Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.03.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-03-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010301026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901030102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901030102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-03
- Tag1901-03-01
- Monat1901-03
- Jahr1901
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis <n der Hauptexpedition oder den inl Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus- gabrstellen abgeholt: vierteljährlich ./L 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. V. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postaufschlag bei den Postnnstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rustland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egvpten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition dieses Blattes möglich. Die Morgen-Ausgabe erscheint um Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Ue-action und Expedition: Johannisgaffe 8. Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm's Sortim. Umversitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und KünigSplap 7. Abend-Ausgabe. Wp) igks Tagcd! all Anzeiger. Ämlslitatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Natyes und Vslizei-Ämtes der Lindt Leipzig. Anzeigen-Preis die ('.gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redactionsstrich t'r gespalten) 75 H, vor den Familiennach» richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Zisfernsatz entsprechend hoher. — Gebühren für Nachweisungen und Osfertenaimahme 25 H (excl. Portos. Ertra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung >/6 «0.—, mit Postbesörderung 70—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Truck und Verlag von E. Polz in Leipzig. .z« lll. Freitag den 1. März 1901. 85. Jahrgang. Der Lrieg in Südafrika. De Wet —p. Die Engländer haben sich über De Wet und die ihm zugefügte „vernichtende Niederlage" wieder einmal gründlich geirrt. Ein paar Tage fehlte von ihm jedes Lebenszeichen, dann sollte er bei Petrusville am Süduser des OranjeflusseS stehen, den er, um in den Oranjestaat zurückzuflückten, überschreiten wollte, aber wegen Hochwassers nicht konnte. Immer war er „scharf verfolgt" von verschiedenen britischen Generälen. Er war also effektiv verloren, in der Falle und seine Capitulation nur noch eine Frage kürzester Frist. Jetzt meldet ein Tele gramm des „Reuter'schen Bureaus": * Kapstadt, 28. Februar. Te Wet fand die Drift nördlich von Hovetow» »npassirbar und wandte sich süd wärts. Dctachirtc Abtheiluugen habe» Sie Bahnlinie «bcr- »chritten und näher» sich, scharf verfolgt, Petrusville. Irin späteres Telegramm meldet. De Wet sei im Anmarsch auf PHUippStow» und Präsident Steijn sei bei ihm; ebenso seien Hertzog und Brand zu ihm gestotzeu. Bei Petrusville sollte De Wet schon am Sonnabend gestanden haben. Eulweder war also jene Nachricht falsch oder die neuerliche Meldung ist ungenau. Aber man kann dies ja auf sich beruhen lassen, da das spätere Telegramm besagt, De Wet befinde sich, was wohl zutreffen wird, aus dem Vormarsch nach PhilippStown, also in südlicher Richtung auf die Bahnlinie De Aar—Naauwpoort zu, ein Marsch, den unser Londoner Gewährsmann schon am Dienstag ankündigte. Unsere Vermuthung, daß De Wet gar nicht daran gedacht habe, den Oranjefluß zu über schreiten, sondern nach dem Süden strebe, während die Kämpfe bei Disselfontein nur Manöver