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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.03.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-03-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010306017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901030601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901030601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-03
- Tag1901-03-06
- Monat1901-03
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redactiousftrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrsörderung ./L 60.—, mit Postbrsörderung 7V.—. Tinnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein, halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz ia Leipzig. 95. Jahrgang. Mittwoch den 6. März 1901. Professor vr. Karl Liedermann f. i. Am 5. März früh 9 Uhr ist der unermüdliche Bor kämpfer und langjährige Führer der nationalliberalen Partei in Sachsen, Professor 0r. Karl Biedermann, an den Folgen eines Nervenschlags, der ibn am 27. Februar getroffen hatte, verstorben. Wiederholt ist auf die Tbatsache hingewiesen worden, daß die Lehrer der Geschichte an unseren Universitäten ein sehr hohes Alter zu er reichen pflegen. Auch ibm war ein solches beschiede», dazu eine wunderbare geistige Frische bis in die letzten Tage. Er hat aber nicht bloS Geschichte gelehrt, sondern er bat an dem Werdegang unseres Volkes tbäligen Antbeil genommen wie kaum einer seiner College». Zwei Drittel seiner langen Erdenlaufbahn waren dem Dienste des nationalen Gedankens gewidmet. Im Mittelpunkte seiner Lebensarbeit steht sein Wirken in der PaulSkirche; und daß er die Wiedergeburt deS Reiches, die dort vergeblich erstrebt worden war, nach langer trüber Zwischenzeit hat erleben und noch drei Jahrzehnte an seinem Ausbau mit arbeiten dürfen, pries er als fein höchstes Glück. Acußere Ehren sind ihm wenig zu Theil geworden, dagegen bat er vor und nach 1848 unter der Kurzsichtigkeit und Engherzigkeit, selbst unter sicht lichem Uebelwollen der Regierung schwer zu leiben gehabt — weniger zu seinem Schaden als zu dem ihres eigenen Ansehens. Sich dadurch verbittern zu lasten, lag nicht in seinem Wesen; und als er vor einigen Zähren durch die Gnade unseres Königs, gegen den ihn aufrichtigste Ver- ehrung beseelte, mit einem Orden ausgezeichnet wurde, hat er sich herzlich darüber gefreut. Auch sonst hat es ihm an der Anerkennung der Besten der Nation nicht gefehlt; vielen stand er freundschaftlich nabe. Zur größten Genugtuung aber gereichten ihm die wiederholten Beweise, daß Fürst Bismarck ihn als einen der treueste» Mitarbeiter an der Errichtung und dem Ausbau deS Reiches schätzte. lieber seipe Jugendzeit Hal Biedermann se'bst zuerst 1802 einen Bericht gegeben, d>'r aus Veranlassung des H--,anS- geberS der Deutschen National-Bibliothek Ferv. Samuel seinem für diese geschriebenen Bucke „Deutschlands trübste Zeit" vorangcsckickt wurde; ausführlicher 188.5 87 in dem zweibändigen Werke: „Mein Leben und ein Stück Zeitgeschichte". Dem ersteren entnehme ich das Nach stehende. Der Verewigte war am 25. September 18l2 in Leipzig geboren, und während der Völkerschlacht sind in das Dach deS HauseS, in dem er als einjähriges Kind eben krank daniederlag, einzelne Kanonenkugeln ein geschlagen. „In meiner Erinnerung", erzählt er, „finde ich mich einige Jahre später in einem Torso des sächsischen Erzgebirges, ArnSfeld bei Annaberg, wieder. Dahin war meine Mutter, deren asteiniger Sorge ich, früh vaterlos, anheimgefallen, mit mir