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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.01.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-01-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000104011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900010401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900010401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-01
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Größere Tchriften laut unserem Preis- verzeichnitz. Tabellarischer und Zifsernsatz nach höherem Tarif. Cxira-Vetlagen (gefalzt), nur mit de, Morgen - Ausgabe, ohne PostbefVrderung SO.—, mit PostbefVrderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittag« 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stund« frühe«. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Z b. Donnerstag den 4. Januar 1900. 94. Jahrgang- Aus Samoa. Nachdruck virdoten. Unser ständiger Herr Mitarbeiter schreibt uns auS Apia, den 30. November: Den ersten Depeschen, welche bereits Anfang dieses Monats von Auckland hier bekannt wurden und besagten, daß England seine Ansprüche auf die Inseln Upolu und Savaii an Deutsch land, diejenigen auf die Insel Tutuila an Amerika abgetreten habe, fanden nur wenig Glauben unter den hiesigen Deutschen, denn wir waren schon nicht mehr gewöhnt, Gutes zu erwarten oder zu hören. Erst die Mitte diese- Monats von Amerika hier ein getroffenen Nachrichten brachten Bestätigung und nähere Angaben. Es bedarf kaum der Erwähnung, daß in den deutschen Kreisen großer Jubel, in den britischen tiefe Nieder geschlagenheit herrscht. Wie viel natürlicher, ganz abgesehen von den Handelsinterefsen, die Vorherrschaft Deutschlands ist, als irgend eine andere Lösung, «rgirbt sich daraus, daß die große Mehrheit der Eingeborenen ihrer Freude fast noch lebhafter Aus druck giebt, als die Deutschen. Ein Wermuthstropfen im Becher der Freude ist für den Kenner der hiesigen Verhältnisse freilich, daß Tutuila an die Vereinig ten Staaten übergeht. Daraus dürfte sich in der Folge vielleicht manche Schwierigkeit ergeben. Die Einwohner der Insel Tutuila belaufen sich nicht auf mehr als circa 3000; diesen in jeder Beziehung eng mit dem samoanischen Volksstamm verknüpften Theil gänzlich von den Hauptinseln Savaii und Upolu abzutrennen und die Insel nothwendiger Weise mit einem Zollcordon zu umschließen, wird schwer durchzuführen sein und zum Mindesten recht kostspielig werden. Sofort müßte auch ein Auslieferungsvertrag zwischen den Verwaltungen von Tutuila und Deutsch-Samoa geschloffen werden, denn es ist selbstverständlich, daß ein jeder Samoaner, der aus irgend einem Grunde den hiesigen Behörden aus dem Wege gehen will, sich in Tutuila niederläßt. Es muß ferner betont werden, daß mit Ausnahme einer Station des Amerikaners Moors der ganze Handel der Insel in den Händen der Deutschen liegt, denn wenn die dort zur Zeit beschäftigten Händler zu fälliger Weise Anglo-Sachsen sind, so handeln sie doch für Rechnung und im Auftrage von in Apia ansässigen deutschen Kaufleuten. Auch mit den Leistungen der Amerikaner bei öffentlichen Ar beiten in Tutuila sieht es noch windig auS. Die Arbeiten für die großartig geplante amerikanische Werftanlage in Pagopago wurden im Anfänge daselbst mit großer Energie betrieben. Das zur Verfügung stehende Terrain be stand aus einem Berg und danebenliegendem Sumpf; es handelte sich daher zunächst darum, einen trockenen, freien Platz zu schaffen, auf dem man hantiren konnte. Mit echter Uankee-Energie trug man einfach den Berg ab und schaffte