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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.02.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010220026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901022002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901022002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-02
- Tag1901-02-20
- Monat1901-02
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130S Wanderung enlfielen. Während die nichtdeutsche Auswanderung gegen da» Borjahr um rund 20000 Personen zugenommen Hai, hat dir deutsch« Auswanderung um rund 3000 Personen ab genommen. Der von der Hamburg-Amerika-Linir seit Ende 1895 in Stettin eingerichtete Autwanderervrrk.hr noch Nordamerika, welcher 1898 unterbrochen wurde, ist seitdem uicht wieder aus genommen worden. — Der morgen im Reichstage zur Beratbung stehende CentrumSantrag besagt: Artikel 32 der NeichSverfassung wird durch folgende Bestimmungen ersetzt: „Die Mitglieder de» Reichstage» erholten au» Reich-Mitteln freie Fahrt aus Eisenbahnen und für die Dauer ihrer Anwesen- hrit bei Len Sitzungen de» Reichttage« Anwes«ndeit»g«ld»r in Höhe von 20 für den Tag. Bon den AnweseuhiitSgeldern Ellen stand hochaufgerichtet vor ihr und hielt ihrem wüthen- den Blicke Stand. Dann wandte sie sich und schritt ohne «in weiteres Wort aus dem Zimmer. Ellen zitterte an allen Gliedern, als sie da« Haus verließ, und doch empfand sie unter dem Tumult ihrer Gefühle etwas wie Be freiung. Armer Leopold! Die Verachtung, der Zorn gegen den Bruder, der sich in ihr angesammelt und sie fast erstickt hatte, milderte sich zum Mitleid ab. Ihm waren schwer« Versuchungen gemacht. I" dem Leben, welches liebende Fürsorge ihm hatte ebnen wollen, waren seine schlimmen Eigenschaften au-gebildet worden — Selbstsucht und Eitelkeit. Heimlich klagte Ellen in dieser Stunde auch die Mutter vn, welche in ihrer Schwäche Lüge und Heuchelei bei ihm groß ge zogen. Des Bösen Fluch ist sein« fortwirkende Kraft — ihre Geel, erschauerte in der Furcht vor dem nun Kommenden. W« würde Leopold diese Schläge tragen. Ein« schwache Hoffnung keimte trotz des centnerschweren Druckes, der auf tbr lastete, in ihr auf, er könne sich darunter aufrichten. Die Mutter empfing sie heiter. Für morgen war die TestamentSeröffnung angesctzt; allerlei Freunde und Bekannte waren dagewesen. Man nahm allgemein Theil an der freund lichen Wende ihres Schicksals. „Du mußt mich nicht darum tadeln, Ellen", sagte die Doctorin halb verschämt, „wenn di« Freude in mir hoch kommt, trotz der Trauer um den Hingeschiedenen. Der liehe Mann, der nun in der ewigen Ruhe ist, hat mir ein« große Sorgenlast abgt- nommen, aber er war ein sonderbarer Mensch, und ich habe mich immer vor ihm gefürchtet. Darum kann ich ihn auch nicht ver missen." Ellen sah auf ihre Arbeit, di« sie mechanisch genommen. Sie horchte auf da» Oeffnen und Schließen der Thür drüben — ob Leopold kam — ob er vielleicht schon drinnen war in seinem Zimmer — wußte er schon? „Run, Mütterchen, al» Poldel auf de» Justizrath» Kosten studirte und ich für mich selbst erwarb, da brauchtest Du doch nicht mehr ängstlich zu sorgen, und — im Grunde sollte die Hoffnung auf vaS Erbe ihn und auch Dich nicht m«hr fo erfüllt haben —" bemerkte sie, hielt aber in ihrer Rede inne, in der Furcht, mehr zu sagen, als heute gut und rathsam war. Es lag ihr ja nur daran, die Mutter von ihrer furchtbaren Spannung nicht» merken zu lasse«. (Fortsetzung folgt.) Tagen ihr Gatte starb. Di» der Fomili» au» de« Umzug, »on Königsberg nach Berlin entstandenen «asten werden mit LvOO ergebt werben. Brinkmann Kälte die Königsberg g»wibm»t» neun jährige Dienstzeit der Lommune Berlin in Rechnung setzen können. Er hatte jedoch bei der Bewerbung, wohl im Interesse seiner Wohl, daraus verzichtet und besaß iomit, als er hier seinen Dienst antrat, keinerlei Anivrüche an die PenstonScoss« der Stadt. — Di» Baronin v. Ketteler, di» Gemahlin d«s in Peking ermordeten deutschen Gesandten, befindet sich zur Zeit an Bord de» „Fürsten Bismarck" auf der Fahrt nach Genua. * Paderborn, IS. Februar. Gestern trat Bischof vr. Schneider seine wegen Krankheit bisher verschobene Reise nach Rom au. Altenburg, IS. Februar. Die Lohnbewegung unter den diesigen Schubmackern ist schnell zur Ruhe gekommen, indem Meister und Gebilsen einander entgegen kamen. ES werden zwei Lobntarife geschaffen; der bitberige bleibt für die weniger gewandten Arbeiter bestehen, wahrend für die tüchtigeren Gehilfen ein erhöhter Tarif in Geltung tritt. * Köln, 19. Februar. Der Erzbischof Simar soll nack einem Telegramm der „Mgdb. Ztg." au» Rom im Mai- Eonsistorium den CardinalSbut erhalten. * Türen, 19.Februar. Tie Flachsspinnerei von Schüller, BiicklerSLCo. stiftete auS Anlaß des 50 jährigen Be stehens deS Werkes 100 000 zur Unterstützung der Be amten, Arbeiter und Arbeiterinnen. * In Saarbrücken sind zwei Männer, NameS Stoffel und Mommsen, verhaftet worden, die unter falscher Flagge versuchten, für die englische Armee in Südafrika Anwerbungen zu betreiben. Sie schwindelten jungen, brauchbaren Leuten vor, daß sie sich als Glasbläser in England viel Geld verdienen könnten. Freie Reise und Beköstigung wurde ihnen zugesichert. Die menschen freundlichen Herren hatten bereit« zehn Leichtgläubige ge funden, die in ein St. Jobanner Restaurant zum Zwecke der letzten, cndgiltigcn Abmachungen bestellt waren. Die Polizei bekam hiervon Wind und vereitelte noch rechtzeitig da» Bor baben durch Verhaftung der Agenten. Aus Völklingen und Dicdenhofen wird AehnlicheS gemeldet. O Homburg v. d. H., 19. Februar. Die Kaiserin ist beule Abend nach Berlin abgereist. 8. R.X. Badcn-Baden, 20. Februar. Heute findet hier eine Conserenz von Bevollmächtigten der badischen, bayerischen und elsaß-lotbringischen Regierungen statt, wobei die mit der Negulirung deS OberrbeinS von Sondernbeim nach Straßburg zusammenhängenden technischen Fragen erörtert und womöglich einer Vereinbarung entgegen- geführt werden sollen. Die Beratbung der administrativen Fragen, insbesondere der Kostenvertheilung, soll späteren Verhandlungen Vorbehalten bleiben. Großbritannien. Adrcfjbrbntte. * London, 19. Februar. Unterhaus. (Fortsetzung.) HickS-Beach schließt: Ueber die Höhe der Kriegs st euer, welche den Diamanten- und Goldminen in Süd afrika auferlegt werden soll, kann ich noch keine bestimmten An gaben machen. Tie Fortdauer des Krieges wird auch vielleicht dcu Zeitpunct, wo ich in der Lage sein könnte, Ihnen ausführlichere Auskunft zu ertheilen, noch hinausschiebeu. Asquith nimmt nunmehr die Adrcßdebatte wieder auf. Er bestreitet zunächst, daß die Opposition eine Rückkehr nach dem früheren politischen statu» quo in Südafrika befürworte. Tie Anncktirung sei auf lange Zeit hinaus das einzige wirksame Hilfsmittel gegen die Wiederkehr solcher Gefahren, wie die letzte gewesen sei, und sichere Recht und Freiheit für ganz Südafrika. Holländer und Engländer sollten verstehen, daß England nicht beabsichtige, künstlich da- Uebergewicht der einen Rasse durch das der anderen zu ersetzen. Ter Kriegsminister Brodrick entgegnet, die Rede Asquitt'», welche einen ganz anderen Ton angeschlagen habe, als die Aus führungen der übrigen Mitglieder der Opposition, sei — ein be deutsames Zeichen — auf den Bänken der Opposition mit eisiger Kälte ausgenommen worden. Ter Augenblick sei gekommen, sich endlich einmal von diesen veraltete» Partcizänkereien frei zu mache», und alle Mitglieder des Parlaments sollten sich bemühen, > die Beendigung des Kriegs zu beschleunigen. Redner bestreitet, datz die Regierung in eine Periode der Unthätigkcit gerathen sei, und sagt: Wir haben nicht nur den Wünschen Kitchener'S ent sprochen, wir sind sogar zuvorgekommcn. Als Kitchener am 13. De- cember noch mehr Soldaten verlangte, versprach ich ihm 2500 Man» Cavallcrie und 1000 Mann berittene Infanterie. Wenige Tage später sind diese in See gegangen und nehmen schon jetzt an der Verfolgung De Wct'S Theil. Binnen drei Wochen wurden in der Capcolonie 10000 Mann aukge- hoben und von uns ausgerüstet und beritten gemacht. 30000 Pferde haben wir in drei Monaten über eine Strecke von 6000 Meilen transportirt. Kitchener hat Ende März alle Pferde, die er verlangt, zur Verfügung. Seine berittenen Mann schaften werden um etwa 20000 Mann ver mehrt werden. ES ist auch wiinschenLwerlh, daß di« Die Stickerin verlieh geräuschlos da» Zimmer. „Sie ist meine ehemalige Jungfer", sagte Adine in ruhigem, natürlichem Tone, „und an allerlei Launen 'bei mir gewöhnt. Sie findet nichts darin, wenn ich sie fortschicke." „ES ist mir nämlich lieb, daß de: Zufall Dich mir in d«n Weg führt; ich möchte Dir noch allerlei sagen." Ellen hatte sich gesetzt, ihr Kopf war noch immer schwindlig; sie wußte nicht, ob sie Adine überhaupt begrüßt, jedenfalls mußte der doch wohl ihr verändertes Benehmen auffallen, und sie sich also sogen, daß die Schwester um des Bruders Geheimnis, wisse. Ein wilder Zorn stieg in ihr herauf; sie vermochte noch kein Wort zu sprechen. Sie blickt« jetzt erst Adtn« an. Sie trug ein einfaches schwarzes Kleid und einen Hut mit grauen Federn. Sie blickte angelegentlich auf das Muster de» kleinen EophateppichS und beschrieb mit ihrem Sonnenschirm Figuren darauf. „Ich reise nämlich heute Nacht", sagte sie beinah« eintönig, „und zwar direct nach Babenhausen". — so hieß ein Gut ihre» Vater« — „wo meine Hochzeit mit meinem Detter Waldemar v. Saldern in oller Still« gefeiert werden soll." Ellen sprang von ihrem Sitze empor, ihre Augen sprühten. „Ha! Fräulein v. Rodenfel» — und da» wollten Sir mir sagen, damit ich — —" Adine legte ihr Hand auf den Arm orr Aufgeregten. „Da ich Dich so im Harnisch s«he, muß ich annehmen, daß Leopold geplaudert hat", sagte sir gelassen. „DaS würde «in Cavalier nicht gethon haben. Ach muß Dich aber bitten, mich noch ein Weilchen ruhig onzuhoren. Daß ich den Mann, den meine Eltern mir bestimmt««, und der schon lang« um mich ge worben, nicht liebe, wirst Du mir glauben, ohne daß ich es Dir weiter versichere. In unseren Kreisen sind solche Convenien». ehen am der Tagesordnung, und wer in der Luft groß wird und sich keinen blauen Dunst Vormacht, richtet sich von vornherein darauf ein. Die hart« Sitte hat aber an der Natur und Anlage ver unter ihr Erwachsenden nicht» zu ändern vermocht. Glück», hunger, beiße» Blut, Begehren blieben ungebrochen, und da neben der Sclavenkette ein' gewisse» Maß von Freiheit gewährt wird, so benutzt man diese, lebt, wie Jugend ein Recht hat, zu leben, kostet die gegebene Zeit au», und macht dann seinen dicken Strich. Für mich war eS jetzt nothig, den Strich zu ziehen." Sie schwieg. Ellen » Busen hob sich stürmisch. Wap Leopold solch' einen Handel «inaeaangen? fragt« sie sich. Hatte er sich «uledriH zu solchem Spielzeug für müßige Stund«» dieser sehr reif« Welt- licken Kundgebungen jede Verletzung undHerauS- forderung der Protestant«« und deS Protestan tismus vermeide. Man weiß, wie häufig solche Ver letzungen und HcrauSsvrterungen in den öffentlichen Kundgebungen auch Leo's XIII. beklagt und getadelt werden mußlen. Es sei nur an die Jubiläumsbulle erinnert, die Gebete „um die Ausrottung der Ketzereien" anordnete, und an da» päpstliche Schreiben an den Generalvicar von Nom vom 19. August >900, worin die protestantische Lehre — um blo» diesen Punct wieder zugeben — als -Gift der Verirrung und de» Jrrldumö" be zeichnet wurde. Natürlich wird weder der Papst jemals mit selchen Gepflogenheiten brechen, noch wird die deutsche CentrumSpresse jemals entsprechende Forderungen der Prote stanten unterstützen. Es gehört eben zum Wesen deS Kleri- kaliSmus, für sich alle jene Rücksichten in Anspruch zu nehmen, von denen er auch nicht die geringste dem Protestantismus gugesteht. Ueber die Steigern«, der Trunksncht der englischen Frauen als Folge Lrö Krieges wird uns aus London ge- sp'rnben: Der neueste Jahresbericht der Londoner Gesellschaft für innere Mission beklagt die erschreckende Zunahme der Trunksucht unter den Frauen und Mädchen der arbeitenden Classen. Aus sämmtiichen 48 Bezirken der Londoner Missionstbätigkeit werde da« Gleiche gemeldet, und wenn schon in den vorangegangenen Jahren eine andauernde Weiterverbreitung diese« furchtbaren Lasters unter detr Arbeiterinnen und auch unter den nickt beruflich tbätigen Frauen der Arbeiter festgestellt werden mußte, so übersteige doch die Zunahme der Trunksucht in dem letzten Jahre jedes Miß. Andere Missionarinnen haben in ArbeitSstuben und Fabriken mit 12—200 Arbeiterinnen Umfrage gehalten, wer von diesen bei der Arbeit nicht Branntwein tnnke und wer von ihnen cS als ungeziemend ansehe, die öffentlichen Brannt wein- und Schaukslätten zu besuchen. StekS sei darauf mit Hohnlachen geantwortet worden, daß sich auch nickl Eine unter ihnen von diesen Genüssen ausschließe. Die Mitglieder der MissionSgesellsckasten sprechen hierbei offen aus, baß die fortgesetzten allgemeinen patriotischen Fest feiern, die im vorigen Jahre seit der Entsetzung von Kimberley bis zur Rückkehr ter Freiwilligen fast allwöchentlich abgeballen wurden, die Trunksucht unter der gesammtrn Be völkerung unverbällnißmäßig gesteigert habe. Ganz besonder« aber tchbe die Tbeilnahme der Mädchen und Frauen an den öffentlichen Umzügen und an den veranstalteten Siegesfeier» das sittliche Verhalten der weiblichen Bevölkerung in bedenk lichster ?Weise herabgedrückt. Die Zahl der Fälle, daß Mädchen unter 20 Jahren wegen fininoser Trunkenheit ver hallet und bestiast werden mußten, ist von 1300 Fällen im Jahre 1899 auf über 4000 Fälle im Jahre 1900 gestiegen, und Jedermann weiß, daß die Londoner Polizei in dieser Hinsicht /eine Lingmuth an den Tag legt, die in anderen Ländern Europas für unbegreiflich gehalten werden würde. fehlte, so lag sie in jener Nacht im kühlen See und ihr Ende auf Lcopold'S Gewissen. Sie schauderte. Dann flogen ihre Gedanken wieder zu Welcord. Er reiste, schrie es in ihr. Wider alle Vernunft behielt sie da» Gefühl, daß er allein ihr Retter sein könne in der kommenden schweren Zeit. Wenn er ging, erlahmte ihre Kraft, sie fühlte sich schon beim Gedanken an sein Scheiden wie zerbrochen; sie hatte entsagt und geopfert immer und immer, und nun, wo Alle» ver gebens und diese wilde Sehnsucht nach Glück in ihr aufgeflammt war, dieses greifbare Bild, was Glück sei — nun kam vor Zu sammenbruch, und sie stand allein. Sie ging rasch, ohne rechts oder link» zu sehen, in einem Taumel und Wirrsal von Empfindungen. Plötzlich stand sie still. Sie mußte sich zur Wirklichkeit zurückfinden; sie hatte Frau Rose versprochen, bei der Stickerin, welche die Wäsche für Ange- lita anfertigte, eine Bestellung auszurichten. Sie besann sich auf einmal darauf und kehrte um. Die Stickerin wohnt« in einer Seitenstraße, und sie war schon weit daran vorübergegangen. Sie gelangte auf einem Umwege an da» Hau», sneg die drei Treppen hinan und stand, Athem schöpfend, vor der Thür, an der der Name „Lucie Brandt" zu lesen war. Drinnen wurde gesprochen. Sie fuhr zusammen. Waren ihre Gedanken so von der einen Person erfüllt, daß sie ihr« Stimme überall zu hören vermeinte? Sie klopfte und trat auf da» von drinnen tönende „Herein" rasch ein. Neben der schmächtigen Gestalt der Stickerin erblickt« sie eine zweite — Adine. ES entstand eine kurze, schwule Pause, vor Ellen'S Augen schwamm ein Nebel, sie mußte sich am Thürpfosten halten; eS dauerte eine Weil«, bis sie wieder klar sah. Adine war einen Schritt zurückgetveten, auch ihre Minen hatten deutlich ein Erschrecken verrathen; jetzt sprach sie, ober Ellen begriff noch nicht, wa». Die Stickerin fragte höflich nach ihrem Begehr. Ellen machte eine gewaltsame Anstrengung, um sich zu fassen, sie redete mit dem Mädchen^ richtete ihren Auftrag itu», aber das Blut siedete noch immer m ihren Adern. Sie war sich nicht mehr bewußt, ob Adine noch im Zimmer sei, und fuhr zusammen, als ihre Stimme auS der Ecke vom Sopha her tönte: „Lucie, wollen Sie mich rin paar Minuten mit dieser Dame allein lassen?" Ellen wandte sich um. Adine saß auf dein Jopha, nach lässig zurückgrlehnt, und spielte mit den Münzen an ihrem Arm- tand«. dame? Sie war dumm und unerfahren auf diesem Gebiete, sie konnte sich da nicht zurecht finden. Ader nein — Leopold'» Reden hatten Hoffnungen verrathen, zu denen diese Lirce ihn berechtigt haben mußte — sie war e» gewesen, die ihm Ehre und Gewissen ertödtet hatte — sie Adine redete jetzt weiter; ihre Stimme klang berückend weich. „Du verstehst nicht, warum ich Dir diese Beichte ablege; ich weiß e» selbst nicht — ich konnte ja nicht erwarten. Dich noch zu sehen — aber — Du hast «» mir immer angethan; erinnere Dich, schon in der Kinderzeit mußte ich Dir immer alle meine dummen Streich« anvertrauen. Und nun sei nicht herbe, urthelle nicht wie eine alte Jungfer. Dein Blut war von jeher kühler, al» meiner, aber Du bist doch jung, und verstehst koch wohl so viel: ich habe Wonne und Glück ungemessen gegeben und gekostet, und nun ist daS vorbei, — mußt« vorbei sein — er hat sich'S lange ebenso sagen müssen, wir gehen Beide fortan in solide Bahnen, in ebene Gleise." „So", sagte Ellen, und ihre Augen funkelten. „Warum Sie mir diese Beicht« ablegen, ist mir allerdings unverständlich, daß ich diese Dinge mit einem anderen Namen nenne, sollten Sie wissen. Und ich frage Sie jetzt, wa» haben Sie dem Manne, dem Li« Ehre und Gewissen einürllten, vorgespiegrlt? Wa» hat er geglaubt, wohl bi» heut« noch?" Ellen'» Blick ruhte brennend auf dem schönen Gesicht, da» ihr so vertraut war, und da» sie ehemals geliebt hatte. Jetzt sprach «in glühender Zorn und ein» tief« Verachtung au» ihren Menen. Adine wandte sich erb, ein unsicheres Flackern kam in ihre Augen. Sie zuckte di« Achseln. „Ach! Ich hätte «» mir sagen sollen, daß Du wie Hinz und Kunz denken würdest", murmelte sie halb wie für sich. „Besinne Dich doch, Ellen, an »ine Heirath war in diesem Falle doch nicht zu denken. Er — er müßte ja seinen Verstand verloren haben, wenn er einen Augenblick daran gedacht hätte." „Fräulein von Rodens«!», Gott wirk geben, daß der Un glücklich«, den Eie sich zum Opfer erkoren, seinen Verstand wieder- sindet, und sich glücklich preist, vor der Erfüllung seiner tollen Wünsch« bewahrt zu sein. Der Mann, dem Ei« jetzt Ihre Hand reichen, um in soliden Bahnen neben ihm zu wandeln, möchte sich bedanken, diese Hand zu fassen, wenn er wüßte, daß e» die einer Ehrlosen ist." „Ellen!" E» war «in wilder Aufschrei von Adinen» Lippen. Sie war kreidebleich «worden, ei« bläulicher Schatten spielte um ihr« Nasenflügel. Nach der kaiserlichen Verordnung, die sich mit tue Ausführung diese» Gesetzes beschäftigt, wird nämlich zu dem erwähnten Zeitpuncte der Abschnitt deS Gesetzes über oie besonderen Be stimmungen betreffs der Lehrlingsverhältntsfe der Handwerker in Kraft treten. Die GewerbeordnungSnovelle vom 27. Juli 1897 scheidet Vie LehrlingSverhältnisse in zwei Theile. Der eine behandelt die allgemeinen Bestimmungen, unter die also auch die Lehrlinge in den Fabriken fallen, der ander« die besonderen Vorschriften für dir Handwerker. Der erstere Theil ist schon seit längerer Zeit in Geltung, der zweit« wird nun mit dem 1. Apvil d. I. Gesetzeskraft erlangen. Damit wird übrigens da» HcrNvwerkSorganisationsgesetz noch immer nicht gänzlich zur Durchführung gebracht sein. Dieses Ziel wird erst mit dem Beginn des Octobers des laufenden Jahres erreicht werden, wenn der Gesetzesabschnitt über den Meistertitel Geltung erlangt haben wird. Nach dem Gesetze dürfen Hand werker den Meistertitel in Verbindung mit der Bezeichnung eines Handwerks nur führen, wenn sie in ihrem Gewerbe die Befugniß zur Anleitung von Lehrlingen erworben unk die Meisterprüfung bestanden haben. Die Abnahme ver Prüfung erfolgt durch besondere Commissionen und die Errichtung dieser nach Anhörung der Handwerktkammern durch Verfügung der höheren Verwaltungsbehörde, welche auch die Mitglieder er nennt. Für die Inkraftsetzung der Bestimmungen des Hand- werksorganisationSgesetzes über 'den Meistertitel war demnach die Errichtung der Handwerkskammern Voraussetzung. Diese ist nunmehr durchweg erfolgt und «S steht deshalb nichts im Wege, nach der Bildung der Prüfungscommissionen auch den letzten Rest des Handwerksorganisationsgesetzes zu Beginn deS Octobers des laufenden Jahres in Kraft treten zu lassen. Das Gesetz hat zu seiner Durchführung einen Zeitraum von über 4 Jahren gebraucht. Es steht damit aber nicht vereinzelt da. Die GewerbeordnungSnovelle vom Jahre 1891 ist sogar jetzt noch nicht völlig zur Ausführung gelangt. Erst wenn die in Ausarbeitung begriffen« Novelle über den Kinderschutz in der Hausindustrie zur Verabschiedung gelangt sein wird, werden die Vollmachten, welche in dieser Novelle ertheilt -wurden, fämmtlich ihrer Er füllung entgegengeführt sein. — Die beabsicktigte Reise de» Kaiserpaare« nach Königsberg, die ursprünglich ans Sonntag, 10. März, festgesetzt war, dürfte vor allen Dingen vom Befinden der Kaiserin Friedrich abhängig gemacht werten. — Nack der „Post" dürfte der Kaiser gelegentlick der Recrutenvcreidizung in WilbelniSbave» Anfang März dieses Jahres auch der S'tadt Bremen einen Besuch abstatten. — Für den deutschen Kronprinzen soll, wie nack dem „Hamb. Corresx." auS Kiel verlautet, da» Linienschiff „Kaiser Wilbelm II." zu einer Reise nack Peters burg, Stockholm und England für Ende März oder Anfang April bergericktel werden. Nack der „Allgem. H«a." beruht jetock diese Meldung „auf freier, bezw. tendenziöser Eifindung". An dem Programm, nach dem der Kronprinz, sobald er seinen nächsten militärischen Pflichten genügt hat, die Universilät besuchen soll, bade sich bis jetzt nickt- geändert — Nack der „Allgem. Ztg." gilt e» in Homburg als wabrsckeuilick, daß König Ecuarv VII. im Frühjahr wieder längeren Aufenthalt dort nehmen wird, auch wenn in der Zwischenzeit ein kürzerer Besuch staitsinden würde. — In der am 18. d. M. unter dem Vorsitz Le- Staats sekretär-Grafen von PosadowSky-Wehner abaebaltenen Plenarsitzung deS BundeSralhS wuree, wie ergänzend zu berichten ist, die vom Reichstag zum dritten Nachtrag zum Neick-hauSbalt-etat für 1900 gefaßte Resolution dem Reichs kanzler überwiesen. Außerdem wuiven die Ruhegehälter für eine Anzahl von Reichsbeamten festgesetzt und verschiedene Eingaben erledigt. — Dem Reichstage sind beute die Berichte über die Tbätigkeit der ReickScommissare für da» AuöwanderungS- wesen während deS JahreS 1900 zugegangen. Denselben ist Folgendes zu entnehmen: Ueber Bremen wanderten im Jahre 1900 95 961 Personen auS, unter denen sich 9073 deut che Re chjangehörige be fanden. Demnach hat gegen da- Vorjahr, io welchem 86 218 Perlonen, darunter 9126 Reick-angehörige, über Bremen auSwanderten, die allgemeine Au-wanderung um 9743 Per- sonrn zugenommen und die deutsche Auswanderung um 53 Personell abgenommen. Ueber Hamburg wanderten im Ganzen werben di« Lasegeld,r abgerechnet, die «io Mitglied de» Reichstag,» al» Mitgliid »ine- deutschen Landtage» für dieselbe Zeit bezieht. Die Bedingungell der Festsetzung und Zahlung der Anwesenheit»gelder unterliegen dlv Bestimmungen de- Reichstag-- Präsidenten." — Der festgesetzte Enthvlluna»tag für da» große Bi-marck-Denkmal vor dem ReichStagShause ist wieder verschoben worden. Man hatte zuerst den 10. Mai als «inen ErinnerunaStag au« dem Leben de» ersten Reichskanzler« dafür io Aussicht genommen, doch wird jetzt die Festsetzung davon abhängig gemacht, an welchem Tage di« Tbeilnahme de» Kaisers an der Eothüllungsfeier erwartet werden kann. — Nach der „Natl. Corresp." steht die Fertigstellung des Zolltarifs im Reicksschatzamt so nahe bevor, daß dem BundeSratb noch in diesem Monat die betreffende Vorlage zugrhen dürfte. Drei Beamte des Reichsschatzamts sind in »er letzten Zeit ununterbrochen mit den einschlägigen Arbeiten Gefaßt gewesen. — Die Zurückhaltung, welche in den maßgebenden Kreisen der Reichsverwaltnng gegenüber den Bestrebungen beobachtet wird, die Losung der Reichsfinanzfrage in Fluß zu bringen, erklärt sich nach der „Natl. Corresp." zum erheb lichen Tbeile daran», daß bi» jetzt »och gar nicht abzuseben ist, in welcher Weise schließlich der Zolltarif, wie er zu Stande kommt, auf die Geflallnng der Finanzen de» Reiches einwirken dürfte. — Behuf» Stellungnahme gegen die bekannte Aeußerung des Justizministers Schönste dt über die Anstellung jüdischer Notare circulirt gegenwärtig unter den Rechtsanwälten Berlins eine Liste, um Unterschriften zum Zwecke der Einberufung einer An waltS kammer- sitzung zu trlangen. Es find statutarisch 250 Unter schriften erforderlich, um den Vorhand zu veranlassen, eine derartige S-tzung einzuberufen. Die AnwaltSlammer soll beauftragt Werren, gegen die in den Reden dt» Ministers gegebenen Anschauungen Stellung zu nehmen. — Die Kohlencommission de» preußischen Ab geordnetenhauses beschloß, ihre Auffassung dabin auS- zusprechen, daß die im Staate zur Zeit bestehende Kohlen förderung auch im Zusammenhänge mit der Ein- und Aus fuhr für den gegenwärtig obwaltenden Bedarf ausreichend erscheint. — Eine der Reden, die der Graf Walter Pückler- Tsckirne im verflossenen Herbst in der Tonhalle hx-lt, führte ihn brüte wieder unter der Anklage, verschiedene Bc- völkerungSclaffca in einer den öffentlichen Frieden gefähr denden Welte gegeneinander zu Gewalnkäiigkeitcn auf- gereizt zu haben, vor die neunte Strafkammer deS Lankgericht» I. Den Vorsitz führte LankgerichtS>alh Tietz, dieAnklagebebörde vertrat Staatsanwalt Becck, cinVeltheiriger war nickt zur Solle. Der beanstandete Inhalt der Rede deckte sich im Wesentlichen mit den Reden, wegen deren der Angeklagte früher zur Verantwortung gezogen war. Der Gerichtshof kam wiederum zu einem freisprechenden Urtheii. Zweifellos sei, daß die Rede des Angeklagten objecilv aufreizender Natur sei, aber eS fehle daS ThatbcstandS- mcrkmal der Gefährdung deS öffentlichen Friedens, denn nach den Bekundungen Ver Zeugen sei nicht zu befürchten ge wesen, daß einer der Zuhörer sich zu Gewaltthätigkeiren hiurcißen lassen würde. — Zur „Affäre Sello" bestätigt daS „B. T.", daß die Staatsanwaltschaft bei der zuständigen Beschluß- kammer die Einstellung de» Verfahrens beantragt bat. Eine Entscheidung der Strafkammer sei noch nicht erfolgt, dürfe aber sehr nade bevorsleben. Tie Annahme, daß die Strafkammer dem Antrag der Staatsanwaltschaft stattgeben werde, erscheine nach Lage der Sache wohlbezriinvet, aber nichtSkestoweniger eile die mehrfach verbreitete Mittheilung, Justizrath Sello sei bereits außer Verfolgung gesetzt, den Tbatsachen voraus. Ob mit der Erledigung de» „Fall Sello" auch der „Fall Werthauer" zum Abschluß kommen werde, sei Zur Zeit noch nicht abzuseyen. Aber auch hier soll daS BelastuugSmaterial erheblich zusammengeschrumpft sein. — Die Herrenmaßschneider der kaufmännischen Geschäfte in Berlin haben eine allgemeine Lohnbewegung eingelcitet. Sie beabsichtigen zunächst, für die drittclassigen Geschäfte, wo noch außervrdentlicke Lobnunterscdicde für zieniticd gleiche Arbeiten herrschen, einen einheitlichen Tarif > zu schaffen und Mindesl-Slücklövne festzulegen. Die alte Forderung: die Errichtung von BelriebSwerkilälten sei auch wieder zu stellen. Eine öffentliche Versammlung beschloß, die mehr oder weniger der Bewegung noch fernstehenken Hausiudustriellen und Heimarbeiter durch periLuliche Agi tation, massenhafte Vertbeilung von Flugblättern und Ein berufung neuer Versammlungen für diese Lohnbewegung zu gewinnen. — Für die Dittwe deS verstorbenen Bürgermeisters Brinkmann wird der Magistiat bei der Siadtverordneten- Berlammlung ein« jährlich, Pension von 8000 beantragen. Rechtlich hott» grau Brmkinann nur »inen Anspruch aus die den Angehörigen aller Beamten gewährte Johr-lvnierslütziinq von 3Mda erst nach fünf Jahren eine Pension-berechkigung be ginn». Außer dielem ständigen W ttwengeld erhält Frau Brink mann 4500 ^l für da» Bierieljahr Januar—April, in dessen ersten Deutsches Reich. O. H. Berlin, 19. Februar. (Die Wiederbesetzung des Militärattache-Postens in Paris.) In aller Stille hat sich die Wiederbesetzung des deutschen Militärattache postens in Paris vollzogen. Gleich nach der Abberufung des jetzigen Oberstleutnants Freiherrn von Süßkind wurde ange nommen,d»ß der Posten nur kurzeZeit unbesetzt bleiben sollte,und nachdem Oesterreich unk Italien mit der Besetzung, respective der Ankündigung einer solchen vorausgegangen waren, war es selbst verständlich, daß Deutschland, die dritte Dreibundsmacht, bald Nachfolgen würde. Major von Hugo vom Generalstab des VII. ArMecorps, der neue Militärattache, bat Gelegenheit ge habt, einen tiefen Einblick in die französischen Milt- tärverhöltniffe zu gewinnen, gehörte er doch zu tkn 3 Officieren, die im vorigen Jahre den französischen Manöver» in der Gegend von Chartres beiwohnten. Dec Deputation stand der General.Mjor von Arnim vor und außer dem Major von Hugo gehörtu ihr noch der Major von Heineccius an. In Chartres feierte der bekannte französisch« General Drüge re die freunden Officiere, indem er einen Blick auf die Verhältnisse in China w,rrf, wo die Truppen der Großmächte vereint für die Civilisation fochten. General Brugöre, der Viceprästoent des obersten französischen Kriegsraihs, wird auch die diesjährigen Manöver leiten, die zum Theil "im Osten des Landes, zum Theil » 80858 Personen au-, wovon 7617 Personen auf die deutsche Aus. im Westen sta ttfinden werden. Major von Hugo, der jedenfalls — « ...—- die französischen Manöver mitmachen wird, kennt also den fran zösischen Obeiwommandirendon, und das ist für ihn rin großer Vortheil. von Hugo, der sich seit dem 20. Juli 1898 in der Charge eines Majors befindet, hat eine ung:mein rasch- Carritzr- hinter sich; er hat nur 23 Jahre vom Leutnant bis zum Stabs- officier gebravcht; am 16. Apnl 1875 ist er Leutnant, am 17. December 1885 Oberleutnant, am 5. März 1891 Rittmeister geworden. Er ist ans der Cavalleriewaff« hervorgcgangrn und verbindet, wie man hört, mit hervorragenden Kenntnissen die feinsten Umgangsformen. A Berlin, 19. Februar. DaS Handwerksorgani sationsgesetz vom Jahre 1897 ist bekanntlich noch nicht völlig zur Durchführung gelangt. Mit dem 1. April d. I. wird ein weiterer Schritt zur Erreichung des Zieles gelhan werden.
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