Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.02.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010211027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901021102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901021102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-02
- Tag1901-02-11
- Monat1901-02
- Jahr1901
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis der Haoptexpedition oder den i» Gtad^ bewirk und den Bororten errichteten AuS- gabestellen abgeholt: vlerteljcihrjich4 KO, bei zweimaliger täglicher Zustellung in- Haus 5.50. Durch die Post bezogen siir Deutschland u Oesterreich: viertrljährl. 6. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postanstallen in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expevrtion diese- Blatte- möglich. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uh^ di« Abend-Au-gabe Wochentags um 5 Uhr. Redaktion und Expedition: Johannisgasse 8. Filialen: Alfred Bahn vorm. O. Klemm'- Sorttm. Lmversitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Matharinenstr 14, pari, und König-Platz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Notizei-Amtes der Ltadt Leipzig. 77. Montag den 11. Febmar 1901. Anzeigen Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redactionsstrich (-gespalten) 7ö Lp vor den Familiennach» richten (ö gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme L5 (excl. Porto). Ertra - Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesvrderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—» Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- IO Uhr. Morgen-Ausgabe' Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet oon früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Neue Boerensicge —t>. „Die Woche gebt gut an für die Boeren!" „Ja nur weiter im Tact, dann wird- vielleicht doch noch!" — so oder äbnlich begegneten sich beute morgen wobl aller Orts die Boerensreunde, die wahrlich nirgends geringer an Zahl ge worden sind, als die Nachricht von einem schon fast l4 Tage zurückliegenden, aber darum nickt minder bedeutungsvollem und hocherfreulichem Erfolge Dewet'S eintraf. Wir haben sie schon kurz mitgetheilt; in ausführlicher Fassung lautet sie: * East London, S. Febrnar. (Meldung des Rrutcr'scken Bureaus). Erst setzt treffen Einzelheiten von einem am 30. Januar ans den Tadakhsbcrglingcl», in der Mitte zwischen Bloemfontein und Lmaldeel stattgchabtrn Gefechte ein: Eine aus verschiedene» Waffengattungen zusammengesetzte Abtheilung unter Major Ercwe traf am Morgen des 30. Januar mit e nem Eonvoi aus Tadakhsbrrg ein und horte heftiges Fenrr- grsecht von der anderen Leite der Hügel her, wo Pitcher die Boeren in ein Gefecht verwickelt hatte. Erewe rückte vor, stirtz auf die Boeren, welche vor Pilcher's Lhditgcschofsen sich zurück,ogcn, «nd eröffnete ein Artillrrirscner ans dieselben; die Boeren verschwanden jedoch alsbald. Alsdann begab sich die AbthrUnng Crewc's in ihr Lager zurück und hielt bis zum Nachmittag Nasi. Hierauf wurde der Marsch wieder ausgenommen. Es kamen dann 200 Boeren in Licht, diese sollten Erewc jedoch, wir sich nachher heranSstcUte, nur in die Falle locken. Ten» als die Engländer vorgerückt waren, wurde auf sie von drei Seiten ein heftiges Ge- wchrfener eröffnet. Tas englische Maschinen geschütz wurde dcmolirt und muhte schliesslich auf gegeben werden; bei den Bemühungen, es zu retten, hatte» die Briten schwere Verluste. Die Engländer, denen die Boeren an Zahl überlegen waren, wurden nmgangrn und waren grnöthigt, sich nach dem Lager kämpfend znrückznzieben, retteten aber