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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 20.09.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-09-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-189509207
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-18950920
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-18950920
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-09
- Tag1895-09-20
- Monat1895-09
- Jahr1895
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 20.09.1895
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s« 150 Doch da sie nicht verschlossen war, hatten die Waldarbeiter und der alte Gimpel, da- Faktotum des Oberförsters Grimm, sich doch noch Eingang in daS Mausoleum verschafft. Nun standen die vier Männer, welche die Thür offen gelassen hatten, in der Halle neben dem mit Blumen be deckten Sarge Hellmuth s und verrichteten still ihr Gebet. ES herrschte eine feierliche Ruhe in dem Halbdunkeln Raume, in welchen durch die offene Thür die letzte Dämme rung d«S Abends hereindrang. Der alte Gimpel war der Erste, welcher die Stille unterbrach. .Da liegt er jetzt und kommt nicht mehr zu uns in den Forst-, sagte er mit gedämpfter Stimme, indem er mit seiner schwieligen Hand zum Sarge hinzeigt?, .er hat oft genug mit mir gesprochen und mir eine Hand voll Cigarren ge schenkt, er war gut und leutselig und sprach freundlich mit jedermann. Ich will ja den Baron Franz nicht herabsetzen, aber lieber war mir der Todte doch!" Die anderen Männer nickten zustimmend mit den Kopsen dazu. .Daß doch immer die Besten hinsterben," fuhr Gimpel fort, .unser Oberförster hat ihn auch gern gesehen. Gimpel, sagte er im vorigen Winter zu mir, als die grausame Kälte so lauge anhielt, Gimpel, hier hat der junge Herr, der Baron Hellmuth, für Euch im Wald« eiue Flasche Rum hergeschickt, da sollt Ihr Euch bei Eurer Arbeit ein Feuer anzünden und heißes Wasser machen und den Rum hineingießen, und hier habt Ihr auch noch Zucker dazu." .Ja, der junge Herr war gut, der dachte auch an uns arme Arbeiter," meinte der Holzfäller Schultz, .na, das ver gißt unsereiner ihm gewiß nicht." Während dieser Worte waren die Männer langsam wieder ins Freie zurückgekehrt und machten sich nun auf den Heimweg. .Ja, da plagt man sich nun und plagt sich," sagte der alte Gimpel, .und dann ist's mit einmal auS. Hat so viel gelernt in der Welt, und jetzt ist alles umsonst gewesen." .Du", wandte sich der Waldarbeiter Schultz plötzlich an Gimpel und stieß ihn an, dann zeigte er zu einem ent ¬ fernten Wege d«S Parkes hinüber. Gimpel blieb stehen. Auch die beiden hinter ihm und Schultz gchenden Männer blieben stehen. .DaS ist eS!" rief Gimpel plötzlich und zeigte auch hinüber, .daS ist eS!" — .Hier hab' ich'S noch nie gesehen,", antwortete Schultz. .Rein, sonst ist eS ja immer nur bei uns im Forst drüben, aber da habt Ihr eS ja alle schon gesehen. Nur unser Oberförster glaubtS nicht und willS auch noch nicht bemerkt haben," fuhr Gimpel fort, .unser Oberförster wird ordentlich ärgerlich, wem» ich ihm melde: gestern Abend haben wir im MooSbruch auch wieder daS Irrlicht gesehen. Dann fährt er auf und ruft: Unsinn ist eS! Nichtsnutziger Unsinn! Irrlichter giebt eS nicht! Märchen ist es! Ein Stück ver- saulteS Holz höchstens wird's gewesen sein, das leuchtet ja wie Phosphor, aber mit Eurem Irrlicht kommt mir nicht, Gimpel!- .Der Oberförster müßt' nur hier sein, dann könnt' er sich ja davon überzeugen," meinte Schultz, .und wie oft haben wir «S gesehen, meistens mitten im Bruch, dort am See." Die Männer sahen zu der Stelle hinüber, aus welcher in der Ferne ein Helles Licht stand, ein eigenthümlich weiß liches Licht, daS ganz aus der Erd« sich zu befinden schien. Rinws umher standeu alte, dicke, dunkle Bäume, welche den Wodurch de» Park so dicht rinsäumten, daß man nur hier und dort zu der freien Stell« Hinsehen konnte, wo daS Licht sich bestück. „Geh' nicht," rief Schultz dem einen Arbeiter zu, der es wohl noch nicht zu sehen bekommen hatte," geh' nicht, Du holst es doch nicht rin. Wenn Du auf das Licht zu gehst, scheint es fortzuschweben, es läßt sich nicht aussuchen und nicht nachspüren." .Was wird es weiter sein," sagte der Arbeiter, „ich kenne dergleichen von früher. Ich habe vor Jahren in Cux haven an den Havenarbeiten mitgebaut, da leuchtete das Meereswasser manchmal ebenso, und da, hieß es, das entstünde dadurch, daß viele kleine Thiere im Wasser verwesen. So mag's auch hier mit dem Irrlicht sein. Drüben im Moor mag auch viel keines Gethier schwimmen und verwesen, und das leuchtet dann so." „Neulich war doch der Oberförster drüben im Moor gewesen", erzählte Gimpel, während er mit den anderen nun wieder wcitcrging, „da sind doch Stellen, wo kein Mensch gehen kann des Sumpfes wegen, als ich ihn dann traf, sagte er: Gimpel, Ihr habt da wohl einen Baum gefällt und auf der einen Stelle, welche zum Versinken sumpfig ist, so hin gelegt, daß man über sie fort kann Nein, Herr Oberförster, meinte ich, der Baum ist Windbruch und er muß zufällig ge rade da auf die Stelle gefallen sein. von uns hat ihn keiner hingelegt. Aber wenn der Herr Oberförster jetzt das Irr licht sehen wollen — da zeigte ich es ihm. „Ist zu weit," brummte er, „kann ich nicht unterscheiden, kann eine Frau aus Wildenfels sein, die noch mit einer Laterne durch den Forst geht." „Ja, da kannst Du machen, was Du willst," rief Schultz, „was der nicht wahrhaben will, das glaubt er nicht, und wenn er's auch sieht!" „So? Was denn? Wen meint Ihr denn da?" tönte in diesem Augenblicke eine Stimme dicht vor den Arbeitern. Der Oberförster Grimm trat gerade aus einem Neben wege, vom Palais kommend, in die Allee und hatte die Worte gehört. Die drei Waldarbeiter murmelten nur als Antwort ver legen einen guten Abend und rückten an ihren Mützen oder Hüten. „Wir sprachen eben vom Irrlicht, Herr Oberförster," sagte dagegen Gimpel dreister, da er immer im Forsthause um den Oberförster war. „Irrlicht hin, Irrlicht her!" rief Grimm nun in seiner kurzen, bestimmten Weise, „Ich glaube gar, jetzt seht Ihr, alter Schwätzer, Euer Irrlicht auch schon hier in Rudels burg! Da krmmt es Euch gewiß nach, Gimpel, Gimpel, Ihr tragt Euren Namen nicht umsonst, Ihr verdient ihn wirklich!" Gimpel räusperte sich, während die drei Arbeiter lachten und froh waren, daß Grimm, mit dem manchmal nicht zu spaßen war, vorhin nicht alles gehört zu haben schien. Nun ging Grimm zusammen mit seinen Arbeitern nach Wildenfels zurück und blickte noch einmal nach dem Palais hinüber, dessen Fenster zum größten Theil hell erleuchtet waren. Dort befand sich zu dieser Stunde noch der Pastor aus Wildenfels bei der Baronin, um ihr in ihrem schweren Leide Trost zuzusprechen. Frau von Döring saß, während ihre tiefschwarzen Kleider allem den Stempel der Trauer ausdrückten, dem Pastor Lie- betreu gegenüber, der sehr ernst und sorgenvoll aussah, während er doch hergekommen war, um Trost-zu spenden. Was ihn am meisten bedrückte, war ein rührendes Geständniß, welches ihm vorhin im Richter'schen Hause gemacht worden war und welches ihm eine tiefe Sorge um die Zukunft zweier Menschen eingeflößt hatte, die ihm theuer waren. Die Baronin hatte ihre Blicke vor sich niedergesenkt. Nun rang sich ein schwerer Seufzer über ihre Lippen, und sie führte von Zeit zu Zeit ihr Batisttuch an ihre Augen, um eine Thräne zu trocknen. „Seien Sie zufrieden und danken Sie dem Herrn da für, daß Sie nicht Schuld sind an dem Eingetretenen," sagte Liebetreu soeben mit einer sanften, milden, zum Herzen geh enden Stimme, „was würde Ihr Herz wohl dulden, wenn Hellmuth sich, durch Ihre Härte getrieben, das Leben ge nommen hätte, Fran Baronin. —" „Härte, Ehrwürden?" sagte Frau von Döring. „Nennen wir es Strenge. Und wenn Ihre Voraus setzung stimmen würde, wenn Hellmuth der Schuldige gewesen wäre, dann würde ja diese Strenge gerechtfertigt gewesen sein, Frau Baronin. Aber nehmen wir den anderen Fall an! Nehmen wir an, Hellmuth wäre unschuldig — welcher erregende Vorwurf würde da Ihr Herz erfaßt haben, wenn Hellmuth aus Verzweiflung darüber im Augenblick der Un zurechnungsfähigkeit Hand an sich gelegt hätte — o, meine theure Frau, danken wir dem gewaltigen Gott dafür, daß es nicht so gekommen ist, daß hier keinem Menschen eine Schuld oder Verantwortung beizumessen ist." „Sie hoben recht, Ehrwürden, ich messe mir keine Schuld zu. Aber der Schmerz ist darum nicht geringer. Verloren hatte ich ja meinen Cohn in ,ener Stunde, in welcher er zum Verbrecher geworden, j', z in Verbrecher Herr Pastor, ich spreche es ohne Hehl aus — aber er konnte sich bessern, konnte aus eigener Kraft sich eine Stellung im Leben erringen und das Geschehene wieder gut machen — jetzt habe ich ihn für immer verloren!" „Wie aber, wenn Sie ihm unrecht gethan hätten, wenn er nicht der Schuldige gewesen?" wandte Pastor Liebetreu sich an die Baronin. „Wie wenn ein Anderer der Schul dige wäre, Fran Baronin? Eine Stimme in meinem Herzen ruft mir zu, daß Ihrem Sohne unrecht geschehen. Mein Sohn ist heute hier ongekommen. Er hat Hellmuth das letzte Geleit gegeben und vorher mir ein Geständniß abgelegt. Ich bin Ihr Schuldner, Frau Baronin." — Frau von Döring blickte den Geistlichen fragend an. „Mein Schuldner?" sagte sie, und wie soll das möglich sein, Ehrwürden? Nicht Sie, nein, ich habe bei Ihnen eine große Schuld abzutragen! Ihre Trostesworte und Ihr Bei stand heute haben mir wohlgethan. Ich bitte Sie, Ihren Besuch hier bei mir recht bald zu wiederholen. Das Mutter herz sucht Trost, sucht sich aufzureizen — und Sie mit Ihren treugemeinten Worten sind ein wahrer Seelenhirt und Tröster!" „Es ist ja nichts weiter als eine treue Pflicht, welche ich erfülle, Frau Baronin! Doch lasten Sie uns einmal auf Hellmuth zurücktommen. Mein Sohn und Hellmuth studierten zusammen, sie hielten auch, wie ich höre, gute Kameradschaft mit einander. Nun hat mein Sohn mir heute gestanden, daß er mit dem Wechsel, welchen ich ihm zu gewähren im Stande war, in der letzten Zeit nicht ausgekomnien und daß er, um mir nicht Sorge zu machen, Hellmuth um eine namhafte Summe angeborgt hat, welche er ihm später zurückzahlen wollte. Es sind weit über tausend Mark, welche Hellmuth meinem Sohne geliehen hat, und Hellmuth ist stets scherz weise der Bankier der ganzen Verbindung genannt worden, weil er stets anderen auszuhelfen in der Lage gewesen. Nun bi» ich durch meinen Sohn Ihr Schuldner geworden, Frau Baronin. Doch viel wichtiger als das ist der Schluß, welchen man aus diesen Mittheilungen ziehen muß, der nothwendige Schluß, daß Hellmuth die Geldsumme nicht gebraucht hat. Und da sollte er heimlich, hinter dem Rücken einer liebenden Mutter, welche ihm jede Bitte erfüllte, sich einer so enormen Summe bemächtigt haben? Weshalb? Wozu?" »Hat Ihr Sohn Ihnen mitgetheilt, ob Hellmuth und er gespielt haben, Herr Pastor?" Der Geistliche erschrak. — „Gespielt?" fragte er. „Es hat sich das Gerücht verbreitet, Hellmuth habe im Spiele große Summen verloren." Nun schüttelte der Pastor sein graues Haupt. „Nein, Frau Baronin," sagte er, „das sind falsche Ge rüchte; ein lustiges Studentenleben mögen sie geführt haben, aber Spiel, Hazardspiel — nein, da kann ich für meinen Sohn gutsrgen und für Hellmuth auch." „Wozu soll mein unglücklicher Sohn denn aber dos Geld gebraucht haben, Ehrwürden? Um anderen zu helfen? Um cs zu verborgen? — Ich fürchte, cs wird mir eine Aufklärung nie zu Theil werden, niemals, nun Hellmuth von uns gegangen — und gerade dieser Zweifel, diese Ungewiß heit, diese Fragen sind furchtbar!" „Und ich möchte mich mit meiner vollen Ueberzeugung dafür verbürgen, Frau Baronin, daß Hellmuth die That nicht begangen hat! Einer edlen und reinen Seele, wie er sie be saß, liegt eine solche That fern! Vielleicht bringt nach Jahren ein Zufall den wahren Zusammenhang ans Tageslicht. Für mich ist Hellmuth nicht der Schuldige!" „Ihre Worte thun mir wohl, Ehrwürden — dennoch entbehren sie der Begründung. Wie alles zusnmmcnhängt, wo das Geld geblieben, das alles wird nun wohl nie mehr ergründet werden, unbegreiflich ist es auch mir, daß Hell muth sich zu einer solchen That hat hinreißen lassen!" Liebe treu hatte sich erhoben. „Mag auch alles auf seine Schuld hindeuten, Frau Ba ronin," erwiderte er, „mag alles den Schein erwecken, daß er auf Irrwege gerathen, ich glaube cs nicht." „Der Tod hat alles gesühnt — und dieser Tod ist so räthselhaft und dunkel — wie das Verbrechen, welches ihm voraufgegangen stehen Sie mir bei, damit ich diesen schweren Gram ertrage, Ehrwürden! Leihen Sie mir Ihre Stütze — auch Sie haben ja einen Sohn — nun fühlen Sie mit mir, was es heißt, ihn so zu verlieren." „Unser gnädiger Gott mag Sie trösten und ausrichten," schloß der Pastor und reichte der Baronin seine Hand, „was in meinen Kräften steht, Ihr armes, schwer geprüftes Mutter herz zu erheben, das wird geschehen. Wir beide werden Hellmuth nicht vergessen, denn ich habe ihn sehr lieb gehabt!" — 8. Die Untersuchung. Ewers saß in dieser Stunde in einem großen, hohen al- terthümlichen Zimmer des Schlosses am Schreibtische. Vor ihm lagen einige große beschriebene Bogen. Eine hell brennende Lampe stand in der einen Ecke des Schreib tisches und warf ihren Schein auf denselben. Die entfernteren T heile des Zimmers aber waren in Halbdunkel gehüllt, denn das Licht der einen Lampe reichte nicht aus, den großen Raum vollständig zu erhellen. Da klopfte es. Ewers richtete sich empor und sah sich um. „Herein!" rief er mit lauter, tiefer Stimme. Die Thür wurde geöffnet. Ein Polizeikommiffar in voller Unifcrm trat in das Zimmer. „Guten Abend, Herr Staatsanwalt, ich wollte mich ge horsamst melden," sagte der Beamte mit einer Verbeugung. Es ist gut, daß Sie kommen, Baumann," antwortete Ewers, „Sie waren fortgeritten?" Dem Herrn Staatsanwalt zu dienen, ich war in Wilden fels drüben, um einige Erkundigungen einzuziehen," sagte der
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