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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.02.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010219015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901021901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901021901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-02
- Tag1901-02-19
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Anzeigen Preis die 6gespaltene Petitzeile SS H. Reklamen unter dem Redaction-strich <4 gespalten) 7S vor den FamUieuuach- richten (6 gespalten) SO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme LS H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 80.—, mit Postbesörderung ^l 70.—» Armahmeschluß lur ^n)eigen: Abend-Ausgabe: vormittag- lO Uhr. Morgen-Au-gabe: Nachmittag- 4 Uhr. Vei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Ervekiespu zu richten. Dir Expeditton ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Nolz in Leipzig Dienstag den 19. Februar 1901. 95. Jahrgang. Das Heereswesen in Lelgien. i. L. v. N. Die Heeresreformfrage zieht sich schon seit einem Jahrzehnt in Beligcn hin und vermochte bis jetzt, obgleich der König und die Miülärpartei unentwegt für sie emtralen, gegen über dem Einflüsse der belgischen Klerikalen nicht zur Durch führung zu gelangen. Jetzt scheint sie im Begriff, einen beträchtlichen Schritt vorwärts zu thun und vielleicht selbst durch- zudringen, da die öffentliche Meinung ihr allmählich mehr ge neigt zu werden beginnt und eine Commission von 36 Mit gliedern zur Zeit mit ihrer eingehenden Becathung beschäftigt ist. Der Zusammentritt dieser Commission ist das Ergebnis; des seit lange sich geltend machenden Zweifels an der Leistungs fähigkeit der belgischen Armee in ihrer gegenwärtigen Verfassung im Falle europäischer Verwickelungen, die die Neutralität Bel giens gefährden tonnten, eines Zweifels, den zuerst so competente Beurtheilec, wie General Brialmont und andere Fachmänner ausspcochcn und der heute die öffentliche Meinung Belgiens mehr oder weniger beschäftigt. Der Commission, die zu fast gleichen Theilen mit Militärs und Civilisten besetzt ist, unterliegt die Prüfung dreier Haupt fragen, und zwar die der R e c r u t i r u n g s w e i s e, der Stärke des jährlichen Recrutencontingents und der Dauer der Dienstzeit. Ferner stehen für sie noch einige andere Punkte, wie die internationalen Verpflichtungen, betreffend das Neutralitätsprincip, die Ver stärkung der Befestigungen, darunter die moderne Ausgestaltung Antwerpens als Armeescstung und Hauptstützpunct der Landes- vertheidigung, zur Erwägung. Dor letztere dieser Punkte hat offenbar eine ebenso große Bedeutung, wie die ersteren drei; denn wenn auch von jenen die KriegSIeistungsfähigkeit der belgischen Armee ganz erheblich ab hängt, so ist doch sehr zu berücksichiigen, daß die belgische Armee, solange nicht Jahrzehnte der allgemeinen Wehrpflicht und ihrer gründlichen kriegsgemäßen Schulung vergangen sind und der Volkügeist im industriellen Belgien nicht überhaupt, wenn auch nicht aguerrirt, so doch militarisivt ist und dort die Ableistung der Wehrpflicht nicht von allen Schichten der Bevölkerung als dir erste.Pflicht gegen das Land betrachtet wird, nur auf ein sehr ge ringes Maß von Kriegstüchtigkcit gegenüber den noch dazu nume risch und qualitativ bedeutend überlegenen gewaltigen Nachbar heeren zu rechnen hat. Und dieses geringe Maß weist die bel gische Armee gebieterisch in beiderlei Hinsicht auf die Anlehnung an starke Befestigungen zum Ausgleich ihrer Inferiorität hin und prägt ihr ganz vorzugsweise den Charakter eines nicht zur stra tegischen und nur höchst selten zur taktischen Offensive, sondern vielmehr nur zur strategischen und taktischen De fensive hinter Befestigungen befähigten HeereS auf. Das, was Belgien aller Voraussicht nach allein zu fürchten hat, ist nicht sowohl der isolirte Angriff einer der beiden ihm be nachbarten großen Militärmächte, Frankreich und Deutschland um sich des reichen Industrielandes, dessen Erwerbung heute einen Napoleon I. allerdings sehr reizen könnte, zu bemächtigen — denn in diesem, das derzeitige politische Machtgewicht auf dem Continent erheblich verschiebenden Falle würde die in anderen Fällen wenig Gewicht besitzende Neutralität Belgiens wohl un zweifelhaft durch eine Coalition der übrigen Mächte wirksam geschützt werden —, sondern eS ist der Du r ch m a r s ch einer der Armeen der genannten Nachbarn im Fall« eines Krieges zwischen beiden. Derselbe könnte französischerseits erfolgen, um die ungemein starke deutsche Rhein-FestungSbarriöre im Norden zu umgehen, sie unter angemessener Detachirung nördlich KölnS zu überschreiten und, die Berg- und Hügellandschaften Mittel deutschlands vermeidend, durch die norddeutsche Tiefebene auf Berlin zu operiren. Wenn jedoch Belgien selbst nur rein defensiv hinter seinen Befestigungen gut gerüstet ist und seine Armee unter Besetzthaltung der Maas- und Sambre-Befestigungen Lüttich-Namur, und alsdann an der Dyle-Nethelinie, schließlich aber in der Centralfestung Antwerpen versammelt, so bedarf dte französische Armee, um die belgische, etwa 150000 Mann starke, im Schach zu halten, etiva 60 000 Mann oder zwei complcte Armeecorps, die alsdann bei der Entscheidung auf dem deutschen Kriegsschauplätze ausfallen würden. Allerdings müßte sie aus diesem Wege, wie erwähnt, angemessene, beträchtliche Streitkräfte nach Süden zur Sicherung der rechten Flanke ihres Vordringens entsenden. Immerhin aber bliebe ihr die Ucberwältigung oder die starke Kräfte absorbirende Beobachtung von Metz und der mittleren Rheinfestungen erspart und ihr Vormarsch in der nord- deutschen Tiefebene würde ein verhältnißmäßig leichter sein. Es ist daher, wenn auch die Hauptkräfte des französischen Heeres durch die betreffenden deutschen Dislocations- und sonstigen stra- tegischen Verhältnisse an das Maas- und Moselgebiet gebunden sem werden, nicht ausgeschlossen, daß Frankreich im Kriegsfall« mit Deutschland eine Diversion mit einer Armee durch Belgien in der erwähnten Richtung unternimmt. Andererseits aber könnte das deutsche Heer, falls man in jenem Kriegsfälle die Neu tralität Belgiens nicht respectiren wollte, veranlaßt sein, zur Umgehung der starken Festungs- und SperrfortS-Barriere von Maas und Mosel mit einer Armee im Norden durch Belgien zu schreiten, ein Fall, der allerdings in Anbetracht der diesseits wohl respectirt bleibenden Neutralität Belgiens keineswegs wahrschein lich, jedoch nicht absolut ausgeschlossen erscheint, da für das deutsche Heer bei seiner numerischen Ueberlegenheit über daS französische die Abzweigung von zwei Armcecorps gegen Belgien weniger ins Gewicht fällt. In beiden Fällen aber bilden daS mittlere Maas- und untere Sambre-Thal die gegebenen Durch marschlinien durch Belgien und deshalb wurde das erstere bel gischerseits nach dem Plan Brialmonts in technisch mustergiltiger Weise befestigt. Die Abwehr des Durchmarsches einer feindlichen Armee durch'S Sambre- und Maasthal, alsdann die Vertheidigung des befestigten Dyle- und Nethe-Abschnitts und schließlich deS Central-Reduits der Landesvertheidigung, Antwerpens, um die Landeshauptstadt mit der gcsammten Armee möglichst lange zu halten und Zeit für daS Eingreifen der bewaffneten Hilfe des Auslandes, d. h. Englands, auf der Schelde zu gewinnen, bilden daher die Angelpunkte des heutigen belgischen LandeSvertheidigungSsystems. Allein, damit das selbe wirksam zu functioniren vermag, bedark eS eiuer leistungsfähigen Armee, die Belgien heute keineswegs in g«nügcndem Maße besitzt. Man giebt heute in Belgien selbst zu, daß, wenn daS Land in dem Falle des Kampfes zwischen Frankreich und Deutschland nicht eine derartige Widerstands kraft in die Waagschale werfe, um die Gegner vom Durchmärsche durch dasselbe und von seiner Besetzung abzuhalten, Belgien seine Neutralität, vielleicht selbst seine Existenz gefährde, und auf die Vorbeugung dieser Gefahr zielen di« jetzigen Anstrengungen der Regierung ab. Was di« erst« der Commission vorliegende Frage, den Re- crutirungsmodus der Armee, betrifft, so hat sich hinsichtlich seiner in den letzten Jahren eine große Aenderung der öffentlichen Meinung vollzogen. Dieselbe ist heute zu Gunsten der allgemeinen Wehrpflicht gewandelt, deren Annahme die Ab schaffung des geltenden Stelwertretersystcms zur Folge haben würde, bei welchem ein Wehrpflichtig«!, dessen bei der jährlichen Loosung gezogene Nummer ihn zum Heeresdienste bestimmt, die Wahl hat, sicheinen Stellvertreter zu kaufen und sich derart dauernd vom Waffendienste zu befreien. Die Stellvertreterkostcn betragen 1600 Francs und w«rd«n fast ohne Ausnahme von denen, die sie aufbringen können, gezahlt. Allein die Strömung in der öffentlichen Meinung, die gegen das System ankämpfte, wurde erst in den letzten Jahren bemerkbar und ist viel mehr einem allmählichen Umschwünge der Meinung, als ein«r starken Agitation zuzuschreiben. 30Jahre hindurch war FröreOrban, der bedeutendste liberale Staatsmann Belgiens, ein erklärter Gegner der allgemeinen Wehrpflicht, oder, wie eS in Belgien hrißt, deS persönlicher, Dienstes, und auch heute noch hängt ein beträchtlicher Theil der klerikalen Partei Belgiens an dem jetzigen Systeme. Zwei Erscheinungen waren es, die die erwähnte Umwandlung h«rvorriefen, der deutsch-französische Krieg, der die unbestrittene Ueberlegenheit der deutschen Heereseinrichtungen über die fran zösischen, denen die belgischen größtenthcils nachgebildot sind, tn Helles Licht setzte, und ferner der große Streik von 1886 im Kohlendistricte von Charleroi, bei dem die Unfähigkeit des Landes, innerhalb seinrs eigenen Gebiets die Ordnung aufrecht zu er halten, der Bcoölkrrung klar wurde. Ein dritter, aus dem socialen Charakter der Frage hervorgehcnder Einfluß war nicht weniger wichtig, obgleich seine Wirkungen nur invireot fühlbar waren, und zu ihm können die besseren Elemente der Socialisten in ge wissem Grade beigetragen haben. Jedenfalls belastet das heule in Geltung befindliche System die Schultern der ärmsten und ungebildetsten Söhne Belgiens mit der Bürde des Casernen- lebens. Die natürliche Folge davon ist, daß das die Armee im Ganzen bildende Material ein minderwerthiges ist. Ein Jeder, der sich die Mühe nahm, die physische Erscheinung und die all gemeine Haltung einer der Infanterie-Compagnien, tue die Straßen Brüssels durchziehen, zu prüfen, muß zügeben, daß ein Vergleich zu Gunsten der Mannschaften ausfällt, die nach einem, von dem belgischen verschiedenen Modus recrutirt sind. Die Wirren in Cliina. Aus Shanghai wird unter dem 15. Februar telegraphirt: „Es st«ht nunmehr fest, daß die kaiserliche Regierung in Sin- gan-fu oder wer immer dort die Gewalt in Händen hat, sich weigert, die sämmtlichen von den Verbündeten verlangten ToöcsurthcUe vollziehen zu lassen. Li-Hung-Tschang und Prinz Tsching haben eine Botschaft erhallen, nach der man in Singan-su bereit ist, den früheren Gouverneur der Provinz Schansi, Au- Hsien, enthaupten und den Prinzen Tschuang erdrosseln zu lassen. Den fremden Gesairdten ist allerdings bis jetzt von den beiden chinesischen Commissarcn eine officielle Mittheilung hiervon noch nicht gemacht worden; für morgen ist aber eine Conferenz an gesetzt, an welcher Tsching und Li ebenfalls theilnehmen werden, mithin eine Gelegenheit haben, d«n Entschluß des kaiserlichen Hofes kundzugeben. Weitere Complicationen sind hiernach natür lich unvermeidlich, schon deshalb, weil unter den Vertretern der Großmächte die größte E^b'ti-rung über die Doppelzüngigkeit Li s und über das verrätherische und selostsüchtige Verhalten eines der Gesandicn, welcher, ohne bisher genannt zu werden, zweifellos als in geheimem Verkehr mit den Vertretern der kaiser lichen Regierung stehend festgenagelt worden ist. In diesem Verkehr haben natürlich die bereits früher gemeldeten Mit- thilungen über die Verhandlungen und Beschlüsse der internatio nalen Conferenz an die Chinesen stattgcfunden, und oic Ent rüstung über diesen Treubruch ist in diplomatischen Kreisen um so größer, als die betreffende Gesandtschaft sich nicht einmal entblödet hat, sogar direkte Mittheilungen über die entsprechender Vorgänge an die Presse ihres Landes gelangen zu lassen. Eine gemeinsame diplomatische Action der übrigen Gesandten in Bezug auf dieses unerfreuliche Vorkommnis soll bereits im Gange sein. — Im Uebrigen kommt von Peking noch die Nachricht, daß der junge Kaiser in Singan-fu persönlich fest entschlossen sein soll, die sämmtlichen Bedingungen der verbün deten Mächte, einschließlich aller verlangten Todesurtheile, zu erfüllen, daß er aber trotz aller Versicherungen vom Gegentheil nach wie vor unter dem Drucke des unerschütterten Einflusses der Kaiserin-Wittwe und ihrer Clique steht und somit unfähig ist und bleibt, irgendwie selbstständig nach Wunsch der fremden Mächte zu handeln. * New Park, l7. Februar. („Reuter'S Bureau".) AuS Peking wird unter dem gestrigen Tage berichtet: Vor der Zusammen- kunst, de dir Gesandten beute Vormittag hatten, wurde ihnen die Botschaft der chinesischen Bevollmächtigten auSgehändiqt, die den Inhalt eines kaiserlichen Edicts wiederqiebt, das in Wirklichkeit die letzten die Verurtdeilungen betreffenden Depeschen wiederholt. Tschuang hat danach Selb stm ord zu begehen, undVuhsien soll hiugerichtrt werden. Beide Urtheile sollen In Gegenwart hoher Regierungsbeamter vollstreckt werden, um die Fremden zufrieden- zustellen. Bevor der Kaiser das TodeSurtheil an-spricbt, soll die Untersuchung im Processe gegen Tschihiin und LNchanyu ein geleitet werden. Tungsuhsiang soll seines Ranges entkleidet werden und die anderen Strafen sollen folgen Aingnien undTschao- schu-tschiao sollen eingekerkert, und nach ihrem Tode die an die Familie des Verstorbenen verliehenen Ehren annullirt werden. Man glaubt, daß dir Gesandten dieses Edict nicht olS genügend be trachten, weil es nur die Wiederholung deS letzten Vorschlag- ist. — In der Conferenz der Gesandten wurden die Frage der Gesandtschafts niederlassungen und ihrer Befestigung, sowie die Jndemnitätssrage erörtert, und es wurde entschieden, daß sich die Gerichtsbarkeit, die ten Gesandten jetzt zusieht, nur aus örtliche Verluste der Landes angel örigen bezieht Ueber die durch die militärischen Operationen verursachten Kosten habe dir Regierung selbst zu entscheiden. * Shanghai, l7. Februar. („Rruter'S Bureau") Durch kaiser liche Edicir werden Beamte bestimmt, die darüber zu wachen haben, daß Tschuang Selbstmord begebe, Duhsien enthauptet, ferner Kangyi nachträglich seines Ranges entleibet werde, den er vor seinem Tode besaß, seine Familie der Pension verlustig gehe, und daß alle ihre Ehrenstellen und Titel aus Konyungyi und die anderen Mitglieder deS Tsung li Namen, die in Peking hingerichtet worden sind» noch nachträglich übergehen. Schließlich soll bas Bedauern darüber ausgesprochen werden, daß sie zu Unrecht bestraft worden seien, und ihre Familien sollen unterstützt werden. * Köln, l8 Februar. (Telegramm.) Die „Kölnische Ztg." berichtet aus Peking unter dem 16. Februar: AngesichiS deS uu- gtlwssen und schleppenden Ganges der FriedenSverhanbl ungen hat der Feldmarichall Graf Waldersee alle BefehlSdaber der ver- bündeien europäischen Truppen ersucht, für Ende Februar neue Expeditionen in größerem Maßslabe vorzubereilen, um die Provinz Petschili endgiltig von den chinesischen Soldaten zu säubern. (Wiederholt.) Der Krieg in Südafrika. Bau Laut» Vot-a und den ihn hartbedrängenden englischen Heerschaaren liegen kein« officiellen Nachrichten vor. „Reuter" behauptet allerdings, daß es dem General French gelungen sei, eine größere Boerenabthei- lung zu umzingeln und gefangen zu nehmen, was aber noch d«r Bestätigung bedarf. Amsterdam soll angeblich von Smrth-Dorrien besetzt worden fern, während die Boeren unter Botha sich weiter nach Süden und Südosten zurückzogen. Bet Standerton scheint es ebenfalls zu einem lebhaften Gefecht gekommen zu sein, in dem nach englischer Meldung die Boeren natürlich ebenfalls wieder den Kürzeren zogen. Es wird dabei sogar behauptet, daß die britisch- Jnniskillings-Dragoner eine schneidige Attacke gegen di« Boeren „mit geradezu fürchterlichem Resultat" geritten hoben. Dieses Resultat bestand in „fünf Tobten, zwanzig Verwundeten und zehn gefangenen Boeren, während der Rest in größter Panik nach allen Richtungen zersprengt wurde" —. Nun liegt aber auch noch ein« andere Meldung über dieses Gefecht bei Standerton vor, welche etwas anders lautet. Hiernach zerstörten die Boeren einen großen Eisenbahn-Ucbcrgang durch Dynamit und brachten da durch einen englischen Transportzug zum Stehen, dessen Locomo- tive sich am Hintern Ende befand. Ein Panzerzug, der zur Hilfe herbeidampft«, wurde auf ganz eigenthümliche Art und Weise von den Transvaalern begrüßt. Sie koppelten die Locomotive des entgleisten Zuges ab, stellten den Regulator auf „Volldampf" und ließen die Maschine dem Panzerzug entgcgensaustn. Der letztere konnte noch rechtzeitig Gegendampf geben und sich „zurückziehen", Feuilleton. Der Götze von Venedig. Drama von Rudolf von Gottschall. ».achdrua verboten Dal Zeitalter 'der Renaissance in Italien hat ein« Reihe willensstarker, genußfroher, aber auch gewissenloser Machthaber gezeitigt, die, wenn es sich um die Erreichung der Ziele ihrer Herrschsucht handelte, vor keinem auch noch jo verbrecherischen Mittel zurückschreckten; Herrenmenschen, wie Cesare Borgia, die nach dem Grundsätze handelten: Der Mensch ist das Maß aller Dinge. Diese Alle nehmen unsere mit Schaudern gemischt« Theil- nahme in Anspruch durch das Moment einer kräftig und rück sichtslos herausgearbeiteten Persönlichkeit, tsrlche zugleich auch die Ursache deS Interesses ist, das ihnen die Kunst, besonders di« dramatische, entgegenbringt. Denn diese wird sich immer bewußt bleiben müssen, daß der Reiz großer Persönlichkeiten eS ist, dem sie ihre bedeutendsten Wirkungen verdankt. Tritt man nun aber den Gewalthabern jener Zeit näher, so wird man erstaunt sein, daß sie zwar nicht vor der Majestät deS SittengesetzeS, wohl aber vor einer zeitgenössischen Persönlichkeit «zittert und gebebt haben, welcher der bezeichnend« Beiname der Fürstenaeißel zu Theil geworden. ES ist di« der Schrift- steiler und Pasquillant Pietro Aretino, den Rudolf von Gott schall zuerst in den Mittelpunct eines Romani (Pietro Aretino und sein HauS. Berlin. Gebr. Paete. 1896), dann einer Drama!: „Der Götze von Benedig", gestellt hat, welche» am 18. (statt am 8.) Februar im Weimar schenHoftheater seine erst«, von unbestrittenem Erfolge begleitete Aufführung er lebt hat. Man könnte vermuthen, daß dieser merkwürdige Mann seinen unglaublichen Einfluß auSgeübt habe, weil er, ähnlich wir Dante in seiner „Göttlichen Komödie", so In der Wirklichkeit ein Strafgericht habe ergehen lassen über dir Frevler seiner Zeit, daß «r da» Sittrngesetz an ihren Verächtern gerächt hab«. Weit ge fehlt! Seine Macht entstammte den unlautersten Mitteln, er ist al« di« Giftblüthe der Renaissance zu bezrichn«n, und nur die Perfidie sein«» Geiste» war e» der sich dte Rohheit drr Gewalt zähneknirschend beugt«. Diese merkwürdig« und skandalöse Persönlichkeit erblickte daS Licht der Welt als Kind deS Edelmannes Luigi Bacci und einer Dirne Tita im Hospital von Arezzo am 20. April 1492. Die Frivolität seiner Sinnesart zeigte sich schon im Knabenalter. Wegen eine- Sonetts gegen die Jndulgenzen mußte er nach Perugia fliehen, wo er einer Heiligen, Magdalena, eine Laute in die himmelwärts erhobenen Arme malt«. Von Perugia, wo er einige Zeit als Buchbinder thätig war, wanderte er nach Rom und trat bei einem reichen Kaufmanne Nicola Chigi, dann bei Papst Leo X. und dessen Neffen Juliu» von Medici, nachmaligem Papst Clemens VII., in Dienst. Aber bereits 1524 mußt« er Rom verlassen wegen der Lonstti lussuriosi, die er zu 16 obscönrn Zeichnungen de» Giulio Romano gedichtet. Bon Florenz führte ihn der Anführer der Schwarzen Banden, Jo hann von Medici, an den französischen Hof, und durch Franz I. erhielt er die Verzeihung d«S Papstes. 1527 begab er sich, aber mals verfolgt, In den Schutz de» Dogen Gritti, und nun be ginnt die Zeit, wo die Großen der Erde wetteifern, ihm zu hul digen. Karl V. schickte ihm «ine goldene Kette, verlieh ihm d«n Titel Cavaliere und ließ ihn bei seinem Einritt in Venedig an seiner rechten Seite gehen; auch Franz I. schenkte ihm ein« goldene Kett« im Werth« von 600 Scudi, aber ihr« Glieder be standen auS feurigen Zungen mit der Devise: I-inxu» sjus loquetur monckaoiam (Seine Zunge wird Lügen sprechen), von den italienischen Dynasten erhielt er Geldgeschenke und Jahr gelder in Hülle und Fülle, und selbst der Großtürke überhäufte ihn mit kostbaren Präsenten. Der Gesandte Heinrich'» VIII. von England, Graf Arundel, ließ ihn von sechs Reitknechten durchprügeln. Aber da» that seinem Rubm« keinen Eintrag. Da! Zeitalter fuhr fort, ihn „il ckivino" zu nennen, und er selbst, ein Knrcht deS Mammon», wie e» Wenige gegeben, nannte sich am liebsten I'vornoliboro. Sein Tod entsprach durchau» seinem Leben. Ueber die Muthwilligkeiten seiner Schwestern fiel er vor Lachen auf den Rücken und hauchte den Geist au» (1557). Sein HauSwefrn hatte eine merkwürdig« Aehnlichkeit mit einem Harem. Und doch hegte dieser Wollüstling eine tiefe Neigung zu emem schwindsüchtigen Mädchen, Perina Riceca, nach deren Hin- scheiden er in folgende Klage autbricht: „Ich glaube, daß ich am Todestage der Perina gestorben bin. Diese Liebe-Pest wird, glaube ich, auch im Sterben mich nicht verlassen. Da» Urbel wurzelt in der Liefe m«iner Eingeweide Tausend Jahr hundert« würden r» daraus nicht vertreiben. O, berühmter Lor- tor der Philosophie, wenn Du mich daS Vergessen lehren könntest!" Um unS den Ruhm deS äivino Aretino begreiflich zu machen, haben wir nicht nach etwaigen literarischen oder wissenschaftlichen Verdiensten zu suchen. Aretino, ein Zeitgenosse der gelehrten Humanisten, hatte Nichts gelernt und blieb ungebildet sein Leben lang. Die lateinischen und griechischen Brocken in seinen Schriften kommen von seinem Schreiber und Gehilfen, Niccolo Franco au» Benevent, den man als ein« ähnliche Carikatur des Aretino bezeichnen kann. Aber auch die eigentlich schriftstelle rischen Vorzüge Aretino's sind gcringwerthig. Sein Stil ist geschraubt, schwülstig und geschmacklos durch hyperbolisch« Bild lichkeit. Als daS Erträglichste kann man noch sein« Komödie „II Llarascwlao" bezeichnen, worin die komische Situation, daß «in weiberfeindlicher, alter Junggeselle zur Ehe gezwungen und zu Tode gehetzt wird, in dem Schlußeffect gipfelt, daß die Braut sich als Page des Herzogs entpuppt. DaS fabelhafte Ansehen, daS Aretino genossen, ist demnach lediglich zurückzuführen auf den Einfluß der maßlosen Schmeiche leien, mit denen er die Machthaber beweihräuchert«, und im ent gegengesetzten Falle entweder auf die Furcht vor seinen boshaften PaSquillen, di« er auS Rache gegen sie verspritzte, oder auf daS Gewicht seiner Schweigsamkeit, die sie zur Vertuschung von Skandalen und unliebsamen Vorkommnissen von ihm erkauften. Aretino war es, der in großem Stile die literarische Erpressung ins Leben gerufen hat, al» ein ReiSläufer deS Geistes, der sich gewissenlos heute diesem, morgen jenem Machthaber verdang, der erste Landsknecht drr Schriftstellern, der sie in öffentlichen Mißkredit gebracht hat, so sehr sein EintagSruhm dadurch ge hoben wurde; da» Prototyp der heutigen Nevolverjournalisten, doch nickt ohne bissige Satire und ätzende Schärfe, wie sie in diesem Maße Seinesgleichen nur selten zu eigen gewesen. Rudolf von Gottschall hat nicht angestanden, da! Charakterbild diese» merkwürdigen Manne» in sein«m Roman«: Pietro Aretino mit dem unbestechlichen Griffel d«r Wahrheit zu zeichnen. Man höre nur, mit welchem Cyni»mu» er ihn seine ketzerischen Ansichten über den Ruhm äußern läßt: „Der Erkolg beruht nur auf der affenähnlichen Beschaffen heit deS Menschengeschlechtes und darauf, daß die Grimassen der Bewunderung mit Eifer nachgeahmt werden. Hat erst ein so- l grnannter Meister eine Zahl von Jüngern gefunden, welche in I dieser Mimik Großer leisten und möglichst verzückte Gesichter schneiden, so wirkt dies ansteckend auf weitere Kreise und ver breitet sich zuletzt wie eine Volkskrankheit. Der Mann thut dann selbstständig sein« Wunder, auf di« Leistungen kommt'- gar nicht an. Was habe ich denn geschrieben? Ich habe keine äivina lüomeäia ^dichtet, wie Dante, keinen verliebten Roland, wie Bojardo, keinen rasenden, wie Ariosto, keine lang- athmigen Dichtungen von vierzig Gesängen; ich habe einige niederträchtige Gedichte gemacht, ein paar kecke Lustspiele — und man hat mir mehr gehuldigt,als all' diese nDichtern. Und warum? Ich will'S Dir im Vertrauen sagen, lieber Freund! Ich hatte die vornehmsten Affen. König Franz I. begann damit, mich auszuzeichnen; da wollte Kaiser Karl V. nicht zurückbleiben, und der Papst tritt in die Fußstapfen der weltlichen Herren der Erde. Nun, wie die Hirten, so die Herden. Eine huldvolle Geberde vor dem Thron — und Tausende machen ihre Bücklinge! Di« Er folge pflanzen sich fort. Verdient oder unverdient, daS ist ganz gleichgiltig. Die armen Teufel, die Genies, die im Dunkeln tappen, die keine Erfolg« erwischen — wie bedaure ich sie! Genie ohne Erfolg ist lebenslänglicher Selbstmord; Erfolg ohne Genie kann das Genie ersetzen. Mich trägt die Woge des Tage», der Beifall der Fürsten und Völker — ich frische auf, ich helfe nach. Doch im Ganzen brauche ich bloS wie ein« faule Dirn« die Schürze aufzuhalten, wenn die Frücht« vom Baum fallen. Da siehst Du, lieber Tizian, ich denke sehr bescheiden von meinen Ver diensten. . . . Und der Nachruhm? Der ist nur ein Echo d«S bei Lebzeiten eingeheimsten Ruhmes. WaS die Ahn«n bewun derten, bewundern dann di« Enkel — daS ist auch solch' eine Art von AkaviSmuS. Wenn Du ober ohne Tamtam durch'S Leben gegangen bist, da giebt'S auch nach Deinem Tode keine Janitscharenmusik zu Deinen Ehren. Mir persönlich ist daS höchst gleichgiltig; ich will Ehrenketten und Gold, so lange ich lebe: nach meinem Tode mögen sie meinen Sarg meinetwegen steinigen." Aber diese geschichtliche Wahrhaftigkeit der Charakterzeichnuny erforderte vom Standpunkte der Kunst auS die energische Her vorhebung jeder Lichtseite, die an einrr so abstoßenden Persönlich keit etwa entdeckt werden konnte. Wir erwähnten bereit» die schwärmerisch« Liebe de» alten Wüstling» zu der schwindsüchtigen P-rina. In Gottschall'S Roman bildet diese Gestalt ein rühren des, früh verbleichendes Gegenbild zu den üppigen Hau»- genossinnen Aretino'S, an der Seite de» jungen Maler» Girv- lamo, der von dem alten Haudegen Strozzi vom Leben z«ar Lvtze
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