den Eonvoi. Am nächsten Morgen griffen die Boeren wieder an nnd Sie Briten muhten wrirerznrnckgehen,t>is sie schlirhlich bei JSraelspoort von den Truppen des Generals K n or anfgcnommen wnrdc». Tie Boeren standen nntrr Tewet's persönlichem Befehle und zählten SäOO Mann, während die englische Abthrilnng nur 700 Mann kk) stark war. Da- „Rruter'schr Bureau" bemerkt zu der vorstehenden Tcpcschc, dieser Kampf, üb r den bisher weder in osficicllcn, noch in privaten Depeschen bcrichlet worden, sei vermnthlich eine derjenigen Aktionen, durch welche es Trwet gelang, durch die britischen Linien zwischen Bloemfontein und Ladybraud ans seinem Wege nach Lüden dnrchzubrcchcn. Also wieder in die Falle gegangen. Mehr denn je muß der Höchstcommandirende, Lord Kilchcner, da er seine Streit macht überallhin zu decentralisiren genölbigt ist, sich auf das Talent, die Umsicht und Besonnenheit seiner Unterführer ver lassen — Major Crewe ist einer von denen, die noch nichts gelernt haben und er ist nicht der einzige dieser Species. Sw schlecht aber auch hier der englische Aufklärungs dienst war, so achtunggebietend war wieder die Tapferkeit der britischen Truppen, die Alles daran setzten, das verlorene Geschütz wiederzuerobern und dabei eingestandenermaßen schwere Verluste davontrugen. Wie schwer dieselben waren, sagt die Depesche nicht, sie darf eS offenbar nicht verratben, und so kann man annehmen, daß für die Engländer der Tag katastrophal war. Es war anscheinend Dewet, der beim TabakbSberg com- mandirte. Au- der weiteren Meldung, daß er nicht vermocht habe, östlich von Belbulie den Oranjesiuß zu überschreiten und in die Capcolonie einzudringen, muß man schließen, daß er in der Zeit vom 30. Januar bis zum 9. Februar die etwa 150 englische Meilen lange Strecke ziemlich un gehindert durchzogen, sich wieder nordwestlich nach Jagers- fontein gewendet, hier die Balm Springfontcin - Bloem fontein überschritten und sich endlich gegen Westen gezogen bat, um über Philippolis und ColcSberg nach dem Cap land vorzurücken. Mit voller Bestimmtheit vermögen wir seine Route indessen nicht anzugeben, da die Engländer die Fühlung mit ihm so gut wie ganz verloren haben, waS sie militärisch arg blosstellt. Daß die Unglücksbotschast erst jetzt bekannt wird und vor Allem, daß das Londoner Kriegsamt kein amtliches Tele gramm Kitchener'S über diese Kämpfe veröffentlicht, ist wieder ein Beweis dafür, wie wenig man mit der Zuverlässigkeit der englischen Berichterstattung rechnen kann. Deshalb glauben wir auch, daß unser Londoner Gewährsmann im Recht ist, wenn er berichtet, daß Louis Botha am 6. FebruarShmith-Dorrien bei Bo tkwel l zurückgeschlagen bat und nicht, daß, wie Kiickener meldet, schließlich Botha zurückgeworfen sei. Unsere Nachricht, die wir schon durch Anschlag bekannt gegeben, lautet: r. London, II. Februar. (Privattelesiransim.) Aus Pretoria wird nutcr dem 9. Februar „cmeldcl: SäOO Boeren unter Botha warfen nach einem glänzenden Angriff das Eorps Lmith-T orricn bei Bo »hwell zurück. Tic Engländer hatten 29 ToStc, 70 Verwundete und 22 Gelungene. Von de» Boeren sind 2 Eommandanten und 20 Mann toöt nnd 45 verwundet. Beide Tbeile haben erhebliche Verluste gehabt, woraus hervorgeht, daß thatsächlick sckwcr gekämpft worden ist, aber Kitchener giebt die englischen Verlustziffern niedriger (24 Todle, 53 Verwundete und keine Gefangene) an. Wahrscheinlicher ist, daß das war ottico in London die Abstriche gemacht bat. Botha steht im östlichen Tbeile des Transvaal südlich der Dew.gvabah-. und Carolina, bereit, in t-e w-nig zugängliche-' Grenzgebirge des SwazilandeS zurückzugehen, wenn Kitckener's mit Uebermacht unternommener cogcentriscker Vorstoß ibn dazu zwingen sollte. Vorläufig ist eS noch nickt soweit: Der erne Schlag, den Smith - Dorricn zu führen hatte, ist mindestens absolut erfolglos gewesen, wenn nicht gar zu einer schweren Schlappe für diesen geworden. An eine in diesen Tistriclen ausgebrochene „regelrechte Panik" glauben wir nicht, wenn die Boeren sich auch, 6000 Mann stark, über Ermelo in der R chlung auf Amsterdam zurück gezogen haben. Dort ist das Terrain so bergig und zerklüftet, daß selbst General French den sich einnislenden Boeren schwerlich wird beikommen können, zumal er genöthigt ist, sich weit von der Natal-Babn zu entfernen. Dabei ist dieser „conceniriscke Vormarsch" insofern nicht unbede, klick, als das Gebiet im Rücken der vordringenden eng- lisckenTruppenkörpernoch keineswegs gesäubert ist. Tas zeigt der Angriff der Boeren bei Greylingstad aus einen englischen Postzug. Von Greylingstad aus avancirt Oberst Colville gegen Botha, er mag also sehen, daß er den Weg nach seiner Operationsbasis srcibält. Ueberhaupt mehren sich die Atten tate auf englische Züge aus der von Natal nach Johannes burg führenden Bahn (solche wurden aus Vlakfontein und Vlaklaagte — ersteres westlich, letzteres östlich von Greyling stad — gemeldet), sodaß auch French'S und Bartnell's Rückzugs linie gefährdet ist. Politische Tagesschau. * Leipzig, 1l. Februar. Das Aussehen, welckeS die von uns an mehreren Stellen erwähnten Auslassungen der „Arruzzcilung" über den Aufenthalt des Kaisers in England erregt, greift immer Weiler und tiefer. Das recktsconiervative, das „junkerliche", Organ hat sich in diesem Falle, soweit Preußen in Betracht kommt, zum Dolmetsch deS nationalen Denkens und Empfindens gemacht und sein Nolb- lckrei erweckt einen um so kräftigeren Widerhall, aks mit sebr wenigen Ausnahmen die liberale Presse Preußens — in den anderen Bundesstaaten liegt es anders — bei ter sreimütbigen Beurlheilung der auch ibren Lesern pein- licken Vorgänge nickt nur vollständig versagt bat, sondern auch in einigen angeseheneren Organen den ofsiciösen Be- schwichtigungS-, Bescköiiigungs- und — der Ausdruck ist nickt ungerechtfertigt — Täuickungsbestrebungeu Vorschub geleistet bat. Der Eindruck der Darlegungen deS conser» ativen Blattes ist aber so stark, daß die preußische liberale Presse den sie beherrschenden Doppelwunsck, eine Getreidezollerkökung zu Verbindern und den Mittellandcanal durchzubringen, zurück treten zu lassen sich bemüßigt siebt, wenigstens insoweit, als sie wiederholt und ohne eine Antikritik zu wagen, aus den Artikel der „Kreuzztg." zurückkommt. Mehr noch: die „Voss. Ztg.", die ihr Berliner Fortschrittspbilisterium genau kennt, gelangt in einer Auseinandersetzung, die nicht mit Approbation deS Auswärtigen Amtes erschienen sein dürste, nach langer Zeit zum ersten Male zn dem Ergehn ß, daß die Teutscdfreundlickkeit der englischen Politik ab anno Palmerston biS auf den heutigen Tag dock nickt so ganz reinlich und zweifelsohne gewesen sei. Doch werden hier die Zweifel an der Wichtigkeit einer England absolut ergebenen deutschen Politik nur schwach und zaghaft angedeutet. Eine ganz andere Sprache sprechen die „Berliner Neuesten Nachrichten", die allerdings nicht liberal, aber auch nicht couservaliv in irgend einem .FicrionSsinne sind. Dieses verbreitete, polnisch unab hängige und deS „AlldeutschihumS" nicht verdächtige Pccßorgan giebt die Ausführung der „Kreuzztg." wieder, weil eS ibm bekannt ist, daß sie sich mit „einer in den besten Schickten ter Bevölkerung weitverbreiteten Auffassung decken" und weil auch an das citirende Blatt selbst ähnliche Me nungSäußerungen herangelreteu sind. Die „Berliner Neuesten Nachrichten" erweitern für ihre» Tbeil die Auslassung der „Kreuzztg." durch den Nachweis, daß England zur Zeit „in keiner Weise bündnißjäbig" sei. Dem wird Niemand widersprechen, auch ein Politiker nickt, der die herbe Kritik des „Daily Graphic" über den fragwürdigen und gerade bei der Reise unseres Kaisers nach England zu Tage getretenen Zustand der englischen Flotte zufällig nickt kennt. Aber wenn England nicht bündnißfäbig ist, so ist Deutschland »n- besinnen auch über den Dreibund hinaus und in die Weltfragen, die heute die Constellation, die den Dreibund bervorgcrufen, zurückdrängen, hinein bündnißsähig. Und daS ist eben daö BeklagenSwerthe, daß wir ohne jede Aussicht auf anderen Lohn als den, in Südafrika wirthsckasllich zurückgedrängt zu weiden, dem durch seine militärische Unfähigkeit in Bedrängniß geratbenen England moralisch den Schilbhaller machen und feine Position obne Frage verbessern. Dieser Gesichtspunkt ist es übrigens nicht allein, von dem die gegenwärtige Mißstimmung in Deutschland ausgeht. Ganz ohne Rücksicht auf den Boerenkrieg und lediglich wegen des Bedürfnisses nach einem Existenz minimum nationalen SelbstbewußtseinS fühlt sich daS deutsche Volk bediückt, weil es bei einem Vergleiche mit deutschen Trauerkündgebungen aus Anlaß des Todes eines fremden Souveräns die amtlichen Veranstaltungen bei dem Tode zweier verehrter eigener Kaiser unzulänglich finden muß. Wenn das im Nei ckst a ge Nicht zum Ausdruck kommen sollte, so würde die ohnehin tief genug gesunkene Achtung vor dieser Körperschaft noch tiefer sinken. Das preußische Centrnm trägt sich augenscheinlich mit der Hoffnung, die Conservativen würden die Eanalvorlagc ablebnen und dadurch den Ultramontaren Gelegenheit geben, mit der Negierung ein beide Tbeile be friedigendes Gesckäst zu macken. Wir schließen dies besonders aus einer Auslassung der „Köln. Volksztg.", die den Conservativen zuretet, fest zu bleiben, und ihnen die Unler- stütznng des CentrumS in Aussicht stellt. Auch wenn man den Zweck derartiger Anfeuerungen nicht sinnke, so würde man ibn in diesem Falle nickt verkennen können, da derselbe Graf Strackwitz, der vor zwei Jahren der lauteste Rufer im Streite wider den Canal war, jetzt erklärt bat, „man" könne, falls die Lippecanalisirung und einige neue Compen- sarionen für Schlesien bewilligt werte, der Canalvorlage schon zustimmen. Die konservative „Schles. Ztg." ist auch gar nicht im Zweifel darüber, was die Hintermänner der „Köln. Volksztg." im Schilde führen, und redet dcSbalb den eigenen Gesinnungsgenossen eindringlich ins Gewissen, sich dock ihrerseits wegen einer Vorlage, deren Schicksal nicht allein von den Conservativen abhängig ist, nicht mit der Negierung zu verfeinden: Die Leidenschaft hat sich auf allen Seiten abgekühlt, und namentlich die Conservativen sind in der Lage, Bergangenes vergangen sein zu lassen und mit voller Objektivität an die Sache heranzutreten. Wir hoffen also, daß aus den diesmaligen Commissionsberathungen ein günstigeres Resultat heraus kommen wird als vor zwei Jahren und daß es gelingen wird, eine der Politik der Sammlung dienliche Einigung zu er zielen, damit der Zankapfel ein für allemal au- der Welt geschafft werde. Die Regierung siebt diesen für sie jedenfalls nicht un günstigen Vorgängen nickt nnthätig zu. Jbre Ofsiciösen sind beordert, nicht nur die Eifersucht der Conservativen gegen daS Centrum zu näbren, sondern auch die Ersteren durch Schreckschüsse vor weiterer Betbätigung der OpposuionS- lust zu warnen. In der „Allgem. Ztg." wird diese Ordre folgendermaßen ausgesübrt: „Ucber zweierlei Tinge scheint in parlamentarischen Kreisen schon jetzt eine weitgehende Uebereinslimmung sich herausgebildet zu haben: erstens darüber, daß das Hauptstück zum Gelingen des Werkes das Centrum beizutragen versuchen wird, und zweiten-, daß ein nicht unerheblicher Tbeil der Conservativen den Mittel landcanal nach wie vor verwerfen — möchte. Ob es darüber zur Auflösung des Abgeordnetenhauses kommt, so daß dann die kritischen Zeiten sür die Landwirthschast rintreten würden, aus die der Landwirthsckastsminisler anipielte, als er sich in einer eaptatio benevvienrias des Landwirthschasl-rcithe- erging, vie heute viel besprochen wird, wer möchte es schon heute voraus- sagen wollen? Daß manche Wetterzeichen eher auf Sturm als auf eine glückliche Fahrt hindeuten, kann der nicht bestreiten, welcher der Neigung auf den Grund geht, die Rednertribünen der Parla- Feurllstsn» Die Geschwister. 101 Roman von Alexander Römer. S!aä>tru<t vnboten. In Ellen stieg eine große Empörung herauf, sie beherrschte sich aber gewaltsam. „Du sprachst Dich damals so aus, als ob das Deine feste Absicht sei, ließest cs jedenfalls das Mädchen glauben, Du gabst eine große Leidenschaft für sie kund." „Eine große Leidenschaft! Bitte, wende das Wort nicht auf die kleine Episode an, das klingt wie Entweihung", rief er heftig. „Du hast ja keine Ahnung, was eine große Leidenschaft im Leben eines Menschen bedeutet. Die adelt ihn, wirft ihre Strahlen über all die ihn umgebende Alltagsmisöre, über all diesen erbärm lichen Kleinkram, die übergoldet Alles." Seine Augen sprühten in dem dunklen, unheimlichen Feuer, das ihr vorhin schon ausgefallen war. Sie erwiderte eine ganze Weile nichts, es wurde todtenstill im Zimmer, er saß vornübergeneigt und athmete schwer. Ellen erfaßte ein« große Ängst. Diese Frau mit dem bedenk lichen Ruf, diese Polin, das Weib eines Anderen, welche die Hofräthin wohl nicht ohne Absicht in ihrem Brief erwähnte, da» „Lodoiska" unterzeichnete Billet — sie reihte sich allerlei zu sammen. Machte eine gewissenlose Circe ihn seinem Beruf und Pflichten abwendig, und war daS die „große Leidenschaft", die ihm daS Hirn verbrannte und seine Sinne verwirrte? Bor ihr lagen dunkle Räthsel, vor denen ihr« unerfahrene Seele schauderte. Wie vermag ein Mädchen, da» selbst noch nichts erfuhr, in die Abgründe einer Mannesseele zu schauen. „So hast Du also mit der kleinen Susi gebrochen", sagte sie endlich leise, „weißt Du denn, wa» aus ihr geworden ist?" Er fuhr empor wie au» tiefem Sinnen. Al» habe der Name Susi kaum noch einen Srinnerungsklang für ihn, so zerstreut war seine Miene. Er strich mit der Hand über seine Sttrn und sammelt« erst seine Gedanken. „Ach habe nicht einmal mit ihr gebrochen", sagte er dann mürrisch, „sie vielmehr mit mir in alberner Empfindlichkeit. Ick war anständig und ließ sie, e» war auch für sie Zeit, daß die Tändeln ein Ende nahm. Später erfuhr ich, ihr Vater sei ge storben und sie aus Clausthal fortgezogen." H Ellen sah angelegentlich aus da» Muster des Teppichs und dim Bruder nicht an. Arme» Ding, murmelt« sir und «rhob sich. Sie war überzeugt, daß des Bruders Darstellung nicht der vollen Wahrheit entsprach. „Wie lange gedenkst Du hier zu bleiben?" fragte Leopold, als sie sich anschickte, zur Mutter hinüber zu gehen. Sie wandte sich rasch um und sah ihm gerade in die Augen. „Bis die Mutter gesund ist", entgegnete sie. Er zuckte die Achseln. „Gesund — sie erklärt ja, gesund zu sein, schwach