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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.02.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010227011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901022701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901022701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-02
- Tag1901-02-27
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Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes im- Nolizei-Ämtes -er Lta-L Leipzig. 1V6. Mittwoch den 27. Februar 1901. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redactiou-strich l-gespalten) 75 L,, vor den Familieanach- richten (6 gespalten) 50 L,. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeige«: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgru-Au»gabe: Nachmittag» - Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. 95. Jahrgang. Die Bevölkerung von Paris und -er Kevubllkanismus. 22 Im II. Arrondissement von Paris hat dieser Tage Sine Ersatzwahl stattgefunden, die für die Gesinnung der Bevölkerung von Paris charakteristisch ist. Es wurde — vorläufig nicht im ersten Wahlgange, sondern erst in der Stichwahl — der Socialist Jean Allemane gegen den algerischen antisemitischen Agitator Max RsgiS gewählt. Wenn die Nationalisten die Wahlniederlage ihres Kandidaten damit entschuldigen, daß Rögis in Paris nicht genügend bekannt sei, so ist dies nicht ganz richtig; Max Rögis ist durch seine ver schiedenen .Heldcnthalen" wohl jedem Pariser bekannt. Wie deinen aber, daß die Nationalisten gar nicht nöthig hätten, ihre Wwhlschlappe zu entschuldigen, denn sie haben nur rckn äußerlich eine Niederlage erlitten, aber moralisch — wenn dieses Wort auf die Nationalisten angrwendet werden darf — einen großen Erfolg daoongedragen. Denn das II. Arrondissement von Paris gehörte zu den sichersten Hochburgen des Radikalismus. Bei den letzten allgemeinen Wahlen von 1898 fielen alle 9000 ab gegebenen Stimmen mit Ausnahme von einigen Hundert, die ein nicht radikaler Republikaner erhielt, radikalen Bewerbern zu. Diesmal siegte der socralistische Candidat mit 4200 gegen 3300 Stimmen, die auf Max Rögis fielen. Die sooialistische Mehrheit belief sich also auf ganze 900 Stimmen und «wird sich, wenn der reaktionäre StimmungSumschwung in Paris so fortgeht, bei den nächsten allgemeinen Wahlen sicherlich in eine Minderheit um- wandeln. Dieser reaktionäre Umschwung in Pari- datirt freilich nich. von heute und gestern. Er machte sich schon sehr stark bemerkbar, als im Winter 1889 der General Boulanger, der „ Tingel - Tangel - Saint Arnaud", wie ihn Floquet so treffend charakterisirt hatte, mit großer Mehrheit über einen republikanischen Bewerber um daL Deputirtenmandat obsiegte. Während der ersten Ver- urtheilung von Dreyfus und während des jahrelangen Streiter um die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen den Gefangenen von der Teufelsinsel trat di« antisemitisch-nationalistisch-klerikale Strömung in Paris immer schärfer hervor. So war es denn kein Wunder, daß di« letzten Gvmeinderathswahlen in Paris den Reaktionären einen vollen Erfolg, den bis dahin an der Regie rung der Hauptstadt befindlichen radikalen Republikanern eine vernichtende Schlappe brachte. Die oben geschilderte Ersatz wahl zur Deputirtenkammrr ist also nur «in neuer Beweis dafür, daß der „Zug nach rechts" in d«r Landeshauptstadt andauert, ja sich, je länger desto mehr, verschärft. Die Pariser sind ein wunderliches Volk, dessen Parole lautet: „Opposition gegen die jeweilige Regierung". Als während des dritten Kaiserreichs die Minister Napoleons die Wahlen mit großer Geschicklichkeit so zu dirigiren wußten, daß fast nur Kreaturen «der Regierung in di« „Volksvertretung" gelangten, da war Paris fast der einzige Bezirk, der einigen liberalen bezw. republikanischen Oppositionellen zu einem Parlamentssitze ver half. Jetzt, wo ein« republikanische Regierung am Ru'dcr ist, entwickelt sich Paris mehr und mehr zur Hochburg der Cäsaristen, die der Republik lieber heute als morgen den GarauS machen möchten. Käme wieder eine Monarchie zu Stande, so würden zweifellos binnen kurzer Frist die Pariser wieder Männer L la Gambetta oder JuleS Favre in das Parlament entsenden, um den Sturz der Regierung vorzubereiten. Denn das ist auch heute noch sicher, daß die DolkSstimmung in Paris von ganz besonderer Bedeutung für die Geschicke Frank reichs ist. Ob die 4 Socialdemokraten, die Berlin in den Reichs tag, oder die 9 Fortschrittler, die es in das Abgeordnetenhaus entftndet, just in Berlin oder anderwärts gewählt werden, ist ziemlich gleichgiltig. Die Stimmung der Paris«! aber ist nicht ohne Einfluß auf viele Abgeordnete, die befürchten oder hoffen — je nach ihrer Parteistellung —, daß von Paris auS am ehesten ein« Umwälzung erfolgen könnte, und die deshalb nur sehr ge neigt sind, den poMschcn Barometer von Paris zum Maßstab« für ihre Gesinnung zu nehmrn. Gerade im gegenwärtigen Moment« aber ist «in« solch« Be einflussung der Stimmung der Devutirtenkammer durch die DolkSstimmung in Paris besonders gefährlich für die Regierung. Das Vereinsaesrtz, das jetzt zur Entscheidung gelangen soll, findet viel« Gegner auch irnter der bisberiaen parlamentarischen Mehrheit, und — was nicht minder fatal ist — Waldeck- Rousseau, der Ministerpräsident und zugleich der befähigst- und energischste Mann des Ministeriums, ist aesundheitlich nicht ganz auf dem Posten. So mag schon die nächste Zeit eine un liebsame Ueberraschung für die ersten Republikaner bringen. Der Krieg in Südafrika. De Wet. * London, 26. Februar. (Tel. d. Boss. Ztg.) Ueber die Ver- folgung De Wet'S drahtet der Berichterstatter drö „Daily Telegraph" auS De Aar vom 25. Februar: Der Oranjeflusz bleibt hoch. DI« Boeren wandern in zwei Abtheilungen östlich und nördlich in dem vergeblichen Bemühen, einen günstigen Uebergangspunct zu er mitteln. Die britischen Truppen bilden einen starken Cordon von der Oranjefluß.Station nach NorvalSpont und schließen die Barren immer enger eia. Diese können nur entrinnen, indem sie überden reißenden Grenzstrom schwimmen. Dewet und Steijn sind dicht bei Petrusville (südlich von Oranje River-Station). E» verkantet, D« Wet soll« erklärt haben, er wolle den Kampf ausgeben, falls Hertzog nicht erfolgreich sei. Der Einfall tu die Capcolonie wäre gegen seinen Wunsch erfolgt. Oberst Gorrtuge besiegte Kommandant -ritzinger und zer sprengt« dessen Eommando. 200 Boeren griffen die kleine Stadt Richmond, 50 Meilen südlich von de Aar au, wurden aber nach hartnäckigem Kampfe mit der schwache» Besatzung zuruckqeworfrn. Ein« Eapstädtrr Drabtmeldong der „Time-" vom 24. Februar besagt, Hertzog. der lbOO Pferd« im Westen der Kolonie gesammrlt hab«, marschiere östlich von Kolkbult. Fliegende Kolonnen schlagen dieselbe Richtung rin. Ein Thrtl der eingefallenen Boeren unter Haa-broeck überschritten den Oranjefluß. (ES läßt sich nicht coutroliren, wa- au diesen Meldungen richtig ist. D. Red.) Die Pest. * Eatzftadt, LS. Februar, vts jetzt find hier »I Per» saaea an ber Pest ertrankt, barnntrr tz S«r»»aer, und < sind gestorben, darunter 1 Europäer. 24 Falle stehen tu ärztlicher Behandluug; mehrere darunter sind sehr schwer und dürfte» tädtltch enden. Etu Lchwer- erkrantter ist Europäer. Zwei neue Erkrankungen werden heute aus der Stadt gemeldet. LS Europäer, LL Schwarze, SZ »lasser» und st Inder, die mit den Pestkranken in Be rührung gekommen sind, befinden sich aus der Jsolirstation unter ärztlicher Beobachtung Tie Sündenböcke. In der fortgesetzten Adreßdebatte des englischen Unterhauses bracht« Lambert am Montag «inen Antrag «in, der die Veröffentlichung der Verhandlungen der wegen der Uebergabe von Truppen in Südafrika eingesetzten Untersuchungsgericht« verlangt. Kriegsminister Brodrick führte aus: zweifellos habe das Land nit großem Bedauern die Uebergabe großer Truppenkörper wahrgenommen. Es seien wegen 20 verschiedener Operation«» 99 ge richtliche Untersuchungen vorgenommen wor den, 10 Officiere seien entlassen oder pensio- nirt worden, und in anderen Fällen seien ebenfalls die Schuldigen bestraft worden. Indessen zweifle er, ob di« Veröffentlichung der Verhandlungen militärisch vorteilhaft sein würde. Earl Roberts habe empfohlen, wenn das Unter suchungsgericht «inen klar erwiesenen Fall gegen einen Officier festgestellt habe, solle dieser vor ein Kriegsgericht gestellt werden. Die Regierung erkenne di- Verpflichtung an, eine allgemeine Untersuchung über den ganzen Krieg abzuhalten, wenn eine solche gewünscht werde, sie könne aber nicht abgehalten werden, ehe dec Krieg dem Wesen nach seinen Abschluß erreicht habe. Es könne aber noch nicht gesagt werden, daß der Krieg diesen Abschluß erreicht habe. (Ironischer Beifall bei den Iren.) Kein Officier, welchen Dienstgrad er auch bekleidet, werde, wenn er schuldig befunden worden sei, nach seiner Rückkehr auS Süd afrika wieder angestellt werden, es müßte denn ein« Urect« Empfehlung von General Kitchener oder Feldmarschall Roberts für ihn sprechen. Die Regierung sei entschlossen, gegen diese Vergehen scharf vorzugehen. Wenn aber eine rasche Bestrafung dec Schuldigen «intrete, so werdt ebenso eine prompt- Belohnung der in diesem Kriege erworbenen Verdienste rintreteil, und die in dem Kriege gewonnen« Erfahrung müsse zu großen Reformen in der Organisation und Ausbil dung des He«rcS führen. (Beifall.) Nach weiterer Debatte zog Lambert schließlich seinen Antrag zurück. Der Kostenpunkt. * London, 24. Februar. Gegenüber der Erklärung deS Schatzsekretärs HickS-Beach, daß der Krieg für England bisher wöchentlich IZH Millionen Pfund Sterling, oder im Ganzen 8IZH Millionen Pfund gekostet habe, erklärt das Finanzblatt „Jnvestor'S Review": „Wenn wir die Kosten des bis herigen Feldzuges niedrig berechnen, so kommen wir zu der Summe von 150 Millionen Pfund (drei Milliarden Mark). Es ist möglich, daß die bisherigen direkten Ausgaben für die Armee die von den Regierungsvertretern angegebene Summe darstellen. Aber nicht mitgezählt sind die ungezählten Summen, die für die krank und verwundet Zurückkehrenden, oder für die Frauen und Kinder der im Felde stehenden Sol daten ausgegeben wurden. Ferner sind nicht mitg-rechnet die Entschädigungen, die bisher für die ungerechtfertigten Beschlagnah mungen fremder Dampfer gezahlt wurden, und die noch hundert Mal größeren Entschädigungssummen, die von den fremden Ne gierungen und von privaten Ausländern reclamirt werden, ferner alle Zahlungen, die bisher für erfolgte Lieferungen noch nicht ge leistet wurden, welche Rückstände sich etwa auf 20 Millionen Pfund belaufen sollen. Ebenso sind viele Millionen Sold noch rückständig, und endlich ist nicht mitgerechnet, was bisher an Werthen in Südafrika zerstört wurde, die unbedingt erseht wer den müssen. Denn wenn auch die Boeren für ihre verbrannten Farmen nicht entschädigt werden sollen, so müssen doch die Eisen bahnen und Bergwerke wieder hergestellt werden, zumal wo bri tisches Capital in so hohem Maße betheiligt ist. Und wenn, Ivie eS die Anhänger Chamberlain's wünschen, der Krieg in der bis herigen Weise fortgesetzt wird, so wird uns das „Geschäft" sicher lich eine halbe Milliarde Pfund (Zehntausend Mil lionen Mark) kosten." Die Wirren in China. * London, 26. Februar. (Telegramm.) Der „Standard" berichtet au» Shanghai unter dem 25. Februar: Nach glaub würdigen Nachrichten auS Singanf« sind Prinz Tua». Tjchuang, Herzog Laa und General Tuagfuhsiaag nach Ninghsin, etwa 300 Meilen nordwestlich von Singansu und 10 Tagereisen von Lautschanfu entfernt, geflüchtet. * Paris, 26.Februar. (Telegramm.) Der „Temp-" berichtet au» Shanghai: Man glaubt, daß Ende März mit der Zurück ziehung der ExprdttiouStruppea begonnen werde. * Part-, 26. Februar. (Telegramm.) „Echo d« Pari»" will wissen, der GeneralstabSchef Pendezee habe in Petersburg mehrere außerordentlich wichtige Unterredungen gehabt, in denen die Rolle der Verbündeten genau festgestellt worden sei. Der Kaiser selbst habe den Wunsch geäußert, daß mehrer« rein militärische Punkte de» Allianzvrrtrag» aufgeklärt und die zwischen Frankreich und Rußland getroffenen Vereinbarungen schriftlich aufgesetzt würden, weil die russische Regierung die» im Hinblick aus den häufigen Wechsel in der Leitung der französischen Armee für noth» wendig gehalten hat. * Petersburg, 25. Februar. In der südlichen Mandschurei find wiederum Wirren »«»gebrochen. E» z«ig«o sich Sendling« von Borervereinen, denen sich chinesisch« Marodeur« und Soldaten, die von den regulären chinesische« Truppen drsertlrt sind, auschlteßeu. Außer der sogenannten Schutz wache, der fest Kurzem di« Uniform de» Grenzwachcorp» verliehen worden ist, verbleib«» bi» aus Weitere» al- ständig« Be satzung in der Mandschurei 4 ostsibirisch« Infanterie-Regimenter, 2 Bataillon« Festung»arttllrri«, S ostsibirtschr Feldariillrrie-Ab- thrilungen, eine Division Reiter und «In« Kompagnie Sappeur«. Den Oberbefehl über di« russisch« Lruppenmacht in der Mandschurei übernimmt Girrerai Lenewttsch. Der Stab ist au- Rtkol-k v»ch Ninguta, also weit nach Süden iu der Mandschurei, verlegt worden. Die Beschlagnahme der Seezölle in den mandschurischen Häfen wird hier bestätigt. (Köln. Ztg.) Deutsches Reich. -4- Berlin, 26. Februar. (Die Stellung des Staatsanwalts und des Rechtsanwalts.) Ein Berliner Blatt hat im Anschlüsse an mehrere sensationelle Pro- cesse der letzten Zeit die Behauptung ausgestellt und zu beweisen gesucht, daß die persönliche Stellung des Staatsanwalts der jenigen des Rechtsanwalts weit überlegen sei und daß darunter nothwendiger Weise die Gerechtigkeit der Straf justiz l e i d e. Die Staatsanwaltschaft sei ein Elitecorps, das sich aus den begabtesten Männern recrutire, das ferner den Richtern gesellschaftlich nahe stehe und das deshalb einen viel größeren Einfluß auf Richter und Geschworene übe, als di« Vertheidigung, di« sich aus an Begabung wie an gesellschaftlicher Stellung nicht aleichwerthigen Männern recrutire. Da nun die Staatsanwaltschaft meistens darauf ausgehe, möglichst viele und hohe Bestrafungen durchzudrücken, so sei bei dieser ungleichen Verthcilung der Rollen der Angeklagte übel daran. Wenn ge sagt worden wäre, daß die Staatsanwaltschaft gegenüber der Vertheidigung um deswillen einen Vorsprung habe, weil ihr das Material früher und in umfassenderer Weise zur Verfügung stehe, als der Vertheidigung, so ließe dieser Grund sich hören; es wird mit Recht vielfach verlangt, daß der Vertheidigung ein größerer Einfluß auf das Vorverfahren eingeräumt werde. Wenn aber statt dieses sachlichen Grund.'s persön liche Gründe angeführt werden, so ist dies subjektiv be dauerlich, weil dadurch die öffentliche Meinung irregeführt wird und das socialistische Gerede von der Klassenjustiz nur neue Nahrung erhält; objektiv aber ist es falsch. Denn wenn zunächst behauptet wird, daß di« Staatsanwaltschaft sich aus der geistigen Elite der jungen Juristen recrutire, so ist diese Behauptung ebenso kühn, wie unzutreffend. Wir wollen nicht behaupten, daß das Gegentheil richtig sei, aber so viel ist zutreffend, daß, wer hervorragende juristische Begabung zu be sitzen meint, in der Regel keine Neigung empfinden wird, zur Staatsanwaltschaft überzugehen, bei der er diese Begabung doch nur in sehr beschränktem Maße bethätigcn kann. Rede gewandtheit, Schlagfertigkeit und viel natürlicher Verstand ge hören allerdings zur erfolgreichen Betätigung als Staatsan walt, aber derselben Qualitäten bedarf auch der Vertheidiger, und wenn man die Staatsanwälte gegen die Berufsvertheidiger abwägt, so wird sich die Schale kaum zu Ungunsten der Ver theidiger neigen. Was die gesellschaftliche Stellung und da durch die persönliche Fühlung mit den Richtern anbelangt, so ist der Staatsanwalt als Beamter darin allerdings der Regel nach den Rechtsanwälten überlegen, aber wenn man daraus einen größeren Einfluß auf die Entscheidung der Strafkammer construiren will, so beißt dies doch, die deutschen Richter gewaltig unterschätzen. Der Präsident einer Strafkammer mag in Rücksicht auf die Beamten qualität des Staatsanwalts gegen diesen häufig höflicher sein, als gegen den Vertheidiger,aber das hat mit der Entscheidung über die Schuldfrage und das Strafmaß wenig zu thun. In dieser Beziehung werden Staatsanwalt und Vertheidiger dann den größten Einfluß ausüben, wenn sie sich möglichst sachlich ver halten. Ein Staatsanwalt aber, der unter allen Umständen auf schuldig plaidirt und möglichst hohe Strafen herauszudrllcken sucht, verdirbt sich seinen Einfluß auf die Strafkammer ebenso schnell, wie ein Vertheidiger, der geflissentlich alle Belastungs momente übersieht und auch dann eine Freisprechung erzwingen möchte, wo jeder vernünftige Mensch von der Schuld überzeugt ist. Die Strafkammer kennt sehr bald die Persönlichkeiten der Staatsanwälte und der Vertheidiger, und wenn ein übereifriger Vertreter der Anklagebehördc oder der Vertheidigung vor ihr plai dirt, so hört sie kaum hin und macht sich vielleicht innerlich über den allzu eifrigen Mann lustig. Man muß nur immer be denken, daß da gelehrte und meistens ältere Richter sitzen, die sehr leicht in ihrem Selbstgefühl verletzt werden, wenn sie die Empfindung haben, daß der Staatsanwalt oder der Vertheidiger sie „dumm machen" will. Was die Geschworenen anlangt, so wird man vielleicht nicht mit Unrecht behaupten können, daß die oft einem staatsanwaltlichen Plaidoyer recht ähnliche Rechtsbelehrung des Vorsitzenden «inen für den Angeklagten ungünstigen Einfluß ousübe, woS aber den Einfluß des Staatsanwalts bezw. des Vertheidigers anbelangt, so ist eher der Letztere im Vortheil, einmal, weil cr häufiger als der Staatsanwalt in persönlichen Beziehungen zu den Geschworenen steht — und hier wirken die Beziehungen ganz anders, als bei der Strafkammer —, und weil zweitens die Vertheidigung an sich schon immer bei Geschworenen die günstigere Position besitzt. Berlin, 26. Februar. Di« ReichStagsersatz- wahl in Posen für den verstorbenen Abg. Motty finde! am II. März statt. Obwohl das Mandat dem Polenthum kaum entrissen werden kann, werden sich diesmal doch alle deutschen Element« sammeln, um den polnischen Candidaten den Sieg nicht leicht zu machen. Die Ausschüsse des deutschen und des frei sinnigen Vertins in Posen, sowie die deutschen Wahlcomitös der Kreise Posen-Ost und Posen-West haben deshalb, nur von natio nalen Rücksichten geleitet, in der Person des Oberbürgermeisters Witting «inen alleinigen deutschen Candidaten auf gestellt. Wenn all; deutschen Wähler ihre Pflicht thun, so kommt der Oberbürgermeister Witting mit einem der polnischen Can didaten in Stichwahl. Bisher stand in den letzten Wahlen ein polnischer Candldat der sogenannten Hofpartei einem Polen von der Volkspartei gegenüber. Während Letzterer im Jahre 1893 nur 1869 Stimmen auf sich sammelt«, waren sie im Jahre 1898 schon auf 6132 gestiegen; dagegen sanken die Stimmen der Hof partei von 9413 Stimmen im Jahre 1893 auf 7727 im Jahr« 1898 herab. Auf die deutschen Candidat«» fielen im Jahre 1893: für den konservativen Candidaten 4539, für den der frei sinnigen Volk-Partei 3233 Stimmen, zusammen 7772 Stimmen; im Jahr« 1898: für den national liberalen Candidaten 4864, für den der freisinnigen Dolkspartei 2577 Stimmen, zusammen 7441 Stimmen. Die deutschen Stimmen «kitten insgesammt liider einen Rückgang von 331 Stimmen, und zwar gehören dies: Verluste der freisinnigen Volkspartei an, während der national liberale Candidat 325 Stimmen mehr auf sich vereinigt«, als der conservativr Candidat im Jahre 1893. In den Stichwahlen siegte im Jahre 1893 der polnische Candidat der Hofpartei mit 12 292 Stimmen gegen den deutsch-konservativen Candidaten, der 5484 Stimmen erhielt. Im Jahre 1898 fiel in Folge d«S Zuwachses der polnischen Stimmen für den Candidaten der Volkspartei der deutsche Candidat bei der Stichwahl gänzlich aus, und der Pole Motty (Hofpartei) errang einen sehr schweren Sieg mit 8734 Stimmen gegen den polnischen Volksparteilrr, der 7999 Stimmen erhielt. * Berlin, 26. Februar. (Deutsches Militär in polnischem Dienste.) Von einem treuen Freunde des Ostmarkenvereins in Westpreußen erhielt die „Tägl. Rundsch." kürzlich folgende Mittheilung: Jüngst wurde in Löbau von Polen ein polnisches Theaterstück mit darauf folgendem Tan, den zahlreich erschienenen Anhängern und Gesinnungsgenossen geboten. Tas ist für Löbau nichts Neues und ercgt hier kein Aufsehen mehr, aber befremdet hat cS doch im höchsten Matze, daß man sich einen Theil der Militärkapelle aus D t. Eylau (44?) zur Mitwirkung bestellt hatte und diese wirklich in Uniform erschienen war. Wie mir aus durchaus glaub würdigem Munde, von einem achtbaren Augenzeugen erzählt worden ist, hatten die Soldaten keine Ahnung, daß sie eine polnische Veranstaltung verherrlichen helfen sollten, sonst wären sie wohl nicht erschienen. Als sie merkten, datz die Sache doch zweifelhaft sei, weigerte sich ein Sergeant, zu spielen, die anderen Musiker baten telegraphisch um Verhaltungsmatzregcln und er hielten solche in der Erlaubnitz, zu thun, was sie wollten. Der Löbauer Bürgermeister soll vorher eine Bescheinigung ge geben haben, daß die Veranstaltung durchaus keinen polnischen Charakter habe. Der Contrast zwischen den preußischen Uniformen und den polnischen National trachten auf der Bühne soll geradezu schreiend gewesen sein. In Folge der von dem genannten Blatte deshalb ein gezogenen weiteren Erkundigungen w-ird ihm das Vorstehende mit den Worten bestätigt: . . . „In dem zurückerfolgenden Briefe aus Löbau ist die An gelegenheit, die polnische Lustbarkeit betreffend, den Thatsachen ent sprechend geschildert. Nach der vom Einberufer Rzepnikowski der Politischen Verwaltung Löbau erstatteten Anzeige sollte ein Tanz vergnügen mit vorhergehendem Licbhaberthcater zum Zwecke der Wcihnachtsbescheerung der katholischen Kinder Löbaus stattfindcn. Tie Lustbarkeit war nur von Polen besucht, und es wurde auch polnisch gespielt, die ganze Sache hatte einen rein polnischen Charatier, indessen wurde alles Politische vermieden und auch sonst kein Anlab zum polizeilichen Einschreiten geboten. Die Musik machten Spielleute (vom Regiment 44 Eylau?) in Uniform. Ties war bis dahin noch nicht dagewcsen und auch nur dadurch erreicht worden, datz auf die Anfrage ans Eylau, welchen Charakters die Lustbarkeit sei, die Antwort gegeben wurde, datz sie wohlthätige Zwecke verfolge. — Es ist außerordentlich bedauerlich, daß dies vorgelommen ist, muß aber, wie viele andere Verfehlungen auf nationalem Gebiet, auf das Conto des in Folge seines Alters un fähigen Bürgermeisters gesetzt werden." Ein Commentar hierzu ist ivohl überflüssig. Deutsche Sol daten, hi« zu einem national-polnischen Feste herangeholt w«rd«n, das ist wohl der Gipfelpunkt der ... . Gemüthlichkvit! (-) Berlin, 26. Februar. (Telegramm.) Laut einer Mittbeilung des Kaiserlichen Statistischen AmtcS beläuft sich die Bevölkerung des Deutschen Reiche» auf Grund der Volkszählung vom l. December 1900 auf 56 345 014 Ein wohner, von denen 27 731 067 männliche und 28 613 947 weibliche sind. Auf Preußen treffen 34500000, auf Bayern 6200000, auf Lachsen 4200000 und auf Württemberg 2300000 Einwohner. In den Großstädten mit über 100 000 Einwohnern, deren e» jetzt 33 giebt, wohnen 9 108 814 Personen. Seit 1895 ist die Bevölkerung des Reiches um 4 Millionen oder 7,78 Proc. gewachsen; das ist die höchste Zuwachsrate in den letzten sechs Iabrfünften. (-) Berlin, 26. Februar. (Telegramm.) Die „Ber liner (Korrespondenz" schreibt, der dem Preutzischen Herren hause zugegangene Gesetzentwurf über die Umlegung von Grundstücken in Frankfurt a.M. bezwecke eine Besserung der WohnungSverhältnisse namentlich für die ärmeren Be- völkerungSschichlen von Frankfurt. Die Umlegung erfolge zur Erschließung von Bauplätzen auf dem Zwangswege entweder auf Antrag des Magistrats oder der Mehrheit der umzu legenden Grundstücksbesitzer durch eine vom Regierungs präsidenten alSdann ernannte Umlcgungscommission. Die finanzielle Abwickelung liege der Gememde ob. Auch sei eine Ausdehnung des Gesetzes auf andere Gemeinden, auf Antrag, durch königliche Verordnung, nach Anhörung des Provinzial landtages vorgesehen. — Der „Hamb. Corr." bestätigt nach Informationen aus Berlin, daß an dem Entwurf des neuen Zolltarifs auf Anordnung deS Reichskanzlers mit äußerster Anspannung gearbeitet wird; die Vorlage dürfte aber, wenn sie in ein bis zwei Wochen auS dem Reichsschatzamt herauSkommt, nicht direkt an den Bunde Srath gelangen, sondern vor der weiteren Behandlung noch einmal den betheiligten Ressorts des Reichs, dem ReichSamt deS Innern und dem Aus wärtigen Amt, das dereinst die Verhandlungen mit den fremden Staaten auf der Grundlage deS neuen Tarifs zu führen haben wird, zur erneuten Prüfung zugeben, und als dann den einzelstaatlichen Regierungen vor der officiellen Einbringung vertraulich zur Kenntnißnabme und Begutachtung vorgelegt werden. Da sich zum Mindesten die preußische StaatSregierung längere Zeit mit ihm beschäftigen wird, läßt sich der Termin für die Einbrinaung im BunbeS- rath einstweilen noch durchaus nicht übersehen. — Landlagsabgeordnrter Hornig, konservativer Vertreter des Wahlkreise- Liegnitz-Haynau-Goldbrrg, sollte beabsichtige», sein Mandat niederzulegen, da er ein neue» Amt übertragen erhielt Der Genannte erklärt nun die Nachricht für falsch: er werd« sein Mandat im Eiuverständniß mit seiner vorgesetzten Behörde weiter ausüben. — Bekanntlich ist die Taufe des Schnelldampfers der Hamburg- Amerika-Linie „Deutschland" im Januar 1900 von dem damaligen StavISlekretür deS Auswärtigen Amie», jetzigen Reichskanzler Grafen von Bü 1 ow vollzogen worden. Derselbe hat nunmehr der Direktion der Hamburg-Amerika-Linie eine kunstvoll ou-qeführte, den Namen „Deutschland" tragende, seidene Standerflagge al» Geschenk für da» Schiff mit einem sehr freundlichen Begleitschreiben zugehrn lassen. * Au» Emden wird gemeldet, daß die Regierung daselbst ein Trockendock anlegen wolle und zu diesem Zweck eine Forderung von 1'/« Millionen im Reichstag rindringen werde. * kldcnbnrg, 25. Februar. Der Großherzog ist von seinen Herzbeschwerden in letzter Zeit dauernd befreit
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