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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.03.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-03-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010311027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901031102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901031102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-03
- Tag1901-03-11
- Monat1901-03
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Montag den 11. März 1901. Anzeigen-Preis -K i!gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redactionsstrick <4 gespalten» 7k> H, vor den FamiliennacM richten (6 gespalten) 50 Bj. 'Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme L5 H (excl. Porto). Ertra Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ./c 60.—, mit Postbesörderung .a! 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Erpedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. FiricdenövcrhanSlnngcii. Durch Neulermeldungen war bekannt geworden, daß Botha und andere Boerenfiihrer schon am 27. Februar mit Kitchener in Middelburg (Transvaal) zusammcngekommen seien, um über die Frage der Einstellung der Feindseligkeiten zu verhandeln, uno einen siebentägigen Waffenstillstand erhalten hätten, um mit den anderen Boerencommandanten zu berathcn. Eine andere Meldung wollte wissen, daß in diese Abmachungen alle Boeren- siihrer eingcschlossen seien, außer De Wet. Es ist kaum anzu- nehmen, daß Botha, der bekanntlich Oberbefehlshaber über alle Bocrcnstreitkräfte ist, sich diese Bedingung hat vorschreiben lassen. So lange er freie Verfügung über sich hat — und die bat er, da er nicht in Folge der militärischen Operationen French's zu Unterhandlungen gezwungen wurde, sondern aus freien Stücken gekommen ist — so lange ist er auch in seinem Ebarakter als Oberbefehlshaber nicht beschränkt, und wird als solcher seinen bedeutendsten Unterführer nicht ans den Verhano- langen ausschließen lassen. Erst wenn sich Herausstellen sollte, daß De Wet selbst auch jetzt noch nichts von Frieden wissen will, wird er ihn von den Verhandlungen ausschließen dürfen. Der siebentägige Waffenstillstand müßte schon am 6. März abgelausen sein. D?e nächste Zusammenkunft zwischen Kitchener und Botha hat aber nach einer Meldung aus Pretoria erst am 8. früh statt gefunden, und zwar bei Pretoria, wo ja inzwischen auch der neue Gouverneur für Südafrika, Milner, eing-troffen ist. Die Be sprechung hat einige Zeit gedauert, zu welchem Ergebniß sie ge führt hat, ist unbekannt. Was den Waffenstillstand anvctrifft, der Botha gewährt sein soll, so könnte er sich nur auf Botha und die seinem Kommando direkt unterstehenden Leute beziehen; renn auf allen andern Tbeilen des Kriegsschauplatzes hat der Kampf nicht geruht. Or. Leyos, der zur Zeit in Paris weilt, hatte eine Unieb redung mit einem Vertreter des „Journal". Er leugnete zu nächst, daß seine Anwesenheit in Paris mit der Tagung des in ternationalen Boeren-Fricdenscomitös irgendwie Zusammen hänge. Was vie internationale Vermittelung anbetrisft, so be merkte er, dem Präsidenten Krüger gestatte zur Zeit sein Gesund heitszustand nicht, sich nach Petersburgs begeben, der Zar werde aber später bestimmen, wann Krüger nach Petersburg kommen solle. Bezüglich der Friedensverhandlungen hätten Botha, sowie De Wet und Stcijn freie Hand. Bedingungslose llebergabe sei auch heute noch ausgeschlossen. Dagegen bezeich nete es Leyvs als einen gangbaren Ausweg, wenn den Eng ländern die Minenfelder abgetreten würden, im klebrigen aber den Boeren ihre alte Unabhängigkeit ge lassen würde. Was auch immer das Resultat der Bemühungen Milner's nnd Kitchener's, die Boeren zu einom Friedensschluß zu bewegen, sein mag, auf jeden Fall hat die Aufnahme der betreffenden Nach richten in allen Kreisen der englischen Bevölkerung bewiesen, wie herzlich müde man hier des Krieges ist, und wie gerne man die Gelegenheit willkommen heißt, um dem ganzen südafrikanischen „ZusinoZo" in Ehren endlich ein Ende machen zu können. Das ist ein ungeheuererVortheil für die Boeren, den diese hoffentlich bei den Verhandlungen gründlich ausnutzen. Die Wirren in China. Die Nachricht eines englischen Blattes, daß 600 Russen mit 10 Geschützen Masampo in Korea besetzt haben, be darf wohl noch oer Bestätigung, denn ein solches Vorgehen würde gerade jetzt in Japan große Verstimmung Hervorrufen. Ma- sampo ist ein dem ausländischen Handel geöffneter Hafen an der Slldküste von Korea, dem in einer Entfernung von kaum 100 Kilometer die japanische Insel Tsushima gegenüberliegt. Schon zu Ende des vorvorigen und zu Anfang des vorigen Jahres war von Masampo viel die Rede. Der russische Gesandte in Korea, Herr Pawlow, hatte auf einer Reise nach Petersburg Masampo besucht und bei dieser Gelegenheit den dortigen koreanischen Be amten ein Stück Land bezeichnet, das er für die Zwecke der russischen Negierung zu kaufen beabsichtigte. Das betreffende Stück Land war im Besitze von Privateigenthümern und diesen wurde es bald darauf von japanischen Spekulanten abgekauft. Als Pawlow zurückkehrte, bemerkte er dies und glaubte daraus schließen zu müssen, daß die japanische Regierung ihm einen Streich gespielt habe. Er verlangte darum von den koreanischen Behörden, daß dieselben die Japaner von dem Grundstücke ent fernten. Die japanische Regierung griff aber ein und machte den koreanischen Beamten klar, daß eine Exmission nicht statthaft sei, da das Grundstück auf eine gesetzlich vollkommen giltige Weise gekauft worden sei. Auch zwischen dem japanischen Bevollmäch tigten in Söul und Pawlow selbst fanden Auseinandersetzungen statt, worauf dann Pawlow sein Verlangen zurückzog. Später verlangten aber, wie die „Frkf. Ztg." in Erinnerung bringt, die Russen ein anderes Grundstück in Masampo, wozu sie vollkommen berechtigt waren, denn es giebt keinen Vertragshafen in Ostasien, in dem nicht auswärtige Regierungen für ihre Consulate, Maga zine, Werften und dergleichen Land besitzen. Als Rußland zum ersten Male seine Forderung erneuerte, verlangte es eine Insel im Hafen, aber diese war, wie sich herausstellte, auch schon an Japaner verpachtet. In Folge dessen mußten sich die Russen mit einom Grundstücke innerhalb des Gebietes der ausländischen Niederlassung begnügen, und so galt die Sache als erledigt. Wenn nun die Russen in Masampo wirklich Truppen gelandet haben, so dürfte dies zunächst unter dem Vorwande geschehen sein, daß die russische Niederlassung geschützt werden solle. Freilich hat man noch nichts davon gehört, daß dieselbe bedroht war. Politische Tagesschau. * Leipzig, 11. März. Panzerplatte» zu fabriciren und zu verkaufen ist ein Ge schäft wie jedes andere, nur daß man sich nicht als Fabrikant dieser kostbaren Platten etabliren kann, »vie man einen Grün kramladen aufmackt. Immerhin aber ist eS eben ein Ge- sckäft, daS »vie jedes andere einen Profit abwerfen soll, und Niemand darf verlangen, daß dieses „heiligste" Gesckästsprincip von den Parnerplattenherstellcrn außer Acht gelassen werde. Einen angemessenen Verdienst wird man ihnen also zugestcben können, ja zugestehen müssen, auch wenn der Abnehmer zufällig das eigene Vaterland ist. Wir stellen uns hier ab sichtlich auf einen sehr „liberalen" Standpunkt (liberal im zwiefachen Sinne), uni den Fabrikanten möglichst gerecht zu werden, ohne freilich dabei außer Acht lassen zu können, daß die in Frage stehenden Industriellen fick nicht ausschließlich als private Unternehmer betrachtet wissen möchten. Zum Beispiel gebt dies aus ihrer Stellung zum Schutzzoll hervor, von dem sie unter besonderer Betonung der, übrigens auch unzweifelhaft vorhandenen, Interessen der Allgemeinheit, der Arbeiter und Anderer verlangen, daß er ihnen den Absatz ihrer Produkte im Inland« erleichtere. Daß dicS auch sür die Unternehmer selbst nicht nachlbcilig ist, sei nebenbei bemerkt. Es kann nun aber der Fall eintreten, daß diese Industrie die Conjunctur benutzt, um demselben Staate, der sie schützt, für ihre Produkte so Hobe Preise aufzuerlegen, daß der Staat mit berechtigtem Neide über seine Grenzen sehen muß, »vo durch gefällige Vermittelung derselben Unternehmer dasselbe Product in gleicher Güte hergestellt und weit billiger an einen andern Staat geliefert wird. In diesem Falle darf man doch »voht daran zweifeln, ob die Grenzen der angemessenen Rentabilität innegehalten worden sind, und ob nicht, wie eS in der Sprache der ReichStags- Budgetcommission heißt, eine „unerhörte Preistreiberei" vorliegt. Daß diese und ähnliche Erörterungen Denen, die sie angehen, unangenehm sind, ist erklärlich, und sie erklären nun den Sachverhalt in den „Berl. Neuesten Nachrichten" folgendermaßen: Falsch ist erstens die Angabe, daß die deutsche Marine verwaltung 400 ./» mehr zahlt, als die amerikanische, der Preisunterschied beträgt nur 220 ./L Falsch ist, daß jeder Jahres bedarf der deutschen Marine 7500 t erfordert; der Jahresbedarf ist erheblich niedriger und sinkt in dem Maße, als die Ausführung des Jlottcsgejetzes vorschreitet. Falsch ist infolge dessen die Behauptung, daß sich „ein jährlicher Nachtheil von 3 Millionen" und ein solcher „von 60 Millionen sür die Dauer der Bauzeit Les Flottenprogramms" ergiebt. Falsch ist demnach endlich auch die daran geknüpfte Aeußernng von einer „unerhörten Preistreiberei" der beiden deutschen Fabriken, da — wie der .Herr Staatssekretär des ReichSmarineamts es gestern selbst hervorgehoben — sie bei gleichen Bedingungen auch zn den selben Preisen liefern wie die amerikanischen Fabriken. Es ist hoch bedauerlich und jedenfalls ein unerhörter Vorgang, daß ein derartig falscher Bericht überhaupt ausgestellt und als amtliches Material des Reichstages veröffentlicht werden konnte. Das stimmt jedoch nicht ganz, denn es ist Thatsache, daß die Preise, die sich die Firma Krupp bisher von der deutschen Marineverwaltung hat zahlen lassen, thatsäcklich um 400 höher waren, als die amerikanische Marine verwaltung hierfür zahlt. Eine Ermäßigung um 150 hat, nach der betreffenden Mittkeilung des Slaatssekrekärs v.Tirpitz, die Firma Krupp j etzt erst für einen neuen JahreSbedarf von nicht unter 6000 Tonnen, also bedingungsweise, angeboten. Die „B.N.N." bestreiten ferner die Preistreibereien der beiden deut schen Fabriken, indem sie sich aus den Staatssekretär des Reichs- marineamtS berufen, der im Reichstage selbst hervvrgehobcn habe, daß die beiden deutschen Firmen bei gleichen Be dingungen auch zu denselben Preisen liefern wie die amerika nischen Fabriken. Diese Aeußerung hat der Minister nicht gethan. Nack dem Parlamentsbericht des „ReichSanzeigers" hat Herr v. Tirpitz nur gesagt: „Die Firma (Krupp) hat sich . . . ferner erboten, noch eine weitere erhebliche Preisermäßigung eintreten zn lassen, wenn die Bestellung auf eine größere Reihe von Jahren gesichert sei. Es ist genau dieselbe Bedingung, die seitens der amerikanischen Panzer- plattensabriken sür die amerikanische Verwaltung gestellt worden ist." Aus dieser Sachlage glaubte der Staatssekretär die Hoff nung schöpfen zu dürfen, daß die noch schwebenven Verhanc- lungen mit der Firma für die Zukunft das Resultat zeitigen »viirden, „daß unsere Panzerplatten nicht theurer sein werden als in Nordamerika". Der Staatssekretär hat also nur von einer zukünftigen Preisparität, die er auch nur erhofft, gesprochen, während es nach den „N. Nachr." scheinen muß, als ob diese jetzt schon bestände. Um jedoch auch die Moti- rirung der höheren Preise kennen zu lernen, cilircn wir aus dem Industricorgan noch folgenden polemisirenden Abschnitt: Bei den Vereinigten Staaten handelt es sich um einen Auftrag von 36 000 Tonnen, in Deutschland um einen sinkenden Jahres bedarf von gegenwärtig 6000 Tonnen. Tas Tentfche Reich bezahlt also seine Panzerplatten nickt theurer „als die Ver- ereinigten Staaten bei entsprechendem Bedarf zahlen würden", sondern der Bedarf der Vereinigten Staaten ist eben ei» ganz anderer, weil in einem einmaligen Auftrage von 36 000 Tonnen fest vergeben, während in Deutschland immer nur um Len Jahresbedars vergeben wird. Daß bei so umfassenden Aufträgen andere Preise zu erzielen sind als bei kleinen, läßt sich ohne Weiteres in jedem Laden feststcllen. Daß die Firma Krupp bereit ist, bei annähernd amerikanischen Bedingungen zu an nähernd amerikanischen Preifen zu liefern und daß darüber bereits Unterhandlungen schweben, hat der -Herr Staatssekretär selbst mit- getheilt. Und schließlich stellen wir noch einmal fest, was in der Presse nicht überall richtig aufgefaßt zu sein scheint, daß die Firma Krupp „art Amerika" überhaupt nicht geliefert hat, vielmehr ist das Krupp'sche Verfahren durch Erwerbung des Patents dort eiugeführt worden. Aber auck bei Lieser Sachlage kann die Beurtheilung nicht viel modificirt werden, denn wir können und wollen im Interesse Les Rufes der betheiligten deutschen Firmen nicht annehmen, daß die Vertheuerung gegen über Amerika durch rückständige technische Einrichtungen mit be dingt wird, wobei noch zu beachten ist, daß die amerikanischen Fabrikanten die Licenzko st e n und höhere Löhne mit in Rechnung zu setzen batten. — ES scheint nun ein mal ein wirthschastliches Gesetz zu sein, daß Unter nehmungen, die über eine gewisse Größe hinauswachseu, international in ihrem Verkehr werden müssen, daß sie cs aber auch in allen ihren Principien zu sein gezwungen werden, sehen wir vorläufig noch nicht als Axiom an. Freunoe und Gegner de» verstorbenen Frhrn. v. stumm sind darüber einig, daß mit ihm eine der markantesten Persönlich leiten au» dem Leven geschieden ist. Ein Nachruf, den die „Post' ihrem langjährigen siiiritus reorvr widmet, der von seinen Re dacteuren verlangte, daß sie „einschwenkten, wie die Unteroffi eiere", wird seine Weltanschauung auch denen näher bringen, die sich nicht zu ihr zu bekennen vermögen. Die „Post" bezeichne» ihn mit Recht als den Träger eines ganzen Systems. „Dieses System fordert die Unterwerfung unter Len kategorischen Im perativ der Pficht. Ein Mann von solch' sittlicher Strenge gegen sich selber durfte auch von seinen Untergebenen mit mehr Rech», als etwa ein in Genuß und Wohlleben erschlaffender Salon Politiker, die Anerkennung des autoritären Princips fordern, lieber diesen Punkt gab es bei dem Verstoroenen keine Compro misse. War für ihn die Frage entschieden, wer der Träger des autoritären Rechtes sei, Dann durfte man auch der Durchführung dieses Rechtes bei ihm gewiß sein. Alle seine Forderungen und Ziele gingen von dieser logischen Einheit aus, und keiner seiner Gegner wird Herrn v. Stumm jemals einen Denkfehler oder eine logische Jnconseauenz vorwerfen können. Mit gewisser maßen mathematischer Genauigkeit entwickelte sich aus der Grundanschauung, das; die Unterwerfung der eigenen Persönlich keit unter die Autorität der Pflicht für Jeden ohne Ausnahme unabweisbare Nvthwcndigkcit ist, 'das, was man Stumm'scke Politik nannte. Wäre sic eine reine Jntercsfenpolitik gewesen, dann hätten ihr die Corrclate gefehlt. Freiherr v. Stumm war der Arbeiterschaft gegenüber indeß nicht blos der Fordernde uno Versagende, sondern auch der Gebende. Aus dem Herrschaft- reckte des Unternehmers über den Betrieb leitete er als Gegen gewicht die sittliche Pflicht einer Unlernehmerfürsorge sür die im Betriebe thätigcn Personen ab. Dieser Fürsorgepflicht hat fick Freiherr v. Stumm als Besitzer seiner Werke, wie auck als Pvli tiker niemals entzogen. Sein Auge ruhte, das darf ohne lieber D Zwei Drüber. Roman von Franz Rosen. biachtrnck rnlolk». V. Eines Tages i-m Herbst kam Manfred erschöpft und ermattet aus dem Examen nach Hause — und hatte es nicht bestanden. „Wie Ist denn das möglich?" hatte Peter ganz verständniß- los gefragt — und Manfred hatte die Achseln gezuckt und jede Erklärung verweigert. Gedrückt und enkmuthigt saß er im Wohnzimmer in der Sophaecke. Als Peter aus seinem Arbeitszimmer herübcrkam, bemühte er sich, ein möglichst gleichgiltiges Gesicht zu machen, was ihm inlocß nur schlecht gelang. Peter ging einige Male im Zimmer hin und her — dann blieb er vor seinem Bruder stehen. „Freddi, laß den Kopf nicht hängen. Die Sache ist sehr unangenehm — nun wohl, das nächste Mal mußt Du sic besser machen. Dazu aber vor Allem: neuer Muth und frische Kraft! Laß Dich nicht gleich durch den ersten Mißerfolg in Deinem Leben Niederdrücken. Nun erst recht drauf los und etwas leisten!" Aber Manfvov's Gesicht blieb finster. „Ach, das Alles ist es ja gar nicht", sagte er unwirsch. „Was dann?" fragte Peter erstaunt. Manfred rückte auf seinem Sitz lfin und her, sprang endlich ans, lief ans Fenster und so, dem Bruder den Rücken kehrend, stieß er in trotziger Entschlossenheit heraus: „Es ist, weil ich selber Schuko daran bin." Peter lächelte. „Das pflegt hierbei meistens der Fall zu sein", sagte er. „Nun ja", rief Manfred ungeduldig. „Man kann dumm sein, man kann schwer lernen, einen schlechten Tag oder sonst Pech haben. Aber bas ist Alles nicht der Fall." „Nun, und was sonst? Sprich Dich doch aus!" Manfred zögerte noch «in« Weile. Dann klang es vom Fenster her in dumpfem Grollen: „Ich habe gebummelt." Und wie um Peter's Antwort nbzu- schmiden, fuhr er hastig fort: „Abends, wenn Du fortgingst und dachtest, ich bliebe bei Der Arbeit, bin ich auch heimlich fortgelaufen und habe mich mit Anderen amüsirt. Ich hatte immer Glück, daß Du nichts merktest, und daß ich immer vor Dir nach Hause kam. Und dann stürzte ich noch schnell an Vie Arbeit — zum Schein, bis Du kamst, damit Du denken solltest, tch hätte Re ganz« Zeit so gesessen." Er schwieg. Peter schwieg auch. Er war zu tief erschrocken, um zu sprechen. Eine ganze Reihe von Gefahren erstieg plötzlich vor seinem Geist — Gefahren, für die er verantwortlich war. Manfred empfand das Schweigen drückend uno unheimlich. Er wandte sich um, kam auf Peter zu, legt« ihm die Hände auf Vie Achseln und sah ihn treuherzig bittend an. „Peter, sei nicht böse! Sieh nicht aus wie ein einziger großer Moll-Accord. Ich woiß, es war abscheulich von mir, Dich so zu betrügen, wo Du doch Alles für Mich thust — Alles — aber es soll nicht wieder vorkommen. Und ich habe ja auch meine Strafe weg — glaube mir, sie ist mir arg genug. Sei gut, Peter!" Er hatte Thräncn in den Augen. Und diese Augen waren ja noch Kinderaugen — die Seele, die reuig und bittend aus ihnen blickte, war noch rein und un verdorben. Peter seufzte leise. „Böse bin ich ja auch nicht, Manfred. Aber betrübt. Es ist Deiner nicht würdig, was Du gethan hast. Und dann — bedenke die Folgen." Manfred sah ihn fragend an. „So etwas darf natürlich nicht wieder Vorkommen", fuhr Peter ernst fort. „Um es zu verhindern, müßte ich aber eine Hofmeisterrolle bei Dir übernehmen. Und das — will ich nicht. Unser brüderliches Derhältniß müßte darunter leiden. Wie sollen wir es also machen? — Wir müssen uns trennen." „Peter!" rief Manfred außer sich. „Peter! Du wirst doch nicht so sein! Du wirst mir doch die Schande nicht machen?" „Ja — wie sollen wir es aber verhindern, daß Du nich» ein zweites Mal " „Ich verspreche Dir", unterbrach Manfred, „daß dergleichen nie wieder geschieht, und daß ich das nächste Mal bas Examen gut bestehen werde." Er sah den Bruder hell an und hielt ihm die Hand hin. Peter nahm sie an; er n>ar innerlich schon längst wieder versöhnt. Aber er wollte es Manfred doch nicht zu leicht machen. „Und hast Du schon daran gedacht, was Großvater Wald burg sagen wird? Meinst Du, vaß er uns zusammenläßt, wenn er diesen Erfolg oder vielmehr Mißerfolg erfährt? „Das kommt von der Junggeselleirwirthschaft", wird er sagen, und auf unserer Trennung bestehen." Manfred ließ den Kopf hängen. „Dies war moiir erster Gedanke", fuhr Peter fort. „Ich versckwieg ihn nur noch, weil ich Dich nicht vollends ent- muthigen wollte. Wir müssen es abwarten. Dem bestimmten Wunsch Deines Vormunds kannst Du Dich nicht widersetzen. Natürlich mußt Du ihm diesen Abschluß gleich mittheilen." Manfred macht« ein hilfloses Gesicht. „Kannst Du das wicht für mich thun, Peter?" und der konnte es ihm nicht abschlagcn. In der diesem wichtigen Tage folgenden Woche starben Frau Josefa's Eltern kurz hintereinander — einmiiihig und unzertrennlich auch im Tckde, »Vie sie im Loben gewesen waren. Die damit verbundene innere und äußere Unruhe halfen Man fred über die peinvolle Erwartung der großväterlichen Ent scheidung hinweg. Vom Begräbniß heimkehrens, sand er einen sehr gütigen und liebenswürdigen Brief vor, in welchem der alte Herr nach sehr milder Beurteilung des Geschehenen die Hoff nung aussprach, -daß seinem Enkel das nächste Mal das Glück holder sein möge. Vor irgend welchen Aenderungen oder Maß nahmen war mit keinem Wort die Rede. Manfred jubelte über diesen Brief. Auch Peter freute sich. Aber seine Freude hatte einen sorgenvollen Beigeschmack. So blieb Alles böim Alten. Die Zeit stiller Zurückgezogen heit und innigen Beisammenlebens der Beiden wurde nur unter brochen durch die Ferienzeiten, die Manfred in stillschweigendem Ucbereinkommen mit Peter bei seinem Großvater verlebte. Ein mal nur hatte ihn Peter begleitet und war unerwärmt zurück gekommen. ES war dies der einzige Punct, in dem die Brüder sich Nicht verstanden. Nach Verlauf eines weiteren Jahres bestand Manfred sein Examen Mit größtem Lckbc. Heimkohrend, rief er es dem Bruder jubelnd entgegen, uno sie umarmten einander in ehrlicher Freude. „Es ist ganz allein Dein Vervicnst, daß ich so weit bin!" ricf Manfred in ehrlicher Anerkennung. „Das hoffe ich doch nicht", entgegnete Peter, sein« Rührung gewaltsam bekämpfend. „Für sich selber stehn und fallen muß der Mann, der etwas leisten will." VI. Freiheit berauscht. — Manfred befand sich in einem Taumel von Entzücken und Selbstbewunderung die ganzen nächstfolgen den Tage hindurch. Sie vergingen ihm mit Festlichkeiten bei seinen guten Freunden, deren jeder ihn gern noch einmal ganz für sich Haden wollte, ehe sich die Lebenswege vielleicht für immer trennten. Er wunde auch von Peter's Bekannten eingeladen, die dem allgemein beliebten Bruder damit eine Freude machen wollte». Manfred entfaltete im Umgang Mit älteren Leuten eine welt männisch« Sicherheit und Gewandtheit, eine natürliche Freiheit der Bewegung, eine Ungezwungenheit der Sprache, eine Em pfänglichkeit für javes Interesse und eine Fähigkeit, jeden Ge danken anschaulich wiederzugeben, wie da» Alles in solchem Maße nie erlernt und anerzogen, sondern nur angeboren letn kann. Sie behandelten ihn in Folge dessen ohne Weiteres als ihresgleichen, und er eroberte sich schon am ersten Tage eine Stellung, die ganz geeignet war, seiner Eitelkeit zu schmeicheln. Er schien prädestinirt, in der Gesellchaft sine Rolle zu spielen. Peter sah mit Licve und Sw.; die voffnungsvolle Jugend blüthe seines Bruders mit seltsamer Plötzlichkeit sich entfalten. Mohr und -mehr gewannen die verblaßten Erinnerungen an den frühverlorencn Baier Laibei neues Leben und frische Gestaltung. Immer mähr gewann er die Ucdcrzeugung, daß Manfred rbm gleichen müsse. Und leise — ihm selbst unerklärlich — legte sich mit dieser Uebcrzeugung der Schalten einer unbestimmten Sorge auf seinen Weg. Als sich der erste Freudentaumel des Erfolges gelegt, hatten die Brüder eine ernste Unterredung miteinander. „Es handelt sich um Deine Zukunft — um den Beruf, den Du wählen mußt", sagte Peter nach etlichen einleitenden Worten. „Die Frage ist für uns eine besonders ernste, weil wir ganz allein auf unS angewiesen sind und es wiinschenswerth für uns ist, möglichst bald eine besoldete Stellung zu be kommen. Hast Du darüber wohl schon nachgedacht?" Gesprochen hatte Manfreo schon recht oft darüber; ernstlich nachgedacht wohl noch nie. Gleichwohl sagte er schnell: „Studiren möchte ich nicht." Peter hatte bas vorausgesohen. Er bedauerte es; denn Manfred hatte einen Hellen Kopf. Wenn er aber all ver Examen-Nölhe gedachte, konnte er es kaum wiinschenswerth finden. „Warum denn nicht?" fragte er. „Hat Dich mein Beispiel abgoschreckt?" „Nein — das gerade nicht. Aber ich glaube, daß ich mich für diesen Beruf nicht eigne. Ich habe nicht genug Ernst." Peter mußte lächeln. Er unterdrückte die Bemerkung, daß ein gewisser Ernst in jedem Berufe nöthig sei, und fragte ge duldig: „Nun, also was möchtest Du sonst?" „Forstmann möchte ich erst recht nicht werden." „Und warum das nicht?" „Alle sagen, es dauert zu lange, bis man es zu etwas bringt. Und dann — so eine entlegene, einsame Försterei — wie Mutters Heimath — nein, das ist ein schrecklicher Gedanke." „Zu ernst — zu einsam —" dachte Peter; und laut sagte er: „Bleibt also nur der bunte Rock, da Du zum Künstler bisher noch keine Anlagen gezeigt hast." Manfred antwortete nichts, aber an seinen aufleucktenden Augen sah Peter, daß er das Rechte getroffen. „Du hast Dir das also schon längst überlegt?"
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