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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.02.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010223020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901022302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901022302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-02
- Tag1901-02-23
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Ämlsbtatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Molizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen-Pvet- die 6 gespaltene Petitzeile LS H. Reklamen unter dem RedoctionSstrich (-gespalten) 75 L», vor den Familiennach« richten (6 gespalten) SO H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für NaAveisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit dec Morgen-AuSgabe, ohne Postbeförderung SO.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeize«: Abeud-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags uuuuterbrocheu geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Sonnabend den 23. Februar 1901. 95. Jahrgang. Ver Krieg in Südafrika. Die Pest. " Lapstadt, 22. Februar (Amtlicher Bericht.) An der Woche vom 10. bis 1V. Februar find 20 Personen, ein Surovä:r und IS Farbige, an der Pest erkrankt nur» 2 gestorben. Außerdem befauden sich in derselaen Woche 104 Farbige unter ärztlicher Beobachtung. Man erwartet die Abfahrt der Frau des Präsidenten Krüger von Capstadt für Mitte März. Nach einem dort eingegangenen Telegramm des niederländischen Consular-Vertreters in Pretoria hat Lord Kitchener die Abreise der Frau Krüger gestattet; es fragt sich jedoch, ob noch irgend eine Bahnlinie so weit befahrbar ist, daß die Abreise von Pretoria nach einem Hafen platz stattfinden kann. Der noch in Utrecht weilende bevollmächtigte Beauftragte der Transvaalregierung, W. Wolmarantz, erklärt alle englischen Meldungen, daß er selbst oder einer seiner Brüder m irgend einem Schriftstücke die Unterwerfung der Boeren empfohlen habe, für vollkommen erfunden. Er selbst habe niemals einen derartigen Brief geschrieben, und einen Bruder, der dies habe thun können, besitze er nicht mehr, da seine drei Brüder bereits seit Jahren gestorben seien. Ter Boerendeputirte Wessels sagte im Lause eines Gespräches über die Zustände aus dem Kriegsschauplätze, daß ihnen von allen Commandoö regel mäßig Rapporte zugingen; wie dies geschehe, könne er aller dings nicht erklären. (Nun ja, das war mir Wohl begreif lich.) Von gepeitschten, erschossenen oder gehäng ten englischen FriedenSunterhäadlern oder ver mittelnden Boeren hätten sie noch nie gehört. Ein Boer sei von Natur nicht so roh veranlagt, wie ein Soldat, ver auS deu Centren der Civilisation in Feindesland geführt werde. An einen endlichen Sieg glaubten Krüger, dessen Umgebung, überhaupt alle Kenner des wirklichen Zustandes auf dem Kriegsschauplatz mit unerschütterlicher Festigkeit. Hätten sie diese unwandel bare Ueberzeugung nicht, so würden sie eö als eine Tod sünde betrachten, auch nur noch einen Mann zu opfern. Run waren gar es bloS — Kinderpuppen. I. 6. Brüssel, 2l. Februar. Die in der hiesigen Presse lebhaft besprochene Entwendung eines Koffers auS dem Hause der Transvaalgesandtschaft in der Livornostraat hat inzwischen (wir brachten schon eine Meldung darüber. D. Red.) eine lustige Aufklärung erhalten. In dem Koffer befanden sich nicht, wie man behauptet hatte, wenhvolle Acten- stücke, sondern einfache GebrauchSgegenstände für die Reise, sowie einige !Puppen der kleinen Tochter deS vr. Leyts. Bezüglich der Thäter glaubt man sicher, daß daran gewisse Personen betheiligt waren, welche sich seit Wochen in der nächsten Umgebung der Gesandtschaft aufgehalten haben. Schon seit Beginn des Krieges haben sich unablässig verdächtige Personen in den gegenüberliegenden Häusern aufgehalten und besonders war eine benachbarte Bicrwirthschaft der ständige Aufenthaltsplatz für Leute, die offenbar gewerbsmäßig den Verkehr in der Gesandtschaft zu beobachten hatten. Natürlich mußte, um die Sache nicht gar zu auffällig zu machen, das „Personal" oft wechseln, doch erkannte man den Charakter derartiger Aufpasser stets sofort. Diese Personen halten nun offenbar auSgespäht, daß ein Koffer im unteren HauSgange stand, und während dann einige Vorgeschichte Personen irgend welche Auskunft in der Gesandtschaft begehrten, muß einer der Späher mit einem kühnen Griff den Koffer entwendet haben. Seine etwas naiven Hoffnungen, hierbei einige wertbvolle Transvaalacten zu erbeuten, sind freilich nickt in Erfüllung gegangen; dafür aber hatte die Brüsseler Polizei das ernste Versprechen gegeben, die Umschleicher der Gesandtschaft etwas fester aufs Korn zu nehmen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. Februar. Die in unserem heutigen Morgenblatte mitgetheilte Aus lassung der „Nordd. Allgem. Ztg." über die Reise König Eduard'S nach Homburg hat wohl weniger den Zweck, „giftige Angriffe" abzuwehrcn, denn solche sind uns nicht zu Gesichte gekommen, als vielmehr den der Vorbereitung der öffentlichen Meinung auf einen neuen Verlust, der der kaiserlichen Familie bevorsteht. Wenn in einer hochosficiösen Kundgebung gesagt wird, es sei „leider nur allzu gewiß", daß der „sckwer leidende Zustand der Kaiserin Friedrich" die Veranlassung zu jener Reise gegeben habe, so muß dieser Zustand ein sehr beunruhigender sein. Damit stimmt überein, was einem GewährSmanne der „Münch Reuest. Nachr." in Frank furt a. M. von zuverlässiger Seite über die Krankheit und die jetzige Lebensweise der hohen Kranken mitgetheilt wird: „Das Leiden der Kaiserin Friedrich ist nicht etwa erst vor ein paar Jahren aufgetreten, sondern ist bedeutend älter. — Dadurch, daß es in seiner Entstehungsperiode vernachlässigt, verschwiegen oder nicht richtig behandelt wurde, ist es jetzt in ein Stadium gelangt, indem Heilung gänzlich ausgeschlossen ist. Tas Krebs lei den ist schon so weit fortgewuchcrt, daß ein weiteres Umsichgreifen in andere Organe, was ja leider nicht mehr zu verhindern, sondern höchstens noch auszuhalten ist, sicheren Tod bedeutet. DoO das Gemüth unter der Krankheit zu leiden hat, ist begreiflich. Wenn die Schmerzen sie überkommen, zeigt die hohe Frau für nichts mehr Interesse, will sie Niemand sehen, auch nicht ihre nächsten An gehörigen. — Haben die Schmerzen aber nachgelassen und ist da durch eine theilweise Erholung herbeigesührt, so zeigt die hohe Frau mehr Theilnahme, läßt sich Bericht über Dieses und Jenes erstatten, plaudert mit ihrer Umgebung, beschäftigt sich auch mit dem Haus halt, malt «in wenig oder läßt sich von ihrer Hofdame vorlesen. Die Besuche sind immer nur ganz kurz bemessen, um jede Aufregung zu vermeiden. Selbst der Kaiser, der fast täglich von Homburg kommt, um sich persönlich von dem Befinden seiner Mutter zu über zeugen, weilt nur wenige Minuten bei ihr. Die hohe Frau trägt ihr schreckliches Leiden mit unendlicher Geduld. Die furchtbaren Schmerzen haben sie sehr stark mitgenommen. Das vor zwei Jahren noch runde Gesicht ist eingefallen und abgcmagert, ebenso der Körper. Die Züge sind bleich und durch sichtig. — Das Gehen ist der Kaiserin gänzlich ver- boten worden. In einem Rollstuhle sitzend, läßt sie sich bei mildem, sonnigem Welter für kurze Zeit im Parke spazieren fahren, oder auch nur in den großen Zimmern und Corridoren des Schlosses. Der Appetit ist äußerst schwach und die Nahrungsaufnahme gering, so Laß die Kräfte stark nachlassen. Manchmal nimmt die Kaiserin nur ein Täßchen Bouillon aus Fleischextract, der im Schlosse selbst zubereitet wird, zu sich. Seit der letzten acuten Erkrankung im vergangenen Jahre hat auch die Schlaflosigkeit infolge der immer heftiger auftretenden Schmerzen zugenommen. Die Kaiserin ist sich ihres hoffnungslosen Leidens wohl bewußt, obwohl man ihr selbstverständ lich Len wahren Zustand verheimlicht. Als sie die Nachricht vom Tode ihrer Mutter empfing, war sie äußerst gefaßt, sagte dann aber zu ihrer Umgebung: „Ich wollte, ich wäre auch todt!" —Einen Wunsch nach einem ihrer Lieblingsgerichte äußert sie gar nicht mehr. Es ist ihr Alles gleich, wo oder was gekocht wird, wie sie vor wenigen Tagen sagte. Daß der Zustand augenblicklich wieder sehr kritisch ist, beweist auch der Umstand, daß ihr Bruder, König Eduard von England, bereits Sonnabend auf Schloß FriedrichShos eintrifft und dort mehrere Tage zu verweilen gedenkt, um die letzten Grüße vom Sterbebette der Mutter persönlich zu überbringen und seine Schwester noch ein mal sehen zu können. Wann die Katastrophe eintritt, läßt sich nicht bestimmt Voraussagen; sie kann plötzlich eintreten, es kann aber auch noch Monate dauern; Rettung ist aber, wie gesagt, nicht mehr möglich." Jedenfalls wird durch diese Schilderung, die die schmerz lichsten Erinnerungen an die Leidenstage Kaiser Friedrich'« weckt, mehr als officiöse Vermahnungen dazu beitragen, alle politischen Erörterungen über die Reise König Evuard's abzuschneiden. Wenn die Gesetzgebungsmaschine in der gegen wärtigen Reichstagssession, so lange der Zolltarif nicht vorliegt, nur wenig belastet ist und die Reichsboten in Folge dessen das uferlose Plaudern in den Commissionen und im Plenum als unschädlichen Luxus sich wohl erlauben können, so erscheint doch für die nächste Session bereits ein Gesetzentwurf um den andern am Rande des Horizonts. Wie bekannt, ist die Vorbereitung einer Revision des Krankenversicherungsgesetzes so gut wie abgeschlossen. Der Entwurf wird nur zurückgehalten, weil man eben die gegenwärtige Session nicht belasten will, damit die Erledigung des Zolltarifs im Frühjahr freie Bahn behält. Ein Gesetzentwurf, der die Beschäftigung von Kindern in der Hausindustrie regelt, ist ebenfalls so weit schon vorbe reitet, daß er unter anderen Umständen dem Reichstage in kür zester Frist vorgelegt werden könnte. Auch er wird zum Arbeits pensum des nächsten Winters gebären. Nun hat in dieser Woche der preußische Handelsminister die nicht überraschende Mit- theilung gemacht, daß auch die Revision peS Börsengesetzes in Fluß gekommen sei. Freunde und Feinde des Gesetzes können dafür nur dankbar sein. So, wie die Verhältnisse nachgerade sich gestaltet haben, lassen sie sich nicht mehr aufrecht erhalten, und die Erfahrungen reichen über einen genügend großen Zeit raum, um wenigstens nach zwei Seiten hin ein dringliches Re- formbedürfniß zu bestätigen. Zunächst ist cs der Widerspruch zwischen dem Börsengesetz- und dem Handelsgesetzbuche, der aus der Welt geschafft werden muß. Das eine hat die Börsentermin- gefchäfte, das andere die handelsrechtlichen Lieferungsgeschäfte geschaffen, und kein Mensch weiß zu sagen, wo das eine Geschäft aufhört und das andere anfängt. Das Reichsgericht aber ist nicht in der Lage, Entscheidungen zu treffen, die für eine prak tische Unterscheidung künftighin maßgebend sein könnten. Ob man das Börsenspiel nun so oder so beurtheilt, ob man es für nothwendig hält oder für gemeinschädlich, ob man es einem engeren oder weiteren Kreise gestatten will: auf alle Fälle muß doch begrifflich feststehen und eventuell vom Richter entschieden werden können, was als Börsenspiel zu gelten hat. Der preußische Handelsminister scheint geneigt zu sein, den Differenzeinwand überhaupt zu beseitigen. Dann würden natürlich auch die Vor schriften über das Terminregister gegenstandslos wer den. Die Rechtsunsicherheit, di« gegenwärtig herrscht, wäre dann auf sehr einfachem Weg« beseitigt, dem: wenn jedes Termingeschäft klagbar ist, braucht man zwischen Terminspiel und Lieferungsgeschäft überhaupt nicht mehr zu unterscheiden. Es fragt sich nur, ob damit nicht größer« Inter essen wieder verletzt werden, die man durch das Verbot des Terminspicls in Getreide u. s. w. geschützt wissen wollte. Wir sind nicht sicher, ob dieser vom Handelsminister in Aussicht ge nommene Weg sich schließlich als gangbar erweisen wird, und bezweifeln namentlich auch, ob eine Mehrheit des Reichstages, bereit sein würde, ihn zu betreten. Denn wie wir die Stimmung im Reichstage durcheilen, ist sie heute noch ziemlich dieselbe, wie Ü896. Man will das Verbot des Börsenspiels für viejenig^vn Kreise, die nicht unmittelbar zur Börse gehören, nicht a'Ls- gesprochen haben, damit es blos auf dem Papier stehe. Indexen versprechen auch wir uns manches nützliche Ergebniß von Herr Erörterungen der freien Commission, die der Handelsminister in Anregung gebracht hat, und warten das Weitere alb. Dem nächst ist aber einer anderen Erfahrung mit dem Lörsenge^fetze Rechnung zu tragen. Dasselbe hat insofern seine Schuldigkeit nicht gethan, als es dem Hereindringen möglichst fragwürdiger Werthe in den Kreis der deutschen Kapitalisten leider nicht gewehrt hat. Und gerade der kleinste Capitalist, der mit beslchei- denen Ersparnissen rechnet und diese möglichst nutzbringend an- zulcgen sucht, ist nach wie vor das Object einer bedenklichen 'Aus beutung geblieben. Was man gelegentlich über die Plaostung aus England eingeschmuggelter Werthe zweifelhafter Natur hört, muß die Besorgniß wachrufen, daß wiederum Millionen und Abermillionen auf tausend Canälen nach Deutschland hrrein- gekommen sind, deren Werthscheine bei nächster Gelegenheit, zum Tapezieren der Wände reif sein werden. Wir hoffen, doch di« freie Commission hierauf ganz besonders ihr Augenmerk rächtet. Dabei wird dann allerdings die Frage zu erörtern sein, imte weit das Börsengesetz für den kleinen Bankier einen Anreiz ge schaffen hat, durch Vermittelung solcher minderwerthigr-r und nichtswürdiger Werthpapiere sich dafür schadlos zu halt«»:, daß das große Geschäft mehr und mehr in den Händen der Groß banken sich concentrirt. Ob überhaupt ein Kraut dagegen ge wachsen ist, daß eine solch« Concentration vor sich geht, mr/gen die Sachverständigen beurteilen, wir bezweifeln es. Aber keines falls darf die freie Commission vorllbergehen, ohne daß Ine Lage des kleinen und des mittleren Bankgeschäftes einer ernstlsthen und gründlichen Untersuchung unterzogen wird. Wenn wtrnigsten« diese beiden Punkte, die Frage des Zeitgeschäftes und die Existenzfrage des mittleren und des kleinen Bankgeschäftes, der Klärung entgegengeführt werden, dann hat sich die frr:je Com mission schon wesentlich« Verdienst« erworben. Obgleich nach der österreichischen Verfassung die evangelische Kirche mit der römisck-katbolischen gleichberechtigt ist, ne'vmen die österreichischen Behörden doch oft ungescheut Partei für die Klerikalen und suchen insbesondere lsie LoS- von-Rom-Bewegung durch allerbanv ebenso „sinnreiche" als ungesetzliche Maßnahmen aufzubalten. Die evangelische Kirche hat durck das Protrstantenpatent das Recht, ihr« Angelegenheiten selbstständig zu ordnen. Trotzdem versuchten die politischen Behörden im Jahre 1900, m Kqabitz de» evangelischen Gottesdienst zu verbieten, in Trebnitz den evangelischen Religionsunterricht aufzuheben, in Eger die Bestätigung des ordnungsmäßig eingesetzten Pfarrers zu verweigern. Von den aus dem deutschen Reiche berufenen Vicare» wurden Schneider und Lemmer in Langenau auSgewiesen, von allen in Böhmen thätigen habe» erst zwei daS Staatebürgerrecht erhalten, obgleich die meisten über ein Jahr im Amte sind; der reichsdeutsche FrrrsHeton. Die Landstreicherin. Oberbayerische Erzählung von Anton Frhr. v. ,Perfall. Siachdruck verboten. Die Winterstube in der Sölden, dem abgelegensten Hochthale des ganzen Reviers, war dicht besetzt. Acht Mann mußten sich in Fruerstelle und Geliege theilen. An zweitausend Ster Nutz- und Brennholz mußten noch herabbefördert werden in das Thal. Bis Neujahr war der reinste Sommer, Alles „arber"*) bis zu höchst hinauf,' und jetzt verschneite es seit Wochen jeden anderen Lag die Bahn, daß man mehr mit dem Schneeschaufeln als mit dem Holzziehen zu thun hatte. Seit gestern war es aber ganz aus. Ununterbrochen senkte sich daS dichte, schwere Geflock herab, daß der Tag gar nicht mehr durchkam; es blieb nichts übrig, als ruhig abzuwarten, und das thut man auch mit der stoischen Gelassenheit des Berglers, der mit der Natur nicht rechtet, immer im engen Verkehre mit ihr, ihre Launen und Grausamkeitrn geduldig über sich ergehen läßt. Das Holz ging nicht aus, und der Tabak und der Proviant auch nicht, so war es schon zum Aushalten. Die Alten träumten so dahin in der wohligen Wärme des Ofens, an ihren Pfeifen kauend, mit dem Behagen eines Arbeits- thieres, das seine ständig angestrengten Muskeln ausruhen läßt, — di« Zungen waren unerschöpflich im Erzählen von Geschichten, gegenseitigem Hänseln, indem sie ein und denselben Stoff un zählige Male hin und. her wälzten, ihren kurzen, längst ver brauchten Wortschatz immer wieder von Neuem aufschüttelten. Di« Nacht war eingefallen, wenn überhaupt von einem Tage die Rede sein konnte. Man hatte abgekocht und saß um die Feuerstelle. Die gefüllten Mägen verliehen neue LfbenSwärme. Der „Cigarrentoni": ein verwegen aussrhcnder, schwarzer Bursche in mittleren Jabren, Tiroler, dem kurzen, carrtrten Woll janker nach, den er trutz, spielte einen Landler auf der Mund harmonika. Er weckte/lustige Erinnerungen an „Haxelschlag'n und Kirchweih", eine gewisse Sehnsucht an die fetten sommer lichen Weiden auf der Post, beim Wirth in der Klamm, an den Holzknechtball in T. . ., welcher den festlichen Abschluß bildete. Rothe Flanellröckerln, schlohweiße wollene Strümpfe, fein aus genähte Schücherln, grelle Mieder, blonde und schwänze Zopfe gaukelten vor den Augsn der Jungen. *) schneefrei. Das Leitmotiv war gefunden. D«r Cigarrentoni hatte Erfolg mit seinen tollen Geschichten, die er nun löslich. Schallendes Gelächter begleitete jede, das immer rasch ab gebrochen wurde, um mit offenem Munde auf einen neuen Anlaß zu warten; auch die Alten schmunzelten und horchten zu. Der Cigarrentoni war «in ausgemachter Verächter des weib lichen Geschlechtes; er konnte ihm gar nicht Schlechtes genug nach sagen und brachte das Alles mit einer Ueberlegenheit h-raus, die sichtlichen Eindruck machte. Das war einmal Einer, der 's auskost' hat, der net alleweil d'rum 'rumschleicht wie die Katz' um den Brei — Lec's Anpacken versteht — und „g'rad' um das handelt sich's!" erklärte er seiner dankbaren Zuhörerschaft, „g'rad' darum! Da meinst, weiß Gott, was dran war an dera Liab, von der s' alleweil red'n und singa, halt was ganz B'sonderes und Fein's, was „Göttliches" hat der Student g'sagt, der beim Pfarrer g'wohnt hat, und bald d' as packst bei der Krips, nachher — no nachher hast an abg'riff'nan Pfennig in der Hand anstatt an Geldstück'!!" Der Vergleich war verständlich. Allgemeines Gelächter. Recht hat er schon, der Toni, sogar die Alten nickten. Das ermuthigte ihn nur. „Aber so >is mit all dem Sach', was ma' so glaubt, wenn ma' no der Dumm' is, mit d'n Teuf'!, mit die Geist'r — mit mehra no, was in die Biiach'ln steht, mit Himm'l und Höll' —" „Und mit dem Herrgott z'letzt auch noch, wenn man Dich an hört!" ließ sich jetzt eine Stimme aus dem dunkelsten Winke! hören. Ein junger, sehnig gebauter Mann sprang von dem Hackstock, auf dem er bisher schweigend gesessen; röthlich blondes Haar umgab in dichtem, kurzen Gelock die breite klare Stirne, die in ihrem festen, gedrungenen Bau einen starken Willen, aber auch zähe Verschlossenheit verrieth. Der Cigarrentoni zuckte höhnisch lachend die Achseln. „Das kann ja Jeder halt'n, wia er will — Du freili —" „Was, i freili? Um kein Haar glaubst Du weniger als i, g'rad aufdrah'n möchst und der G'scheidere fei, — 's giebt ja gar kein', der net glaubt, 's kann lein' geb'n — daS sag' i —" „An d' Mab und an d' Teuffl?" fragte der Cigarrentoni spöttisch. Der alte Baperl, ein Mandl wie eine alte Wurzel, bekreuzigte sich rasch. „Hast D's denn a scho' anpackt die zwoa — die Ein' beim „Firta" *), den Andern bei die „Hörner"?" *) Schürze. „Brauchst 's a gar net", erwiderte der Blonde, „i hab' er viel net anpackt, was do da is —" „Aber i hab's anpackt, Narr. Soll i 's Euch verzähln — ja? — Also. —" Man rückte lachend näher, daß die Köpf« dicht gedrängt im Feuerschein anglühten, nur der Cigarrentoni blieb im Dunkel zurückgelehnt, er setzte seine gestrickte Wollhaube noch schiefer, strich sich seinen spitzen schwarzen Vollbart, lachte wie in Er innerung verloren in sich hinein und begann: „Hüaterbua war ino auf der Gr'indl, in tirolischen Drent, a Rotzer, a richtiger no, a Madl war für mi damals wia an anderes Leut, net umg'schaut hab' i drum, mehr no, schmecka hab' i's net könna. — Auf der Alm Ivar a aller Schweizer, a grantiger Teuf'l, aber liab'r war's mir do', als an Weibsbild diena mllass'n. Da komm' i mal beim Gaissuach'n bis in's Bayerische 'nüber, — begegnet mir a Dirnd'l im Sonntags staat, blutjung, aber schö — schö saud'r — drein g'schaut hat ff wia s'Christkind'l selb'r in der Kripp'n, — und derschrock'n is, wia i aus die Latsch'n abi spring auf d'n Steig. Wohin denn nachher"? frag' i. Da hat ff das Kcpferl 'nein druckt und ganz roth is ff word'n. D' Almerin is krank word'n, sagt ff, da hat mi d' Muatt'r — da hat ff aufg'schaut, das war was, Leut! Wenn i hundert Jahr alt werd', könnt' i's net vergess'«, — g'rad als ob der ganze Himm'l aufgang." Der Cigarrentoni machte eine lange Pause, die Pfeife war ihm ausgegangen; die Hand in den schwarzen Bart vergraben, starrte er in das Feuer. Jung und Alt hing an seinem Munde, auch der Blondkopf war näher getreten. „Nachher bin i mitgqnga auf d' Alm, geredt' hab' i nix, g'rad hinter her bin i ganga und ang'schaut hab i's. „B'suach mi a mal", hat ff g'sagt, ganz schüchtern, „thät mi freu'n." Goa-*) hab' i keine heim 'bracht. — Wie i dann am Heu g'leg'n bin, iS mir erst komma. T>a iS d' Liab, von der ff so diel Wesen mach'n, nix anders. — Von der Zeit an war i kein Goasvua mehr — ganz loa» Sektsam's is mir in die Glieds a'schoff'n — als wenn d' ganze Welt zu kauf'n wär' und ganr fromm bin i 'word'n, ja wohl, bet' hab' i wied'r. Nachher hab' i's an an Sonntag b'suacht tn mein' neu'n G'wand. Das war a Tag, g'redt hab' i wied'r nix, g'rad ang'schaut hab' i 's und d' Hand druckt und so g'schami is g'wes'n, d'ersthlag'n hätt' i' mi' liab'r laff'n auf an Fleck, als g'rad a Buss'l wag'n. Dann bin i wied'r 'ganga, mit au glühheiß'n Kopf und an Juhschrei hab' i' than, als soll'n sie's bis „Münga" 'nein hör'n. ^Das is d'Liab, hab' i mir denkt, d' *) GriS. Leut' hab'n scho' recht, — s' schönst' is scho' auf der ganz'« Welt." „Na also! Ja, der Toni —" rief man dazwischen, sichtlich enttäuscht von der Erzählung. „Halt's auf, d' Hauptfach' kommt ja erst." Der Toni drückte sich noch weiter in die Ecke zurück. „Am Samstag hab' i' mi' wied'r aufg'macht, hart daß i 's derlitt'n hab d' Woch umma. A Wett'r iS anzog'n, blitzt und donnert bat's und goss'n grad abi. Waschnaß komm' i auf d' Mm. D' Lad'n, die Thür'n, all' zua. Vor'm Wett'r, natürli. Schleichst di' an, denk' i — eina in d' Stub'n und g'halst und busselt. G'rad hoaß i's mir aufg'stieg'n bei dem Gedanka. Scho' bin i auf der „Bühn'", da hör' i lach'n, wispern im Ttiibei dvinn. A Lad'n hat net guat g'schloss'n, i schaug 'nein, — wer sitzt drinn? Der schwarze Jagerfranz'l, 's Drrndl auf sein Schooß. I wisch' mir d' Aug'n, das kann do' d«i' Reserl net sein, das Weibsbild mit dem frech'n G'lacht'r, mit den sünd haft',: Aug'n, die'hn g'rad g'freffen Hab'n, den Schandjaga. — Wisch' mir's no amal, — druckt's an d' Scheib'n, — Sir war's scho', 's Reserl, das i mir net anz'rühre traut hab', — war'« scho'! Dann hat ff mein' Nam' g'nannt, und alle Zwei haben'S g'lacht, ganz narrat g'lacht und i — i hab' a g'lacht, ganz narrat g'lacht — und bin davon g'loff'n über d' Liacht'n, — kns unter die große Feucht'n, da hab' i verschnauf'» woll'n, mir di« ganze Sach' z'recht leg'n, da geht die Almthür, — der Jaga kommt auffa mit fein' roth'n Hund, speculirt umanattd, steigt aba gegen mi'. — Da hab' i mein' Bergstock 'packt und hab' ang'kHt auf ihn. Wenn du jetzt a Büchs wärst, iS aufg'stieg'n in mir, — und nachg'fahr'n bin i, wia auf a Stuck Wild, 's war mir g'rad, als ob der Teufel selb'r hinter mir stand und ruafet „schieß". Ganz kalt is mir 'word'n, z'letzt geht der Steck'n a los, w«nn der Schwarze will, denk' i und setz' ab —" Der Cigarrentoni schwieg plötzlich und zündete seine Pfeif: am Feuer an. ,Mo und weiter? Jetzt muaßt scho auSerzähl'n!" ging von allen Testen die Aufforderung. „Weiter!" begann der Toni, — „das will i scho' verzähl'«. D' Woch' d'rauf is d' Reserl auf mein' Schooß g'seff'n. IS oan Ding, hab' : mir denkt, wenn's scho' net ander» iS. G'M» nat d'rauf is aus dem Steck'n a wirkliche Büche word'n, und wenn wir z'samm troff'n wär'n, der Jagafranzl und i — der Teuf'l hätt' net lang z'ruaf'n 'braucht „schiaß, 'S hätt' so a g'langt. Zum Glück hab'n ff 'hn versetzt, und die G'schicht war aus. Laß d's jetzt gelt'«, Ambros, daß i alle zwo anpackt hab', die Liab und den Teuf'l?"' Wieder bekreuzigte sich der alte Baperl, so andächtig «r der Erzählung gelauscht.
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