übergesiedelt. Sie unterstützte meine Großmutter in der Führung der Wirihschaft deS dortigen Predigers, wobei sie Zeit genug behielt, mich an ihren Knieen buchstabiren zu lehren und meine jugendliche Phantasie mit Geschichten und Märchen zu ergötzen. So lernte ich schon mit vier Jahren fließend lesen." Bezeichnend für sein Wesen ist ein Begcgniß mit dem ein Jahr älteren Sohne deS Predigers, der ihn beim Spiel in Hof und Garten und auf den freien Plätzen deS» Dorfe- zu lyrannisiren pflegte. „Einmal", erzählt er, „als er's gar zu arg trieb, redete sein eigener Later mir ein, ich solle mir nicht Alles gefallen lassen. Da habe ich, ohne ein Wort zu sprechen, nur mit vor Aufregung dnnkelrothem Gesichte, ihn an der Brust gefaßt, derb ab- geschnttelt und gegen die Wand gedrückt. Seudem ließ er mich gelten, und wir vertrüge» uns ganz gut; denn im Grunde liebte er mich wie einen Bruder." Auch in den beiden adeligen Häusern in Brcitcnhos uud Großpöhla, in denen seine Mutter nachher als Wirtschafterin tbätig war, wurde er mit den Kindern des Hauses unterrichtet. Bon Natur offen und wahr, wurde er einmal durch den Einfluß der Dienstboten zu einer Lüge gegen die geliebte Mutter verleitet. „Der eine Schlag", sagt er, „den ich damals von Mutterband empfing, der ein zige, den ick überhaupt jemals von ibr empfangen zu haben mich entsinne, und die Miene tiefster Bekümmer- niß, womit sie mir die ganze Abscheulichkeit der Lüge deutlich Machte, sind mit unverlöscklicken Zügen in mein Gedäcktniß eingeschrieben, und ich darf Wohl sagen, daß ick mein ganzes Leben hindurch, sowohl in meinen Handlungen und Worten, wie in der Beurteilung Anderer, vor Allem aber in der Erziehung eigener und fremder Kinder, nichts so heilig gehalten und so sehr mir zum unverbrüchlichen Gesetz meine- Verhalten- gemacht habe, als: strengste Wahr haftigkeit." Die Berheirathung der Mutter mit einem Beamten auf einem Hammerwerk brachte dem Knaben zunächst eine köst liche Zeit frischen, frohen Waldlebens. In seinem 9. Jahre aber wurde er, um besseren Unterricht zu genießen, in eine casernenhaste Erziehungsanstalt nach Dresden gekrackt, m der er, unter der Herrschaft eines argen PenualiSmus an Leib und Seele gefährdet, zwei schlimme Jahre verlebt hat. „Die Hemmungen und Verkümmerungen", sagt er, „die ich dort erlitten, habe ick zum Theil erst nack langen Jahren, zum Theil niemals wieder ganz überwunden. Insbesondere ist mir die Fähigkeit und da- Gefühl des unmittelbaren frischen Sichau-leben- und SickgebenS, sammt der daraus entspringenden leichten Erregbarkeit, Miltheilsamkeit und Leichtigkeit im Verkehr mit Andern damals unwiderbringlich vrrloren gegangen." Die von der Mutter au-grfprochene Sorge um den Knaben war e- wohl, wa- den befreundeten Pfarrer Sturz in Knobelsdorf bei Waldheim zu dem Erbieten veranlaßte, ihn al- Pflrgesohn aufzuuebmen. Mit einem einzigen Genossen verlebte er hier die nächsten Jahre in länbUcker Abgeschieden heit bei dem öfter- kränkelnden, aber überaus wohl meinenden alten Junggesellen. Methodischen Unterrickt genoß er hier wenig, desto mebr Anregung zu eigenem Arbeiten, aber «inseitig philologischer Art; neben den alten Classikern las er eifrig, was die HauSbibliothek von deutschen Dichlerwerken bot: Klopstock, Boß, Matthison, manches von Schiller, Körner's Leier und Schwert u. s. w. — von Geschickte, Erdkunde erfuhr er nur, was er sich zufällig aus dem Sckröckh und dem Stein ebendort aneignele, von Mathematik nichts. Auch auf der Kreuzschule in Dresden, deren erste Classe er als Abschluß seiner Schulzeit besuchte, war die Atmo sphäre durchaus philologisch. Er halte hier in der geistig und gesellig belebten Familie der verw. Ober- steuerrath Stclzner Aufnahme gefunden. Die Mißempfin- dung über sein Ungeschick, sich in der ungewohnten Um gebung zu bewegen, brachte ihn, zugleich mit dem er wachenden Bewußtsein der Einseitigkeit seines Wissens, rum Nachdenken über seine bisherige Biloungsweise und ihr Ver- bältniß zu den allgemeinen Lebenszwecken, und allmählich bemächtigte sich seiner „ein gewisser dunkler Drang nach gemeinnützigem, ins Leben eingreifendem Wirken". Ich habe diesen Vorgängen aus der Jugendzeit unseres Heimgegangenen Freundes etwas breiteren Raum gegönnt, weil ich in ihnen den Schlüssel zu seinem Wesen erblicke und weil sie, wenn ich nickt irre, wenig bekannt sind. Von seinem weiteren Studiengang und seiner reichen Thätigkeit kann ich hier nur die Hauptsachen kurz erwähnen. Durch ein Vermächtniß seines Pflegevaters Sturz, der ibn noch ermahnt hatte, „der Wissenschaft treu zu bleiben", war er in Stand gesetzt, den Studien obzuliegen, ebne den Eltern zur Last zu fallen, lieber die Richtung seines Stu diums war er noch unentschieden, als er Ostern 1830 die Universität Leipzig bezog, er trieb sich zunächst auf allen Gebieten umher, „suchend, prüfend, verwerfend, bald angezogen, bald wieder abgestoßen". Erst in Heicelberg, wo er sich 1833—34 aufhielt, reifte in ihm der Entschluß, sich als Privatdocent der Philosophie in Leipzig niedcrzulassen. Ter Anschluß SachsenS an den Zollverein, die Erbauung der Leipzig-Dreödner Eisenbahn, der Hannoversche Staatsstreich und die tapfere Tbat der Göttinger Sieben regten ibn aber mächtig an, und so widmete er eine feiner ersten Schriften (1^39) der Stellung der Wissenschaft und Unwersitäl zu den praktischen Jnie-esien der Gegeiwarl. Ebenso bebantelle er in seiner Geschickte der dculscke.i Philo sophie seit Kant zugleich deren Stellung zu den politischen und socialen Verhältnissen der Gegenwart. Seine Lehrtbäligkcit gewährte ihm viel Befriedigung; namentlich galt dies von den „philosophischen Gesellschaften", Vorläufern der späteren Seminarien, in denen er die strebsameren seiner Zu hörer zu dialogischem Gedankenaustansche näher an sich zog, um sie zu selbstständigem Denken anzuleiten. Ungewöhnlich früh war er zum außerordentlichen Professor befördert worden; bald aber fing man in Dresden an, sein „zu wenig positives" Verkalken zu bemängeln, und eS wurde ihm der Rath ertheilt, er möchte sich der Behandlung religiöser, nicht minder recht licher und staatlicher Fragen enthalten; am besten würde er sich auf das Gebiet des rein formalen Denkens, der Logik, beschränken. Damit fühlte er sich als akademischer Lebrer aufs Trockne gesetzt, und so wurde er aus einem Manne des Katheders notbgedrungcn ein Mann der Feder. Mil den, Beginn deS Jahres 1842 ließ er die Deutsche Monatsschrift erscheinen, deren Programm bereits die bestimmte Forderung des politischen AnicklusseS der deutschen Staaten an Preußen, der Ausbildung des Zollvereins nach der politisch nationalen Seite, der Klärung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche enthielt — die Grundlagen des nachmaligen Programms der nationalliberalen Partei. Von der Censur vielfach behelligt, wurde diese Zeitschrift, die eine Menge namhafter Mitarbeiter um sich gesammelt batte, 1845» — be zeichnend sür den damaligen Stand der Dinge — in Preußen verboten. Nm dem abzubelfen, erschien sie fortan (1846 bis 1848) unter dem Titel „Unsere Gegenwart und Zukunft" als censurfreie Vierteljabrssckrift. Eine unter dem Titel „Ein Wort an SachsenS Stände" durch den Druck veröffentlichte Festrede, in der er die Forderungen des Landes auS Anlaß des unseligen Leipziger Vorfalls vom August 1845 — Niederster ckung friedlicker Menschen durck eine unzeitige Militärgewebrsalve — varlegte, krackte ihm den ersten Preßproceß ein; obwohl ihn die dritte Instanz „im Mangel mehreren Vertackls" frei sprach, folgte dock bald daS Verbot des ferneren Hallens staatsrechtlicher Vorlesungen. Auch seine Geschichte des ersleu preußischen Reichstags wurde in Preußen strengstens verfolgt. Aber daS Alles vermehrte nur das Ansehen deS unerschrockenen Kämpfers. Kurz nach Begründung der Monatsschrift hatte sich Biedermann mit einer Schwester seines Jugendfreundes Kock, unseres nackmaligen Oberbürgermeisters, nach sechsjähriger VerlobungSzrit verbeiratbet. In einer fast 45jährigen glück lichen Ebe hat sie ihm zwei Söhne und zwei Töckter ge boren und erziehen helfen. Von den Söhnen wurde der eine ihm in der Blütbe deS Mannesalters durch den Tod entrissen, der andere ist als Regierungsrath im Patentamt angestellt, die Töckter haben ihm treulick den bescheidenen, aber bis in die letzte Zeit immer gastfreien Hau-Halt ge führt und seine geistigen Interessen getbcilt. Der erste Schritt der persönlichen Betheiligung am öffent lichen Leben war die Uebernabme des Vorsitze- im Sckrift- stcllervereine, der, unter dem Scherznamen der „Maikäfer" bekannt, viele namhafte Männer auch aus anderen Berufs kreisen an sich zog. In gleicker Eigenschaft war er 1845 bei der allgemeinen deutschen SchriftsteUrrversammlung thätig. AuS jenem Vereine ging später auch das Lesemuseum hervor. Bei der Begründung des Leipziger Turnvereins durch Ur. Bock und vr. Schreker wurde er, obwohl selbst nur „schwacher" Turner, an die Spitze de- Turnrathe- gestellt. Da- Jahr 1845 brachte ihn aber auch in das Stadt- verordnetencollegium — gleichzeitig mit Robert Blum, gegen besten radikale Richtung er den besonnenen Fortschritt vertrat; zwei Jahre später wurde er zum Vicevorsteber gewählt. AIS nun Ende Februar 1848 die Nackricht vom Ausdruck ter Revolution in Paris hier eintraf, rief B. im Einvernebmen mit dem Voisitzenden, Advocat Werner, di« einfluß reicheren Mitglieder zu einer vrrtraulicken Besprechung zusammen und legte ihnen den Entwurf einer Adresse vor, worin die Gefahr der Lage, der Zwie spalt zwischen Regierung und Volk freimüthig geschildert und zur Abhilfe zweierlei erbeten wurde: größere Entfesselung der Presse und Anbahnung einer Nationalvertretung im Bunde. Zurrst von links her lebhaft bekämpft, Tags darauf aber in öffentlicher Sitzung fast einstimmig angenommen, führte diese Adresse — Dank der umsichtigen und selbst losen Vermittelung des Ministers von Carlowitz ohne jede Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung — zur Ersetzung deS „vormärzlichen" Ministeriums durch das neue Ministerium Braun, Georgi und von der Psordten. Bezeichnend für den wunderbaren Umickwung der Dinge ist, daß Biedermann im März vom König Friedrich August selbst zu einer Besprechung mit Vertretern der süddeutschen Staaten über eine Bundesreform nach Berlin entsandt wurde — eine Mission, die durch das Verhalten deS Königs Friedrich Wilhelm IV. gegenstandslos wurde. Inzwischen war das Vorparlament nach Frankfurt aus geschrieben worden, und Biedermann, der inzwischen seine Gedanken in dem Schriftcken „DaS deutsche Parlament" näher ausgeführt batte, wurde von einer Versammlung von Vertrauensmännern dahin abzeordnet. Zu der bald darauf zusammenberusenen Nationalversammlung, welche, nach einem treffenden Worte Heinrichs von Sybel, „von keiner früheren oder späteren Versammlung in Deutschland an Geist und Talent, an Wissen und Beredtsamkeit, an idealem Streben und edler Vaterlandsliebe übertroffen worden ist", wurde B. von dem Zwickauer Wahlkreise gewählt; noch mehrere Wahlkreise hatten ihm ein Mandat angeboren. In Frank furt gehörte er zu den Begründern der etwa 250 Köpfe zählenden Erbkaiserpartei, in der er meist den Vorsitz führte. Gegen das Ende hin wurde ihm in der Nationalversammlung selbst daS Amt des ersten Bicepräsidenten übertragen. Auch gebörte er der Abordnung an, die dem König von Preußen die Kaiserkrone antrug. Nach dem Scheitern der großen Hoffnungen nahm er im Sommer 1849 noch an der Zusammenkunft in Gotha zur Anerkennung ber „UnionSver- fassung" Tbeil, im klebrigen eifrig mit dec Ausarbeitung seiner „Erinnerungen aus der Panlsk/rche" beschäftigt — „einer Arbeit voll schmerzlicher und doch wieder erhebender Empfindungen." Im Herbst 1849 wurde B. in den sächsischen Landtag gewählt. Umfassende Reformen waren diesem in Aussicht gestellt, aber die Vorlagen ließen von Monat zu Monat auf sich warten; der Landtag drängte, und schließlich erfolgte aus Anlaß der deutschen Frage — der erklärten Absicht, den alten Bundestag wieder aufleben zu lassen — der offene Bruck mit dem Ministerium. Der Landtag wurde am 1. Juni 1850 aufgelöst, und gleich darauf wurden die alten, am 17. November 1848 vom König feierlich aufgehobenen Stände wieccrbergestellt. Biedermann'S öffentliche Tbätigkeit fand vorläufig ihren Abschluß mit der Schrift: „Die Wieder einberufung der alten Stände in Sachsen aus dem Gesickts- puncte deS Rechts und der Politik. Zugleich eine Recht- sertigung der Kammern von 1849,50." Auf da- politische Leben in Deutschland überhaupt war ein verheerender Reif gefallen. Oie Wirren in China. Rußland und die Mandschurei. Die „Times" veröffentlichen folgende Depesche ihres Pekinger Berichterstatters: Die Russen geben zu, daß die in den „Times" am 28. Februar veröffentlichten Be dingungen der Uebereinkunft über die Mandschurei dem Wesen nach richtig sind, sie bestreiten jedoch die Richtigkeit bestimmter Einzelheiten. Im Artikel 4 soll eS nickt heißen: „Cvina verpflichtet sich, keine Truppen an irgend einem Platz aufzustellen, wo die Eisenbahn noch nicht vollendet oder be gonnen ist", sondern richtig: „China verpflichtet sich, keine Soldaten an irgend einem Platze der Mandschurei auf zustellen, ehe die transmandschuriscke Bahn fertig ist". Auch ist der Anfang des Artikels 8 bestimmter gefaßt, als mein Telegramm wiedergiebt. Es lautet nickt: „In der Mandschurei, der Mongolei und in Chinesisch-Turkestan sollen keine Eisenbahn-, Bergwerks- oder andere Concessionen den Angehörigen einer anderen Macht gewährt werden, noch darf auch China selbst eine Baku bauen", sondern ber Aitikel beginnt: „An allen an die russische Grenze stoßenden Plätzen, nämlich in der Mandschurei, ber Mongolei und im neuen Tarbagata-Gebiete, in Jli, Kasckgarei, Aarkand, Kbotan und an anderen Plätzen". Sodann wiederholt der Artikel die Namen aller dieser Oert- lickkeiten hinter den Worten: „Auch bars China selbst keine Bahn bauen" und setzt hinzu: «ohne die vorherige Zustim mung Rußland-". * Shanghai, 4. März. Die „North China Daily News" veröffentlichen eine Depesche aus Peking vom 3. März, in der es heißt: Rußland bat den Artikel 7 des Abkommen- über die Mandschurei zurückgezogen. China hat wegen diese- Ber- tragS an die Machte appellirt. Nach Mittbeilungen au» Singonsu zeigt die Kaisrrin-Wittwe einen ziemlich heftigen Widerstand gegen die Rückkehr nach Peking. * Shanghai, 4. März. (Telegrammdes „Reuter'ichen Bureaus") Sechs hier vor Anker liegende Dampfer gehen heute von hier ab, nachdem di« Häfen im Norden wieder ei-frei geworden sind. Die Häfen sind in diesem Jahre bei weitem nicht so lange gesperrt gewesen al» in früheren Jahren. Die Hunger-noth in Lchcnsi. Aus Peking, 8. Januar, schreibt man uns: Vor Kurzem wurde in der hiesigen amtlichen Zeitung ein am 25. November v. I. in Hsianfu erlassenes kaiserliches Edict veröffentlicht, das wegen des Eingeständnisses der Hungersnot h in Scheust und der Ausschrei tungen des chinesischen Militärs von Interesse ist. Es lautet wie folgt: „Der Censor Kuang ting hsien hat eine Eingabe darüber ein gereicht, daß in der Provinz Schensi in Folg, de« schlechten Jahres und der Theuerung die kleine Bevölkerung sich nur schwer ernähren könne, und beantragt, daß im Handels- und volkswirtk- schaftlichen Interesse eine straffe militärische Zucht eingeführt werde. In der jetzt gerade von Hungersnoth heimgesuchten Pro vinz Schensi kann der Schwierigkeit der Volksernährung nur durch ununterbrochene Zufuhr der Kaufmannschaft begegnet wer den. Wenn es sich tatsächlich so verhält, wie in der Eingabe des genannten Censors angegeben, daß nämlich die Soldaten sich in den Wohnungen der Bürger festgesetzt haben, und die letzteren auf alle mögliche Weise dadurch belästigen, daß der Handelsstand lahmgelegt ist und der Preis des Getreides von Tag zu Tag steigt, dann wäre dies in der That ein im höchsten Grade un würdiger Zustand. Es sollen daher die Befehlshaber der allenthalben stationirten Truppenteile strengen Befehl erlassen, daß diese sich sämmtlich Lager bauen und innerhalb dieser in Zelten wohnen, teinenfall- aber Bürgerwohnungen oder Gasthäuser belegen dürfen, was nur den Handel behindern würde. Was die innerhalb der Provinzial Hauptstadt Sianfu befindlichen Truppen anlangt, so soll, ab gesehen von den Mannschaften des Hu-shen-ying (Tigergcist- Truppe) und Shen-chi-ying (Pekinger-Feldtruppe), welche in den Lagern der Bannertruppen campiren und exercirrn sollen, uns den hier gebliebenen Mannschaften der Leibgarde, im klebrigen der Gouverneur Tsen-chun-hsüan allen anderen Truppentheilen, gleichviel wer es sei, Befehl geben, daß sie sich sammt und sonders draußen vor der Stadt Terrain aufsuchen, um darauf ihre Zelte zu errichten und ihre Lager aufzuschlagen; keinem soll gestattet sein, Bürgerwohnungen oder Gasthauser zu belegen. Durch öffentliche Bekanntmachungen sollen ferner die Kauf leute eingeladen werden, Reis und Getreide für die Ernährung der Bevölkerung herbeizuschaffen. Für jeden Fall, daß ein solcher Getreioetransport eine Grenze zu passiren hat, sollen die General gouverneure und Gouverneure der betreffenden Pro vinzen an alle Kreise Befehl ergehen lassen, Sta tionen zum wirksamen Schutze solcher Transporte zu errichten. Im Interesse des Handels und zur Linderung der Volksnoth soll ferner an die Zollstationen von Schensi und Honan der Befehl ergehen, vorläufig auf Getreide keine Zölle und Likin- abgaben zu erheben. Sollte es später noch Vorkommen, daß Sol daten herumstreifen und die Bevölkerung belästigen, dann werden die betreffenden Commandanten streng zur Rechenschaft gezogen werden. Wenn gelegentlich eines kaufmännischen Reistrans- portes ein Kreisbeamter Geldabgaben fordern und den Reis verkauf behindern sollte, so ist er ohne die geringste Nachsicht nam haft zu machen und zu strenger Bestrafung zur Anzeige zu bringen. Vorstehendes soll überall zur öffentlichen Kenntniß gebracht werden." Der Krieg in Südafrika. Zur angeblichen Unterwerfung votha'S wird unS aus London gemeldet: Es ist unverkennbar, daß der Versuch Kilckener'S, Botha zur Unterwerfung zu veranlassen, in gewisser Beziehung zu der neueren Wendung der ckin esisch en Frage stand. Die politischen Kreise England nehmen augenscheinlich mit Berechtigung an, daß die kürzliche lange Anwesenheit Kaiser Wilhelm's in England dazu beigetragen hat, das Zusammengehen Deutschlands und Eng lands hinsichtlich der ostasiatischen Angelegenheiten noch weiter zu festigen, und daß beide Mächte augenblicklich entschlossen sind, ein einseitiges Vorgehen Rußlands zur Erlangung von Sondervortheilen zu bekämpfen. Begreiflicher Weise empfindet man deshalb in diesem Augenblick die Fesseln, die der b ritischen Politik durch den südafrikanischen Krieg angelegt sind, um so schwerer, und deshalb wies man Lord Kitchener an, nochmals Schritte zu unternehmen, umdieBoerenauf gütlichem Wege zur Niederlegung der Waffen zu veran lassen. Daher erfolgte die Entsendung der Frau de- Gcnerals Botha, um Letzteren zu einer Zusammenkunft nach Middelburg einzuladen. Ob die Besprechung wirklich stattge funden hat, ist augenblicklich noch nicht klar; aber sicher ist, daß Kitchener Botha das Anerbieten machte, es solle kein Mann seiner Armee aus Südafrika entfernt werden, und alle früheren Be amten der beiden Republiken sollten sofort in der zu schaffenden britischen Colonialverwaltung Anstellungen erhalten. Außerdem wurden den Anführern der Boerenarmee eine Geldabfin dung angeboten. — Diese Anträge wurden jedoch von Botha zurückgewiesen, der die Niederlegung der Waffen nur gegen das bindende Versprechen, daß die Unabhängigkeit beider Boerenrepubliken unangetastet bleiben werde, zugestehen wollte. Die Pest. *kapftadt, 5. März, Reuters Bureau ") Heute wurden vier neue Pest fälle angczeigt. Die Kranken find zwei weifie und zwei farbige Personen. Ein anderer an der Pest »erstorbener iSingeborener, besten Erkrankung nicht gemeldet worden ist, ist aufgrfnnden worden. Mil der Impfung der Bewohner wird fortgefahren. Deutsches Reich. Berlin, 5. März. (Centrum, Conservative und vcr Kampf gegen das Polenthum.) In der letzten Woche haben sich zwei Ereignisse abgespielt, deren Erörterung durch die beiden führenden Organe der beiden größten Parteien ein grelles Schlaglickt auf die inneren Verhältnisse in Preußen und darüber hinaus in Deutschland wirft: der OrdenS- antrag deS CentrumS und eine Polendebatte, in die Fürst Herbert Bismarck eingriff. Wie die „Köln. Volk-ztg." den ersteren und wie die „Kreuzztg." den letzteren Vorgang beleuchtet, das zeigt, vor welcher Gefahr sowohl die culturelle wie die nationale Entwickelung in Deutschland steht. Die „Köln. VolkSztg." lobt da- Ver halten der Conservativen in der Orben-frage über den grünen Klee, während sie sowohl über die Mittelparteien wie über die Freisinnigen aufs Aeußerste erbittert ist, weil diese Parteien durch ihre Taktik da- Centrum dazu zwangen, für den abschirächenden conservativen Unterantrag zu stimmen. „Da- katholisch« Volk sieht, welcher Kampfe-art »- sich von den EulturkampsSparteien stet- zu verseden hat. Da- Vorgehen der Lonseroativen war dagegen »an Anfang an loyol,
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