seien, um die Con- centrirung der aufgelösten Boerencommandos zu verdecken, bestätigt sich also anscheinend, zumal von verschiedenen Seiten depeschirt wird, daß De Wet sich mit Hertzog und Brand vereinigt habe. Auch eine Privatmeldung besagt: r. Loudon, 1. März. (Privnttelegrnmm.) Aus lkapstadt, 28. Februar, wir- berichtet: Te Wet erzielte -ie Vereinigung mit Braud und Hertzog. brach mit 250V Mann südwärts durch nnd mnrschirt auf volesberg vor. Also auS der Capcolonie ist De Wet noch nicht heraus, und die optimistische Stimmung in London ist bereits wieder in ihr Gegentheil nmgeschlageu. Bon Hopetown bis Nar wals Pont batten die Engländer ein Cordon gezogen und De Wet gegen den unüberschreitbaren Oranje gedrückt, aber nun zeigt es sich, daß dieskS Fangnetz doch ein Loch hatte, denn De Wet ist außerhalb desselben. So erschienen die Vorgänge in dem Oranjeknie zwischen Hopetown nnd Prieska nur als eine Episode, die zwar viel Zeit, viel Kraft und viel Material gekostet, den Lauf der Tinge aber nicht wesentlich gehemmt hat. Inzwischen stellt sich heraus, daß auch der Verlust De Wet'S an Leuten in Anbetracht der angeblich verzweifelten Lage nur ge ring ist. Die „Daily Mail" erfährt aus de Aar vom 27. Februar, eS seien am 26. dS. viel mebr Gefangene gemacht worden als am Tage vorher, darunter zwei Eommandanten, und die Zahl der Gefangenen belaufe sich nunmehr auf 200. Die Zahl 200 wird zweifellos viele englische Leser enttäuschen. Wo ist der Rest geblieben, da anderseits auch nur wenige über den Oranje nach dem Freistaate zurückgelangt sind? Man hat ans englischer Seite mit der ZerstreuunzStaktik der Boeren schon die unangenehmsten Ueberraschungen er lebt, und es ist nicht das erste Mal, daß De Wet'S völlig zersprengte Abtbeilung in: Rücken der Engländer alsbald wieder als geschlossene Masse auftaucht. Ebenso wie de Wet'S geniale Kriegskunst den Engländern wieder ein Schnippchen geschlagen hat, ist Generalcommandant Louis Botha jetzt weit im Rücken von Frenck'S Opcrations-Abtheilungen im Norden der Delagoababn und anscheinend jeder Gefahr entronnen. French bat eS südlich der Bahn nicht mit Botba, sondern mit LucaS Meier zu thun, worüber unS berichtet wird: * Kapstadt, 28. Februar. (Telegramm.) Die Operationen French's werden durch anhaltende Regengüsse verzögert. Täglich werden Boeren gefangen genommen oder strecken die Waffen. Ter vor French befindliche Feind hat sich in kleine Abtheilungen aufgelöst. (Wiederholt.) * London, 1. Mürz. (Telegramm.) Nach Nachrichten der Blätter aus Pretoria machte Smith-Dorrien östlich von Amsterdam 80 Gefangene und erbeutete eine große Menge Vieh, 40 Pferde und 40 Wagen. Auch General French machte 50 Ge fangene und erbeutete Vieh und Wagen. Man beachte, daß Kilckener darüber nichts berichtet. Am 27. Februar vorigen JahreS, am Jahrestage der Niederlage der Engländer am Majubahügel, die sie nie baden vergessen können, ergab sich bekanntlich General Eronje mit 4300 Mann dem Fcldmarsckall Roberts, nnd besten Nachfolger, Lord Kitcbener, hat vielleicht Alles daran gesetzt, um auch seiuer- seits durch die Gefangennahme Botha'S „Rache für Majuba" zu nehmen, und prompt traf, wenn auch nicht am 27., so doch am 28. die Meldung ein, Bolha habe sich formell über geben. Eben so prompt folgte dieser Tartarcnnacbricht aber das amtliche Dementi auf dem Fuße: Im War office in London wußte man gestern noch nichts von der Eapitulation des boerischen Oberbefehlshabers und auch bis heule Mittag war eine solche Meldung nicht eingetroffen, zum wenigsten nicht bekannt gegeben. Tie Frau des Präsidenten Krüger Aus dem Haag wird uns zemeltct: Präsident Krüger hat auf telegraphischem Wege seine Gattin benachrichtigt, daß er seine Operation glücklich überstanden habe und daß er hoffe, in wenigen Monaten seine Rückreise nach Südafrika antrcten zu können. Es würde ihm daher lieber sein, wenn sich seine Gattin nicht erst den Mühseligkeiten einer Reis- nach Europa aussetzen würde. — Man sagt, daß der Präsident diesen Schrill in Rücksicht auf den ungünstigen Eindruck unternommen habe, den die Abreise seiner Gattin auf die boerische Bevölkerung machen würde. Man würde dadurch leicht zu der Annahme gebracht werden, daß der Präsident und seine ganze Familie Südafrika bereits als für die Beeren verloren ansehen. Wie Christian Te Wct General Knox narrte. General Knox befand sich auf der „Verfolgung" des wie immer, nach englischer Version, hoffnungslos eingeschlossenen De Wet. Da, so erzählt der bekannte englische Correspondent Burleigh, blieb eines Tages, wir verließen gerade eine Stadt am Oranjestusse, um De Wet'S Ver folgung fortzusetzen, fuhr ein auffallend proper aussehender Capkarren vor einem Hause vor, und Jemand rief aus dem selben die Insassen an. Ein etwas zurückgebliebener Kund schafter der Colonialtruppe kam. neugierig gemacht, herbei und fragte den Insassen des Capkarren nach Namen und Herkunft. Aber dieser lehnte die Antwort ab, obwohl er unbewaffnet und ein gewöhnlicher Boer zu sein schien. Unser Kundschafter wiederholte seine Aufforderung nur um so dringender, als er Verdacht zu schöpfen begonnen, aber der Boer blieb bei seiner Weigerung mit den Worten: „Ich sehe gar nicht ein, daß ick irgendwie verpflichtet bin. Ihnen meinen Namen zu nennen, oder zu sagen, wer ich bin." Der Colonialreiter riß hierauf seinen Revolver aus dem Halfter, setzte ihn dem Fremden auf die Brust und befahl jetzt: „Euer Name und wer seid Ihr?" Da sprengte ein Trupp bewaffneter Boeren um die nächste Ecke und ehe er sichs versah, war der Spion des General Knox entwaffnet und zum Gefangenen gemacht. „Na, mein Spiel ist aus", sagte er mit der Ergebenheit, welche dieser Sorte von Pfadfindern eigen ist, „aber jetzt werdet Ihr kaum noch zögern, Herr, meine Neugierde zu be- friedigen; jetzt möchte ich erst gerne wissen, wer Ihr seid." „Schön", sagte der Boer, „ich will eS Euch sagen, „ick bin Christian De Wet." ... Indessen zog General Knox mit seinen stets „siegreichen" Truppen auf der anderen Seite des Orts hinaus, um den „hoffnungslos einzescklossenen" De Wet endgiltig zu vernichten und gefangen zu nehmen. politische Tagesschau. * Leipzig, 1. März. Nach einer telegrapbischen Meldung deS „Berliner Tage blattes" Hal die päpstliche Staatskanzlei den Mächten mit- getheilt, daß eS der Wunsch des Papstes sei, bei der cudgiitigen Regelung der chinesische» Angelcgcnhriten hinzu gezogen zu werden, weil die Curie das größte Interesse daran habe, die künftige Stellung der Missionen zu über wachen. Es erscheint uns sehr fraglich, ob die Mächte dem Wunsche des Papstes willfahren können. Würde jetzt die Curie zu den FriedeuSverhandluugen hinzugezogen, so würde damit eine Thaisache geschaffen, die den Keim zu Confl icten zwischen der Curie und den Mächten in sich berge. Der Papst begründet seinen Anspruch mit deut Interesse, das er au ter Uebcrwachung der Missionen bat. So weit dieses Interesse aber geistlicher Natur ist, bedarf der Papst nicht im Mindesten der Theilnahme an den FriedenSverbandlungen mit Cbina, um jene Ueberwackung auSüben zu können: auch ohne jegliche Tbeilnahme des Papstes au Len Friedens verhandlungen kann die Curie die geistlichen Verhält nisse der Missionen vollkommen nach ihrem Belieben überwachen. So weit aber die Curie an Leu Missionen andere, n i ch t ge i st l i ch e Interessen nimmt, greift sie über den Kreis der ihr zustebenden Rechte hinaus und begiebt sich aus ein Gebiet, aus dem die Mächte wünschen müssen, zwischen sich und den Missionen einerseits, China andererseits keinen Dritten aufireten zu sehen. Komm! eS z. B., was nach den bisher gemachten Ersahrungen durchaus möglich ist, dazu, daß die Missionare ihrerseits auS ihrer Sphäre in einer Weise hcraustreten, die Conflicte mit den chinesischen Be hörden oder Bewohnern zur Folge bat, so steht zu be sorgen, daß dann die Curie bei ter Regelung der Streitfrage mitsprechen will. Wie leickt aber in solchen Fällen die Aus fassungen der Kircke von denen der weltlichen Instanz ab weichen und wie langwierige Mißstände aus dem Zwie spalte beider Anschauungen sich ergeben können, darüber darf man sich keiner Täuschung hingeben. Bedenkt man vollends, daß Streitigkeiten unter den Missionen der zwei christlichen Bekenntnisse sich ereignen können, so muß die Aussicht auf die Möglichkeit einer päpstlichen Einmischung doppelt peinlich berühren. Denn daß die Curie grundsätzlich geneigt ist, die Partei der katholischen Mission zu ergreifen, ist unbestreitbar und selbstverständlich. Aus diesen Gründen ist es berechtigt, dem Wunsche Les Papstes auf Zulassung an den Friedensverhandlungen Widerspruch entzegenzusetzen und die Hoffnung auszusprechen, daß Lieser- Wunsch von den Mächten ebenso ab gelehnt Werve, wie seinerzeit das Verlangen nach Zulassung des Papstes zur Haager Friedensconferenz. Ueber den von der CentrumSsraction des preu ßischen Abgeordnetenhauses zum Cultusetat ein gebrachten Antrag betreffs der Krankenpflcgc-Lrden haben sich die Ossiciösen bisher ausgeschwiegen. Den preußischen Conservaliven bereitet der Antrag anscheinend große Ver legenheit; sie möchten, wie man aus einer Auslassung der „Kreuzztg." schließen muß, den Wunsch des (Zentrums gern erfüllen, können sich aber der Einsicht, daß der Erfüllung schwere Bedenken cntgegenstehen, nickt verschließen. DaS füh rende conservative Organ schreibt nämlich: „Der neueste Centrumsantrag hat auf einem eng begrenzten Gebiete eine Gleichstellung der beiden christlichen Kirchen Lurch landeSgesetzliche Beseitigung entgegenstehender Vorschriften zum Ziele. Schon aus diesem Gegensätze ergiebt sich, daß wir gegen ihn nicht die grundsätzlichen Bedenken erheben könne», wie gegen den weit umfassenderen Toleranzantrag. Allerdings glauben wir kaum, daß er in der vorliegenden Fassung auf Annahme durch das Abgeordnetenhaus wird rechnen können. Denn der Unterschied zwischen der auf der ganzen Erde unter einem gemeinsamen Oberhaupt einheitlich organisirteu katholischen Kirche und den auf das preußische Staatsgebiet be schränkten und selbst nicht einmal auf diesem gleichartig gestaltet evangelischen Landeskirchen ist doch namentlich im Hinblick das bei den letzteren bestehende landesherrliche Kirchenregiment jo bedetennd, daß eine völlig gleiche Behandlung der Organe beider Kirchen in allen ihren Stufen nicht angebracht erscheint. Hierdurch aber darf eine erneute Prüfung der Frage, ob in Einzelpuncten die Aufrechterhaltung der bisherigen Be schränkungen katholischer Orden nothwendig ist, in keiner Weise ausgeschlossen werden. In diesem Sinne wünschen auch wir eine wohlwollende Prüfung des Centrumsantragcs um so mehr, als wir verstehen, daß gerade aus dem Gebiete der Kranken- pflege eine aus dem Religionsbekenntnisse beruhende Beschränkung der Bewegungsfreiheit von Len Betheiligten bitter empfunden wird. Be denken haben wir allerdings gegen die in dem Anträge enthaltene Forderung, daß außer der Krankenpflege auch die sonstige Hebung christlicher Nächstenliebe durch die katholischen Orden und ordens ähnlichen Vereinigungen von allen bisherigen Beschränkungen befreit werde. Denn der Begriff „sonstige Uebung christlicher Nächstenliebe" hat doch einen so weiten Inhalt, daß unter seiner Flagge unter Umständen auch staatsseindliche Bestrebungen Deckung finden köunen. Dazu kommt noch, daß in Len Ostmarken unseres Vaterlandes die Thätigkeit von Personen und Bereinigungen, die im Dienste der katholischen Kirche stehen, sich leider vielfach auf die Förderung Nation alpolnijcher Propaganda erstreckt und daß aus diese Weise mit ihr die Gefahr der Verletzung wichtiger Feuvlleton» Die Landstreicherin. Oberbayerische Erzählung von Anton Frhr. v. ,Perfall. Bachtina »crbeic». Da gab es nur einen Trost für ihn: den Berg und die Jagerei. Der Lawiner hatte sich förmlich in den Dienst des Försters gestellt und arbeitete wie ein bezahlter Jagvgehilfe. Das Revier rein zu halten von aller Dieberei, dann und wann -inen guten Hirsch oder Gemsboü zu schießen, war der einzige Ehrgeiz, welcher dem stolzen Bauer noch übrig geblieben. Wehe dem, der es gewagt, ihm auf diesem Grunde entgegen zutreten, sein Blut hätte er dafür eingesetzt. Die Mannheit, die er daheim endgiltig verloren fühlte, fand hier das letzte Feld der Bethätigung. Er war oft die ganze Woche aus, nächtigte in der Jägerhütte und überließ den Hof den Weibern. Marion verstand es dann doch immer wieder, wenn er heim kehrte, mit oder ohne Beute, seiner Leidenschaft zu schmeicheln, feiner jetzigen Thätigkeit eine Bedeutung beizulegen, welche sie tm Grunde genommen für einen Hofbauern nicht hatte, ihm einen förmlichen Empfang zu bereiten. Das versöhnte ihn immer wieder, ließ ihn alles Andere, was er sah und hörte, vergessen. Wieder war es Hochsommer im Gebirge — August. Die Böcke sprangen aufs Blatt, der Feisthirsch, der sonst ewig unsicht bar, hatte keine Ruhe vor den Bremsen und suchte die Suhlen auf. — Der Lawiner war seit Montag draußen im Revier, trotz der Heuernte, die alle Arme beschäftigte. Das besorgte die Marion. Eine drückende Hitze lag auf dem Felde, das Heu rauschte unter dem Rechen, daß es eine Freude war. Marion und Bärbl arbeiteten einträchtig neben einander. Vom grellen Sonnenlicht umflimmert, erschien die Lawinerin noch größer und kräftiger in jeder Bewegung. Sie hielt wiederholt inne, lüftete das rothe Kopftuch, während ihre Blicke den Wald suchten, der an die Wiese arenzie. Biela hatte ihn aufgesucht, Beeren zu suchen. Sie war schon über «in« Stunde aui. Die Arbeit ging ihr nicht von der Hand ohne Biela. Bärbl, deren von der Sonne auSgedorrte Arme immer von Neuem auSgriffen, sah sie von der Seite an. „Wart i schon di«r Jahr' lang auf Lin', schau und frag' den Wald darnach", begann fie plötzlich. „Wünsch' ihn nur recht fest herbei, und auf einnial ist er da", erwiderte Marion. „Wir können Alles, was wir fest wollen. Darin liegt alle Zauberei." „Und bringst Dei' Dirndl net mal aus 'n Wald, mit all' Dein'm —" La schwieg sie, Biela kam zwischen ven Bäumen hervor über die Wiese geschritten. In das glänzend schwarze Haar waren rothe und blaue Blumen gesteckt, in schweren Strähnen fiel es zu beiden Seiten über vas erhitzte Gesicht herab, die jugendliche Brust ging hoch, wie nach strengem Laufen, trotz der Kindlichkeit der ganzen Ec scheinung lag eine frühe Reife über derselben, wie sie nur dem Süden eigen, ein Ausdruck von Weiblichkeit, der dem Aller d-S Mädchens weit oorauseilt«. Sie kam hastig auf die Mutter zu. „Wo warst Du denn so lang? Und nicht einmal Beeren?" Biela's Antlitz wurde dunkelroth, ihre schwarzen Augen roll ien unstät, etwas Marion völlig Fremdes sprach daraus. Dabei dielt sie vas Händchen fest und steif in der Rocktasche, was doch sonst nicht ihre Art — und das seltsame Augenspiel hinüber aus die Bärbl. „Komm Mutter!" flüsterte sie Plötzlich, den Augenblick er haschend, in dem Bärbl kopfschüttelnd wieder zum Rechen griff. „Ich hab' was mitgebracht, nur für Dich — Niemand soll es sehen —" Marion zuckte das.Herz auf, sie wußte selbst nicht, warum, ohne jeden weiteren Gedanken — sie legte den Rechen weg. „Ich komme gleich wieder, Bärbl, möchte grab' im Stall nach' schau'n", entschuldigte sic sich völlig planlos/nicht fähig. Besseres zu finden. „Grab' Dein' Will'n möcht' i haü'n", meinte die Bärbl, „dann kam' er heut' no über d' Wies'n dal^r, wia Dein' Klein' —" „Wer denn?" fragte Marion. „Wer denn? Der Ambros!" erwiederte Bärbl. Marion gab es einen Stick, zugleich drückte sich die Hand Biela's fester in die ihrige. Sie sah unwillkürlich da- Kind fragend an und — las die Antwort. Von Ambro- brachte sic Botschaft, — so unerklärlich es ihr auch war. Hastig zog sie Biela mit sich. „Was hast Du für mich?" „Einen Zettel, Mutter", flüsterte Biela, der notwendigen Heimlichkeit sich wohl bewußt. „Ein junger Mann gab ihn mir. Ich soll ihn Dir geben, daß es Niemand sieht —" „Wo trafst Du den jungen Mann?" „Auf dem großen Schlag. Ich suchte nach Erdbeeren, du stand er plötzlich vor mir. Erst bin ich erschrocken, so wild sah er aus, wie ein Räuber, dann sprach er mich an. „Heißt Du nicht Biela?" Da fürchtete ich mich gar nicht mehr. „Ja, so heiße ich, Biela." Da hat er sich hingekniet — und gepackt hat er mich, und geküßt hat er mich, und geweint hat er auch — und ich hab' mitgeweint — und ich muß wieder weinen, wenn ich daran denke, wie gut und lieb er war, und wie schlecht es ihm wohl gehen muß." „Und dann?" „Dann? Dann ihat es plötzlich einen schrillen Pfiff im Walde, — da ist er aufgesprungen und — und weg war er." „Aber er gab Dir doch etwas mit? Du hast doch eben davon gesprochen", drängte Marion. Biela holte ein Stück abgerissenes Papier heraus, fest zu sammengefaltet. „Da, das hat er mir gegeben. Zuerst wollte er mir selber Alles sagen, dann — dann hat er es doch ausge schrieben, und einen Gruß von Ambros soll ich sagen, Dir ganz allein, und Niemand soll es hören, auch die Bärbl nicht. Er hat mich so schön gebeten darum. Mutter, wenn Tu es Jemand sagst, ich wäre Dir nimmer gut." Marion hörte nicht mehr, sie verschlang die derb« undeut liche Schrift. „Marion! Ich bitt' Dich nur noch um Eins in der Welt, — laß mich Dich allein sprechen, um's Dunkel werd'n, bei der großen Buch'! Zum letzten Mal. Morgen geht's nach Amerika. Ambros!" Sie steckt« hastig den Zettel zu sich. „Ich werd's Niemand sagen, Biela, gewiß, aber auch Du mußt Deinen Mund halten. Weißt Du denn, wer er ist, den Du im Wald ge troffen?" „Wer denn, Mutter?" „Das ist der Mann, der Dich und mich aus dem Schnee gegraben vor sechs Jahren, der uns vom Tod' gerettet." — „Der Mcknn?" Biela blickte starr in das Weite, eine dunkle Erinnerung stieg wohl auf in ihr. „Darum hat er geweint, — der brave Mann. Wenn ich das gewußt hätt', ich hätt' ihn gleich mitgebracht. Kommt er nicht mehr? Ich hab' ihn so lieb, den Mann." Marion bewegten die Wort« heftig. Müh sam faßte sie sich. „Vielleicht, Biela, wenn Du schweigen kannst —" „O, das kann ich, verlaß' Dich darauf. Niemand soll von mir was hören, auch der Bater nicht." Marion kehrte lange nicht zur Arbeit zurück, immer wieder las sie den Zettel. Sie durfte ihm die Ditte nicht verwehren, ihrem Lebensretter, der um sie so viel gelitten, seine Heimath verloren; im Gegentheil, sie mußte Alles thun, ihn zu halten, ihn mit dem Vater auszusöhnen. Und warum wandte er sich an sie, nicht an seine alte Freundin, Vie Bärbl, warum wollte er fie allein sprechen? Hoffte er noch? Aus die Frau seines DaterS? Rechnet» er mit den sechs Jahren, die vergangen, oder wollte er sie zur Rechenschaft ziehen, ihr Vorwürfe machen, sich rächen? Der Pfiff fiel ihr ein, von dem Biela gesprochen. Er war nicht allein gekommen, mit dem verrufenen Toni wohl, der ihr damals schon verhaßt, mit seinem bösen Blick, in der Winter stube, mit seinem boshaften Lachen damals, als er an dem vcr- hängnißvollen Tage mit dem Lawiner das geschossene Stück l^runtergebracht. Gleichviel, si« war fest entschlossen, zur Buche zu kommen in der Dämmerstunde, wie auf dem Zettel stand. Träge verflossen die Stunden, ihr ganzes, bisheriges Leben auf dem Lawinerhof Zog an ihr vorüber. Wie schal doch und leer. Wenn sie zürückdachte in die Wanderschaft, von neuem Reiz umgeben, stieg die bunte, lebensvolle Vergangenheit vor ihr auf. Was sie auch für schlimme Erfahrungen gemacht, entbehrt, die ewige Sorge, die Rohheit der Männer, die sie um gab, steckte doch mehr Glück drein wie in diesem starren Einerlei des Bauernlebens. Dann trat ihr der schöne Jüngling ent gegen, ihr Lebensretter. Er liebt« sie mit der ganzen Kraft seiner gesunden Natur. Und sie wies ihn ab, si: verzichtete auf ihn. Sie kroch im Lawinerhof unter, sie heirathete einen alten, ungeliebten Mann. Alles um Biela, um ihr Kind. Und jetzt kehrte er zurück, wohl mit der alter: Liebe im Herzen, verstoßen, enterbt um sie, auf dem Wege zum Elend, zum Verbrechen viel leicht — und sie darf ihn doch nicht halten, sie darf es nicht wagen, sie fühlte nicht di« Kraft dazu in sich, weil sic ihn selbst liebt, wieder Biela zu Lieb', die fest wurzeln soll auf dem Lawinerhof, die nicht zu den Geächteten gehören soll, zu dem verachteten, fahrenden Volk. Und Biela würde sich so gut mit ihm vertragen. Ich hab' ihn so lieb, den Mann! Wie sie das sagte, da» Kind, und er hat sie geküßt und geweint. — Ein süßer Gedanke stieg in ihr auf. Zuerst brannte eS wie Feuer durch ihr ganzes Wesen. Wenn da die Lösung wäre — in Jahren? All: Schuld war damit getilgt? Ambros und Biela? Der Unterschied in den Jahren wäre kein Hinderniß — der Gedanke ließ sie nicht mehr los, durchleuchtete sie förmlich — eine plötzliche Ruhe kam über sie, eine dunkle Ahnung von fernem Glücke. Die Zusammenkunft unter der Buche hatte nichts Bedrückende- mehr für sie, sie sollte der Grundstein werden für ein« neue Zukunft. Die Mittagsglocke rief das Gesinde vom Feld«. Marion schaffte in der Küche, von Biela unterstützt, dk immer wieder nach dem fremden Mann fragt» und durchaus vissm wollt«,
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite