Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.02.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010206022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901020602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901020602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-02
- Tag1901-02-06
- Monat1901-02
- Jahr1901
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Vezuff-.Pver- d« Halptexp^itio» oder den k» bezirk und des Vororte» errichtete« AuS- aabestellen ab geholt: vierteljährlich 4 50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» ^ll 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. 6. Mau abonmrt ferner mit entsprechenden, Postaufschlag bei den Postanftalteu in der Lchwriz, Italien, Belgien, Holland, Loxeiu- burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Eg pten. Für alle übngen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese» Blatte» möglich. Die Morgen-An-gabe erscheint um '/,? Uhr, die Lbend^Au»gabe Wochentag» um 5 Uhr, Uedlution und LrveLition: IohanniSgasse 8. Filialen: Alfred -ahn vorm. O. Klemm » Sortim. Lmverschätsstraße 3 (Pauliuum), Lout» Lösche, Lathariueustr 14, pari, uud König-plah 7^ Abend-Ansgabe. Mip)igcr TliAtblalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes nnd Polizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. 68. Mittwoch den 6. Februar 1901. Anzeige» »Preis die Sgespaltene Petitzeile 25 Ls. Neelameu unter dem Redaction»strich (»gespalten) 75 H, vor den Famitieauach- richteu (6 gespalten) 50 Ls. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisung«.« und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung 60.—, mit Postbesürderung >»l 70.—. Annatfmeschlllb für Anzeigen: Lbeud-AuSgabe: Vormittag» 10 Ubr. Morgen-Ausgabe' Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet oon früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck uud Verlag vou E. Polz tu Leipzig 93. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Die angebliche Vermittlerrolle Kaiser Wilhelm'S. Aus London 4. Februar, wird uns geschrieben: Das Dementi, welches von anttlichrr Seite der Behauptung ent- gegengestellt wurde, daß Kaiser Wilhelm bereit sei, den Präsidenten Krüger zu empfangen und ihm eine Vermittelung des Friedens anzubietcn, richtet sich gegen «einige oppo sitionelle liberale Blätter", welche derartige Aus streuungen in ganz willkürlicher Weise versucht hätten. Dem gegenüber ist festzusteUcn, daß auch mehrere couscrcativc Prooinzzeilungen, welche ihre besonderen Erleuchtungen von sehr regierungsfreundlicher Seite zu erhallen pflegen, die gleiche Meldung gebracht hatten. So beispielsweise der konservative „Liverpool Courier", dessen Londoner Bericht erstatter schrieb, man schreibe „in cingeweihten Kreisen dem deutschen Kaiser eine große politische Mission zu, deren Gelingen auf die Wiede,Herstellung LeS Friedens in Südafrika von sehr großem Einfluß sein dürfte." — Man wird demnach nicht fehl gehen, wenn man die ganze Meldung als einen Versuchsballon der englischen Negierung selbst ansiebt, die allerdings vorsichtiger Weise zu dessen L ancirung in London nur liberale Blätter benutzt bat. Und daß angeblich regierungsfeindliche Blätter, wie „Daily NewS" und „Daily Ckronicle" in Fragen der auswärtigen Politik auck dem konservativen Ministerium jederzeit derartige Hclferdienste zu leisten bereit sind, wird Niemand bezweifeln, der mit den eigenartigen Partei- und Preßverhallnisscu England- vertraut ist. Englische Verluste. * TapstaLt, ö. Februar. (Telegramm