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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.03.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-03-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010309015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901030901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901030901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-03
- Tag1901-03-09
- Monat1901-03
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Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Nedaction und Expedition: Johannisgasse 8. Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm's Sortim. Unrversitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und Königsplatz 7. Morgen-Ausgabe. Nip)iM TaMM Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes nnd Votizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Sonnabend den 9. März 1901. Anzeigen »Preis die ^gespaltene Petitzelle 25 H. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4gespalten) 75 H, vor den Familiennach« richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Zisternsatz entsprechend hoher. — Gebühren für Nachweisungen und Osfertenannahme L5 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ./L 00.—, mit Postbesörderung 70.—. Änttahmelchluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an die Expedition zu richten. Tie Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 85. Jahrgang. Kaiser und Kanzler. Als das Ergebniß der Reichstag-Verhandlungen über die auswärtige Politik stellt das führende Centrumsorgan fest, „daß die große Mehrheit des Reichstages grundsätzlich die Politik der Regierung billigt, wie sie ja auch gar nicht anders kann, so lange sie nicht wirklich in dieselbe eingeweiht ist, daß sie aber manches Drum und Dran, die äußere Jnscene- setzung , mit großem Unbehagen sieht und die Besor g n iß von Extravacanzen nicht loswcrden kann. Die selbe Auffassung dürfte die große Mehrheit des Volkes haben." So wird sich die Sache wohl in der That verhalten. Je wahrscheinlicher dies ist, umsomehr erscheint es angezeigt, der Quelle nachzugehen, aus dec jenes Unbehagen und jene Be- sorgniß entspringen; gerade ein Gedenktag, wie der heutige Todestag Kaiser Wilhelm's I. es ist, muß als hierfür besonders geeignet erscheinen. Diese Quelle aber besteht nach der lleber- zeugung sehr vieler Baterlandsfreunde in dem Umstande, daß oer verantwortliche Staatsmann nicht der thatsächlich leitende i st, sich vielmehr auch in Bezug auf Fragen der auswärtigen Politik nicht selten vor plötzlich gefaßte Entschließungen des Monarchen gestellt sieht, d'e er ur sprünglich in seine Rechnung nicht eingestellt hat, sondern erst nachträglich vertreten muß. Zu solchen Entschlüssen gehören, um über die Entsendung des Grafen Walversee nach China ganz hinwcgzugchen, Vorgänge, wie die Otoensverleihung an Lord Roberts, gewisse Aeußerungen des Kaisers während seines letzten Aufenthaltes in England, die Bremerhavener Rede vom vorigen Sommer u. a. Es wird nicht Viele in Deutschland geben, die des Glaubens leben, daß betreffs der angeführten Puncte zwischen Kaiser und Kanzler vorher Verabredungen getroffen worden seien. Das nimmt auch der Verfasser einer uns vorliegenden Zuschrift nicht an, in der Betrachtungen über die Grenzen der Kanzlermacht angestellt werden und das Verlangen gewisser Heißsporne, der Kanzler müsse, wenn er irgend eine Handlung oder Aeußerung des Kaisers nicht billige, zurüektreten, als un berechtigt und bedenklich zurllckweist. Er schreibt hierüber: „Wir zweifeln nicht, daß der Reichskanzler die Unabhängig leit der deutschen Politik dem Auslände gegenüber stets zu wahren wissen wird. Viel schwieriger, ja unmöglich aber ist es für ihn, dieselbe Unabhängigkeit im Jnlande