adinens dunkle Augen hatten einen seltsamen Glanz gehabt, als sie ihn grüßte, ihn allein — daS wußte Ellen jetzt und ihr Herz schlug plötzlich angstvoll. Mine wandte noch einmal d«n Kopf und sah zurück auf das wunderhübsche Mädchen an Leopold's Seite. Tust hatte sich, alle Vorsicht vergessend, an ihn gedrängt, sie mußt« ebenfalls den Blick und des Geliebten Verwirrung gesehen haben und wußte sich das nicht zu deuten. Wie «in zum Tode erschrockenes Kind schaute sie bald dem Wagen nach, bald in Leopold'- Gesicht, es zuckte um ihren Mund wie verhaltenes Weinen. Ec war zur Besinnung gekommen und entzog ihr rauh seine Hand, die sie in ihrer Bestürzung erfaßt hatte. Er raunte «in paar 'Worte, die sie an ihre Rolle erinnerten. Ellen schüttelte gewaltsam den Bann ab, der sie gefangen hielt. „Sie hat mich gar nicht erkannt", sagte sie unbefangen, „sie weiß ja nicht, daß ich hier Lin." „Sie soll furchtbar hochmüthig sein", sagte eine der jungen Damen. „Sie wird ja auch in 'S«c Gesellschaft gefeiert in einer Weise, die Jeder den »köpf vcrdrehrn würde. ES sind immer Ge schichten über sie im Umlauf." „Welche; Ars?" fragt« Ellen. Adine Haff« ihr «inst so pah« gestanden, daß es ihr nicht gleichgiltig war, wie die Welt über sie uckheiltc. „Nun, mau schildert sie wie eine Prinzessin Lurandot, die ihre Freier nmbringt", entgegnete die Gefragte lachend. „Pah! die Zeiten sind vorüber, wo Freier sich umbringen ließen", rief Leopold spöttisch. Susi empfahl sich in höchster Verlegenheit, sie wollte zu ihrer Gesellschaft zurückkehren. Ellen hielt sie einen Moment fest. „Ich möchte, daß Sie mir Einiges von Clausthal erzählten und wie mein Bruder sich da benimmt", sagte sie scherzend. „Können <sie sich nicht uns zu einem Spaziergang anschließend" Susi's Gesichtchen verklärte sich. Ich will's den Andern rasch sagen", riff sie und eilte zu ihrer Gesellschaft hinüber. Wenige Minuten später schritt sie in ihrem weißen Wasch kleidchen, ein bunt gewürfeltes Tuch über dem Arm, glücklich, aber befangen neben Elle». Die Andern kümmerten sich wenig um sie, Leopold machte ihnen die Cour und spielte den Galanten. Die jungen Damen hörten ihm aufmerksam zu. Er galt in der ganzen Stadt als der Erbe des sehr wohlhabenden Justizrathes, war ein eleganter, begabter Mensch, der eine glänzende Laufbahn vor sich hatte, er war überall, auch bei den Müttern, wohlgelitten. Daß er sich heute um dies« hübsche Fremde weiter nicht viel kümmerte, rech neten sie ihm auch an. Sie schien ein rechtes Gänschen zu sein, die Kleine in drm dürftigen altmodischen Kleis«, und ihre Zu gehörigkeit zu den Helmke's vecrieth ja die Sphäre, aus der sie stammte. ES wundrrte die jungen Damen, die sämmtlich aus titelaekronten Häusern stammten, warum Ellen sich di: Kleine zur Begleitung einlud, und sich ihr so angelegentlich widmete. Ellen hatte Susi's Arm genommen, und schlug, als sie Im Wald« waren, einen Seitenpfad ein, der sie von dem Schwarm entfernte. Sie wußte es von Anfang an so einzurichten, daß sie hinter der übrigen Gesellschaft zurückblieben, uns versucht« nun, Susi zum Aufthau«« zu bringen, Lbrr ihre -innere Ge dankenwelt etwas zu erfahren. Das gelang ihr bald. In Susi's Herzen waren keine Hinter balte, in ihrem Kinderkopf spielte sich Leben und Welt gar ein fach ab. Wie eine Gottheit war Pol-del in ihr eng eingehegteS Dasrin getreten, ec war für sic die Welt, der Inbegriff alles Großen, Schönen, LiedenSwerthen. Sie kannte, sie dachte nichts außer ihm. Alles drehte sich um sein Kermmen, sein Gehen. Früher hatte sie die stunden hingedümmcrt, gehäkelt, gestickt mit ihren seinen geschickten Händen, und Romane gelesen, die langen Abende dis spät in -die Nacht. Nun war der Held, drr in allen Büchern wiedrrkehrte, leibhaftig zu ihr gekommen, sie er lebte, was bis dahin Traum und Miircken gewesen, das hob fie über die Wolken. . An ein« Zukunft, wie fi, werden könnt«, -achte sie gar nicht, jede Bemerkung Ellen's, die dahin zielte, blieb unverstanden. Das Alles wußte ja Pol'del und sie waren so glücklich! so glück lich! Nun, da sie auch noch eine Schwester gesunden, eine liebe, herzige, — nun war das Glück auf dem Gipfel. Ellen war bei diesen rührenden Herzensergüssen beklommen zu Muth. Sie hatte sich vorgcnommen, Susi die bedenklichen Seiten ihres heimlichen Verhältnisses zu dem jungen Mann, der noch für lange Jahre unselbstständig war, vorzuzühren, sie vor allzu sanguinischen Hoffnungen zu warnen, ihr das Unwürdig vieser Listen und Lügen klar zu machen. Sie wünschte, daß Susi's Vater eingeweiht würde. Aber bei dem Vorschlag machte die Kleine ein zum Tode er schrockenes Gesicht und zitterte wie Espenlaub, das mußte wohl durchaus nicht angehen. Was sollte sie dieser weltfremd«« Kin- oerreinheit gegenüber ansangen? Ihr, der es sonst so leicht wurde, auszusprecheu, was sie dachte, fehlten hier die Worte und die Form. Die brachte es nicht fertig, dieser Glücklichen ihr Glück, — vielleicht ein lusti^Kartenherus — vorzeitig zu zertrümmern, oder auch nur einen Schatten hineinzuwerfen. Tie Sonne stahl sich durch daS junge, rm ersten Grün prangende Laubwerk über ihren Köpfen und vergoldete den blonden Scheitel des Mädchens, das den Hut abgenommen und über den Arm gehängt hatte und selig lächelnd «n die Wipfel schaute. Als ob ein lichter Engel weiße Flügel hinter ihr breite, io, gleich einer Vision, erschien es Ellen, ihr trat eine Thräne inS Auge. Polvel roar ja ein guter Mensch, und seine Zukunft lag hell, und nicht dunkel, — «r würde — er mußte hier Treue halten, — gewiß, er mußte. „Susi! w«nn ich Euch nur aus der Heimlichkeit heraus hätte", sagte sie, „dies« Listen und Lügen widerstreben m«in«r innersten Natur. Die Familie, bei drr Du hi«r zu Gast bist, paßt auch nicht zu Dir und Deiner künftigen Lebensstellung. —" „O! Sie sind sehr freundlich mit mir, ich werde Ihnen ewig dankbar sein", rief Susi enthusiastisch. Ellen sah ein, daß sie sich nicht verständlich machen konnte. Ein hallender Nus ertönte, langgezogen aus der Fern«, dann nälser, die Lüsche knackten, Leopold sprang auS dem Unterholz. „Aber ich bitte Euch, wohin habt Ihr Euch denn versteckt? Mach' doch kein Aufsehen, Ellen, kein Mensch wußte, wo Ihr g»- blieben. Ihr strueci ja auf die 2Hausse« nach Hagenfeld zu." „Susi! Herzliebchen, rasch einen Kuß, oder liedrr zweie — die zimperlichen Dämchen sind hinter jener Buchenhecke." Die Beiden lagen einantxr in den Armen, Susi's Gesicht er« glühte unter sein«« Liebkosung««. Ellen wandte sich ab und schüttelte d«n Kopf. Da Ivar wohl nichts zu ratben und zu warnen. Macht« ihr Schutzengel mw den weißen Flügeln ihr zu, Erik« -leiben,
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