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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.02.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010218026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901021802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901021802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-02
- Tag1901-02-18
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Ämtsvkatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes nnd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeige»-PrelS dir Kgespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem Redactionsstrim (»gespalten) 75 H, vor den Familirnnach» richten (6 gespalten) 50 L,. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen unv Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Grtra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung .^l 7V.—. Aunahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei deu Filialen und Annahniestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet oon früh 8 bi» Abend» 7 Uhr- Druck und Verlag d?u E» Polz in Leipzig. NW. Montag den 18. Februar 1901. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Bor der Entscheidung? -S- Wenn die heule eingelaufenen Nachrichten authentisch sind, was allerdings, da keine osficiellc Bestätigung vorliegt, noch zweifelbaft ist, so müßte cs sich jetzt entscheiden, ob auch den unfaßbaren De Wet jetzt bei De Aar sein Schicksal erreicht nnd damit vielleicht auch der Widerstand der übrigen Boerencorps zusauimenbrickt, oder ob eS ibm gelingt, mit Heranziehung der südlichen und westlichen Boerenabtbeilungen, dem vielfach überlegenen Feind nochmals zu entrinnen oder gar ihn zu schlagen. Man berichtet uns: * London, 17. Februar. Tas „Ncnter'sche Bnrean" melde» ans Tc Aar: Te We t und Lteijn überschritten gestern Vormittag mit zwei- bis dreitausend Mann nnd zwei Geschütze» die Eisenbahn nördlich von Hont Kraal. Die Granaten der Engländer zcrstrenien Sen Feind, welcher seine Geschütze nicht ins Gefecht brachte Ein nrpanzerier Zug eröffnete ein Feuer mit Marine geschützen. Es grtang Sen Engländer», den ganzen Eonvot De Wct's zu nehmen ciuschlicszlich j 00 000 Patronen, zahlreichen Lchiefzvorralh^S und eines Lchnell- seuergeschützcS. Tie Verluste auf englischer Leite be trugen drei Verwundete. k. Eapstadt, 17. Februar. ( Privattelegramui.) De Wet ist westlich von Te Aar, zwischen Vrakfontciu und BriStown, angeblich von 10000 Engländern umzingelt. Die Entscheidungsschlacht ist im Gange. So viel ist gewiß, daß eS De Wct nicht gelungen ist, den englischen Stapelplatz zu überraschen und durch einen Hand streich zu nebinen. Man war im Hauptguaitier Lord Kilchener'S über die Absichten De Wei'S unterrichtet, der Overstcominandirende eitle. Tag und Nacht reisend, selbst nach De Aar und auch die Brigade Bruce Hamilton langte von Kroonstad auö nach mehrtägigen Gewaltmärschen noch rechtzeitig dort an, nm die etwa 2000 Mann zahlende Garnison zu verstärken. Daß eS den Eng ländern gelungen sei, den ganzen Convoi De Wels zu erbeuten, glauben wir nicht; jedenfalls hat es sich nur um den Nachtrab seiner Streitmacht ge handelt. Aber aus dem Umstand, daß Te Wet de Aar in einer E itfernung von 40 Kilometer südlich lieg-n ließ, als er die Bahn überschritt, und daß er kurz darauf bereits 50 Kilometer westlich von de Aar stand, zeigt doch, daß die Engländer nicht nur wachsam genug waren, um einen Ueberfall unmöglich zu macken, sondern auch stark genug, um De Wet zu eiligem W-itermarsch zu nötbigen. Voraussetzung für die Richtigkeit dieser Combinationcn ist freilich, wie gesagt, die R.chtigkeit der vorliegenden Mel dungen. — Ueberbolt ist die folgende Nachricht, die wir aber doch registnrcn wollen: * Eolesberg, 16. Februar. („Reuters Bureau.") General Knox hat den Lranje-Fluß überschritten. Die Colonne Les Obersten Plumer nnd der größte Theil der Boeren befinden sich soweit westlich, daß sie keine Fühlung mit Eolesberg haben. Es verlautet, in einem Gefechte am 15. Februar seien 65 Boeren gefallen und verwundet worden. Die Pest in vapftadt. * Eapstadt, 17. Februar. Heute sind ein Todesfall und zwei Erkrankungen an Pest gemeldet worden. Präsident Srügcr und die drohende Zerstörung der Goldminen. Die Meldung, daß I)r. L ydS in Beantwortung der An- fraae Leroy-BeaulienS erklärte, Präsident Krüger billige die Zerstörung der Goldminen, wird iu Brüssel als unrichtig bezeichnet L.yrs habe vielmehr erklärt, Präsident Krüger bedaure aufs Tiefste, daß die Boeren als Noibwcbr gegenüber der barbarischen Kriegsführung der Engländer und der Ver nicklung oller Boerenfarmen Angriffe gegen die Minen unter nehmen. Leider sei jedoch der Präsident nickt in der Lage, ersolareiche Schritte zur Verhinderung dieser Angriffe zu lbun Mit Bezug auf die Möglichkeit des Eindringens der Boeren in Portugiesisch-As» ika, von der in Nachrichten der jüngsten Zeit die Rede war, wird ter „Polit. Corrcsp." aus Lissabon geschrieben, daß man dort an die Eventualität der Ausdehnung der kiiege- riscken Action ter Boeren auf portugiesisches Territorium durchaus nicht glaube. Es wäre dies geradezu ein sinnloses Unternehmen, das den Boeren nur Nacklb ile und nickt den geringstenGewinn bringen könnte. SolanzePortugalNeutraliiät beobachtet, bilde Portugiesisch-Afrika immerhin eine Art Zu fluchtsstätte fürBoeren, die ibreWaffen niederlegen, und istihnen die Möglichkeit einer Eommunicakion mit Europa über Lourcnao Mar gnez geboten. Sobald jedoch zwischen Boeren und Portugiesen ein Kriegszustand eintritl, greift selbstverständlich die Absperrung der Boeren auch nach dieser Richtung Platz uns kann für sie, mögen sich die einzelnen Kämpfe mit den Portugiesen wie immer gestalten, nur eine Kräftezersplittcrung ohne jegliche Aussicht auf dauernde Behauptung ihrer Stellung in der portugiesischen Eolonie ergeben. Vollends der Gedanke der Besetzung von Louren^o Marguez durch die Boeren sei phantastisch, da, ab gesehen davon, daß eS sick nicht uni einen einfachen Spazier gang nach der Hauptstadt von Portugiesisch-Afrika Hanseln würde, Lourcn^o Marguez von den portugiesischen Kanonen booten, die Mil cngliichen Schiffen Zusammenwirken würden, vollständig beherrscht wird, so daß die Boeren geradezu in einen Käsig gelangen würden. Die wirren in China. Nach einer Meldung der „Times" aus Peking haben die internationalen militärischen Sachverständigen den Gesandten einen Plan zur Befestigung des Gebietes der Gesauvtschaften vorgelegt, der gleichbedeutend ist mit der Errichtung einer inter nationalen Festung. Nach diesem Plane soll an der Seite des kaiserlichen Palastes in der Stadtmauer beim Wasser- thore eine Bresche gelegt, die Hatamen und Chienmeruhürme sollen niedergerisien und alle Wälle, die zu denselben Zugang bieten, geschleift werden. Eine 150 bis 300 Meter breite Zone soll um die Gesandtschaften freigelegt, es sollen Wälle, Glacis, Gräben und Stachel,zäune errichtet, Belagerungsgeschütze, Maxims ausgestellt. Kasernen für 2000 Nlann Truppen und Proviant für drei Monate beschafft werden. Alle öffenilichen Gebäude zwischen den Gesandlschaften und den Mauern des kaiserlichen Palastes sollen niedergerisien werden und 11000 Mann ausländische Truppen sollen die Verbindung zwischen Peking und dem Meere aufrecht erhalten, so daß kein Chinese zwischen Peking und dem Meere reisen kann, ohne daß die aus ländischen Commandanten es wissen. Die Errichtung von Be festigungen soll sofort beginnen, noch ehe der Hof nach Peking zurückkehrt. Innerhalb des großen neuen Gesandlschaftsgebietes ist alles chinesische Privateigcnthum von den Gesandtschaften weggenommen. Frankreich und Deuischlanv haben viel Grundbesitz genommen und die italienische Gesandtschaft, welche aus zwei Personen besteht, nahm die Gärten und Gebäude der kaiserlichen Seezölle, die Sir Robert Hart mit seinem Per sonale so vst'lc Jahre bewohnte. Einen weiteren Theil dieser Ge bäude hat die deutsche Gesandtschaft genommen. Tie angebliche HungcrSnoth. Von der japanischen Gesandtschaft in London wird mit- gelhcili, daß nach zuverlässigen Privatmeldungen die Berichte über die in den Provinzen Schansi und Schensi herrschende Hungersnoth im höchsten Maße übertrieben seien. Auf japa nsicher Seite sei man überzeugt, daß durch derartige alarmirende Meldungen vor Allem jeder Versuch eines Vormarsches auf Singanfu verhindert werden soll. Politische Tagesschau. * Leipzig, 18. Februar. Ter Staatssekretär deö Neichspcstamts v. Podbielski wird nickt erfreut darüber sein, wenn er in einem Blatte, das nicht selten zu ojsiciosen Kundgebungen benutzt wird, dem „Hamb. Corr.", über fein Auftreten im Reichstage während der Postdcbaite Folgendes liest: „Die Postdebalte im Reichs tage entbehrt des großen ZugeS früherer Jahre. Herr v. Stephan pflegte die Entwickelung seines NcssortS Jahr für Jahr in einer umfassenden, auch die Gegner intercssi- rcnten Darlegung zu schildern. Diese Reden waren bis in seine letzten Zeiten hinein rhetorische Meisterwerke. Herr v. Podbielski versuchte am Sonnabend inhaltlich etwas Aebn- lickcS zu bieten, aber beim besten Willen kann man ihm dock die Gabe der Rede nur in beschränktem Maße zu erkennen. Es gebt eben nickt." Einigermaßen abgeschwächt wiid diese Censur durch die darauf folgende Bemerk»»', errrrulick. fei -'n- kurze und «'""'gisch.. E.kläung ge^n .: Polen geweieu, denen er in Aussicht" gestellt bade, daß sie durch eine Fortsetzung ihrer Adreffenazilalion das Verschwinden der Uebersetzungsburcaux und die Nichtbesörkerung von Briefen mit polnischen Aufschriften hcrbeisübren würden. Diese Anerkennung wird aber schwerlich von denjenigen Parteien unterschrieben werden, auf die der SlaatSsekieiär des Reichspostamtö bei polnischen Angriffen sick stützen muß. Denn durch seine Erklärung, daß die Ucder- sctzungobureaux eventuell wieder ve>schwinden würden, vat er zugestanren, daß die Maßregel ein Entgegenkommen bedeutete unv das Wohlverbalien der Polen zur Voraussetzung hatte. Da nun aber daS direkte Gegentheil eines solchen Ver haltens vorauSgegangen war, so wäre nickt die in der Sache enlgegenkoiiimende Maßregel, sondern die sofortige Zurückweisung von Briefen mit polnischen Adressen am Platze aeweseu. Uebrigeus wird Herr v. Podbielski sehr balv die Probe auf daö Exempel machen unv in Erfahrung bringen können, ob der Erfolg, Len er beim Erzbischof von Posen erreicht bat, dem an der raschen Beförderung aller an ibn gerichteten Briefe besonders viel gelegen sein muß, auch auf solche Kreise sich erstreckt, denen eS böckst gleichgiltig sein kann, ob Briefe unbedeutenden Inhalts mit polnischer Adresse eine Weile die UebersetzungSbureaux beschäfligcn. Und dann wird man ja seben, welche« Gewicht auf die Drohung mit dem Verschwinden dieser Burraux zu legen ist. Tie neue Canalvorlage noch in der laufenden Tagung durchberathcn zu sehen, kann die preußische Regierung kaum mehr hoffen. Während nach der Absicht des Vorsitzenden der Canalcommission, deS Abg. v. Eynern, die Commission sofort in die Verhandlung über den Rhein-Elbe-Canal ein treten sollte, bat sie mit 14 gegen 12 Stimmen be schlossen , die Frage der landwirthschaftlichen Meliorationen zunächst zu behandeln. Man hat demgemäß über die Borfluthverbältnisse an der unteren Oder, an der Havel unv der Spree verbandelt und am Freitag die 41-Millionen Betheiligung des Staats zur Ver besserung der Vorfluth an der unteren Oder bewilligt. Wahrscheinlich wird man in dieser Woche für die Melio rationen der Vorflulbverbältniffe an der Oder und der Spree weitere 20 Millionen bewilligen. Die halben und die ganzen Gegner der Vorlage haben sich damit von vorn- berein Liese 60 Millionen „Compeusationen" gesichert, ohne sich dadurch für den Mittellandcanal selbst zu binden. Bei der Sorgfältigkeit dieser Verhandlungen dürften die Öfter serien herbeikouimen, bevor man zum Kernpunkt der Frage, dem Nbein-Elbe-Canal selbst, vorgerückt sein wird. Da aber erst dann die generellen Erörterungen konimen, für welche der Negierung große Fragebogen zugestellt sind, so dürfte nach Annahme der „Freisinnigen Zeitung" vor Pfingsten schwer lich noch der Commissionsbericht an das Plenum gelangen. Würden nun die Agrarier, so führt daS genannte Vlatl auS, den Nbein-Elbe-Canal ablehneu und würden nur die die Meliorationen betreffenden Stücke der Vorlage an das Herrenhaus gelangen, so würde dieses schwerlich im Hoch sommer in eine Verhandlung eintreten, wodurch wieder neue Zeit gewonnen wäre. Aber noch mehr. Wie die „Nat.-Ztg." erfährt, wollen die Canalgegner eine neue Hockflutb von Compeusations-Forterungen Hervorrufen, die schließlich die ganze Vorlage binwegschwemmen soll: „Mit der wasserwirlhichafllicken Gesainmtvorlaqe ist eS nicht gelha-i, si« so!! crgäi zt werden zu einer allumfassenden Verkehrs- Vorlage, in der jede von irgend einem Interessenten gewünschte Kleinbahn Aufnahme findet. Allem Anschein nach ist unter Führung des bekannten „Organisators der Niederlage" ein vollständiges Lystem ausgebaut, daS in dieser Richtung arbeitet, indem von be stimmter Stelle aus überall im Lande die Interessenten mobil gemacht werden, um ungezählte Eisenbahnwünsche zu der Hoch- fluth neuer „Compensations"»Forderungen beizutragen. Die Regierung soll mit Petitionen um Eisenbahntaris-Ermäßigungen und bessere Ei'enbahn- und Zugverbindungen überschwemmt werden, damit die Eanalgegner als Boikäinpser einer „nationalen Verkehrs politik" der Vorlage immer dickere Comvensationsbündel auspacken und die Bcrathungen immer weiter verschlepven können. So wird es in Ostpreußen, so in Thüringen und sicherlich noch an vieleu anderen Stellen betrieben. Eindringlichst wird den Bewohnern von der bezeichneten Stelle aus eingeschärst, was sie Alles zu fordern hätten und was ihnen gleichzeitig mit der Canalvorlage gewählt werden müßte; es liegen uns derartige, nach allen Seiten versandte Aufforderungen vor." Nun bat die Regierung allerdings von vornherein er kennen lassen, daß sie iu Bezug auf da« Tempo der Beratbung sowohl wie der Ausführung der einzelnen Theile des wasser- Die Geschwister. 16s Roman von Alexander Römer. SiaLLrvck vnloitü. Er genoß mit sichtlichem Behagen, langsam, sehr langsam, und legte dann den Kopf in die Kissen zurück. „Das hat mir geschmeckt", sagte er ernsthaft, und sah sic dabei an, als ob er eine weltbewegende Neuigkeit mittheile, „so.ch ein knurrender Magen, scheußlich — sollte man's denken, daß bei einem so krüppeligen Dasein der Magen noch knurrt." Ellen lachte. „Daß es Ihnen geschmeckt hat, ist ein sehr gute» Zeichen. Fassen Sie nur Muth, es wird täglich b esser und ich werde hier bald entbehrlich. Morgen wird Schneider sein Amt schon besser verwalten, und mit Ihrem Schlucken war e« heute brillant." Er sah finster vor sich hin. „Sie wollen natürlich loS und den lästigen Kranken abgeben, ich darfs Ihnen ja nicht ver denken", sagte er mit einem tiefen Seufzer. Sie wollte etwas erwidern, aber er gebot ihr durch eine heftige Bewegung Schweigen. „Nichts gegenreden, nichts — Sie haben gethan, was möglich war. Sie sind ein grundverständiges Frauenzimmer. Ich habe in meinen letzten Tagen noch di- Erfahrung machen sollen, daß es verständige Frauenzimmer giebt. Wenige natürlich, unter Tausenden vielleicht Eine. Na — daß diese Eine nun gerade mir m meiner Noth beistand, hätte ich wohl kaum verdient. ES hat mir wenigstens eine späte Erkenirtniß gebracht — lassen Sie nur, lassen Sir — nicht unterbrechen — ich wollte Ihnen noch etwas sagen. Warum sind Sie denn eigentlich von Ihrer guten Stelle da in England fortgegangen und haben sich hier bei der Muter festgesetzt^" „Aber, Herr Justizrath, die Mutter war doch auch krank." „Nun freilich, aber sie ist ja wohl lange wieder gesund, und der Leopold ist doch da, und muß «ine sehr hübsche Praxis und große Einnahmen haben — er soll für die Mutter sorgen —, da» war mein Wille — und —" „Bitte, Herr Juftizrath, regen Sie sich nicht auf. So lange ich hier Krankenpflegerin bin, muß ich Rückfällen vorzubeugen versuchen —, und im Uebrigen, uns gebricht eS an nichts —" „Ja, ja, lassen Sie mich ausreden, ich habe mir'- vorge- nommen und muß damit ins Reine. Sie arbeiten hier, Sie er werben, neben all der Pflege bei den Kranken, das sollt« der Leopold nicht leiden." Ueber Ellen» Gesicht flog ein seltsames Lächeln. „Verzeihen Sie, Herr Justizrath, ich bin ein freier Mensch, 24 Jahre alt, mündig und selbstständig. Ich würde mich von meinem Bruder nicht ernähren lassen wollen." Er sah sie stutzend, ganz verblüfft an. „Ja, aber — was kann denn ein Frauenzimmer groß ver dienen. Na — es braucht grad nicht viel, und von der Hand in den Mund reicht's vielleicht, aber später, wenn Ihnen einmal etwas zustiebe, und Sie alt und erwerbsunfähig würden, da — freilich, Sie warten einstweilen noch auf eine Heirath, eine reiche womöglich." Der Alte erschien Ellen in seiner drastischen Aufrichtigkeit unsäglich komisch. Sie lachte herzlich auf. „Ich wäre recht thöricht, wenn ich auf eine reiche Heirath wartete", meinte sie, ich bin nicht schön, was ja wohl einzig bei den Männern Eindruck macht, und ein armes Mädchen dazu. Die holt sich Keiner, und ich verlang auch nicht darnach. Ich bin einstweilen gesund und habe meinen klaren Kopf, auch so viel gelernt, um mich in der Welt nützlich machen zu können. Ich hoffe auf die Hilfe eines Anderen nie angewiesen zu sein." Der alte Herr starrte sie an, als ob sie hebräisch spräche. Er wußte augenscheinlich gar nichts zu erwidern. Da klopfte es draußen an die Thür, der Kranke drehte ärgerlich den Kopf, Leopold schaut« durch die Spalte. „Darf ich Guten Morgen sagen?" Er stand da in seiner ganzen stattlichen Größe, die Züge ein wenig schlaff und übernächtig, sonst elegant und geschniegelt, wie gewöhnlich. Sein Gönner empfing ihn verdrießlich. „Du kommst ja heute früher als sonst", sagte er. Ellen erhob sich, um zu gehen, die Geschwister trafen sich hier selten, Leopold hatte nicht erwartet, die Schwester noch zu finden. Der Justizrath faßte Ellen's Hand. „Hier bleiben!" fasste er befehlend, „ich hab« nachher noch um etwas zu bitten. Sie werden nun bald frei und von dem alten Griesgram erlöst", fügte er halb grimmig, halb wehmüthig hinzu, „mir geht's nun schon wieder ganz gut, bin ein zäher Gesell, die alte Maschine kommt noch einmal in Gang." Er blickte bei den letzten Warten fast schadenfroh m Leopold'S Gesicht. Ellen blieb, sie zog sich in die Fensternische zurück, Leopold setzte sich auf einen Stuhl neben dem Lager. „Das ist ja herrlich, ungemein erfreulich", rief er laut und neigte sich zu dem Kranken. „Na, mich vermißt Keiner", brummte dieser, „spar Dir die Redensarten. Dir geht's gut, das sieht man — und da in dieser Zeit, wo ich dicht vor der dunklen Pforte zu stehen meinte, all meine Activa und Passiva, die ich in meinem Leben stets genau gebucht, in dem alten mürben Kopf wieder auftauchlen, ist mir noch allerlei eingefallen." „Fräulein Ellen, wollen Sie diesen Schlüssel nehmen." — Der Alte holte mühsam mit den noch immer steifen Fingern «in Schlüsselbund unter seinem Kopfkissen hervor, und bezeichnete ihr einen kleinen zierlichen Schlüssel unter den zahlreichen anderen. „Der paßt zu der oberen Schieblade rechts." — „Aber Onkclchen, darf ich denn nicht —" rief Leopold und faßte nach dem Bund. Mit einem Zornblick wies der Kranke ihn zurück. „So halt doch Ruh, und laß mich ausreden. Ellen, Sie wissen Bescheid, und Sie wühlen mir da nichts um — im rechten Fach liegt ein zusammcngefaltete- Papier in einem Couvert, mit der Aufschrift: Leopold's Einkünfte. Das reichen Sie mir, bitte." Leopold zuckte auf seinem Sitz und sah unbehaglich aus. Der Alte war doch vollständig verrückt, was gingen den denn jetzt seine Einkünfte an, er kam ihm ja nicht mit Geldforderungen. Ellen war auch ' beklommen zu Muihe, als sie jetzt das Couvert fand und brachte. „So — nun rücke ein wenig näher, wir wollen dies ein mal durchgehen. Deine Praxis geht doch flott? Hast Du neue Clienten erworben in letzter Zeit?" Leopold wurde immer schwüler zu Sinn, er legte den Hut aus der Hand, fuhr sich ein paar Mal durch di« Haare, ohne daran zu denken, daß er die sorgfältige Frisur verdaüb, und warf Ellen einen raschen Blick zu, der auSdriicken sollte: Gott gebe mir Geduld! Ellen reagirte aber nicht auf den Blick; sie saß am Fenster und hielt ihren Kopf gesenkt. „Nun — neue Clienten grad' nicht", entgegnete Leopold jetzt in nachlässigem Tone. „Die Verhältnisse haben sich, seit Du Dich von den Geschäften zurückzogst, in vieler Beziehung ver ändert, Onkel — Deine große Kundschalt, z. B. unter den Landwirthen, Grundbesitzern und Hypothetengläubigern ist auf ein Minimum zusammrngeschmolzen; die Leute legen ihre Gelder in Staatspapieren an, und die Conceffionen von Gütern, die vielen notariellen Geschäft« sind weit seltener als damals."' Der Alte legte mit einem drohenden Gesicht den Bogen, den er schon entfaltet hatte, aus der Hand. „Willst Du damit sagen, daß die Praris, die ich Dir über wies, sich verringert hat und keine neue hinzugekommen ist?" fragte er. „Wenn die Geldgeschäfte andere geworden, so haben sich dagegen die Process« und Rechtshändel gesteigert, Du hast ja den Verstand und die juristischen .Kenntnisse, um «ruf dem Gebiete Dich heroorzuthun. Wie steht es denn damit?" „Aber, lieber Onkel, dieses Examen — ich bitte Dich ernst lich, Dich zu schonen, Du schaffst Dir da Aufregungen, die ganz unnöthig sind " „Meine Frage, meine Frage, willst Du sie mir beantworten, oder nicht?" Die Hände zitterten vor Erregung. Leopold zuckte mit den Zeichen höchster innerer Entrüstung die Achseln. „Ich kann Dir mit dem besten Willen keine genaue Auskunft geben, lieber Onkel, da ich meine Bücher nicht zur Hand habe, ich komme ja aber aus mit meinen Einnahmen, und " „Du — ja Du, obgleich Du Dir, wie es mir scheint, nichts abgeben lässest; aber Deine Mutter, Deine Schwester —" Ellen erhob sich, um Einspruch zu thun; er winkte heftig ab. Auch Leopold warf einen sonderbaren, mißtrauischen Blick zu seiner Schwester hinüber. „So viel ich weiß, fehlt Beiden nichts", sagte er hochmüthig. Der Alte wies ihm jetzt dm Bogen. „Sieh' hier, da steht Alles genau verzeichnet, die Namen meiner sämmtlichen Clienten, die damals auf meine Bitt« und Empfehlung zu Dir übergingen. Du wirst mir und der Ehre meines NamenS, die ich für Dich ein setzte, das nicht angethan haben, das Vertrauen jener Männer zu täuschen." „Lieber Onkel, Du bist krank, sonst wirklich, Du bedenkst wohl nicht, wie Du meine Ehr« durch solche Zweifel der letzest —" „Gut! Gut! Ich hege natürlich die Zuversicht», daß Du pflichttreu Deinem Berufe obgelegen. Dann müssen die genau hier berechneten Summen ungefähr stimmen — 12 300 Mark im Jahre so durchschnittlich — und ich kann über Deine und der Deinen Zukunft beruhigt sein." Leopold lachte laut und unhöflich. Ellen hob unwillkürlich den Kopf. Hatte Leopold jemals solche Einnahmen gehabt? Jetzt war seine Clientel jedenfalls derartig zusammen- gesckmolzen, daß sie kaum den vierten Theil noch einbringen mochte. Leopoko besann sich sofort und mäßizte sein unpassendes Lachen. „Onkel! Von solcher Genauigkeit hat man kaum einen Begriff, aber ich bin gerührt wegen Deiner freundlichen Gedanken und Deine» weitgehenden Interesse« für mich. Bitte laß ein mal seben, daS ist ja höchst interessant." Er nahm da» Papier, beugte sich tief darüber, er hatte ein paar Minuten nöthig, um sich zu sammeln und zu fassen. Solche Erörterungen, nun gar in Ellen'« Gegenwart — er platzt» bei nahe vor Wuth und hätte gern dem tollen Alten da» Blatt in Fetzen vor die Füße geworfen.
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