ebenen Boden, worauf man ein großes Haus erbaute und als Speicher und Waarenlager einrichtete, in welchem alle mitgebrachten Maaren- und Proviant- vorräthe untergebracht wurden. Die Ladungen einiger weiterer Schiffe, hauptsächlich Baumaterial und Eisentheile, wurden mangels anderen Lagerraums in dem Sumpf aufgestapelt. Das den Amerikanern von der Landcommifsion als Besitz zugesprochene Land beträgt nur ungefähr fünf Acres, verschiedene Bemühungen, paffendes Land in der Nähe käuflich zu erwerben, sind bis jetzt nicht von Erfolg gewesen. Bei den Arbeiten an der Landungs brücke selbst stieß man aber bald auf beträchtliche Schwierigkeiten. Der geringste Druck des Dampfhammers treibt die eisernen Pfeiler 36 Fuß tief, ohne daß sie genügenden Halt finden, die bis jetzt fertiggestcllten Tragbögen haben sich mehrere Zoll gesenkt. Nach verschiedenen Mißerfolgen sollte noch ein neuer Versuch in Scene gesetzt werden, und beabsichtigte der U. S. Hilfskreuzer, in den nächsten Tagen nach Auckland zu gehen, um daselbst, wenn mög lich, das nöthige Material zu beschaffen. Während ich aber diesen Bericht schreibe, erfahre ich als neueste Mittheilung, daß die Arbeiten zur Zeit gänzlich bis auf Weiteres eingestellt sind und die sämmtlichen Arbeitsleute nach Amerika zurückgeschickt werden. Dringend nothwendig ist es, daß mit größter Be schleunigung die Uebernahme der Verwal tungen durch Deutschland erfolgt. Folgende That- sachen beweisen dies zur Genüge. In einem Proceß vor dem Obergericht gegen den samoanischen Postmeister und die samoa nische Regierung als Mitbeklagte, erhob der Rechtsanwalt des Klägers Einspruch gegen die Amtsthätigkeit des Oberrichters in dem vorliegenden Falle, da derselbe als Vorsitzender und Mit glied der samoanischen Regierung befangen sei. Er beantragte, daß der nctina. Otiisk 3Ü8two die Verhandlung vertage bis zur definitiven Neubesetzung des Oberrichterpostens. Zwischen den sämmtlichen anwesenden Mitgliedern des Obergerichtes entspann sich nun eine sehr heftige Controverse über die Zuständigkeit des Oberrichters in Folge seiner gleichzeitigen Stellung als Mitglied der Regierung. Folgerichtig wurde auch die Rechtsgiltigkeit aller von dem interimistischen Oberrichter Osborne gefällten Urtheile in Frage gezogen, was ja besonders für die Criminal-Fälle von tiefgehender Wichtigkeit ist. Der Oberrichter entschloß sich, die Verhandlung bis zum 8. December zu vertagen, um, wenn bis dahin eine Neuregelung der Verwaltungsposten nicht eingetreten sei, wiederum zu vertagen. Noch ein anderer Fall zeigt, wie nöthig eine schleunige Ord nung unserer Verwaltung ist. Am 13. November wurde Franc Eornwall, ein englischer Halfcast, auf seinem an der Küste ge legenen Besitzthum Magia im Bett liegend auf grausige Weise ermordet aufgefunden. Die Mehrzahl der Weißen und Ein geborenen sind der festen Ueberzeugung, daß die That nicht von einem Eingeborenen ausgeführt worden ist. Einem Anträge an die samoanische Regierung, dieselbe möge einen Staatsanwalt ernennen und die Verfolgung der Sache in die Hand nehmen, wurde von der Regierung nicht stattgegeben, sondern es wurde einstimmig beschlossen, sich regierungsseitig nicht mit der Sache zu befassen, so lange die Verhandlungen der Vertragsmächte über die Samoa-Frage nicht beendet seien, und daher auch die öffentliche Anklage nicht zu erheben, sondern die Sache in den Händen der Polizei zu lassen. Die Thätigkeit unseres obersten Gerichtshofes ist daher zur Zeit als brach gelegt zu bezeichnen. Im Interesse der öffentlichen Sicherheit ist also die sofortige Uebernahme der Verwaltung durch Deutschland geboten. (An anderer Stelle geben wir eine anschauliche Schilderung des Ein drucks wider, welchen die Botschaft: „Samoa deutsch!" auf der Insel gemacht hat. D. Red.) Der Krieg in Südafrika. Die englischen Kriegscorrespondenten berichten ihren Blättern nach einem bestimmten Schema: 1. Tag. Großer englischer Sieg, entschiedene Niederlage der Boeren, die feindlichen Geschütze wurden zum Schweigen gebracht, die Boeren „flohen", ihre Stellungen wurden von unseren Truppen besetzt. 2. Tag. Die Boeren kehrten, bedeutend verstärkt, zurück und nahmen von den vorher „verlassenen" Positionen wieder Besitz. Es entwickelte sich ein heftiger Kampf, der von General T mit Einbruch der Dunkelheit abgebrochen wurde. Unsere Verluste sind erheblich, die der Feinde sollen sehr bedeutend sein. 3. Tag. General I zog sich in guter Ordnung da und dahin zurück, die Boeren folgen, einzelne Abteilungen derselben zeigen sich auf unserer rechten (linken) Flanke rc. ES hat fast den Anschein, daß eS mit dem „Sieg" vs» SolrSber« nicht anders geht. Erst völlige Niederlage der Boeren, Flucht aus Eolesberg, Besetzung der Stadt durch die Eng länder, dann: die Stadt wurde noch nicht besetzt, cS verlautet indeß, daß einzelne Patrouillen dieselbe betreten hätten, weiter: die Lage bei ColeSberg hat sich unerwartet geändert. Die Boeren besetzten im Lauf« der Nacht die Stellungen, aus denen sie gestern durch General French „vertrieben" worden waren. Es kam zu einem planlosen Feuen. Die Boeren sind zweifellos beveutend verstärkt worden. Endlich: '* * Raaupoort, 2. Januar. (Telegramm ) Heute wurde au den Hügeln rings um ColeSberg ein heftiges Gefecht geliefert. Der Feind vertheidtgte hart näckig jeden Pnnet, zog sich aber nach und nach zurück. Tie britischen Truppen behielten eine anSgcdehute, die Ttadt im Süden und Osten überragende Stellung. (Ncutermetdung.) Nun fehlt blos noch die Schlußstaffel: Niederlage der Engländer! Jedenfalls sind die Boeren, wie wir von vornherein annahmen, weder auS Rendsburg noch auS ColeS- berg vertrieben worden, sondern sind planmäßig zurück gegangen, um den Feind zu verhängnißvollen Vorstößen zu animiren und dann ihm «in erfolgreiches Gefecht zu liefern. Der Kampf war gestern noch nicht beendet; ob Nachrichten über seinen schließlichen Ausgang heute noch eintrcffen, ist freilich zweifelhaft, da sie höchstwahrscheinlich für die Eng länder ungünstig lauten. , Die „Times" schreibt: ES würde albern und kindisch sein, den kleinlichen Waffenersolgen bei Dordrecht, ColeSberg und SunnHside irgendwelche Bedeutung beizumessen. Die militärische Lage hänge von anderen Faktoren ab, die unverändert bleiben. White sei noch in Ladysmith ein geschlossen, wo Kolik und Fieber in erhöhtem Maße grassiren. Buller habe noch nicht den Tugelafluß überschritten, und Kimberley sei noch nicht entsetzt. Methuen sei außer Stande, vorzurücken. „So lange diese Lage nicht gänzlich anders ge worden ist, können wir kaum hoffen, den beiten Republiken auf ihrem eigenen Boden die Schläge zuzufügen, die wahr scheinlich erforderlich sein werden, um den Krieg zu dem einzigen Ende, das England annehmen kann, zu bringen." Mit den Schlägen, welche die „Times" den Boeren auf ihrem eigenen Boden beibringen will, ist es nun eine eigene Sache. Aus Transvaal- oder Frristaatgebiet sind die Boeren erst recht Kenner des Terrains, mit jrdem Graben und jedem Winkel vertraut. Dort würde der Guerillakrieg in aller Form beginnen und die erwartet«» Siege der Eng länder, die auf alle Fälle von ihren rückwärtigen Ver bindungslinien abgeschnitten werden würden, dürfte sich leicht in Nackenschläge für sie selber verwandeln. Uebrr die Einnahme van rougla« wird uns heute weiter gemeldet: * TonglaS, L. Januar. (Telegramm.) Die feindliche Abtheilung, die von Oberst Pilcher g«fchlag«n wurde, be stand hauptsächlich au- obgrfallenrn britisch«» Staats angehörigen. Der Landdrost floh gestern Abrad mit berittenen Aufständischen. Die nicht berittenen Aufständischen sollen sich, wie es heißt, in der Nähe der Stadt verschanzt haben. Die treu gebliebenen Einwohner der Stadt hißten den Union Jack. Vor Ankunft der britischen Truppen rissen sie die Freistaatt-slagge herunter. Die Truppen wurden mit großer Begeisterung empfangen, besonders als es bekannt wurde, daß die zum Entsatz heranrückenden Streitkräfte aus australischen und canadischen Truppen bestanden. (Reutermeldung.) Auch hier ist der Act also noch nicht zu Ende, da die Dorren sich bei Douglas verschanzt babrn. Warten wir auf den nächsten Coulissenwechsel, er zeigt uns vielleicht ein ganz anderes Bild. General Galacre ist durchaus nicht, wie englische Berichte glauben machen wollen, wieder Hahn im Korde. Die Boeren ergreifen gegen ihn jetzt die Offensive, und er muß sich seiner Haut gehörig wehren. Wir erhalten folgende Meldung: * London, 3. Januar. (Telegramm.) Tie Abendblätter veröffentlichen ein Telegramm aus Cterkstrom vom 3. d. M-, das besagt: Dir Boeren griffen heute früh Molteno an. Der Kampf dauert fort. Tie Lage in Natal, über die unsere Leser schon zur Genüge unterrichtet sind, wird noch durch folgende Nachricht näher charaktrrisirt. * Arere, 3. Januar. (Telegramm.) Die Natal-Carabiniere, die in der Richtung von Springfield, da-südlich vom Tugela und westlich von der britischen Stellung liegt, patrouillirtcn, sahen, wie dieBoereneineKanone ausführten. Ein Eingeborener, der den Boeren entkommen war, theilt mit, daß von ihnen eine kleine Kanone in Springfield und ein schweres Geschütz auf Groblrr's Klos aufgesahren worden sei, das die britische Stellung im Westen beherrscht. (Reutermeldung.) Sensationelle Telegramme finden wir in der „Vosfischen Zeitung". Nach ihnen wäre der Oasos loeckerk-e für Italien gegeben und trete zunächst dadurch in die Erscheinung, daß englische Truppen aus Egypten nach Südafrika gezogen und durch italienische ersetzt würden. Die Nachrichten lauten: * Mailand, 3. Januar. (Telegramm.) Aus Ancona wird gemeldet, aus guter Quelle verlaute, daß das dortige Armee- corpscommando Befehl erhalten habe, Ersatztruppen nach Bari zu senden, da das in dieser Provinz garnisonirende Armeecorps Feuilleton. Bagdad. Von Otto Leonhardt. Nacktruck verboten. So wird denn 'der lebenbringenve Schienenweg in wenigen Jahren auch die alte Khalifenstatot erreichen, und brausenD wird der moderne Verkehr an der Stätte fluthen, wo wir uns bisher nur die großen Gestalten der Vergangenheit wandelnd denken tonnten. Bagdad — die ganze versunken« Herrlichkeit des Orients taucht bei diesem Namen vor uns auf. Das ist die Stadt der Märchen, die Stadt reichster Pracht und feenhaften Glanzes, die gefeiert« Residenz der glorreichen Khalisen, wo hunderttausend Moscheen die Bekenner Mohammed's zur Andacht einluden, 60 000 schimmernde Bäder ihnen Erquickung holen, 12 000 Caravansereien kaum genügten, die Schaaren der Fremden zu fassen; wo tiestzelrhrte Alchymisten der Natur mannigfach« Heil kräfte abrangen, auf stillen Warben kundige Sterndeuter den Gang der ewigen Lichter beobachteten, unv gefeierte Dichter Worte und Gedanken schön wie kostbare Perlen auf einer Schnur an- aneinantdrrrei'hten. All' das ist für immer dahin. Doch noch heut bietet Bagdad dem auf idem Flusse ankommenioen Reisenden einen fesselnden und großartigen AM ick. Zwischen hügeligen Ufern fließt der Tigris hier majestätisch dahin. Zu beiden Selten liegt di« Stadt, westlich ihre kleiner Theil, am Ostufer der größere, ein unübersehbares Gewirr von Häusern jeden Stils und jeder Farbe, überragt von runden Kuppeln und schlanken Minarets. Auf dem Flusse herrscht, besonders in den Morgenstunden, — da« sind die Stunden des Lebens in Bagdad — ein reger Vir kehr; Dampfer und Flußschiff« aller Art liegen vor Anker, dicht mit Menschen besetzte Boot« vermitteln den Verkehr zwischen den beiden Stodttheilen für Di«, di« den Para nicht zahlen wollen, der al« Zoll auf der den Fluß überfetzeitden Schiffsbrücke erhoben wird. DaS Leben auf dieser Brücke erinnert an daS weltberühmt« Bild der Brück« von Galata. Der gleiche, ununterbrochene Strom die» Verkehrs, der gleich« Reichthum der Uniformen, dl« gleich« Mannigfaltigkeit der Typen. Estafetten, Lastträger, Spaziergänger, Offirier« folgen hier bunt aufeinander, dem Peiffer folgt der Jude, der Armenier, der Inder, der Türke, der Europäer. Läßt man dann schließlich von der Brücke den Blick wieder hinübrrschweifen zum anderen Ufer, wo herrliche Gärten bi» zum Wasser selbst hinuntersieigen, die Granat« und Orange blüht und 'hinter dichten Palmen, hinter Ja-min- und Rosen büschen die Gebäude sich verstecken, — ja, dann empfindet man: dir» ist Bagdad, die alte Märchenstadt, di« Königin de» Orient». Deiche Enttäuschung aber, wenn man nun in da» Gewirr der Häuser hineintemcht uttd überall nur Kumme, schmale, dunkle und schmutzig« Gäßchen findet, die zu beiden Seiten nur von fensterlosen, stummen, monotonen unv traurigen Häuserwänden begleitet sind. Sinld diese Gaffen schon am Fuße der Häuser schmal, so verengern sie sich in Folge der in der Höhe vorspringen den Bauweise nach obenhin noch mehr, und selten nur dringt ein Strahl der Sonne in dies traurige Halbdunkel. Doch wird wer die Bedingungen des orientalischen Lebens kennt, diese me lancholische und »venig einnehmende Erscheinung der Straßen Bagdads immerhin etwas anders beurtheilen. Sind die Häuser in ihrem Aeußeren so gänzlich schmucklos, so muß man be denken, >daß es unter 'den despotischen Regierungen des Orients von jeher «in Gebot der Klugheit War, äußere Pracht und den Schein des Reichthums zu vermeiden, um nicht die Habgier der Reg'iereniden herauszufordern. Das Innere straft noch heut bei so manchem Hause in Bagdad die verfallen« Außenseite Lügen und zeigt große Wandspiegel, prächtiges Perlmutterwerk und schöne Holzschnitzereien. Was aber die den Europäer br- drücken-de Enge und Dunkelheit der Straßen angeht, so ist der dadurch geschaffene Schatten rin unermeßlicher Segen für die Bewohner Bagdads in den Stunden der Hitze. Das Klima der Städ-t ist keineswegs ungesund und zahlreiche wohlconiservirte Greise sprechen für feine Vortheil«. Aber die Hitze ist der ewig große Feind der Bagdader, und die eigenthümliche Bauart ihrer Häuser ist ausschließlich aus der durch Jahrhunderte alte Er fahrung erwachsenen Anpassung an die klimatischen Be dingungen zu erklären. Nach der Straße zu, wie bereits bemerkt, völlig fensterlos, umschließen die Häuser in ihrem Inneren einen offenen Hbf, gegen den die Fenster gehen. Dieser Hof ist meistens wohl gepflastert, sauber und kühl gehalten und durch ein paar Palmen und einen Springbrunnen geschmückt. In den nach diesem Hose gehenden Zimmern verlobt man dir Morgenstunden, so lange die unerbittliche Sonn« den Hofvaum noch nicht erwärmt Hai. Schon gegen 10 Uhr aber ist eS hier nicht mehr auszuhalten. Dann flächtet man in die Bagdad eigenthümilich unterirdischen Kellergeiwölbe, di« Serdabs, in deren dumpfer Luft man nun den Refft des Tages in trägem Nichtsthun zubringt, bi» man bei Sonnenuntergang das flache Hausdach ersteigt, Win sich dort der wohlthuenden AbrndkÜhle zu erfreuen. Da sich über dem Par- terregeschosse noch einige Mnterziminer zu befinden pflegen, so hat das Bagdader Hau», vom Grrdob bis zum Dache gerechnet, anscheinend vier Stockwerke, und jedes dieser Stockwerke ist un entbehrlich, will sich der Mensch vor der stechenden Hitze retten. Doch kehren wir au- den Häusern auf die winkligen und schmutzigen Straßen zurück, so müssen wir un- wohl gestehen: wir haben uns dai heutige Bagdad zu schön gedacht. Nur seine 'herrlichen Gärten, denen die Stadt auch den Namen und di« Entstehung veödantt, — denn bsg heißt auf persisch der Garten, und der üppige Reichthum der Vegetation diese» Flecke» hat einst den Khalisen Llmansor bewogen, hier seine Hmrptstadt anzu- legen —, nur Vies« Gärten halten selbst den höchsten Erwartungen Stand. Eineinhalb bis zwei Stunden stromaufwärts und strom abwärts ziehen sie sich am Tigris hin, Palme reiht sich an Palme, Orangen und Limonen hauchen Wohlgerüche aus. Sucht man hingegen in der Stadt nach schönen Gebäuden, so wird man völlig enttäuscht. Bunt« Moscheen unv mächtig- Easernen finvet man wohl, aber auf Schönheit können sie keinen Anspruch machen. Und die Monumente «der großen Vergangenheit Bagdads? Bis auf wenige unbedeutende Ueberreste sind sie verschwunden oder ganz zerfallen. Fast durchgängig aus jenen Lehmziegeln erbaut, die auch noch heute in Bagdad das allgemeine Baumaterial bilden, haben sie dem Zahn der Zeit nicht Stand zu halten ver mocht; und jenes Grabmal der Zbbeide, der Gemahlin Harun- al-Raschid's, das sich allerdings dis zum heutigen Tage noch er halten hat, ist ein plumpes, schmuckloses Werk, das nur als reli giöses Hriligthum des Islams Interesse erweckt. Von den hunderttausend Moscheen, die man einst Bagdad nachsagtr, mögen heute noch etwa 30 stehen, unv kein« davon kann sich Wit ähn- lichen berühmten Bauwerken in Syrien oder Egypten vergleichen. Die älteste davon ist um 1285 erbaut; an ihr wie an anderen Moscheen bemerkt man immerhin noch 'den Unterschied zwischen den älteren und den späteren Bautheilen, indem die älten Be- standtheile sorgfältiger behandelt und geschmackvoller und reicher derorirt sind als die neueren. Wenn neben den Moscheen die Caravansereien und di« Bäder die Hauptzierden einer orientali schen Stadt bissen, so stehen Bagdads Caravansereien selbst denen von mancher Mittelstadt im Oriente nach, und die einst so kostbar ausyestatteten Bäver sinv heut wenig einladend; sie haben schmutzige Räume, schlammiges Wasser und schlechte Bedienung. Don der vergangenen Pracht zeugt daher heute nur noch jene Stätte, wo hier, wie überall im Oriente, das Herz der Stadt schlägt: der Bazar. Einst war der Bazar mit Galerien, Skulpturen und Deko rationen gar zierlich ausgestatet; und noch heute sprechen seine, für Bagdad so kostbaren Steinmauern, über dir zum Schutze gegen die Sonn« große Matten gespannt sind, von ber einstigen Pracht unv Gediegenheit. Er bildet ein« Stadt in der Stadt, ein Labyrinth von halbdunklen Straßen, in denen sich unüberseh bar Laden an Läden reiht, ein großes Stadtviertel, voll von Staub, Geschrei, Gerüchen. Hier drängt sich ununterbrochen die Meng«, Lastträger rempeln den Besucher an, Kinder und Hunde fahren ihm zwischen die Beine, zu den Händlern und Käufern gesellen sich die Spaziergänger, die hier ihr« Neugier befriedigen, Menschen und Waaren sehen wollen. Von 10 Uhr Morgens bis 4 Uhr Nachmittags sluthet hier die Menschenmenge. Noch heut ist Bagdad ein großer Handelsplatz. Hierher kommen di« Beduinen der Wüste, um ihre Einkäufe zu machen, hierher senven all« be nachbarten Länder ihre Waaren, ganz besonders aber sind es Persien und Indien, deren Erzeugnisse von Wichtigkeit für den Markt von Bagdad sind. Sinnbethönnd« Kostbarkeiten sind hier im Bazar von Bagdad zu firkden: prächtig« alt« Waffen, kostbar« Juwelen, herrliche Teppiche, antike Fragmente. Wie überall im Oriente, so ist auch hier der Bazar nach den Waaren eingetheilt. Hier sind wir in ver Abtheilung oer Genußmittel unv sehen und riechen Datteln, Backwerke, Consitiiren, Specereien. Dann wieder passiren wir endlose Reihen von Schuhwaaren, in denen die orientalischen Stutzer und Schönen einen besonderen Luxus entfalten; und auf die juwelengeschmückten Pantoffel folgen wieder Teppiche, kostbare Gewänder, Metallarbeiter!, Waffen. Aus dem Halbdunkel der Bazarstraßen schauen all' diese mannig fachen Farben und Formen magisch hervor unv enthüllen eine ungeheure Welt von Waaren, deren Hüter schweigsame, den Koran lesende oder Pfeife rauchende Türken sintd. Hier enchülll sich die unverwüstliche Lebenskraft der nun über 1100 Jahre alten Stadt, die zwei Zerstörungen durch die Mon golen, die erbitterten Kämpfe der Perser und der Türken um sie, oie endlich in neuerer Zeit zwei entsetzliche Pest- unv mehrere Cholera-Epidemien überstanden hat. Worin liegen die Gründe dieser im Oriente doppelt seltenen Lebenskraft? Mancherlei wirkt zusammen. Vor Allem die unvergleichliche Lage, durch die Bag dav immer das entscheidende Verbindungsglied zwischen dem persischen Golfe und Syrien, zwischen Indien und Europa sein muß. Ein großer, schiffbarer Strom, die üppige Fruchtbarkeit der Umgebung erhöhen diesen Vortheil; di« zahlreichen religiösen Hriligthümer der Stabt ziehen jahrau», jahrein eine große Schaar von Pilgern an, unv durch all' dies ist schließlich im Lauf« der Jahrhunderte in den Bagdadinern ein reger Handel igelst ent wickelt worden, durch den 'diese seit lange berühmten Kaufleute die geborenen Vermittler des an dieser Stell« sich vollziehenden großen Güteraustausches find. Längst haben -diese gescheidtrn Kaufleute auch eingeffehen, daß der Frieden in den Mauern Ser Stadt die wichtigste Vorbedingung für das Gedeihen de» Handels ist. Die Straßen Bagdads sind nicht mehr, wie dermaleinst, die Tummelplätze wilder Religionskämpfe zwischen den Sunniten und Schiiten, und ungestört erwerben die geriebenen schiitischen Perser hier große Rrichthümer. Ungestört bleiben auch dir paar Tausend Christen, die hier wohnen, wenn sich nicht gerade Ar menier und Syrer, Latiner -und Chaldäer gegenseitig -befehden. Ein wichtiges Element der Bevölkerung bilden di« wohl an die 20 000 Köpfe zählenden Jüden der Stadt, die sich selbst für Nachkommen Ser in die babylonische Gefangenschaft geschleppten Stämme halten, aber trotz dieser historischen Bedeutung das schmutzigste Quartier von Bagdad bewohnen. Go zeigt auch die alie Khalifenstgdt die bunte Völkermifchung, die allen großen Städten deS Orients eigen ist. Wie sich die Zustände gestalten werben, wenn die Eisenbahn in diese eigenthümliche Mrschcultur eindringt und deutscher Fleiß das verfallene Werk der Khalisen wieder aufnimmt, das wird jedenfalls eine Entwickelung von ganz besonderem Interesse sein.
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