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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.02.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010220026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901022002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901022002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-02
- Tag1901-02-20
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R9L Mittwoch den 20. Februar 1901. Anzeigen »Pret- die 6 gespaltene Petitzeile SS H. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung ./l 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 85- Jahrgang. Die Wirren in China. Im internationalen Hauptquartier zu Peking werden in Folge Aufforderung des gemeinsamen Oberbefehlshabers, Feld marschalls Grafen Waldersee, Vorbereitungen für neue grötzerc Expeditionen getroffen. Graf Waldersee selbst soll, Zeitungsmeldungen zu folge, in seiner schriftlichen, an die Kommandanten der fremden Truppen gerichteten Mittheilung den Beginn der Expeditionen auf etwa Ende Februar oder Anfang März und deren Dauer auf acht Tage festgesetzt und als Zweck derselben die Verjagung der noch in der Provinz Petschili stehenden chinesischen Truppen bezeichnet haben. Diese Angaben allein lassen alle Mittheilungen über die mögliche Ausdehnung der Expedition bis nach Sin - ganfu, der gegenwärtigen Residenz des kaiserlichen Hofes, wogegen die Vereinigte Staaten-Regierung — zu voreilig — schon geglaubt hat, protestiren zu müssen, als wenig begründet erscheinen. Abgesehen hiervon ist aber auch Singanfu von Paotingfu, dem gegenwärtigen südlvestlichsten von den Alliirtcn occupirten Punct, noch 800 Kilometer entfernt. Eine Truppe würde mindestens drei Wochen benöthigen, um diese Entfernung zurückzulegen. Auch würde die gegenwärtig in China befindliche internationale Truppenmacht kaum ausreichen, um eine solch: Unternehmung erfolgreich durchzuführen und gleichzeitig die lange Operationslinieund die Basis der ganzen Action Peking-Tientsin Taku gegen feindliche Angriffe sichcrzustellen. Es kann sich somit bei den bevorstehenden Expeditionen nur um den vom Grafen Waldersee in seinem Eirculär angegebenen Zweck, Vertreibung der in der Provinz Petschili noch ihr Unwesen treibenden Maro deure, handeln. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, daß das internationale Obercommando angesichts der Verzögerungen des Friedensabschlusses durch den chinesischen Hof auf diesen eine Pression auszuüben beabsichtigt, indem es Zurüstungen für eine große Expedition mit noch geheim gehaltenen Zielen trifft und möglicher Weise auch eine solche Expedition ins Werk setz!, um die Spitzen der internationalen Invasions-Armee der Resi denz Singanfu näher zu bringen. Hierbei würde Graf Waldersee cs nicht einmal nöthig haben, sein den fremden Generalen mit- getheiltes Operations-Programm zu überschreiten, da Theile der Provinz Petschili sich, von Peking aus gerechnet, noch 600 Kilometer südwärts erstrecken, den keilartig zwischen die Pro vinzen Schansi und Schantung sich einzwängenden Hwangfluß erreichen und sogar auf das rechte Ufer desselben llbergreifen. Zahlreiche große Städte, wie Tschingting, Sckuntö, Kuangping, Taming, Thse und Tschangte befinden sich in diesen Theilen der Provinz Petschili, und die Verbündeten könnten sich für die Ver zögerung des Friedensabschlusses dadurch entschädigen, daß sie diesen großen und reichen Städten empfindliche Geld- und Pro- viant-Contributionen auferlegen würden. Angesichts der Drohung, welche in einer Ausdehnung des internationalen Occu- pationsgebietes nach Süden und Südwesten liegt, und der Ge fahr, das chinesische Nationalvermögen durch die fremden Kon tributionen noch mehr als bisher zu schädigen, dürfte der chine sische Hof dann doch zu der Einsicht gelangen, daß das beste Mittel, sein Prestige gegenüber der Bevölkerung Widder aufzu richten, in der Unterwerfung unter die Gebote der civilisirten Welt und nicht in der Fortsetzung eines ohnmächtigen Wider standes besteht, die zur Auslieferung immer neuer Gebiete an die Fremden führen muß. Vielleicht hat die Drohung schon gewirkt, denn man berichtet uns: * London, 20. Februar. (Telegramm.) Tie „Times» berichten aus Peking: Nach einer Information aus chinesischer Quelle hat der Hof ein Decret erlassen, nach dem er den Forderungen der Gesandten bezüglich der Bestrafung voll ständig zu stimmt. Der Krieg in Südafrika. —p. Merkwürdige Dinge gehen vor. Am Sonntag noch be richteten englische Blätter über die Hetzjagd ans Tcwct, derselbe sei bei Bristown (oder Britstown) von 10—12 000 Eng ländern eingekreist, nachdem er beim Ucbergang über die Bahn nördlich von De Aar seinen ganzen Train verloren habe. Wir brachten der Meldung gleich den stärksten Zweifel entgegen; wie berechtigt derselbe war, zeigt die letzte officielle Nachricht Kitche- ner's über Dewet's Verfolgung. Sie weiß absolut nichts von einer Umzingelung und einer Entscheidungsschlacht, die im Gange sein sollte. Am Montag bereits war nach diesem amtlichen Tele gramm der unermüdliche Boerenfeldhcrr weit aus dem Bereich der „verfolgenden Dragoner". Wo, das weiß freilich Niemand. Er „soll" westlich von Hopetown stehen, also über 100 Kilo meter nördlich von Bristown in bergigem Terrain und wird von dort „wahrscheinlich" öinen „Rücksprung" in südwestlicher Rich tung machen, um die Vereinigung mit den von Süden herauf- kommcüden Kommandos unter Hertzog, Scheper und Kritzing herzustcllen, was vielleicht gar nicht einmal beabsichtigt, da es verkehrt wäre, sich den Engländern in concentrirter Masse zur Entscheidungsschlacht zu stellen, die man ja gerade vermeiden will. Nach Reuter „heißt" es, die Boeren hätten Vosburg, Strydenburg und Houwater, ebenfalls nördlich von Bristown in der Richtung auf Hoptowne besetzt. Man hat also dieFLhlung mitdem Feinde vollständig verloren und weiß nicht einmal genau, ob es wirklich Dewe: ist, der da nach Norden ausgewichen ist, oder ob er sich nach einer ganz anderen Richtung der Windrose gewendet hat, während in Vosburg u. s. w. mit ihm cooperirende weitere Boerencorps stehen. So war also der klug und energisch vorbereitete Todesstoß gegen Dewet ein veritabler Schlag ins Wasser. Der Vogel ist fortundderSchütze ist derart verblüfft, daß er sich nicht gleich von derStelle rühren kann. Auffällig ist dabei dasAndere, daßKitche- ner, der am 16. noch in De Aar sich befand, wohin er, um Dewet zu fangen, sich eiligst von Kroonstad (im Freistaat) begeben hatte, bereits am 18. wieder aus Pretoria depelchirt. So erscheint nich: Dewet als der Gehetzte, sondern der Höchstcommandirende der britischen Armee, der Tag und Nacht im Eisenbahnwagen zu bringen und Strecken von vielen hundert Meilen athemlos durch sausen muß, um nur überall rechtzeitig zu kommen. Kitchener muß doch in Pretoria sehr nöthig gebraucht werden, höchst wahr scheinlich, weil auch das Kesseltreiben gegen Louis Botha wie das Hornberger Schießen auszugehen droht und die Bahn südlich von Pretoria und Johannesburg noch ebenso von den Boeren bedroht und unsicher gemacht wird, wie die Delagoa- und die Naiallinic, die Lebensadern der britischen Kriegsorganisation in Südafrika Wir sind unter diesen Umständen kaum je so gespannt auf dir Meldungen der nächsten Tage gewesen, wie gerade heute. Ter Afrikaudcrbond. * Eavstadt, 19. Februar. („Reutcr's Bureau».) Theron, der Präsident des Asrikandcrbonds, beschloß, den Friedens abgesandten zu antworten, er könne auf Grund der Ver fassung des Bonds die Stellung der Commission nicht anerkennen und sei nicht in der Lage, in Verhandlungen mit einer Körperschaft zu treten, deren Grundsätze von denen der Afrikanderpartei ab weichen. Nichtsdestoweniger biete er seine Ticnste den eingesetzten Behörden an, den Frieden unter ehrenvollen Be dingungen für beide Seiten, und in Uebcreinstimmung mit der erklärten Politik der Asriiandcrpartei wiederhcrzustellcn. — Hier find keine neuen Pest fälle vorgckommen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 20. Februar. Bei der gestrigen Weiterberathung des PostetatS im Reichstage hat von den Herren Polen keiner das Wort ergriffen; handelte eS sich doch bei der Debatte hauptsächlich um die Frage der Aufbesserung der Anstellungsvcrbältmsse und der Gehälter der verschiedenen Beamtenkategorien, und bei der Erörterung dieser Frage sind die polnischen Abgeord neten viel zu klug, entweder den Staatssekretär des Reichspost- auilS zu drängen, dem sie fick, auch wenn sie es nicht offen aner kennen, zur Dankbarkeit verpflichtet fühlen, oder seine abweisende Haltung zu billigen und es dadurch mit den betr. Beamlen- classen zu verderben. Die Dankbarkeit, welche die Polen für Herrn v. PodbielSki wegen der Errichtung von Uebersetzungs- bureaux in Posen und Bromberg im Stillen hegen, würde übrigens ebenso rasch wie diese Bureaux selbst verschwinden, wenn man überall in deutschen Kreisen die Zuschrift beherzigte, die uns heute von befreundeter Seite unter Bezug nahme auf unsere gestrigen Ausführungen unter der Ueber- schrift „Die Post und die Polen" zugeht; „Gewiß ist es eine große Unverschämtheit, wenn von polnischer Seite deutsche Adressen polonisirt werden, und die Täuschung der Reichspost, wenn sie glaubt, durch Entgegenkommen einen Erfolg zu erzielen, eine unbegreifliche. Allein die Abwehr deutscher seits liegt doch sehr nahe. Wer kann einen Deutschen zwingen, Briefe mit polnischer Adresse anzunehmen? Das polnische Ueberjetzungsbureau mag mit großer Findigkeit den deutschen Adressaten erkennen, deshalb führt doch der Deutsche keinen polnischen Namen. Wenn die Annahme solcher Briese conjequent verweigert würde, so würde der Unfug bald a ufhören." Ganz gewiß. Wenn die UebersetzungSbureaux pro vikila arbeiteten, so würden sie von den Polen sehr bald nicht mevr in Anspruch genommen werden. Ueberhaupt ließe sich durch Selbsthilfe der Deutschen in den gemischtsprachigen Landes- tbeilen gar Manches erreichen, waS bisher nicht «'reich: worden ist. Das gesteht auch der Verfasser der folgenden Zuschrift zu, die aus Pose» an die „Köln. Ztg." gelangt: „Der „Dziennik" verzeichnet ein „Gerücht", daß den in Posen garnijonirenden Truppen befohlen worden sei, ihre Einkäufe nur bei Deutschen zu machen. Es mag dahingestellt sein, ob die Meldung richtig ist, jedenfalls ist das Erstaunen des Polenblattes über den angeblichen Vorgang wunderlich. Seit Jahren predigt die polnische Presse Len wirthschastlichen und gesellschaftlichen Boycott der Deutschen, mit welchem Erfolge, zeigt die Abnahme der deutschen Geschäfte namentlich in den Provinzialstädten, zeigt das bedingungslose Capituliren der deutschen Kauf leute u. s. w. vor den Polen, das so weit geht, daß viele der- selben Polen geworden sind, um nicht wirthschaftlich zu Grunde gerichtet zu werden. Anderseits sind weit mehr polnische Ge schäfte entstanden, als durch die Bedürfnisse der Polen unterhalten werden können. Man ist zwar sehr vorsichtig, polnische Inhaber behalten die frühere deutsche Firma bei, man wählt auch gern französische Bezeichnungen: Llaüon <Io karis u. dergl. Die Polen kaufen in nennensweribem Umfange bei Deutschen nicht mehr, wohl ober tragen Deutsche massenhaft ihr G eld zu den Polen und tragen so zur wirthschastlichen Stärkung ihrer unerbittlichen natio nalen und wirthschastlichen Gegner bei. Fließen diese Quellen den Polen nicht mehr zu, so wird ihnen ein erheblicher materieller Schaden erwachsen. Daher die Befürchtungen der „Dziennik". Wir meinen, jeder Deutsche hat unter diesen Umständen die Pflicht, die Polen geschäftlich unter allen Umständen zu meiden, die P»len müssen zu der Erkenntniß kommen, daß man sie mit ihren eigenen Waffen am empfindlichsten verletzen kann. Dann werden sie auch zu der Einsicht kommen, wohin es führt, wenn man die jetzigen Wege weiter verfolgt. Gerade jetzt wird bekannt, daß zur Förderung des polnischen Hand werks besondere Maßregeln ergriffen werden sollen, zu Lent aus gesprochenen Zwecke, noch mehr als bisher auf diesem Gebiet das wirthjchaflliche Leben in den östlichen Provinzen zu beherrschen. An dem Tage, an dem das Deutschthum im Osten den ihm von den Polen ausgezwungenen wirthschastlichen Kampf geschlossen aufnimmt, wird den Polen zum Bewußtsein kommen, daß sie noch nicht die Henren der Lage sind." Wundern kann man sich freilich nicht, wenn der schwer bedrängte kleine Kaufmann, der durch die polnische Rücksichts losigkeit seine Existenz bedroht sieht, nicht deutscher fühlt, als eine Reichs- oder eine preußische Staatsbehörde, Und wenn er sich ebenso als internationaler Spediteur betrcvchtet, wie die Reichspostverwaltung sich als internationales Speditions geschäft fühlt. Gerade weil durch frühere BegelrungS- und Unterlassungssünden der Regierung das deutsche Element in den polnischen LandeStheilen so sehr ins Hintertreffen gerathen ist und eineu guten Theil seines deutschen Selbstbewußlieins eingebüßt hat, sollte die Regierung mit guter» Beispiele vorangehen und den Eifer zur Anwendung von Selbsthilfe stärken, statt ihn zu lähmen. Ein EentrumSorgan lenkt die Aufmerksamkeit auf den Protest, den in England 30 katholische sßeers gegen die Eidesformel eingelegt haben, die die englischen Könige bei ihrem ersten Erscheinen vor dem Purlament oder beim KrönungSacte zu verlesen pflegen und die auch Eduard Vtt. kürzlich verlesen hat. Jene Eidesformel beginnt nämlich mit folgenden Sätzen: „Feierlich . . . erkläre ich vor Gott, daß im Sakramente des Abendmahles des Herrn es keine Verwandlung der Elemente des BrodeS und Weines in den Leib und das Blut Christi bei oder nach der Consecration dieser Elemente durch irgend welche Person giebt und daß die Anrufung oder Anbetung der Jungfrau Maria oder jeder anderen Heiligen und das Meßopfer, win man es in der katholischen Kirche darbringt, abergläubisch und abgöttisch sind." Auf den Protest der PeerS hat der Lordkanzler erklärt, daß eine Abänderung der Eidesformel nur durch Parlaments acte möglich sei. In Bezug hierauf meint die klerikale „Kölnische DolkS-Ztg.", die protestantischen Kreise würden einer solchen Acre wohl keinen Widerstand leisten. Das ist wahrscheinlich und billigenswerth. Wenn aber die katholischen PeerS in England untrr dem Bei ¬ falle klerikaler deutscher Zeitungen an den König von England das Verlangen richten, aus Rücksicht auf seine katholischen Unterthanen vom Standpunkte feines Bekennt nisses auS Concessionen zu machen, dann müssen sowohl jene PeerS als auch die deutsche EentrumSpresse den Wunsch für berechtigt erklären, daß der nach katholischer Abuffassung höchste katholische Souverain, der Papst, seinerseits in öffent- FrnLlleton. Die Geschwister. ISf Roman von Alexander Römer. Nachdruck vnbolkn. Sufi nickte traurig, nahm aber Ellen Hut und Tuch ab und bat sie, sich zu setzen. „Sehen Sie — Sieh", sie verbesserte sich und ein weh- müthiges Lächeln flog über ihr noch immer reizendes Gesicht, „wie hübsch ich es hier habe. Er, Herr Welcord, bezahlt Alles für meinen Aufenthalt und hat mich in der ersten klaffe einlogirt. Es ängstigt mich, denn ich weiß keine Möglichkeit, ihm bald seine Ausgaben zu erstatten, ich weiß überhaupt noch gar nicht, was mit mir werden soll", — die Angst eines hilflosen Kindes malte sich plötzlich auf ihren Zügen —, „aber es war schön", setzte sie hinzu, „dieses Alleinsein. In der ersten klaffe hat man sein Zimmer für sich." „Quäle, sorge Dich um nichts, Susi", rief Ellen, „Herr Welcord ist ein sehr reicher und sehr guter Mann." „Er ist Dein Bräutigam, Ellen, nicht wahr? Schwester Cordula hatte zuerst gemeint, Ihr wäret schon verheirathet." „Unsinn, Susi, wie ist man denn hier auf solche Voraus setzungen gekommen?" Ellen's Gesicht erschien in Purpur getaucht bis tief in den Nacken. „Ich habe Herrn Welcord erst vor kurzer Zeit kennen gelernt und er ist mir ein Freund geworden, näher steh« rch ihm nicht." „Ach, wie schade!" Susi sah bestürzt aus und^schien zu fürchten, daß sie etwas Unpassendes gesagt habe. Sie blickte verlegen in ihren Schooß. Sie ist noch das Kind von damals, dachte Ellen, und — nein, Sünde und Schuld sind ihr fern geblieben. Selig sind, die reinen Herzens sind. „Erzähl' mir, Susi, wie es Dir gegangen ist", bat sie, „Alles, willst Du? Was brachte Dich in jener Nacht in solche Verzweiflung? Wohin wolltest Du flüchten? In den See? Armes Herz! Ich verstehe, daß Du schwer gelitten hast, aber es lagen Jahre zwischen Deinem großen Schmerz und jetzt." Susi athmete tief und sah sehr matt aus. „Wenn es Dich angreift und Du noch nicht reden magst, so laß eS", sagte Ellen rasch. Susi schüttelte den Kopf. „Ach, als ich hörte, daß Du es gewesen, die mich hierher brachte, da habe ich sehr große Sehn- sucht nach Wr gehabt. Ich muß — ich muß Dir einmal Alles sagen. Sieh, als der Poldel mich nicht mehr mochte und mich ganz verließ, da wurde es dunkel um mich, und ich meinte, ich müßte sterben. Ich weiß es jetzt lang«, daß man vor Kummer nicht stirbt und furchtbar viel aushalten kann. Ich bin viel klüger geworden, Ellen." Es klang fast komisch, als sie das sagte. Ellen hielt ihre kleine, magere Hand und streichelte und liebkoste sie. „Ich weiß es jetzt auch, daß ich dem Poldel gar nicht so gram sein darf. Ich paßte ja nicht zu ihm, und ich war sehr leicht sinnig, Len heimlichen Liebeshandel anzufangen ohne Wissen des Vaters. Darauf mußte dies Alles folgen. Sieh, als der Vater todt in unser Haus getragen wurde, und ich voll Entsetzen da neben der Leiche stand, und ihn dann sah — draußen am Fenster —, o mein Gott! Da jubelte meine Seele auf unter all dem Schreckniß, und die Freude, daß er da war, war größer, als der Schmerz um den Todten." Später habe ich's gewußt, welch eine schwere Sünde das ge wesen ist. Da versank er und verschwand wieder, und ich sah ihn nie mchr. An jene Zeit nachher mag ich nicht denken, ich glaube, ich bin gar nicht ordentlich bei Verstand gewesen, ich grübelte nur immer darüber, wie ich mich aus der Welt schaffen könnte, und war doch zu feig und ungeschickt, um es zu thun. Da ist die Cilly gekommen, die Cilly Helmke. Dank bin ich ihr schuldig bis in alle Ewigkeit, denn sie war mitleidig und wollte mir Gutes thun. Aber " „Aber Susi, Du hast zu ihr nicht gepaßt, und Dich da in der Umgebung sehr unglücklich gefühlt", schaltete Ellen ein. Susi nickte. „Es war schrecklich", sagte sie leise. „Cilly" — sie zögerte, als ob sie nachdenke, dann fuhr sie fort: „sie ist nicht schlecht. Sie nimmt das Leben leicht und genießt Alles, ohne sich Gedanken dabei zu machen. Sie lacht und tollt mit den Herren, so daß ich mich geschämt und gefürchtet habe dabei, — ich verstehe es nicht, ich bin zu dumm. O, was habe ich da alleS gesollt — singen im Chor auf der Bühne, ich starb vor Angst, und das Schrecklichste war hinter den Couliffen. Ich fühlte es ganz deutlich, ich verstand mich nicht zu wehven." „Da hab' ich mich meist verkrochen, und an Cilly's Garderobe genäht, und bin so wenig wie möglich zum Vorschein gekommen. Sie zerrten mich aber immer mit Gewalt wieder heraus, es war ein Leben, wie in der Hölle. Mitunter, wenn es Abends so lustig herging, war es mir, als ob sich Alles mit mir im Kreise drehe, und ich hatte ein dunkles Gefühl, als ob auch ich bald dahin käme, daß mir Alles gleichgiltig sei, und ich schließlich mit trank und tollte, wie die Andern." „DK Herren mit ihren freien Manieren waren mir ein Gräuel, sie drängten sich an mich, ich kam bei ihren Späßen aus dem Rothwerden nicht heraus. Und zwischen ihnen und mir stand Poldel's Bild, der Einzige, den ich grenzenlos lieb hatte, noch immer. Der Moment, wo ich gefühit hatte, daß auch er geringschätzig mit mir sprach, halte sich in meiner Seele ein gebrannt. Ich mußte mir einen Rest von Ehre und Glauben retten, wenn ich weiter leben sollte." „Das ging so hin, bis es hieß, daß Cilly hierher reise. Wie konnte ich hierher kommen, wo ich Poldel begegnen mußte — ich sann und sann, aber cs gab keinen Platz in der Welt, wo ich bleiben konnte, allein, ohne Geld. Cilly lachte mich aus, nannte mich eine Trauerweide, albern und sentimental. So kam ich auch hierher mit. Cilly war übermüthig lustig, sie gefiel hier und hatte bald ihr Engagement in der Tasche. Da sollte nun nach der Vorstellung ein Fest gefeiert werden. Ich hatte ihr in der Garderobe geholfen und freute mich mit ihr, weil es ihr glückte. Als wir durch die Seitenpforte das Theater verließen, sah ich ihn — Poldel. — Er stand neben einer sehr schönen, vor nehmen Dame, deren Wagen draußen hielt, sie sprachen flüsternd mit einander und küßten sich heimlich in einer Nische. Sie trug einen Strauß purpurner Rosen in der Hand und rausch!« dann an mir, die ich mich hinter einen Pfeiler geduckt, vorüber. Er folgte ihr nicht, ein Diener in Livree stand am Wagenschlag und sie fuhr in-ihrer eleganten Equipage fort." „Wie schön sah er aus und wie vornehm, aber doch sehr ver- Lndert — wie hätte ich je zu ihm passen können. Mein Herz that so weh, als müßte es zerbrechen. Da taumelte ich über die Straße, den Anderen nach. Ich wußte gar nicht, was ich that, untres wurde da gezecht und gesungen, auch mir füllten sie immer das Glas mit Champagner. Ich sah zuletzt Alles wie durch einen Nebel. Ich fand mich plötzlich im Arm eines Menschen, der mich küßte, und das brachte mich zur Besinnung. Ein furchtbarer Ekel erfaßte mich, ich stieß den Zudringlichen zu rück und lief fort. Ein lautes Lachen schallt« hinter mir her, ich glaubte, daß er mich verfolge. Jcb weiß nicht, woher ich die Kräfte nahm, ich lief und lief — wohin, das wußte ich nicht. Aber richtig, den See sah ich schimmern, und bei dem gluthrothen Schein, der vor meinen Augen flimmert«, dachte ich, daß ich ver loren sei, so wie so, und daß das kühle Wasser da schön und still sein müsse. Dann bin ich gestürzt und habe lange nichts mehr von mir gewußt." Sie schwieg, sichtlich erschöpft, und Ellen blickte starr hinaus in den sonnigen Garten, wo die Nachtigallen schlugen. „Hier hast Du Stille und Schönheit", sagte sie leise, „und lebst doch noch und siehst die Sonne." .Ein paar Thränen perlten langsam über ihre Wangen. Susi seufzte tief auf. „Ach ja! Hier ist es s«hr schön — wie im Himmel, gerade so, wie ich es immer haben möchte. Schwester Cordula und die andern Schwestern beneide ich. die allezeit in diesem Frieden sind, die Kranken pflegen und Gutes thun." Ellen fuhr aus ihrer Versunkenheit auf. „Du hast Recht, die sind auch zu beneiden — indeß, wenn Du wieder gesund bist — Diakonissinnen werden sehr begehrt. Du würdest eine liebreiche Pflegerin abgebin." Susi's matte Augen leuchteten auf. „O!" sagt« sie athem los, „wenn das möglich wäre!" „Jedenfalls darfst Du Dir von jetzt ab keine Sorgen mehr machen wegen Deiner Zukunft", sagte Ell«n freundlich, „die wird sich nach Deinen Wünschen gestalten lassen. Ich bin und bleibe Deine Schwester." Sie beugte sich über sie und küßte sie innig. Susi hielt ihre Hand fest und sah scheu zu ihr auf. „Willst Du mir noch das Eine sagen — er ist sehr alücklich, nicht wahr? Cilly sprach davon, daß ihm eine große Erbschaft zufalle, und er hat die schöne, vornehme Braut. Ich — ich gönne es ihm von Herzen." lieber Ellen's Züge flog eine finstere Wolke. „Kind! frage mich nicht darnach. Nicht Alles, was die Welt redet, ist Wahr heit. — Eure Wege ginaen weit auseinander, ich fürchtete Las schon, als ich Euch zuerst beisammen sah, aber er war sehender als Du, er hat nicht recht an Dir gehandelt. Er ist mein Bruder, und ich will Deinen versöhnlichen Sinn nicht aufreizen, aber auch Du mußt Recht und Unrecht von einander scheid«» lernen. Wir Alle ernten, was wir säen." Susi blieb die Rede dunkel, daS sah Ellen wohl, sie hatte aber nicht anders zu sprechen vermocht. Draußen verweilt« sie noch bei Schwester Corduka. Der Gedanke, daß Susi sich zur Diakonissin auSbklden könne, erschien ihr wie «in erlösender. Auch Schwester Cordula stimmte ihr zu. Einstweilen hatte Herr Welcord angeordnrt, daß die Patientin in ihrem Zimmer bleiben solle, bis sic ganz gekräftigt sei. Er hatte für Wochen im Voraus gezahlt. In Ellen's Seele sah es stürmisch auS auf diesem Heimweg. Susi's Reden hatten ihr ja nicht erst die Gewißheit gegeben, die sie schon lange besaß, daß ihr Bruder in AdinenS Banden lag. So also war die Freundin ihrer Kindheit geworden, und das that sie ihr und den Ihren an. Wie furchtbar mochte Leopold's Erwachen auS diesem Traume sein. Wir ernten, was wir säen, murmelte sie. An ihm lag es nicht, wenn das Kind, diese Susi, nicht verdorben war, und wenig
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