vurchzusctzen. Die Grenze dieser Unabhängigkeit ist die höhere Stellung des Monarchen. Die Rede des Reichskanzlers vom Dienstag liefert den Beleg dafür, wenn ein solcher Beweis überhaupt noch nöthig war. Er hat nicht gesagt und konnte selbstverständlich auch nicht sagen, daß ihm die Verleihung 'des Schwarzen Adlerordens an Lord Roberts nicht erwünscht erschienen sei, aber sowohl aus der Art, wie er diese Ordensverleihung zu erklären und als politisch be deutungslos hinzustellen bemüht war, wie auch aus seiner Er klärung, daß die Ordensverleihungen ein persönliches Recht des Königs seien, geht hervor, daß es dem Kanzler lieber gewesen wäre, wenn die Auszeichnung nicht stattgefunden hätte. Es fehlt nun nicht un Heißspornen, die da meinen, daß, wenn der Monarch, mag cs sich um äußere oder innere Politik handeln, in einem den Auffassungen des verantwortlichen leitenden Staatsmannes nicht entsprechenden Sinne verfahre, es eine Ehrenpflicht für diesen Staatsmann sei, sein Amt in die Hände des Herrschers zurückzulegcn. Dem gegenüber sei doch daran er innert, daß es selbst dem Fürsten Bismarck, und zwar selbst dem Kaiser Wilhelm I. gegenüber, der doch gewiß viel weniger Neigung zu persönlichem Eingreifen besaß, als der gegenwärtige Monarch, durchaus nicht immer gelang, zu ver hindern, was er nicht sür richtig hielt. Es sei nur daran er innert, daß Bismarck die Beseitigung des seine Politik gegenüber Rußland naturgemäß erschwerenden directen Ver kehrs zwischen dem Militärattache- am russischen Hofe und dem Kaiser nicht durchzusetzen vermochte. Es sei ferner daran erinnert, daß in den kaum zwei Jahren, in denen Bismarck unter dem gegenwärtigen Kaiser noch als Reichskanzler sungirte, mancherlei geschah, was Bismarck für unrichtig Hielt, so beispielsweise das Hervortreten des Kaisers in socialpolitischer Richtung, wobei cs sich doch um eine viel einschneidendere Frage bandelte, als es die Ordensverleihung an Roberts ist. Trotzdem hätte Bismarck seinen Posten nicht verlassen, wenn er nicht dazu gezwungen worden wäre. Warum wollte Bismarck bleiben? Weil er, wie aus seinem berühmten „Entlassungsgcsuche", das inhaltlich der Gegensatz eines solchen war, hervorgeht, der Ucberzeugung war, daß seine Dienste für das Vaterland noch nothwendig wären. Er wußte, daß unter seinem Nachfolger die Zustände und die Richtung der Politik sich nicht bessern, sondern verschlimmern würden, und sie vier Jahre Caprivi'scher Thätigkeit haben seine Befürchtungen als begründet erwiesen. Heute ist die politische Situation eine vielleicht noch schwie rigere, als 1890, und sie erfordert gewiß «inen gewandten und erfahrenen Staatsmann. Und schon darum wäre «s geradezu unpatriotisch, aus einer Angelegenheit, die wohl bedauerlich, aber nicht weltbewegend ist, «ine Cabinetsfrage zu machen. Es wäre aber auch aus einem rein menschlichen Grunde eine — wenn dieser Ausdruck gestattet ist — Härte, wenn der Reichskanzler um einzelner Vorgänge willen sein Amt dem Kaiser vor die Füße würfe. Es ist einer der sympathischsten Züge an dem gegenwärtigen Kaiser, daß er ebenso schnell, wie sein Tempera ment ihn zu einer Handlung veranlaßt, auch rinsieht, wenn er sich geirrt hat. Ein bezeichnendes Beispiel dafür, daß der Kaiser sich durchaus nicht sür unfehlbar hälst darf vielleicht, obwohl cS nicht in das Gebiet 'der Politik schlägt, hier erzählt werden. Der Kaiser hatte vor einigen Jahren veranlaßt, daß die Oper eines neueren hochbegabten Komponisten in Berlin nicht aufgeführt wurde. Bei einem Besuche in Karlsruhe soll er den von ihm sehr geschätzten Felix Mottl nach seiner Meinung über die Oper gefragt und, als dieser erklärte, er halte das Werk für höchst bc deutend, halb im Scherze, halb im Ernst ausgerufen haben: „Donnerwetter, da hab' ich daneben gehauen." Einem solchen Manne, der sich trotz seiner hohen Stellung und seines starken Selbstgefühls nicht auf den unfehlbaren Papst hinausspielt, mit puritanischer Härte gegenüberzutret«», wenn man in einer ein zelnen Handlung des Monarchen eine Erschwerung der Politik erblickt, wäre menschlich nicht lobenswerth und politisch nicht klug, weil daS Gegentheil von dem erreicht werden würde, waS erreicht werden soll. Wir wollen selbstverständlich mit unseren Ausführungen nicht sagen, daß der Kanzler Alles, was von oben kommt, hin nehmen'soll. Er soll und wird cs sicherlich in geeigneten Fällen nicht an Vorstellungen fehlen lassen, ebenso wie wir uns das Recht der Kritik nicht darum nehmen lassen, weil Derjenige, den wir triiisiren, die höchste Person im Staate ist. Aber ebenso, wie wir es für verkehrt halten würden, wenn die national-gesinnte Presse um einzelner Vorkommnisse willen den Kaiser gewisser maßen als zu bekämpfenden Feind ansähe, ebenso würden wir es als übertrieben ansehen, wenn um des einen oder anderen Falles willen der Reichskanzler die Cabinetsfrage stellte. Selbst verständlich darf er sich durch die Grenzen, die ihm die hölfere Stellung des Kaisers setzt, nicht in dem Maße einschränken lassen, daß er etwa auch dann noch mitmacht«, wenn die höchste Stelle ihm eine von ihm für verderblich gehaltene Gesammtpoliti! auf- nöthigen wollte." Solchen äußersten Fällen wird am wirksamsten vor gebeugt, wenn von dem Kanzler nicht eine nachträgliche Ver tretung plötzlicher Entschließungen des Kaisers gefordert, sondern vor jeder solchen Entschließung eine Verständigung zwischen dem Oberhaupte des Reiches und seinem verantwortlichen Nathgeber zur Regel gemacht wird. Ohne solche Verslandigungsversuche, die um so erfolgreicher sein werden, je öfter sie erfolgen, wird das Unbehagen und die Besorgniß vor Extravacanzen nicht schwinden. Dabei kann gar keine Rede davon sein, daß derartige Aussprüche mit dem Streben nach der Herbeiführung des parlamentarischen Regierungssystems in Deutschland — wie die „Grenzboten" in ihrer letzten Nummer behaupten — auch nur das Geringste zu thun hätten, oder daß der Kaiser von dem verantwortlichen Minister — wie die „Grenzboten" ebenfalls behaupten — sich gängeln lassen sollte. Was in Wahrheit gefordert toi cd, ist die Wiederherstellung des Verhältnisses zwischen Kaiser und Kanzler, das zwischen Kaiser Wilhelm 1. und Bismarck zum Segen für Kaiser und Reich bestanden hat. Auch Kaiser Wilhelm I. hat, wie die oben mitgetheilte Zuschrift mit Recht betonr, keineswegs auf die eigene Initiative verzichtet, aber trotzdem während seiner ganzen Regierung daran festgehalten, daß der oberste verantwort liche Staatsmann im Sinne der vielberufenen Cabinetsordre vorn 8. September 1852 auch der thatsächlich leitende sein müsse. In die Aushebung dieser Cabinetsordre einzuwilligen, hat sich Fürst Bismarck dem Verlangen Kaiser Wilhelm's II. gegenüber nicht bereit gefunden. Er hat damit im Sinne des Heimgegangenen Kaisers gehandelt, unter dem die heute nur allzu lebhaft spru delnde Quelle des Unbehagens, der Mißstimmung und der Be- soraniß verstopft blieb, im Sinne des Heimgegangenen Herrschers, den der kaiserliche Enkel als „ denGro ße n " ehrt/ Oer Krieg in Südafrika. Weshalb Botha >md Te Wct ihre Operationen nntcrbrachcn. Man schreibt uns aus London unterm 6. März: Die Intimen des KriegSministeriums, die Leute, die stets Alles wissen wollen und niemals verantwortlich sind sür die „ge heimen, aber zuverlässigen" (und nur zu oft absichtlich ersuntenen) Informationen, die sie, meist absichtlich und plan mäßig, der Presse mittbeilen, zuweilen aber auch sich von einigen „Bevorzugten" scheinbar wenigstens nur widerwillig entreißen lassen, haben heute eine neue Version — sie gehört zu der letzteren Kategorie — über den Ausgang und das Fehlschlägen der letzten Operationen Kitchencr's gegen Louis Botha und De Wet. So unbeglaubigt die Darstellung ist, so ist sie doch inter essant genug, zumal Manche? darin die Wahrscheinlichkeit sür sich hat und Lichtblicke in das Dunkel der Vorgänge der letzten Wochen gewährt. Kitchener hatte, heißt eS, die bekannten Verstärkungen vom Kriegsamte mit der kategorischen Erklärung gefordert, er müsse jede Verantwortlichkeit für die weitere Ent wickelung der Dinge ableknen, falls ihm besonders die ge forderte Reiterei nicht schleunigst und ohne jeden Abzug bewilligt würde. Die Ursache dieser kategorischen Forderung aber wäre nicht sowohl in der militärischen Nothwenbigkeit derselbe» vom KriegSamte erblickt worben, sondern sei vielmehr daS Ergebniß einer gewissen Spannung zwischen den diesseitigen Autoritäten einschließlich deü Lord Roberts, und deni Oberbefehlshaber in Südafrika gewesen, in letzter Instanz Hervorgernfen durch eine Aufforderung des War- Office an Kitcbener, die „Politik des FarmcnniederbrennenS" durch rein milirärische Maßregeln zu ersetzen. Kitcbener habe eben daraufhin kurz erklärt, wenn er den Krieg nicht aus seine Weise durch „ZwangSmaßrezeln" forciren könne, so müsse man ihm ganz andere Truppenmengen zur Ver fügung stellen u. s. w. Schließlich sei man zu einem Eoin- promiß dahin gekommen, Kilchener solle seine Gesammt- truppen theilen und mit der einen Hälfte unter General Knox, mit der anderen unter seiner eigenen Leitung, mit French als Unterbefehlshaber, einen letzten großen Versuch machen, unter Anspannung aller Kräfte und Concentrirung sämmtlicher verfügbarer Truppen einerseits De Wet ab zusangen und andererseits Botha zu umstelle» und zur Eapitulation zu zwingen. Man hatte so gehofft, den Krieg zu Ende zu führen, wenigstens den regulären, ossicicllen Krieg. Kilchener traf seine bekannten vielwöchentlichen Vor bereitungen, begann seine Operationen, aber nur, um bald darauf melden zu müssen, daß die Durchführung deS ver einbarten Planes aussichtslos, da es ihm, wie er schon wiederholt gemeldet, an der nöthigen Cavallerie und damit an der ganz unentbehrlichen Beweglichkeit fehle, um auch nur die eine seiner beiden Aufgaben befriedigend lösen zu können. Und Kilchener erneuerte seine Anfrage, wann er bestimmt aus seine 50,000 Mann Cavallerie und wenigstens 100,000 frische Pferde rechnen könne, mit dem gleichzeitigen Hinzufügen, er werde nach den jetzt gemachten Erfahrungen noch weit bedeutenderer Verstärkungen bedürfen. DaS KnegSawt erklärte sich dazu einfach unfähig, und wiederholte seinerseits, daß selbst die gewünschten 50 000 Reiter erst allmählich und jedenfalls nicht in kürzester Frist citt- geschifft werden könnten. Und nun passirte daS Unerwartete: LordKilchener antwortete darauf mit derErklärung.unter die,en Umständen sähe er keinen anderen Weg, als Ver handlungen mit dem Feinde einzulriten, um so den Krieg zu Ende zu bringen, da er jetzt auf größere Opera ¬ tionen angesichts der Erschöpfung seiner Truppen durch die letzte lange Hatz hinter Te Wet und die auf reibenden Eilmärsche hinter Botha so wie so verzichten und seine Truppen und ganz besonders seinen Train erst wieder rcorganisircn müsse, zumal fast seine sämmtlichcn Zugthiere ge fallen sind. Wenn ihm daS dann gelungen, stehe die schlechte Jahreszeit vor der Thür, die Boereu ihrerseits würden sich in kleineren Abtheilungcn über daS ganze Land hin ver- theilcn, und dann könne von größeren, endgiltigen Opera tionen gegen sie bis Ende des Jahres nicht mehr die Rede sein. Zn London war man, so wird weiter erzählt, über diese Stimmung im Grunde gar nicht un gehalten, ja, einzelne Mitglieder dec Negierung begrüßten dieselbe um so mehr, als sie lediglich die auch hier herrschende Kricgsmüdigkeil widerspiegelt und gleich zeitig den Fricdenssebnsüchtigen im Ministerium auf alle Fälle einen Sündcnbock für einen den JingoS noch immer verhaßten Friedensschluß liefert. Kilchener erhielt also nach Anhören Sir Alfred Mil ner's, der gleichfalls jetzt — und zwar energischer als man hätte erwarten dürfen — für einen Compromiß eintrat, die nöthigen Vollmachten und leitete Wassensliltstandsunterhand- lungen in dem Augenblicke mit LouiS Botha ein, als dieser bereits Kitchencr's Truppen gegen Middelburg zurück geworfen und den General French mit seiner Reiterei und den aus dem ganzen Süd-Osl-Trausvaal znsammeugetricbcnen Vichhcerden abgesckuiltcn hatte. Eü wird ausdrücklich be stätigt, das; es nicht Botha war, dir um einen Waffen stillstand gebeten, sondern daß Kilchener seinerseits die Verhandlungen eröffnet habe. Botha stellte seine Bedingungen, Kilchener teiegraphirte dieselben nach Loudon und Capstadt, erhielt aber die prompte Ant wort, daß von auch nur ähnlichen Bedingungen gar keine Rede sein könne und die Boeren auf jede wirkliche Autonomie re. verzichten und einfach britische Colonial-Bürger werden müßten. Zugestauden wurde nur die Forderung Bolha's nach sofortiger Repalriiruug der auf Sanct Helena, Ceylon w. befindlichen gefangenen Boeren. Ganz abgelehnt wurde die Bedingung der Boeren, daß die aufständischen Eapholläudcr, welche sich den Boeren- commandos angeschlosscn, straffrei ausgingen. (Es scheint, unser Gewährsmann ist darüber, wie über die ganzen Fragen der Bedingungen offenbar selbst im Unklaren.) Dann folgte eine Art Komödie der Irrungen zwischen Lord Kilchener und der Regierung, in die Sir Alfred Milner noch verwirrender eingriff, indem er keinen von beiden Recht gab, ja cs wäre innerhalb der diesseitigen Regierung selbst nickt einmal zu einer Einigung über das, waö unter diesen Umständen geschehen müsse, gekommen. Thatsächlich setzte Kilchener seine Unterhandlungen, während er auf e»d- gillige Antwort aus London wartete, fort, Botha forderte Zeit um seinerseits mit Schalk Burger und Krüger sich zu be nehmen, sowie Präsident Steizn und De Wet zu benach richtigen. De Wet erhielt diese Nachricht als er gerade den Oranjesluß überschritt, und eilte nun, der dringenden Auf forderung Botha'S zufolge, wieder nordwärts und das um so mehr, als Kitchener sich angeblich bereit erklärt hatte, für sehr weitgehende Zugeständnisse in London selbst einzutreten, unter der Bedingung, daß die Beeren inzwischen auf jede Offensive verzichten und De Wet seinen Einfall in die Capcolonie ausgäbe. Anderer seits hätte Kitchener darauf verzichtet, De Wet den Weg zu verlegen und ihn unbehelligt durch seine Reihen gelassen. — Der letztere Thcil ter Mitlhcilnng siebt recht verdächtig aus, scheint cö doch ganz so, als wolle man eine Erklärung für das Mißlingen der Kilchener'schcn Operationen gegen Te Wet finden. Oie Wirre» in China. Mit Bezug auf die wiederholt gemeldete und ebenso ost demcntirlc Rückkehr des kaiserlichen HofcS von Singanfu nach Peking verlautet nunmehr mit ziemlicher Bestimmtheit, daß der Kaiser rejp. die Machthaber an seinem Hofe sich endgiltig dabin entschieden haben, nicht nach der alten Hauptstadt zurückzukehren, wenn die verbündeten Mächte darauf bestehen, das GesandtschastSviertcl in eine große Festung zu verwandeln, dabei sogar eine ganze Anzahl von öffentlichen chinesischen Gebäuden und heiligen Tempeln (darunter als einen der wichtigsten und für die Chinesen wcrlhvollsten denjenigen mit Len Gedenk tafeln der Vorfahren des jetzigen Kaisers) abzureißen und auch sonst die Situation für den kaiserlichen Hof und die chinesische Regierung unerträglich zu gestalten. Es soll hierüber bereüs eine ossiciclle Aeußerung vom Hoflager nach Peking gesandt worden sein, jedoch war noch nichts darüber in Erfahrung zu bringen, wie sich die Mächte dieser neuen Complication gegenüber zu verhalten beabsichtigen. Teutschps Reich Berlin, 8. März. (Protrstantisirung des OstenS?) Die letzten Veröffentlichungen über die Tbätig- keit der Ansiedeluiigscommission geben der klerikalen Presse wieder einmal Anlaß zu der Behauptung, daß die Staats mittel dazu verwendet würben, den Osten zu protestantisiren. Es wird darauf hingewiesen, daß von etwa 4500 Ansiedler familien mehr als 4000 protestantischer Confession seien. „Ist eS da ein Wunder", so ruft die „Germania" aus, „wenn nicht bloS die polnischen, sondern auch die deutschen Katholiken die Polcnpolilik der Negierung verurtheilen und bekämpfen? Wir können doch nicht mit verschränkten Armcn zuseden, wie der KatboliciSmuS in Posen und West preußen allmählich völlig zu Grunde gebt." Nun giebt die „Germania" selbst zu, daß die Zahl ter Köpfe ter in Posen und Westpreußcn angesicdellen Protestanten noch nicht 30 000 beträgt. In der Provinz Posen leben nun neben Len 1 200 000 Katholiken 600 000 Protestanten und in der Pro vinz Wcstpreußen neben etwa 730 000 Katholiken ungefähr 700 000 Evangelische, in beiden Provinzen zusammen genommen überwiegen also die Katholiken die Protestanten um etwa 650 000 Seelen. Vergleicht inan diese Ziffer mit den noch nicht 30 000 durch die AnsiedelungScommission nach der Ostmark gezogenen Protestanten, so wird man zugeben, daß die Behauptung von dem „völligen Zugrundegehen des Kalholicismus" eine ungeheuerliche llebertreibung verstellt. Zum Zweiten ist es eine Entstellung der Thalsachen, wenn man cs so darstellt, als ob die AnsiedelungScommission ans confessionellcn Gründen protestantische Ansiedler bevor zuge. Der ausgesprochene Zweck des Ansiedelung? Werkes ist cö, einen Damm gegen das Polenthum zu er richten. Jeder vernünftige Mensch wird nun einen Tamm uicku aus ungeeigneten!, sondern aus festem und haltbarem Materiale Herstellen, er wird lieber Steine oder harte Erde dazu nehmen, als Butter. Die deutschen Katholiken der Ost mark aber schmelzen dabin wie Butter vor der Gnaden sonne oder dem ZorneSblick polnischer Bischöfe. Es ist ja doch erst wenige Monate her, daß im Wahlkreise Meseritz- Bomst die deutschen Katholiken ihrer großen Mehrheit nach einen deutschgesinnten katholischen Canbidaten im Stiche ließen und für den polnischen Bewerber stimmten, weil der Erzbischof von Posen den deulschgesinnten Canbidaten, der ein ihm untergebener Geistlicher war, seine Ungnade hatte empfinden lassen. Angesichts solcher Thalsachen wäre es dock» LaS Untlügsle, was die Ausiedelungs'commission thun könnte, Bauern anzusiedeln, die den Einflüssen der höheren und niederen polnischen katholischen Geistlichkeit zugänglich sind. 6. kl. Berlin, 8.März. (W chnungSnot h n ndArbeits losigkeit in Berlin.) Arbeitslosigkeit und WohnungSncrb, jene unheimlichen Erscheinungen, machen sich jetzt in Berlin ;ebr bemerkbar und bereiten der arbeitenden Bevölkerung schwere, sorgenvolle Stunden. Auö dem soeben mir zn- zestelltcn Berichte des Centralvercins für den Arbeitsnachweis ergiebt sich, daß im Februar daselbst 2457 Personen um Arbeit nacksuchten, aber nur 125l solche erhielten. Am wenigsten Werken von der Arbeitsnoth noch die weiblichen Personen betroffen; 185 verlangten Arbeit, 139 erhielten sie. Schlimmer sind schon die ausgelernten männlichen Arbeiter daran; 1682 vei laugten Arbeit, 982 erhielten sie. Viel schlimmer aber steht es bezüglich der qnalisicirten Arbeiter, hier scheint die Arbeitslosigkeit enorm groß zu jein. 36l Maler suchten Arbeit nach, 72 erhielten sie, l79 Schlosser, 50 Klempner wollten Beschäftigung haben, 19 resp. 9 konnten untcrgebracht werden. Alles in Allem wurden, wie schon gesagt, von 2457 um Arbeit nachsuchenden Personen 1251 untergebracht, 1378 freilich ssätteu untcrgebracht werden können, denn so viel wurden von Arbeitgebern verlangt; aber auch so bleibt der Procentsatz der vergebens um Arbeit uachfragenden Personen ein sehr hoher und betrübender. Mil der Arbeitslosigkeit hat sich die so schlimme Wohnungs- noth eingestellt. Am 1. Januar l899 standen noch 4363 Wohnungen mit einem heizbaren Zimmer leer; heute sind es nur noch 524; Wohnungen mit zwei heizbaren Zimmern waren am l. Januar 1899 noch 1408 zu haben, heute nur noch 276. Das sind sehr betrübende Erscheinungen und unsere Stadtverordnetenversammlung wird sich sehr ernstlich mit dem unheimlichen Gaste der Wohnungsnoih zu beschäftigen haben. Der zur Vorberatbung des Antrages Singer, betreffend die Wobnungönolh, niedergesetzte Ausschuß der Stadtverordneten versammlung hat sich auf folgenden Beschluß geeinigt: „Wir ersuchen den Magistrat, mit gemeinnützigen Baugenossen schaften und gemeinnützigen Actiengcsellschaflen für die Her stellung gesunder Kleinwohnungen in Verbindung zu treten und die Modalitäten festzusetzen, wie durch Unterstützung seitens der Stadt (Hergabe von Grund und Boten zu Eigentbum oder Erbbaupacht, Hypolhekenübernabme, Zinsgarantien rc.) kleine Wohnungen seitens jener Genossen schaften und Gesellschaften in erheblicher Anzahl hergesiellt werben können. Die Höhe der Mielhe ist so zu bemessen, daß nur die Verzinsung und Amortisation des aufgewenbclen Capitals, die aus der Instandhaltung entstehenden Auf wendungen, sowie die VerwaltungSkosten in Anrechnung ge bracht werden. Die erforderlichen Mittel sind auf dem Wege einer Anleihe zu beschaffen und sieht die Versamm lung einer Vorlage des Magistrats entgegen." U. Berlin, 8. März. (Privattclegramm.) lieber das Befinden des Kaisers und feine Behandlung wird der „Nat.- Zlg." Folgendes berichtet: „Der Umstand, daß die Körper temperatur des Kaisers auch in der verflossenen Nacht normal blieb, und die weitere erfreuliche Beobachtung, daß beim heutigen Wechsel des Verbandes die Wunde keinerlei Reiz erscheinungen zeigte, bietet die Gewähr, Laß der HeilungS- proceß in normaler Weise ohne Störung verlaufen wird. Die in dem Bulletin erwähnte mäßige An schwellung der Augenlider und der Wange rechlerseitS ist ohne Bedeutung und darauf zurückzufübrcn, raß in Folge des Aufschlagens des pfundschweren EisenstückeS auf die Wange eine Suggillatio» (Austritt von Blut in daS Unter hautzellgewebe) mit nachfolgender mäßiger Anschwellung ein getreten ist. Diese an sich harmlose Erscheinung ist unter dem Namen „blaue Flecken" wohl bekannt. DaS für die Be- urtheilung der Verletzung wichtigste und erfreulichste Moment ist, daß kein Wundfieber eingetreten ist. Tie behandelnden Aerzte batten befürchtet, daß in Folge vcr Verwundung und des unvermeidlichen ChocS, der seelischen Erregung deS Kaisers über das abscheuliche Attentat, vielleicht auch durch zunächst nicht absolute Reinhaltung der Wunde ein Wundfieber ein treten könnte. DaS Alles ist aber glücklicher Weise an der kräftigen und gesunden Natur deS Kaisers abgcprallt, und er hat auch bereits seinen Humor wiebergefunden. In einem Telegramm, das der Kaiser gestern an den Prinzen Heinrich nach Bremerhaven sandte, meldet er: „Ich sehe aus, als wenn ich auö Cbina käme." Diese humoristische Anspielung auf die chinesischen Boxerkämpse bezieht sich vermuthlich auf den Ver band, den der Kaiser trägt. Tie rechte GesichtShälft« ist von dem aus weißen, aseptischen Gazestreisen bestehenden Verbände vollständig verdeckt und damit er sich nicht verschiebt, sind weitere Vcrbantstreifen um Kopf und Kinn kunstvoll ge- sck'lungen. Frei vom Verbände sind nur die link» GesichtS- hälftr und ras linke Auge. Da« sieht schreckhafter au«, al«
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