wird sie bis an ihr Ende bleiben, der Doctor sagt, sie bedarf nur der Ruhe." „Freilich, Ruhe, Ruhe im Gemüth. Die müssen ihre Kinder ihr zu geben versuchen. Augenblicklich scheint sie ihr durchaus zu fehlen. Verzeih, Leopold, ich kann nach diesen wenigen Stunden hier nicht über den Stand der Dinge urtheilen, muß aber bei der Mutter bleiben, so lange sie meiner bedarf. Du magst es mir glauben, daß ich mich nicht leichten Herzens aus meinem Wirkungskreise, der mir Alles bot, was ich bedurfte, losriß, aber —ich habe bis jetzt den Eindruck, daß mein Kommen nöthig war." „Nöthig — wie meinst Du das? Willst Du hier Kranken pflegerin sein und Deine Interessen aufgeben? Da ließe sich ja eine Pflegeschwester engagiren, wenn Mama sie wirklich be dürfte. Ich spreche einzig in dem Sinne, Dich vor überflüssigen Opfern zu warnen", setzte er hinzu, „wenn man die Dinge gehen läßt, schiebt sich Vieles von selbst zurecht." „Der Satz stimmt nicht mit meinen Ansichten", meinte sie, „ich halte ihn für sehr gefährlich." Er lachte. „Laß uns sehen, wessen Theorie sich am besten bewährt", rief er, „ich fahre schon lange mit der meinen sehr gut." Das Jahr neigte sich seinem Ende zu, Ellen mußte einen Entschluß fassen, sie durste Miß Scott nicht länger in Ungewiß heit lassen über den Zeitpunkt ihrer Rückkehr. Sie hotte sich zersonnen nach einem Ausweg. Die Berichte, welche die Hof räthin Bveding ihr vertraulich gab, hoben ihren Muth nicht. Hier konnte eines Tages ein plötzlicher Zusammenbruch alles Be stehenden erfolgen. Die Mutter erholte sich unter ihrer Pflege, es war ersichtlich, daß die Möglichkeit des Aussprechenr, das Anlehnen an die auch geistig stärkere Tochter ihr einen Trost und Halt gab. Sie wurde bleick und sah hilflos und geängstigt aus, wenn Ellen nur eine Andeutung von ihrer bevorstehenden Abreise machte. Je mehr Einblicke Ellen hier gewann, desto klarer wurde es ihr, daß des Bruders Praxi» gleich Null war. Woher nahm er die Mittel zu seinem großartigen Leben? Er speiste mit den Officieren im Hotel du Nord, hatte sein Reitpferd im Tattersall, war jeden Abend irgendwo «ngagirt. Zu Hause sah man ihn selten genug. Einige verdächtig aus sehende Individuen, die bei ihm aus- und eingingen, brachten Ellen auf sehr sorgenvolle Gedanken. Leopold steckte tief in Schulden und wartete auf die Erbschaft, wenn der Justizrath einmal die Augen schloß. Den alten Herrn schien er regelmäßig zu besuchen, — der einzige Zwang, den er sich auferlegte —, er erzählte mitunter von seinen Eindrücken dort und verwunderte sich stets, wie es möglich sei, daß er noch immer lebe. „Er verläßt ja sein Zimmer seit Jahren nicht mehr, und vegetirt nur noch", sagte er, „es ist unglaublich, daß die Lebens kraft noch immer aushält." Der Justizrath glaubte ihn jedenfalls wohl versorgt, und gab ihm sicher keine Zuschüsse mehr. Ellen erblickte Frau Lodoiska v. Trembow eines Tages auf der Straße, die Hofräthin, die mit ihr ging, machte sie auf die Dame aufmerksam. Ellen entsetzte sich und lachte dann. Dies« auffallend gekleidete, korpulente Frau mit den plumpen, sla- vischen Zügen, den stechenden, schwarzen Augen, über denen die dichten Brauen an der Nasenwurzel zusammentrafen, konnte dem mit „ästhetischem Feinsinn" ausgestatteten Bruder doch unmög lich gefährlich werden. Die Hofräthin zuckte die Achseln, als sie ihre Meinung aus sprach. „Ueber dergleichen können wir Frauen gar nicht ur theilen", sagte sie, „alle Welt hier glaubt an ein Verhältniß Leo- pold's zu ihr. Er soll täglich in ihrem Hause sein." „Die Dame Hot aber noch einen Gatten", warf Ellen rin. „Der soll sehr tolerant sein, sehr beschränkt, nur reich. Ach, liebe Ellen, was wissen wir ehrbar«, Frauen von solchen Dingen, so Eine, wie die, ruinirt di« Männer." Ellen schauderte, wenn es sich nur nicht um Leopold gehandelt hätte. Die Hofräthin, und mit ihr wohl Viele der näher Befreun deten, waren der Meinung, daß Ellen bleiben müsse und die Mutter in ihrer traurigen Lage nicht verlassen dürfe. Man machte ihr schon Vorschläge, wie hier sich ein« Thätigkeit und Erwerb für sie finden könne. Denn die Mutter bestritt die Auk- gaben für ihre Bedürfnisse schon lange von ihrer kleinen Pension und darbte dabei. Sie mochte dem Sohn nicht mit Geldforde rungen kommen, und dieser schien nicht daran zu denken, daß sie etwas bedurfte. Der Posten einer Lehrerin an der höheren Töchterschule wurde zu Neujahr frei, man redete Ellen zu, sich darum zu be werben, sie hatte nur drei Stunden täglich zu geben und er bot «ine fest« jährlich« Einnahmr. Gestern erhielt sie nun rin Schreiben von einer Dame, welche in Valparaiso an einen reichen Kaufherrn verheirathet gewesen, und jetzt als Wittwe mit ihrer siebzehnjährigen Tochter nach Schwanau, ihrer Vaterstadt, zu rückgekehrt war. Sie wünschte für ihre junge Tochter «ine tüch tige geprüfte Lehrerin, welche die drüben lückenhaft gebliebene Bildung der jungen Dame vervollständigen half. Sie stellle ein sehr hohes Honorar in Aussicht, und sprach vornehmlich den Wunsch aus, eine gereiftere Freundin und Gefährtin für ihre Tochter zu erwerben. Ellen hatte müde verweinte Augen, als sie den Brief prüfte. Sie verstand, das ging von den Freunden unv Bekannten aus, die Alle der Meinung waren, sie könne die Mutter nicht verlassen. Und sagte sie es sich denn nicht selbst, daß sic keine ruhige Stunde in Putney haben werde, wenn sie die den Verhältnissen so wenig gewachsene Mutter in diesen unsicheren, unklaren Zuständen zu rückließ. Sie hatte daran gedacht, sie mit sich zu nehmen, welch' ein behagliches, sorgenfreies Leben konnte sie ihr in England schaffen, aber die Mutter würde sich nimmermehr von Leopold trennen, war überhaupt nicht zu verpflanzen. Wo war da ein Ausweg. Sie sah starr hinauf zu dem grauen Decemberhimmel, au dem die dunklen Wolken sich jagten, kein Sonnenblick, keine Er lösung. Heiße Thränen rollten über ihre Wangen, und unter diesen Thränen schrieb sie ihren Brief an Miß Scott. „Ich kann nicht zurückkehren, es muß geschieden sein." Gott allein wußte, was es sie kostete. Sie nahm nun den Brief der Dame aus Valparaiso, Frau Rose war ihr Name, noch einmal vor und überlegte. Valparaiso, an dem Ortsnamen hafteten ihre Gedanken. Er führte ihr ihr kleines Erlebniß auf dem Schiff während ihrer Ueberfahrt wieder vor Augen, jenes schöne, gute Gesicht des Unbekannten, das immer noch merkwürdig lebendig von ihr stand. Ja, es gab glückliche, freie Menschen; sie seufzte und ein brennendes Sehnen, ein un verstandene», kam in ihr« Seele. Seit wann gab sie sich denn mit eiteln, unmöglichen Wünschen ab? fragt« sie sich kopfschüttelnd, die erschwerten ihr nur ihr Loos. Nach wenig Tagen hatte sie sich für die Annahme der beiden Posten entschieden und der Frau Rose ihren Besuch gemacht. Di« Dame bewohnte ein sehr elegantes Quartirr in der Annenstraße, das mit höchstem Luxus ausgestattrt war. Ihre Person machte Ellen keinen bedeutenden, im Gegentheil, einen sehr oberflächlichen Eindruck. Sie redete viel in einem blasirten, . i renommistischen Ton und stellte Ellen ihr« junge Tochter vor. Ein bildhübsche», dunkeläugige» Mädchen mti dem matten, färb«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite