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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.03.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-03-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010302028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901030202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901030202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-03
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Nathes und N-kizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. «3. Sonnabend den 2. März 1901. Anzeige« Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem RedartionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten (S gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme L5 H (exct. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Posibeförderung 80.—, mit Postbeförderung -sl 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabr: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia» halbe Stunde früher- Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Le Wct. Eine Depesche Lord Kitchener's aus Pretoria vom 1. März besagt: Dewet ist gezwungen, wieder aus das Nord ufer deS Oranje zu gehen (?), die Capcolonie ist gesäubert. 200 Boeren sind gefangen genommen worden. Andere Versprengte wurden gefangen. — 80 Schützen Kitchener's wurden von einer überlegenen Zahl Boeren angegriffen und mußten sich nach einem langen Kampfe, bei dem 20 gelobtet und verwundet wurden, ergeben. LoniS Botha * London, 2. März. „Daily Chrontcle" sagt: Obgleich die Uebergabe Botha's nicht amtlich bestätigt worden sei, bestehe guter Grund, zu glauben, daß sie, wenn sie noch nicht wirklich er folgte, nur hinausgefchoben (?) worden sei, weil die Verband- lungen über einen oder zwei untergeordnete Puncte nicht zum Ab schlüsse gelangt seien. In diesem Glauben werde man durch die Nachricht bestärkt, daß die Militärbehörden gewisse Vereinbarungen abgeändert hätten, die mit verschiedenen Firmen über die Lieferung von Borräthen im Hinblick auf die Fortsetzung des Krieges ab geschlossen worden seien. Der Brüsseler „Petit Bleu" erhält nachstehende Depesche aus Utrecht: In der Umgebung des Präsidenten Krüger glaubt man nicht an die Uebergabe Botha'S. Man bemerkt übrigens, daß eine solcke Uebergabe noch nicht dem Kriege ein Ende machen würde, denn Botha besitze nicht die Befugniß, über eine allgemeine Einstellung der Feind- seligkeiten zu verhandeln. Solche Verhandlungen kämen der Negierung von Transvaal zu, an deren Spitze provisorisch Schalk Burger stehe. „Daily News" schreiben: „Bekanntlich kehrte die Ge mahlin des General Botha erst vor einigen Tagen nach Pretoria zurück, nachdem sie ihren Gatten besucht hatte. Es ist höchst wahrscheinlich, daß sie ein Anerbieten von LoniS Botha an Lord Kitchcner zu überbringen halte, welches jetzt die Basis der stattsiudenden Verhandlungen bildet. Lord Kirchener hat sich, wie aus seinen Depeschen hervorgeht, mehrere Tage in Middelburg aufgehalten und war auch am vergangenen Mittwoch noch dort." So die „Daily News", welche übrigens selbst dann noch zu bemerken hat, daß „nicht zu vergessen ist, wie General Botba erst ganz kürzlich in einer Ansprache an seine Leute die feste Erklärung abgab, daß er den Kampf fortzusctzen gesonnen sei, so lange noch ein ein ziger Boer im Felde stehe." Das klingt allerdings nicht nach Uebergabe, und das ganze Gerücht gehört wahrscheinlich auch in die große Kategorie jener fabricirten Sensationsmeldungen, mit deren Hilfe der Khaki-Patriotismus und die Kriegsbegeisterung im englischen Volke von Zeit zu Zeit wieder mühsam etwas in die Höhe getrieben wird. Sonst würbe gar bald überhaupt jedes Interesse an dem unerfreu lichen südafrikanischen „Busineß" verschwunden sein. Also auch mit Bezug auf Louis Botha war der Jubel im englischen Lager, wie es scheint, wieder einmal ein ver frühter oder vielleicht selbst ein durchaus singirler, — ein kläglicher Nothbehelf. Die englischen Berstätknngc» für Südafrika. DaS englische Kriegöamt hat alle Vorbereitungen ge troffen, daß bis zum 18. März 10,000 Manu Ersatztruppen mit 2300 Pferden für Südafrika eingeschifft sein werden. Außerdem sollten gestern 1000 Mann der berittenen Polizei mit 22 Ossicieren abgehen, während eine gleich starke Truppe für diese unter Baden-Powel's Leitung stehende Polizei am 21. März an Bord gebracht werden soll. Gleichzeitig geben auS Ungarn 4000 Pferde, aus den Vereinigten Staaten 3500 Pferde und aus Argentinien 8000 Pferde nach Süd afrika ab. Einschiffung von Boeren-Eefangenen nach Portugal. AuS Lissabon, 28. Februar, wird uns berichtet: Der Transportdampfer „Benguela" überbringt von Lourciitzv MarqueS 580 gefangene Boeren nach Portugal, wo dieselben in der Stadt Penicke untergebracht werden sollen. Man sagt, daß die englische Regierung die Kosten für die Be förderung und Unterhaltung dieser Gefangenen über nommen habe. Die wirren in China. Tie Rückkehr SeS chinesischen Hofes nach Peking. Aus Petersburg, 1 März, schreibt mau uns: In hiesigen militärischen Kreisen wird mit Bestimmtheit ver sichert, daß die chinesische Kaiserin-Wiltwe mit dem Kaiser binnen vier Wochen nach Peking zurückgekehrl sein wird. Von russischer Seite soll der Kaiserin jeder nothwendige Schutz zugesichert sein, man hofft deshalb in Petersburg, daß mit dem Beginne des Frühjahrs Rußland eine sehr fruchtbare diplomatische Thätigkeit in China beginnen wird. Bischof Anzcr. In der „Kölnischen Volkszeitung" veröffentlicht Bischof Anzer eine Abwehr der gegen ihn und die katholischen Missionen verschiedentlich erhobenen An griffe. Aus den ausführlichen Darlegungen ist besonders hervorzuheben, daß der Bischof auf die Besetzung von Kiautschau keinen Einfluß ausübte. Als er deren Nothwendig- ieit aussprach, war sie bereits erfolgt. Als das Gerücht von der Aufgabe Kiautschans auftauchte und es hieß, daß dafür der Hafen von Sanmum besetzt werden solle, glaubte der Bischof, im Interesse der Mission dagegen auftreten zu müssen. Die Er eignisse des vergangenen Jahres wären zweifellos früher oder später auch ohne die Besetzung von Kiautschau durch Deutsch land eingetreten. Diese Ereignisse seien nichts Anderes, als eine Frucht der politischen Entwickelung Chinas, beschleunigt durch eine Inirigne des Pekinger Hofes. Deutschland kann sich freuen, sagt der Bischof, daß es sich in Kiautschau eine hoffnungsreiche Eolonie, seinen Platz an der Sonne sicherte. Schließlich weist Anzer den Vorwurf zurück, die Missionen hätten sich in weltliche Angelegenheiten eingcmiscbt. Er habe in Südschantung strengstens vorgeschrieben, daß bei Streitigkeit,.!! mit den Heiden sich kein Missionar irgendwie der Christen annehmen dürfe. (Wdhlt.) Kumpf mit Räuberbanden. * Berlin» 1. März. General-Feldmarschall Graf Wald er fee meldet vom 28. Februar aus Peking: Berittene Infanterie aus Tientsin hat am 25. bei Hnikiatschang, 20 Icm südöstlich von Nungtsinghsien, einen Zusammenstoß mit einer Räuber- bände gehabt, die nach Verlust von etwa hundert Mann zersprengt wurde; diesseits wurden zwei Mann verwundet. Ein Erfolg deutscher Energie in China. Aus Swatau, Ende Januar, wird uns geschrieben: Nach dem Ausbruche der Wirren im Norden wurden hier „zur Ueberwachung uno zum Schutze der Stadt" etwa zweihundert Mann chinesisches Militär stationirt. In der ersten Zeit tauchten keine Klagen gegen diese Truppe auf, desto mehr aber in den letzten Wochen. Die Mustersoldaten wurden mit jedem Tage frecher und benahmen sich in einer Weise, daß sie kaum noch von Banditen zu unter scheiden waren. Sie verübten Mißhandlungen und Geld erpressungen und versuchten sogar eine Brandstiftung. Endlich wagten sie sich auch au eine deutsche Firma, und zwar an die Passagieragcntur Sun Hong von LanS und Haeslvop, die sie aus plünderten. Der deutsche Consul erhob wegen dieser empörenden Gewaltthat bei dem Befehlshaber der Soldaten, dem General Huang, sofort nachdrückliche Beschwerde, erhielt aber nach der beliebten chinesischen Manier nur ausweichende Antworten. Nunmehr wandte sich der Consul au den Generalgouverneur in Canton und den Tautai in Chao Cbow fu, verlangte Be strafung der schuldige» Osficiere und Soldaten, sowie Schadenersatz und verfehlte nickt, dabei auf die Anwesenheit eines deutschen Kriegsschiffes im Hafen von Swatau einen deutlichen Hinweis zu geben. Das fruchtete. Schon nach wenigen Tagen erhielt der Consul die Mittheilnng, daß ein telegraphischer Befehl von der Provinzialrcgierung in Canton eingetrofsen sei, wonach der Hauptschuldige, Unterossicier Chang sun, hingerichtet und auch die übrigen Theilnehmer an der Plünderung streng bestraft werden sollten. Der ent standene Schaden (800 Dollars) soll von dem Major Wei, der mit der Bewachung SwatauS beauftragt war, erstattet werden: außerdem wurde dieser Ofsicier seiner Stellung und seines Amtes für verlustig erklärt. Das energische Auftreten deS deutschen Consuls hat also eine Sühne durchgesetzt, die auf das künftige Verhalten unserer chinesischen „Schutzwache" nur von heilsamster Rückwirkung sein kann. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2. März. Während der Reichstag, von dem man schon vorgestern glaubte, er werde die zweite Lesung des Militäretats zu Ende führen, auch die ganze gestrige Sitzung auf diesen Be- ratbungsgegenftand verwandte, ohne ihn zu erledigen, machte gestern das preußische Abgeordnetenhaus rasche Arbeit. Es erledigte nicht nur eine Interpellation über den VolkS- schullehrermange l, sondern vollzog auch, zur Beratbung des CultusetatS übergegangcn, die erste Lesung des Cen- lrumsantrages auf Beseitigung der gesetzlichen Be schränkungen sür krankenpflegende und ver wandte Orden. Das Ergcbniß dieser ersten Lesung war genau das, was wir gestern Voraussagen zu dürfen glaubten: mit Hilfe der C o n s e r v a t i v e n wurde der Antrag einer Commission überwiesen, in der mit dem Centruin über den „gewissen Umfang", in dem seinen Wünschen Rech- nung zu tragen wäre, verhandelt werden kann. Daß die Con- servativeu vorläufig noch nicht geneigt sind, diesen Wünschen vollauf zu entsprechen, ergiebt sich daraus, daß auf conscr- valives Verlangen in dem Centrumöantrage, der nicht nur die der Krankenpflege dienenden, sondern auch die „sonstigen" werklhätige Nächstenliebe übenden katholischen Orden und ordensähnlichen Congregationen von den besonderen gesetzlichen Beschränkungen befreit sehen will, das Wort „sonstige" durch das Wort „gleichartige" ersetzt wurde; cs ergiebt sich ferner daraus, das; der conservatire Abgeordnete v. Heydebrandt den Vorbehalt machte, in den polnisch gemischten LandeStheilcn müsse die bestehende Gesetzgebung erhalten bleiben und der Staat müsse das Recht behalten, gegen etwaige Störungen des con- fessionellen Friedens einzuschreiten. WaS aber auf diese Vorbehalte zu geben ist und wie wenig mau sich darauf ver lassen kann, daß die preußischen Conservativen bedenklichen Ansprüchen deS Centrums gegenüber fest bleiben, erhellt daraus, daß soeben die klerikal-conservative Mehrheit der Budget- commisson deS Abgeordnetenhauses die von der Regierung geforderten fünsKreisschulinspect ionsstellen abgelehnt hat. Welche Absicht die Mehrheit der Commission mit dieser Ablehnung verfolgte, ist in den CommissionSberalhungen deutlich zu Tage getreten. Von klerikaler Seite hat man unumwunden ausgesprochen, daß die Ausbildung der geist lichen Schulinspection nach Möglichkeit angestrebt werde. Diesem Zwecke dient dcr Antrag, kleinere nebenamtliche, d. h. geistliche, Schulaufsichtsbezirke neu zu bilden. Ist hierin auch das Eingeständnis; enthalten, Laß bei den bestehenden Schulauf- sichtSbezirken die nebenamtliche Ausführung der Schulinspection nicht auSreicht, so ist es doch ganz falsch, anzunehmen, daß durch die Bildung kleinerer Aufsichtsbezirke eine ersprießliche Ausübung der Schulinspection gewährleistet sei. Wie wenig dies dcr Fall sein kann, erkennt man leicht, wenn man die Dieuslinstruction der prenßiscken Kreisschul- inspectoren zur Hand nimmt. Den Kreisschnlinspectoren liegt darnach die Pflege der ihnen zur Aufsicht überwiesenen Schulen in allen inneren und äußeren Angelegenheiten ob. Sie haben sich zu dem Behuf dauernd in genauer Kenntniß von dein Zustande der Schulen zu erhalten uud die amtliche und außeramtliche Führung der Lehrer an den öffentlichen Elementarschulen, zu denen auch die sogen. Rectorschulen, die gehobenen Bürger- und höheren Töchterschulen gehören, zu überwackcn. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben dienen vor allem die Schulrevisionen. Jede ihnen unterstellte Schule oder jede C-asse derselben ist jährlich mindestens zweimal, wenn nöthig, noch häufiger zu revidiren. Hierbei muß sorgfältig festgestellt werden, ob der gesammte Zustand der Schule in allen inneren und äußeren Beziehungen den getroffenen Anordnungen ent spricht; insbesondere also, inwieweit dies hinsichtlich der Leistungen des Lehrers der Fall ist, ob von diesem die Vor schriften über Lehr- und Stundenplan, Führung deS ClassenbucheS und der Schulbesuchslisten, sowie über den Gebrauch der Lehrbücher beobachtet werden. Weiter hat sich die Auf merksamkeit des KreisschulinspectorS auf den baulichen Zu stand und die Zulänglichkeit deS Schulgebäudes, die Reinlich keit der Classen rc., die Verwaltung des SchulvermögenS und der Schulcassen, endlich auf die Organisation der Schul bezirke zum Zweck der Theilung übergroßer Bezirke oder der Gründung neuer Lehrerstellen zu richten. Aufgabe der KreiS- schulinspectoren ist es ferner, die KrciSlehrerconferenzen abzu halten, die zweckmäßige Abhaltung der Bezirks- uud Parochial - Lebrerconferenzen zu controliren, die Privat schulen zu überwachen, Sonntags- und Fortbildungs schulen zu pflegen oder anzuregen, sowie überall da mit Gemeinden, Gutsherren, Schulvorständen und Lehrern in Schulangelegenbeiten zu verhandeln, wo ihnen dies von der Regierung aufgetragen wird. Alle Anträge der Local- schulinspectoren, Lehrer und Schulvorstände an die Regierung einerseits, die Regierungsverfügungen an jene Instanzen andererseits, gehen bei den Kreisschulinspecloren durch. Diese haben alle der Regierung zu überreichenden Anträge mit ihren gutachtlichen Aeußerungen zu verseden. — Dieser Aus zug aus der Dienstinstruction der Kreisschulinspecloren muß jeden Unbefangenen zu der Ueberzeugung führen, daß auch bei einer Verkleinerung der SchulaufsichtSbezirke die nebenamtliche Schulinspection den Interessen des Unterrichts widerstreitet. Für die bestehenden Aufsichtsbezirke aber haben praktische Kenner der Verhältnisse treffend bemerkt, daß die Aufsichtsbezirke ständiger und nebenamtlicher Kreisschul- inspectoren sich unterscheiden wie Tag und Nacht. Die nebenamtliche Schulinspection steht aber nicht nur im Widerspruch zu den Schulinteressen, sondern ist vorAllem imHinblick auf die polnische Agitation bedenklich. In der Sitzung des Abgeordneten hauses vom 9. Februar 1892 hat Fürst Bismarck mit vollem Rechte gesagt: „Die Beschwerde, die wir gegen die geistlichen Schulinspectionen in den Provinzen haben, wo nicht das Polnische vorherrscht, aber wo es überhaupt geredet wird, ist die, daß sie die deutsche Sprache nicht zu ihrem gesetzlichen Recht kommen lassen, sondern dahin wirken. Laß die deutsche Sprache vernachlässigt und nicht gelehrt werde, daß der Lehrer, dessen Schulkinder Fortschritte in der deutschen Sprache gemacht haben, von seinem Geistlichen keine günstige Censur bekommt." Diese Ausführungen sind damals auf der rechten Seite des Hauses mit dem Rus „Sehr wahr!" ausgenommen worden. Jetzt aber haben die conservativen Commissionsmitglieder die fünf Kreisschulinspectorstellen abgelehnt, obwohl darunter auch eine solche für Recklinghausen war. Recklinghausen jedoch liegt in nächster Nähe des Centrums der rheinisch-westfälischen Industrie, die weit über hunderttausend polnische Arbeiter beschäftigt. Nimmt sich nun die Mehrheit der Commission, au die gestern der Centrumsantrag auf Be seitigung der gesetzlichen Beschränkung für krankenpflegende und „gleichartige" Orden verwiesen worden ist, die Mehrheit der Budgetcommission zum Muster, so wird daS Centrum trotz aller Proteste, an denen es auf freiconservativer, national liberaler und freisinniger Seite ebensowenig wie gestern fehlen wird, sein Ziel im Wesentlichen doch erreichen, denn die Regierung, die sich gestern zu einer entschiedenen Er klärung nicht aufraffen konnte, wird dies später, wenn sie einem Beschlüsse gegenübersleht, erst recht nicht thun. In Berlin, dieser, wenn man die Socialdemokratie außer Betracht läßt, politisch so überaus indifferenten Stadt, „tobt" jetzt ein Kampf, der nicht wegen seines Gegenstandes, Ferrrlletsn. n Die Landstreicherin. Oberbayerische Erzählung von Anton Frhr. v. ,Pcrfall. Nachdruck verboten. lieber Ambros' Antlitz zog ein seliges Ahnen. Er sah über Marion hinweg, hinab auf den Lawinrrhof, die Heimath. „Ja, das wär' freili' schön, wenn's so werd'n könnt'", wiederholte er, gedankenverloren mit dem Kopfe nickend. „Wieder ehrlich, und frei — und d' Heimath — und —" Da zuckte er zusammen, auch Marion. Ein dumpfer Wider hall brach sich an der Berglehne gegenüber. „Hast 's g'HLrt? A Schuß!" sagte Ambros. „Ein Schuß! Ja, — das war ein Schuß!" Marion sah ihn fest an, als suche sie etwas in seinem Antlitz. Noch einmal brach es sich au der Berglehne — jetzt ganz deutlich. Ambros wurde aschfahl. „In der Eigelschalten. Ist der Vater daheim?" fragte er mit bebendem Athen:. „Der Vater ist fort, heut' Mittag erst. — Wilderer seien im Revier —" Marion sprach es, starr den Blick auf Ambros gerichtet. Mit einem Sprunge war er in der Dämmerung ver schwunden, ehe sie selbst klar wurde. „I komm' wieder! Gewiß komm' i' wieder!" klang es noch aus dem Walde. Marion zitterten die Knie, sie horchte in oas Dunkel. Sie rief seinen Namen, lief nach der Richtung, die er genommen, die störrigen Aeste der Fichten schlugen ibr in das Gesicht. — Sie fiel zu Boden, — ein Rauschen, wie von einem Wasser fall, erfüllt das Ohr, — dann schwand ihr das Bewußtsein. Ambros raste wie ein gehetztes Wild durch den Wald. Er hatte den Schuß gar wohl verstanden in der Eigelscharten, einem Felskar dicht an dcr Grenze, ver Toni, sein Spezi, in dessen Bann er förmlich stand, dcr ihn zuerst durch warme Thcilnahme an seinem harten Schicksal, durch seinen Haß gegen den rück sichtslosen Vater, später durch gemeinsame schlimme Streiche an sich zu fesseln wußte, erwartete ihn dort. Er hat es sich nicht nehmen lassen, Ambros auf seinem letzten Besuch in der Heimath vor der gemeinsam geplanten Abreise nach Amerika zu begleiten, und damit zuguterletzt einen seiner ge Heimen Birsckgänge ins Bayerische zu verbinden. Der Schuß stand mit ihm in Verbindung, kein Zweifel. Entweder daß er auf Wild getroffen, oder daß er von einem Jäger überrascht — die verhängnißvolle Panse zwischen dem ersten und zweiten Schuß —, vom Vater überrascht, er war 'a draußen im Revier — — Der Gedanke trieb ihn zur neuen Eile, durch Dickung und Graben. Dann und wann lauschte er — nach einem Hilferuf. Die Stille der Nacht senkte sich über das Gebirge. Jetzt noch den schmalen Streifen Hochwald durch, der sich steil hembsenkte zu dem unten in mächtiger Tiefe schäumenden Wildbach, dann lag die Eigelscharten vor ihm. Er mußte innehalten, die Lunge versagte ihm den Dienst. Todtenstille ringsum. Der Mond war herauf gezogen, hinter den schwarzen Bergen in heißen milchigen Dunst gehüllt. Ein schwaches, fahles Licht ging von ihm aus. Ambros sah schon den weißen Sand in dec Scharten leuchten zwischen den Stämmen der Bäume. Vorsichtig kroch er vor, auf eine Felsspitze hinaus, das weite Kar lag vor ihm in ödem, gespenstischem Licht. Wenn er auf Wild geschossen, war der Toni irgend in der Nähe und wartete auf ihn. Ambros ließ einen leisen Pfiff ertönen. Keine Antwort. Dann stieg er hinab durch das Gewänd in den Steinstrom, dec fächerartig in das Thal hinabfloß, Latschen deckten Ihn. Noch einmal pfiff er, lauter — horch! War das nicht Ant wort? Aber kein Pfiff, ein unklarer Ruf. Wann hatte er einen ähnlichen gehört? — Noch einmal ertönte er. Jetzt, jetzt wußte er cs, — damals auf der Sölden, als er die Marion — der Angstschweiß trat ihm auf die Stirn — das war dcr Ruf eines «sterbenden. Jetzt schrie er laut. „Halloh! ho!" Keine Antwort. Da gab cs kein Besinnen mehr. Ein Stein strom polterte unter seinen Füßen zu Thal. Dort, wo der graue Storren im Mondlicht bleichte, daher kam der Ruf. „Toni! Toni!" rief er, ohne sich mit der Stimme herauszu wagen, keuchend im Anstieg. Unter den Storren überschattete ein Latschenboschen das weiße Gestein. In dem tiefen Schatten leuchtete etwas, etwas Schneeweißes, es verändert unmerklich seinen Platz. Trügt das Mondlicht, oder — Ambros hatte Vorsicht gelernt auf seinen Wegen, er wollt's von oben beikommen, von dem kleinen Stellwandel aus, neben den Storren. Jetzt hat er es erklommen, vorsichtig beugt er sich vor, — der Athem stockt ihm, das Herz krampft sich zusammen — ein Mensch liegt unten, ein Mann, — das Hemd auf der Brust leuchtet so, und das Hemd ist blutig. — Der Kopf liegt im tiefen Schatten, — aber der Toni ist es nicht, ein stärkerer, größerer — Ambros' Gedanken verwirren sich. Ganz gebrochen sieht er eine Minute hinunter, da bewegt sich ein Arm, ein tiefes Stöhnen dringt herauf, — ein weißer Bart — Da ist er schon unten, beugt sich über den Körper, hebt das Haupt, — ein dumpfer Aufschrei — der Lawiner! Der Vater!! Aus dem Todtenantlitz ist jede Spur von Härte entwichen, unendlich traurig, schmerzergeben, liegt es in Ambros' Arm, aber die Enden des weißen Schnurrbartes bewegen sich leise. Er legt das Ohr an des Vaters Mund, aus dem ein schmaler Blut streifen sich zieht, den weißen Bart besudelnd. Er lebt! Er athmet uock! Die Finger des Sohnes suchen zitternd die Todeswunde. Au dcr rechten Brustseite fühlen sie warmes Blut, das Schulterblatt ist zerschmettert, die Lunge durchbohrt, aus der ein seltsames Pfeifen und Rasseln ertönt. Der Toni hat's gethan, kein Anderer! „Vater! Vater!" Da schlägt er groß die Augen auf, ein Zittern überläuft die ganze Gestalt, mühsam hebt er den sinken Arm, wie ab wehrend ihn ausstreckend, großes Entsetzen im Blick. „Mörder!" quält es sich heraus. „Mörder!" Eine Thtäne löst sich von der Wimper, dann greift die Hand matt nach dem Rock des Knieen- den. „Bring' mit net um. I b'schwör Di'! I will net — I will net sterd'n!" Wie ein« Messerklinge bohrten sich die Worte in Ambros' Herz. „Aber i bin's ja, Vater, der Ambros, — Dein Sohn —" Da hob sich der Lawiner, die linke Hand auf den Boden stemmend, mit letzter Kraft. Der Mund stand ihm offen, jeder Zug in dem bleichen Antlitz erstarrt: „Du, Ambros, Du — Mörder! — Vatermörder!" Ambros schrie auf, legte die Hand ans seinen Mund. „'s is net wahr, Bater, i b'schwör Di'! I bin 's ja net g'lves'n. I hab' nur den Schuß g'hört und bin d'rauf los ganga, da hab' i Di' gffund'n in Dein Bluat. Hörst mi', Vater? I bin's net g'wes'n." Er rüttelt« den Körper, hob das Haupt, das kraftlos zurückgefallen, als ob er das Leben festhalten wolle um jeden Preis. „Der Toni war's! — hör' mi', Vater! — Der Toni war's, net i', so wahr mir Gott Helf'. Hörst mi'? Du muaßt mi' hör'n, — der Toni war's!" Ambros war mit dem Körper des Sterbenden zurückgez sanken. Dec Mons Ivar aus seinem Schleier hervorgetret«n und warf jetzt sein grelles Licht auf »es Lawiners bleiches Antlitz. Seine Lippen bewegten sich, zu einem 'Fluche wohl, dw Hände auf der blutigkn Brust ballten sich zusammen. Da sprang Ambros auf, von 'Entsetzen gepackt, und schrie nach Hilfe, daß die Felsen ringsum gellten, dann stürzte er topflos bergab über das Geröll, stürzend, sich wieder erhebend, er wußte selbst nicht, wie er zu Thal« kam. Dem ersten Lichte lief er z», es war die alte Hammermiihle an der Bergs straße.
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