LeS „Reuter'jchen BureauS".) Bei dem Uebersall auf den englischen Posten in Moüderfon teiu am 30. v. Mts., wurden auf englischer Seite ein Oificier getödtet und einer verwundet, ferner 28 Mann getödtct oder verwundet. * London, 5. Februar. („Reuter s Bureau".) Die vom Kriegs amte veröffenttichten Verlust! i st en weisen alS englische Verluste in dem am 31. Januar gemeldeten Gefechte zwischen General Knox und De Wet be, Welcome aus: 1 Lsficier tobt, 4 verwundet, 5 Mann todt und 38 verwundet. Die Verluste bei Modderfonteiu sind in Anbetracht der nicht erheblichen Anzahl der B-satzungstruppen (200 Mann) nicht unbedeutend, die bei Welcome waren von englischer Seite erst auf nur 1 Officier und 1 Mann todt, l Tsiajor und 2 Manu verwundet angegeben worden. Voercnetnfall aus portugicsischrS Gebiet? Die Nachricht, daß die unter dem CommanLo LeS Obersten Blake stehenden Boeren, ;n denen auch die irische und die amerikanische Brigade gehören, auf portugiesisches Gebiet eingedrungen seien und Lvurentzo Marques bedrohen, war bis heute Nachmittag nickt amtlich bestätigt, kann aber nickt vollständig aus der Luft gegriffen sein, wenn sie vielleicht auch aufgedauickt ist. Nach einem früheren Telegramm sollen die Boeren 2000 Mann stark sein und die Absicht haben, die jenseits der portugiesischen Greuze befindlichen Gefangenen zu befreien, weil die portugiesische Regierung die Absicht naben soll, sie nach Madeira zu schicken. Die Boeren würden sich mit diesem Einfall noch einen zweiten Gegner schaffen, der ihnen aber so gut wie keinen Schaden zuzufügen ver möchte. Malta, 5. Februar. Ter Kreuzer „Pyramus" ist nach dem Cap beordert worden. London, 5. Februar. Nach einer Veröffentlichung des Amts- blotte-S ist die Einfuhr von Waaren in Transvaal nur nach cingebolter Erlaubuiß der Militärbehörde und gegen Zahlung von Abgaben gestattet. Oie wirren in Elsina. Dem „Bureau Laffan" wird aus Peking berichtet: Nach an geblich zuverlässigen chinesischen Mittheilungcn aus Sin- ganfu herrscht in den Provinzen Schansi und Schensi eine große HuugcrSnoth, welche eine der schlimmsten in der Geschichte Chinas sein soll. Darnach sind zwei Drittel des Volkes ohne genügende Nahrung und sie leiden unter der bitteren Kälte, weil wenig Brennstoff vorhanden ist. Die Leute reißen Stücke des Holzwerkes aus ihren Häusern, um damit Feuer zu machen. Ochsen, Pferde und Hunde sind schon fast alle dem Hunger geovfert worden. Prinz Tsching theilte dem amerikanischen Gesandten Conger mit, die Bevölkerung sei genöthigt, M e n s ch c n f l e i sch zu essen und die Männer verkauften ihre Frauen und Kinder; Kindermord sei entsetzlich häufig. Eltern würden irrsinnig durch die Schreie der Kinder nach Nahrung, und sie tödteten lieber ihre Kinder, als daß sie ihre Schreie anhörten. Die Anwesenheit des Hofes in Schansi verschlimmert die Noth sehr, denn cs sind 20 000 Mann Soldaten in der Umgebung des Hofes und wenigstens 5000 Beamte dort anwesend. Ti« Nahrungsmittel, welche für den Hof aus anderen Provinzen kommen, sind bei Weitem nicht hin reichend. Die Kaiserin-Wittwe, der Kaiser und die hohen Beamten wohnen in chinesischen Häusern, welch: einen elenden Ersatz für die königlichen Residenzen bilden. . . politische Tagesschau. * Leipzig, 6. Februar. Trotz der ihm ertheilten osfioiöien Rüge macht der Reichstag immer mehr den Einbruch der Vcrörung, nickt nur äußerlich durch die fast vollständig leeren Bänke, vor denen die meist recht langen Debatten geführt werden, sondern auch bezüglich der sachlichen Ergebnisse dieser Debatten. Kein Wunder, wenn auch die parlamentarischen Berichterstatter das Interesse an den Verhandlungen ver lieren und lückenhaft berichten. Auck die gestrige Sitzung, auf deren Tagesordnung dis weitere Bcratbuug dcS EiatS deö Re i cksju sti z a ml S stand, wurde giößtentbeils mit ziellosen Erörterungen über Gegenstände ausgefülll, die außer halb der Reickscomperenz liegen. Die meisten Berichte über Liese Sitzung sind, wahrscheinlich deshalb, besonrers dürftig. Besonders in einem Puncte sehen wir uns zu einer Ergänzung genöthigt. Der sooialremokratiscke Abg. Herzfelv brachte nämlich u. A. das Rcichsgericktserkenntuiß in Sachen der lübischen Verordnung gegen das Streikposten stehen zur Sprache, das er in Gegensatz zu der Ausfassung res Staatssekretärs über die Zulässigkeit derartiger einzel» Li staatlicher Verordnungen zu bringen suchte, wobei er charak teristischer Wcise gleichzeitig gegen rasRcickögericht den Vor wurf richtete, daß es oapitalistischem Einfluß verfallen sei. StaatS- sekrelärDr.N ieb e rdin g wies diesen Angriff gegen das Reichs gericht mit Entschiedenheit zurück und wies nach, daß der social- remokratische Redner seine, des Staatssekretärs, Aeußerung über das einzelstaatliche Verordnungsreckl unrichtig aufgefaßt und wiedergegebcn habe uud die Begründung res rcicks- gericktlickcn Uitbeils augenscheinlich gar nicht kenne. Wenn man diese Begründung, die wir an anderer Stelle nachtragen, li-st, begreift man allerdings eher alles Andere, als den socmldemokratischen Vorwurf, der höchste deutsche Gerichtshof sei capilalistischen Einflüssen verfallen. — Auch im preussischen AbgcorVuctcnhause, daS gestern die Berathung der neuen Eanalvorlage fortsetzte, ist, wie zu erwarten war, nichts herauögekonnnen, obgleich die Minister der Landwirtbschaft, der öffentlichen Arbeiten und der Finanzen in die Debatte eingrisfen und mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln die Gründe, die von conservaüver und freiconservativer Seite entweder gegen den ganzen Plan ober gegen einzelne T heile desselben gellend gemacht wurden, zu widerlegen suchten. Und obgleich die Redner dieser Fractionen aus das Nach drücklichste in Abrede stellten, daß ihre Bedenken doch vielleicht durch die Zolltariworlage abgemintert werde» könnten, so konnten sie Loch nicht bestreiten, daß vorgestern der Abgeord nete v. Zedlitz für sich und seine Gesinnungsgenossen die Stellung zu reu wasserwirthsckaftlichen Projekten von der Gestaltung des Zolltarifs abhängig gemacht halte. Und andererseits klang aus Len Ausführungen der freisinnigen Befürworter der Vorlage deutlich der Wunsch heraus. Laß die Regierung wegen Ler Canalfrage einen Bruch mit der Rechten vollziehen möge, der auf die Gestaltung des Zoll tarifs von Einfluß sein werde. Heule wird die Debatte fortgesetzt werden und doch nicktS Neues zu Tage fördern. Zu Ler heutigen „Köln. VolkSztg." findet sich ein In serat, das Beachtung verdient, weil es auf die Recru- .-iruug der geistlichen Orden einiges Lickt wirft und e:uen Beitrag zum „Tolcranzanttagc" VcS Zentrums bildet. Tas Inserat lautet wörtlich: „Tüchtigen Jünglingen von 15—20 Jahren aus der Rhein provinz, die sich berufen meinen zum Priesterstande in einem beschaulichen Orden, w>rd Ostern Gelegenheit geboten, unentgeltlich ihr Ziel zu erreichen. Bücher und Kleider sind nicht erfordert und Reisekosten werde» ersetzt. Um aber dem schon längst angesangenen Cursus folgen zu können, kommen nur Solche in Betlacht, die wenigstens ungefähr zwei Jahre Latein gelrrut haben. ES handelt sich jedoch nicht Weltpriester oder Missionare, sondern nur KlostergeistUche auSzubitden. Aspiranten wollen sich vor dem 22. Februar wenden an Pfarrer Ten nissen, Jttervoort bei Thorn, Holl. Limburg." Was in der vorstehenden Aufforderung zunächst aufsällt, ist die seltsame Vermischung vou Geistlichem und Weltlickem. Tie mit der Ausbildung zum Klosterg istlicken verknüpften irdischen Vcrtkeile dürften manchen „tüchtigen Jüngling" zur Entdeckung seines geistlichen Berufes verführen. Daß aber OrLensgcisil'cke, die ihrs ganze Existenz dem Orden ver danken, weiches Wachs in Len Händen ihrer mit hierarchischem Geiste erfüllten Vorgesetzten sind, ist nur zu natürlich. Man kann sich denken, wie die preußischen Rheinländer in dem holländischen Seminar über dis „culturkämpferijchen" deutschen Bundesstaaten zu denken gewöhnt werde» daS klägliche Deutsch, in dem obiges Inserat abgefaßt ist, wird wohl ras Symbol für die den Aspiranten anzuerzieveude deutsche Gesinnung sein. Deshalb enthält jenes Inserat wertbvollcS Material zur Abschätzung der Tragweite von tz 7 Ablatz II ces klerikalen „TvleranzantrageS", der be stimmt: „Laudesrechtliche Verbote oder Beschränkungen der Verwendung auswärtiger NeligivnSr iener zu einer seelsorgerischen Thäligkeil sinken keine Anwendung auf die RelizionSdiener anerkannter Religionsgemeinschaften." — Tie Zumutbunz an den Staat, baß er jeden auswärtigen kalhotticken Geistlichen als Seelsorger zulasten müsse, ohne im Mindesten nack seiner Vorbildung fragen zu dürfen» er scheint nach den Ausblicken, die obiges Juserat eröffnet, doppelt unannehmbar. Die bisherigen telegraphischen Mittheilungen über den In halt der vucrieich >meu Ttzoureoe mit der gestern Kaiser Franz Joseph die Session des Reichsrathes feierlich eröffnete, lasten die volle Bedeutung der Kundgebung des Monarchen erkennen. Eingedenk seines vor vierzig Jahren nach dem Zu standekommen der Februarverfassung bei Eröffnung des Reichs raths abgelegten Gelöbnisses, diese Berfassung zu schützen und jeden Angriff auf dieselbe als einen Angriff auf den Bestand der Monarchie und auf die Rechte aller Lände» und Völker des Staates zurückzuwrisen, hat Kaiser Franz Joseph auch diesmal die Unantastbarkeit der Verfassung mit besonderem Nachdruck betont und allen laut gewordenen Befürchtungen ein Ende gemacht, als ob durch eine neuerliche Arbeitsunfähigkeit des Parlaments die theilweise Suspendirung der Verfassung herbeigeführt werden könnte. Eine sckärfere Fassung der Be stimmungen über die Vollmachten der Regierung in Fällen von außerordentlicher Dringlichkeit, also eins neue Formulirung des ominösen Paragraphen 14 hält die Regierung für nothwendig, doch sind Vorschläge in dieser Beziehung erst zu erwarten, wenn „eine ernstliche Beruhigung" eingetretcn ist. Durch diese Neu- formulirung sollen indessen die Rechte der Volksvertretung nicht verkürzt, sondern nur die Verantwortlichkeit der Regierung fester begrenzt werden, als dies bisher der Fall war. Auf deutsch liberaler Seite wird man einer Revision des viel besprochenen Nothparagraphen der Verfassung sicher nicht widersprechen. — In Bezug auf die Sprachenfrage hat die Thronrede sich mit einer Vorsicht geäußert, die den Gedanken nahe legt, daß die Drohungen der tschechischen Radicalen nicht ohne Einfluß auf die Fassung der betreffenden Sätze gewesen sind. Die Regierung erkennt an, daß der Sprachenstreit die gedeihliche Entwickelung der inneren Angelegenheiten der cisleithanischen Reich-Hälfte aufs Aeußerste gefährde, daß die Regelung der Sprachenfrage ein Act der Gerechtigkeit und der Staatsraison sei, die Thronrede betont, auch die Nothwendigkeit der einheitlichen Sprache in bestimmten Verwaltungssphären, aber ängstlich wird die Bezeichnung „deutsche Vermittelungssprache" vermieden. Man kann, schreib: der „Hamb. Corresp." zutreffend, in dieser Formulirung die Hand LeS Ministerpräsidenten vr. Koerber erkennen, dem die Drohungen der tschechischen Radicalen, die Thronrede durch Zwischenrufe zu unterbrechen, große «sorge bereitet hatten. Die Radaubrüder hatten es jedoch vorgezogcn, der Sitzung fern zu bleiben: auch die Socialdemokraten und die Schönerer-Gruppe waren diesem Beispiel gefolgt. In Folge dessen fanden auch die dem Andenken der verstorbenen Königin Victoria von Eng land gewidmeten Worte die rechte Stimmung im Hause vor: I Die Erwähnung des Besuchs, den Kaiser Franz Joseph im I vorigen Jahre in Berlin abgestattet hat, und der herzlichen » Beziehungen, die Oesterreich-Ungarn mit Deutschland der- FenLlleton. Die Geschwister. Sj Roma» vo» Alexander Römer. NaLtkvck verbolru. Sie lachte und etwas dämonisch Triumphirendes blitzte in ihn» Augen, Unter leisem, fast unheimlichem Lachen sprach sie weiter. „Sie gehören zu der Gattung der wilden Thiere, die über jeden Schwächeren herfallen, und ihr Weg ist mit Opfern aus den Reihen unseres Geschlechtes besät. Nur wer ihnen die Zähn« zeigt und sie mit den Augen bannt, sie dann schmeichelnd heranzieht uud sachte an die Kette legt, wird ihrer Herr. Da mir nun diese Weiberschöne gegeben sein soll, das Schwert, das diesem „starken Geschlecht" gegenüber allein die scharfe Schneide hat, um sie zu mähen, so schwinge ich mein« Geißel und ergötze mich an den gebeugten Nacken der Selbstherrlichen, die vor mir knien." Sie redete spottend, mit pathetischem Schwung, und setzte jetzt lachend hinzu: „Du siehst wahrhaftig aus, als ob Du Dich fürchtest." Neckend faßte sie Ellen'S Kopf zwischen ihren Händen. .Du — Du — Dir thur ich nichts. Dir kann ich nichts anhaben. Was für ein Paar merkwürdige Augen Du in Deinem Kopfe Hafk, keine berückenden Sirenenaugen, ein Paar klare Lichter, die auf den Grund der Seelen zu blicken scheinen. Du wirst Keinen verderben, weder Mann, noch Weib, Du bist sicher als Barm- herzigkeitScngel in die Welt gekommen und wirst nie etwas für Dich fordern." Sie küßte Ellen'» Stirn, und ihr Ton war ernst geworden, beinah« weich. Ellen schüttelte den Kopf. „Adine, Du hast Dich doch sehr verändert." „Keineswegs, Schatz, ich habe noch mein altes Temperament und nehme ha» Leben nicht übermäßig schwer. Im Uebrigen ist mein Kelch nicht gerade bitter gemischt, ich trinke ihn mit Be hagen." „Adine, ich wollte, Du fändest bald Einen, den Du von ganzem Herzen lieb hättest, der Dir imponirtc." „Den giebt's nicht — der müßte erst geboren werden, und dann wäre er zu jung für mich. Nein, kleine Ernsthafte, sei ruhig. Heiratbru werde ich schließlich, zu einer alten Jungfer bin ich nicht prädestinirt, vielleicht erfahre ich auch einmal heiße, verzehrend« Gluthen — wenn auch nicht gerade in der Eh«, — und der Mann, den ich mir schließlich wähle, um Seite an Seite mit ihm durck das Leben zu wandeln, wird sicherlich ein guter, zahmer Mensch sein, über den ich meine Geißel nicht mehr zu schwingen brauche, — man wird dessen zuletzt müde — der still und kampflos zu meinen Füßen liegt." Ellen saß und schaute über die übermüthig Redende hinweg auf die dunkeln Rabensiügel über deren Haupt. Wieder war -s wie ein« Vision. Wie sie gestern über dem blonden, lichten Scheitel des Naturkindes die weißen Engelsflügel zu sehen ver meinte, so sah sie heute diese dunkeln Schwingen als Symbol einer finsteren Macht über diesem jugendlich schönen, stolzen Haupt, über dieser üppigen, weißen Gestalt, die da umgeben von Glanz und Fülle mit den spöttisch geschürzten Lippen vor ihr saß. Ihr war beklommen und unheimlich, es war ihr eine Erleichte rung, als die Thür zu dem Nebengemach sich leise öffnete und die Jungfer hereinschaute. „Gnädiges Fräulein! Die Modistin." Ellen sprang rasch auf. „Da darf ich nicht länger stören." „Ach, willst Du schon gehen, die Person kann warten, die Toilettenfragen sollten mir «inen öden Morgen füllen, nun bist Du gekommen, das war viel bester. Wann sehe ich Dich noch?" „Ich reise schon in wenigen Tagen nach England zurück", entgegnete Ellen, „und will Dich vom Gegenbesuch dispensiren. Du träfest mich vielleicht gar nicht zu Hause. EL hat mich riesig gefreut, Dich wiedergesehen zu haben. Ich sage auch nicht: ver giß mich nicht. Das würde wenig nützen, in Deinem Leben bleibt kein Raum zum Gedächtniß an die Schulfreundin, aber sollten wir uns noch wieder begegnen, — die Hoffnung nehme ich einst weilen mit mir —, dann wollen wir innerlich die Alten sein zu einander — wie?" Ellen sah sehr herzlich in der Freundin Gesicht, und Adine küßte sie stürmisch. „Du sagst mir Bitteres und Süßes in einem Aihem, Du Kluge", meinte sie, „wenn ich eS möglich machen kann, komme ich aber doch noch zu Dir und Deinem Mütterchen vor Deiner Abreise. Muß auch noch einmal die alte Freundschaft mit Deinem Poldel — Pardon — dem zum Adonis umgewan delten Herrn Referendar, erneuern. Er darf mich nicht ver gessen haben, ich habe ihm damals Rosen zum Abschied gespendet. Und da er derzeit noch in dem Stadium war, wo man Gedichte verfaßt voll unaussprechlicher Gefühle, wette ick, daß er sie auf bewahrt hat." „Adine! Adine! Ellen drohte ihr ob der ausgelaffenen Scherzrede mit dem Finger, und doch beschlich sie ein unbehag liches Empfinden, das sie selber albern nannte. „Unfern Poldel laß in Ruhe, der — der hat schon sein Theil." „Also richtig, na — ich dacht's mir." Unter lautem Lachen schieden sie, und auf dem langen Heim weg fragte sich Ellen, warum ihr eigentlich so beklommen zu Muth sei. Adine war überaus herzlich gewesen, traulich, wie in der Kinderzeit, sie hatte echte Wärme für sich aus ihrem Wesen berausgefühlt. Das freute sie und konnte sie nicht melancholisch stimmen. Dennoch — alle Eindrücke in der Heimaih nach dieser drei jährigen Abwesenheit waren eigenthümlicher Art. Vernünftig betrachtet, waren sie sämmtlich freundlich und zufriedenstellend. Die Mutter sah Wohler aus und hatte sich erholt unter d«m ruhigen Leben, seit sie allein war, und behaglicher mit ihren vielen alten Freundinnen und Bekannten verkehren konnte nach ihrer Neigung. Den Bruder hörte sie vou allen Seiten rühmen, Alle sahen in ihm einen zu den schönsten Hoffnungen berechtigenden Menschen — das war er auch — warum gefiel cr ihr nicht ganz? Ebenso wie ihr Adine eben nicht gefallen hatte. War sie so anspruchsvoll in Bezug auf Andere ? Sie schalt sich selbst, als sie die Frage aufwarf: stand der Stern des Glücks über den Häuptern der Beiden, die sie liebte? Sie strich mit der Hand über ihre Stirn. Sie fing Grillen in dieser arbeitslosen Ferienzeit, es ward Zeit, daß sie in das große, lustige, durch viel jugendliche Stimmen belebte, durch harmonische Ordnung regierte Haus in Putney, wo ihr Wir kungskreis lag zurücktehrte. Eine große Sehnsucht, auch nach Miß Scott, der festen, treuen, mütterlichen Freundin, packte sie. Das war gut so. Wohl dem Menschen, der gern da ist, wo Pflickt und Beruf ibn hinstellen. Ellen war abgereist, ohne daß Adine ihren Dorsatz, ihr einen Gegenbesuch zu machen, auSgefllhrt hätte, auch Susi war nach Clausthal zurückgegangen, Leopold ging, um von seinem Vor mund und Wohlthäter Abschied zu nehmen. Der alte Herr sah verfallen aus, was Leopold schon bemerkte, als er ihn nach längerer Pause wiedersah. Heute trug er eine noch grämlichere Miene als gewöhnlich. Es war überhaupt in seinem Wesen ctwaö besonders Feierliches, was Levpold zu ängstigen begann. „Ich habe mir das. was ich Dir zu sagen habe, aufgcspart Li» zum letzten Tage Deines Hierseins", sägte der Justizrath, al» Leopold neben ihm Platz genommen hatte, „weil ich dir Mög lichkeit voraussehe, daß Du Einwendungen zu machen hast. Du weißt, ich liebe keine Erörterungen über fest gefaßte Piän«, und Du hast auf diese Weise Zeit, in Ruhe und Besonnenheit über das nachzudenken, was ich Dir vorzuschlagen habe." In diesem Augenblick trat einer der Schreiber ein und legte ein Actenbündel aus des Herrn Schreibtisch. „Ich wünsche guten Abend, Herr Justizrath*, sagte der Mann. Der Alke fuhr unwirsch herum und verfolgte den leise sich wieder Entfernenden mit seinen finsteren Blicken. „Unausstehlicher Schwäher!" sagte er grimmig. Leopold, obgleich durch die Einleitung vorhin stutzig gemacht, unterdrückte mühsam ein Lachen. Der Alte beugte sich jetzt zur Seite und nahm einen dort bereit liegenden Bogen. „Sieh her", fuhr er fort, „ich habe, seit ich mir die wohl erwogene Aufgabe stellte, Dich, den einzigen, verwaist nach bleibenden Sohn meines theuren Freundes zu versorgen und Deinen Lebensweg zu leiten, diese Aufzeichnungen gemacht. Da sieben die Stuftnjahre angedcutet, als Knabe, als Jüng- l-ng, als Mann. Du hast im großen Ganzen meine Er wartungen erfüllt, mit wenig Abweichungen daS Programm inne gehalken — jetzt kommt eine Wende. Ich habe aus Deinen gelegentlichen Aeußerungen allerlei ent nommen, wohin Deine, wohl noch unformulirten, jedenfalls un reifen Wünsche zielen, sie wrichen von den meinen ab. Du wirst indeß von mir nicht fordern, daß ich daS nach reiflichster Ueber- leguna für Dich und mich als gut Erkannte verwerfen soll, um unverständigen Gelüsten Dorschub zu leisten. Also — sieh her — hier steht: nach bestandenem ersten Examen ein Jahr im Regierungsfach thätia — wie eS die Vor schrift fordert —, dann Versetzung an ein Amtsgericht in kleinem Provinzialort, damit dir weis« Beschränkung und einfachen Ge wohnheiten zurückerobert werden, nachdem da» modern« Babel — Beilin — vielleicht tolle Ideen der Neuzeit in den unreifen Kopf gepflanzt und allerlei Leichtfertigkeit, Ueppigkeit und Größenwahn groß gezogen —, dann Arbeit unter meiner An leitung in meinem Bureau, Einführung in meine Client«!, nach Absolvirung des zweiten Examens Ueoergobe derselben an die jüngere Kraft, wenn mir das Ruhebedürfniß kommt." Leopold -uckte zusammen, als hab« ihn «in elektrischer Schlau getroffen. Er wollte aufsprinarn, seine Miene derrieth deut!« genug seine Meinung über diese väterliche Fürsorge. Der Justizrath machte eine seiner gemessenen, Sckweigen ge bietenden Bewegungen und fuhr unbeirrt fort: „Du wirst Selegcnhoit haben, meine Bücher einzusehen, und daraus Dich überzeug»» können, daß, selbst wenn meint Praxi»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite