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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.01.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-01-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000122028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900012202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900012202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-01
- Tag1900-01-22
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Aöend-Ausgabe wo. Druck und Beklag von L. Pol» iu Leipzig. 9k. Jahrgang ¬ es rS Montag den 22. Januar 1900. Feuilleton 17j der Mensch, wenn er will und muh, ist Dai wird sich auch an Fräulein von Wessel- Jch zweifle keinen Augenblick. Allein von ir Volks - hen Ge- ihren- kosto ck. > Seiten. Die Morgen-Ausgabe erscheiut um '/»? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag» um ü Uhr. ann in Höhne, - Karl iperling iichsische r. Aus- 64 000 Kronen, >0 88L19 6697 t 5 49L01 6 97L84 nmrrn je sithr.) Fürst Hohenlohe in und den Schein auf zu beseitigen. Aber Fürst Hohen- Armahmeschlitß für Äryeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Grhehitian zu richten. ich bc ns des r bid mn in »erigen Ewald ist der er ein resden lescha^i Herr«» nd aus . Da andenc lheodor Firma Firma Mende Ureten. Chem >at das über August ) Ernst Gustav ch Wil 1. Korb thes in Kleides an irgend einem Nagel oder Spahn hängen geblieben und hatte sich flint niedergebückt, um ihr Gewand freizumachen. Da bei hatte sie die rechte Hand ein wenig weiter vorgestreckt, als der Rahmen reichte, so daß ihr der jähe Wurf das vorderste Glied des Mittelfingers zwischen Thür und Leiste klemmte und den Knochen zerschmetterte. Mit einem Schrei sank die Unglückliche ohnmächtig zusammen. Wohl öffnete der Fahrgast, um sie zu befreien, zum zweiten Male für sie die Thür, und rascher, als das erste Mal. Aber er konnte das arme Fräulein nicht sogleich aus seiner Betäubung wecken und verlor beinahe selbst die Besinnung, als er den Schaden sah, den Hast und Uebereifer angerichtet hatten. Er besaß so viel Geistesgegenwart, den Stationschef in Tempelhof um Träger und einen Wagen telegraphiren zu lasten, welche die Bewußtlose auf dem Anhalter Bahnhöfe erwarten sollten. Noch ehe sie anlangten, schlug Nanda die Augen auf und stölwie vor Schmerzen. Der Mann band die blutende Hand in das Taschentuch, das ihm di« Kranke reichte, ließ sich ihre Wohnung sagen und geleitete sie auf ihren Wunsch auch im Wagen nach Haus«. Es war ein einfacher Handarbeiter, der matt und müde vom Tagewerk heimkehrte. Das Mitleid mit der verunglückten Dame, die so seelcnvergnügt zu ihm ins CoupSe gesprungen war, sprach beredt aus seinen Augen. Als er die Stöhnende in der Eichen- dorffstraße aus der Droschke hob, fragte er von selbst, ob er nicht gleich mit dem nämlichen Fuhrwerk den Doctor holen sollte. Sie bat ihn auch um diesen Dienst, nannte den Namen und die Wohnung des Arztes, hieß ihn, den Rest des Geldes, das sie ihm, die Kutsch« zu bezahlen, gab, behalten und fügte mit einem festen Blick in die theilnehmenden Augen hinzu: „Wenn Si« Jemand fragt, wo mir daS Unglück widerfahren sei, so ant worten Si«: „Auf der Wannseebahn, auf der Station Groß- görschenstraße." Wollen Sie?" Der Mann aus dem Volke bejahte und stieg in den Wagen, nachdem Nanda'» Mädchen auf heftiges Klingeln der Haus- thürglocke bestürzt auf die Straß« gekommen war und die halb Ohnmächtige in Empfang genommen hatte. Au» ihren zu- sannnengepveßten Lippen entrann bloß ein leise» Wimmern. Oben angelangt, gab da» Fräulein nur den einen Befehl, sie in ihre Werkstatt zu betten, wo für den Arzt und besten Vor bereitungen mehr Platz war, al» in ihrem knappen Schlaf kämmerlein. Wenn si« nur endlich kämen, die Aerzte, oder doch einer, aber mit Allem, wa» sie mitzubringen befohlen hatte im Bewußtsein ihrer Lag«. Airzekgen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4ae- spalten) 50-iz, vor den Familiennachrichten lti gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und jjissernsatz nach höherem Tarif. Redaktion und Lrvedittorr: 8. Die Expedition tst Wocheutag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Die ganze Hand. Roman von Hans Hopfen. Nachdruck verbot.n. ,Für den Arzt? Du bist doch nicht etwa krank?" Doch, vor Sehnsucht nach Dir. Und dem Dienstmädchen werd' ich sagen, daß ich leidend wäre und nach dem Arzte ge schickt hätte." „Du krank? . . . male doch den Teufel nicht an die Wand." „Bist Du abergläubisch, vorurtheilsloser Freidenker?" Und sie lachte, daß es auf dem offenen Bahnhofe trotz des Windes widerklang. Der Zug stand ab«r schon über eine Minute stille, und Nanda's Lachen ward jetzt von der befehlenden Untrrofficirrs- stimme des Stationschefs übertönt, der dem Lokomotivführer sein: „Ab-farren!" commandirte. Nanda entwand sich Jmnranuel's Umarmung und lief, so schnell sie's vermochte, an den Zug, der sich bereits langsam in Bewegung setzte. Der Geliebt« sah ihr ängstlich nach, ob sie denn auch noch einsteigen könnte und nicht etwa fehlträt« und ausglitte. Der StationSchef schri«: „Zurückbleiben!" und fluchte dazu in seinen Schnurrbart. Aber «in menschenfreundlicher Insasse hatte ber«it» die Wagenthür geöffnet und half der Eiligen daS CoupSe gewinnen, trotz de» wiederholten Gegenbefehls deS bärbrißigen Manne» mit der rothen Mütz«, der, einer auf zwei Beine gestellten Birne gleich, nun hurtig dahergelaufen kam, den ungehorsamen Fahrgast eigenhändig zurückzuhalten. Er kam aber zu spät, daS verhüllte Fräulein war schon drinnen, und so ließ er e» drinnen, in drei Teuf«l»namen. Weil aber der Ablheil vorschriftwidrig offrnstehen geblieben war, lief er dem fahrenden Wagm so weit nach, um der Thür« einen kräf tigen Schwung zu geben, daß si«, laut schallend, in- Schloß knallt«. Weder der zornschnaubend« Beamte, noch Winkler, der in Glück verloren dem raffelnden Zuge mit feuchten Augen nach blickte, hörte den gellenden Schrei, der diesem Thürzuknallen folgte. Nanda war Leim Einsteigen mit dem feuchten Saum ihre» nt durch lter der igin Eli- Handels- nennens - n Frank- Jn dem was ihm eise sach- iründung Vortrag Handels über den zur Pro- ren Theil nalpolitik anspolitik Entwicke- hschaft zu Wickelung zur Welt er die Ge- rlterlichen r Zeit be- aerträgen, «lspolitik. aolitik er- zollshstem, irischstem, wird, wie die Zoll- hwei», die des Herrn nkung der tf nicht zu im Allge- nnalismus ge ist der e Abschnitt idelspolitik rngen des gen Stand E-n Finger spolitischen en Fragen im Gangen smarck seit mitteleuro- Aenderung, ! bewährte, lderung der ze für die perimentell ebensmittel da» Aller- igland, mit ere Export irung nach n Handels achkundigen statistik zur den zu be- S al» aus- chle vielfach Hauptgrund rer nouzeit s führt der z des Volks „Wir be reuen Hilfs ter Anwen Productiv u ermitteln ihnen allen leben Lieser virthschafts chaft ist die n Abschnitte n enthalten, erzeugt, daß dielen An dankbar sein Adler. Und es war nicht nur daS Mitleid der Vater» mit den Schmerzen und der Verstümmelung seines Kinde», sondern eine furchtbar packende Angst vor der eigenen Zukunft, die ihm im Lichte dieser Nacht jählings ein ganz anderes Gesicht zeigte als noch eine Stunde vorher. Mer nur Uoberraschung hatte ihn also überwältigen können. Alsbald besann er sich, daß diese Haltung eines Verzweifelnden sich für einen ehemaligen Geheimen Ober-Regierungsrath nicht ziemte. Er erhob sich steif, mit unbewegter Miene, wechselte Rock und Schuhe und ging auf den Zehen in seiner Tochter Werkstatt hinüber, wo er trotz der Wärterin die Nacht verwachte. VII. Es kommt zuweilen vor, daß reife Männer auf «inmal ein leb haftes Gefallen an einander finden, ohne dafür einen genügenden Grund angeben zu können. »Sie führen wohl die» und jenes Motiv an, aber lvas'sie sich nicht eingestehen, worüber sie sich meist selbst gar nicht klar werden, ist, -daß, was sie zu einander zieht, eine seltsame, meist nicht weniger als erfreuliche Neigung für ein und dasselbe weibliche Wesen ist, daS den Gedanken de» Einen wie des Anderen Ziele weist und seine Wünsche richtet. So war Wendewalt überzeugt, daß er sich für den ihm wild fremden Socialistcn Immanuel Winkler nur de-halb in Eifer setzte, weil er einmal in besten Rede vor Gericht eine nick: ge wohnliche Begabung vermerkt hatte und -ann durch ein persön liches Zwiegespräch in dieser guten Meinung bestärk: worden war; er redete sich überdies «in, daß «S klug und verdienstlich sei, solch' einen jungen Mann von politischen und oratorischen Fähig keiten der gemeinschädlichen Partei ab- und, wenn möglich, der eigenen zuzuwenden. Diese seine Absicht schien ihm um so ein leuchtender, al» der Sohn de» seligen ordentlichen Professor» der Nationalökonomie von HauS aus kein proletarischer Rüpel, sondern ein wohlerzogener Mensch mit den Manieren der guten Gesellschaft war. An Talenten war im heutigen parlamen tarischen Treiben gerade kein Ueberfluß zu verzeichnen. Weder des Landraths Partei noch auch die anderen konnten mit allzu vielen Staat machen. Der fromme Wunsch, sich «u» einem jung aufstrebenden Genie einen Parteigenossen nach eigenem Vor bild, gewissermaßen einen Mitstreiter, au- eig«ner Schule groß zu zichen, erschien ihm ebenso verdienstlich für'» allgemeine Wohl, als erquicklich für sein eigene» innere» Auileben. Welchen Schatz von Erfahrungen, welch« Menge persönlicher Veobach tungen, die er feit 25 Jahren im politischen, administrativen und parlamentarischen Treiben gesammelt hatte, konnte er solch' einem gelehrigen Jünger aufschließen. Welch' eine Fnud» würde MpMer TagMalt Anzeiger. Hinlsvlatt -es königlichen La«-- «n- Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes «n- Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Bezugs-PreiS K L«r Hauptexpedttion oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus- ^bestellen abgeholt: vierteljährlich>»4.b0, bei zweimaliger täglicher Zaft,Ning in« Hau» >tÜchO. Durch dir Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Direkte täglich« Kreujbandsrndung in» Ausland: monatlich 7^0. Filiale«: Alfred Bahn vorm. v. Klemm'» Sortt«. Universitättstraße 3 (Paulinum), Lont» Lösche, Katharinens«. 14, Part, und KönigSplatz2, Politische Tagesschau. * Leipzig, 22. Januar. Der Präsident mußte pn der letzten Sitzung de» Reichs tage» den zweiten Redner auS dem Hause darauf aufmerksam machen, daß nicht der Etat de« Auswärtigen Amte», sondern der de» Reichskanzler» auf der Tagesordnung stand. Er hätte die» schon bei dem ersten Redner thun können, sodann bei fast allen späteren, denn die auswärtige Politik wurde beständig hineingezogen. Ganz erklärlich. Einmal ist der Reichskanzler für da» Auswärtige verantwortlich, sodann klang die Interpellation vom vorauSgegangenen Tage noch nach. Die Reutermeldung, daß neuerdings rin deutsches Schiff mit einer Ladung Mehl an Bord von den Engländern beschlagnahmt worden sei, wurde glücklicher Weise erst gegen den Schluß der Verhandlung bekannt. Sie wäre sonst, wie auS den agrarischen und antisemitischen Zeitungen von gestern hervorgeht, al» unzweifelhafte Thatsache be- kandelt und verwerthet worden. Wahrscheinlich ist die Nachricht aber unrichtig; selbst von den Londoner Blättern hat sie nur ein Theil wiedergegeben. Auf der an dern Seite hatten in der vorgestrigen ReichstagSsitznng nur die Wenigsten Kenntniß von dem Dank- und Vertrauens- lelegramm, da» die Deutsche Ostafrika-Linie dem Grafen Bülow auS Anlaß seiner JnterpellationSbeantwortung hatte zugehen lassen. Sonst wären die Lob- und Preisgesänge, die die meisten Zeitungen am Morgen angestimmt, auch im Reichstag erklungen. Natürlich mit vollem Rechte, denn wenn die Eigcnthümer des „BundeSrath", deS „Herzog", deS „General" zufrieden sind, warum sollte eS nicht das ganze deutsche Volk sein? Im Namen deö NhederS der in Aden angehaltenen deutschen Bark konnte Herr Wörmann freilich nicht reden. Es war also Alles gut, zumal da man die eng lischen Preßstimmen über deS Grafen Bülow Rede nicht allzu gezwungen auch in dem Sinne auslegen kann, daß der Reichsstaatssekretär außerordentlich energisch gesprochen bade. Von den Zeitungsäußerungen des nicht englischen Auslandes gilt dies sogar unbedingt; es fragt sich aber, ob diese Blatter vollkommen aufrichtig sind. Unsere aus wärtige Politik, der sogar Herr v. Kardorfs ein Lob ge spendet, fand auch die warme Anerkennung de» Abg. Fürsten BiSmarck, eine Anerkennung für den Grafen Bülow, der allerdings eine Bemängelung der „Gesammtpolitik deS Fürsten Hohenlohe" mit unverhohlener Absicht gegen übergestellt war. Uebrr diese Gesammtpolitik und über die Frage, ob sie sich in den Gleisen der Politik des ersten Kanzlers bewege und wie weit sie gut thue, dies zu unter lassen, ist vorgestern sehr viel geredet worden. Unsere schwachen Kräfte übersteigt eS aber, in dem Wirrwarr der Meinungen ein Bild zu erkennen, eS sei denn ein Spiegelbild ter Zerfahrenheit und Regelwidrigkeit der Regierungs zustände. Dem Fürsten Hohenlohe einen Vorwurf daraus zu machen, daß er nicht durchaus die Wege des Fürsten Otto v. Bismarck gehe, wäre eine so starke Heuchelei, daß sie bei keinem NeichStagöabgeordneten vorausgesetzt werden darf. Fürst Hohenlohe hat bei Allem, was während seiner Kanzlerschaft geschehen ist und was ihm seine Gegner vorhalten, weit mehr als Hemmschuh, denn als Urheber gedient. Die Agrarier grollen ihm; aber als der Urgrund ihrer Unzufriedenheit entstand, als die Handelsverträge ab geschlossen wurden, war der Fürst noch gar nicht iu seinem jetzigen Amte, und selbst dem Grafen Caprivi muß nachgesagt werden, daß e» nicht seine Schuld gewesen, wenn die deutschen Unterhändler unter dem Druck eines strikten Befehles standen, unter allen Umständen zu Verträgen zu gelangen, und wenn sie so außer Stande gesetzt wurden, nach dem gewöhnlichen und in der internationalen Handels politik unentbehrlichen Grundsätze des cko ut ckes zu verfahren. Dann wurde eS, und zwar gerade in der letzten Reichstagssitzung, namentlich vom Abzv. Kröcher, als ein schwerer Fehler bezeichnet, daß man die „Zuchthaus vorlage" einbrachte, wenn man nicht entschlossen war, sie mit allen konstitutionellen Mitteln durchzusetzen. An sich unan fechtbar richtig, ebenso richtig wie daS weiterhin von Herrn v. Kröcher gefällte Urtheil, daß die Aufhebung deS Ver- bindungsverbolS für politische Vereine alsbald nach der vom Fürsten Hohenlohe dahin gehenden Zusage hätte erfolgen müssen, daß man nicht hätte warten dürfen, bis — nach einer schweren Niederlage der preußischen Regierung in Sachen de» DereinSgesetzes eine Zwangslage gerathen war sich lud, daS Verbot unter Druck Leider, wie gesagt, unwiderleglich. _ . lohe hatte mit dem Gedanken der „ZuchthauSvorlage" und deren Mkündigung nicht das Mindeste zu schaffen und ebenso wenig etwas mit dem preußischen „Vereinszesetz". Beides kam über ihn, nicht von ihm, sein Werk war in dem einen Falle, daß er die Auflösung des Reichstags, und im andern, daß er die Ausschreibung von Neuwahlen für das Abgeordnetenhaus, mit anderen Worten, daß er hier wie dort eine schwere moralische Niederlage, nicht so sehr der verantwortlichen Regierung als der Monarchie verhinderte. Daß die Wahlen im Sinne des „Zuchthausgesctzes" und der Vereinsnovelle hätten ausfallcn können, wird wohl Herr v. Kröcher nicht behaupten wollen, dem eS nicht entgehen konnte, daß man sogar im Bunde der Land- wirthe überwiegend nicht für daS vorgelcgte Arbeitswilligen gesetz und den den Namen deö Herrn v. r. Necke tragenden Bereinsgesetzentwurf gewesen ist. Die Borwürfe gegen den Fürsten Hohenlohe wären vollauf berechtigt, wenn aucb nur die leiseste Hoffnung begründet wäre, daß ein Nachfolger denkbar sei, der Dinge, für deren abfällige Kritik man den jetzigen Reichskanzler in Person als Adresse wählt, verhindern könnte und würde. Dann müßte Fürst Hohenlohe gehen, hätte er schon lange gehen müssen. Aber dieser Glaube wird nirgends getheilt, und deshalb verdient der Kanzler großen Dank für das Verbleiben in einer Stellung, die für den hochbetagten Greis wie für den Grand seigneur unmöglich etwas persönlich Verlockendes haben kann. ES ist durchaus zutreffend, was am Sonnabend im Reichstag gesagt wurde, daß man als staatSerbaltende Partei die Politik des Fürsten Hohenlohe und der verbündeten Regierungen, auch die innere und gerade die innere, unter stützen muß, und daß hundertmal mehr Gefahr darin liegt, wenn Angriffe wie sie den Herren v. Kröcher, v. Kardorff, Graf Limburg-Stirum zur Gewohnheit geworden, von Con- servativen auSgehen, alS wenn sie von demokratischer Seite her erfolgen. Beiläufig bemerkt, paßt zu dem konservativen Rufe nach einen „Starken" gegen die Socialdemokratie sehr wenig die Enthüllung des Fürsten Herbert BiSmarck, daß die Führer dieser Partei eS verschuldet haben, daß t890 das Socialistengesetz erlosch. Damals haben also die Conser- vativen einen wahrhaft Starken im Stiche gelassen. Die amtliche Ttrcikstatistik ist den Socialdemokraten von Anfang an sehr unbequem gewesen, weil dadurch über den Charakter und die Ursachen der AuSstände mehr Licht verbreitet wird, als für ihre Absichten und Bestrebungen dienlich ist. Sie versuchten daher zunächst, Bedenken gegen die Nichtigkeit der Angaben mit der Behauptung zu erregen, daß die Ermittelungen einseitig, ohne Anhörung der Arbeitnehmer erfolgten. Diese Bemängelung war zwar an sich nicht stichhaltig. Ihr ist indessen der Boden vollständig entzogen,nachdem im Juni v. I. die preußischen Minister deS Innern und für Handel und Gewerbe und bald darauf die zuständigen Ministerien der übrigen Einzelstaaten ausdrücklich angeordnet haben, daß die betreffenden Erhebungen nicht blos bei Ortspvlizeibehörden und Arbeitgebern, sondern auch bei Arbeitnehmern vorzu nehmen und bei den Nachprüfungen der betreffenden Aufnahmen überall die Gewerbeaufsichtsbeamten zu be- theiligeu seien. Durch diese Anordnung ist die größtmögliche Garantie für völlige Objektivität der betreffende» Er hebungen gegeben. Von um so größerer Bedeutung ist natürlich die von uns bereits betonte Tbatsacbe, daß nach den Er mittelungen für das dritte Quartal v. I. eine bedenkliche Zunahme der Contractbrüche bei den Ausständen fcstzustellen war. Das socialdemokratische Parteiorgan ist naturgemäß durch diese Feststellung sehr unangenehm berührt und versucht, zunächst den Eindruck dieser Feststellungen durch allerlei Flunkereien abzuschwächen, durch welche der Anschein erweckt werden soll, als seien auch jetzt noch die ermittelten Tbatsachen einigermaßen fragwürdig. ES wird eben auch hier wieder nach dem schon früher bewährten Recepte gearbeitet: si t'eeisti uegn. Besonders charakteristisch aber ist, daß das socialdemokratische Blatt verlangt, eS sollten Erhebungen darüber, ob und inwieweit Contractbruch vorgekomnien ist, sowie über eine ganze Reihe von anderen Fragen, welche für die Beurtheilung der Natur eines Streikes, seiner Entstehung und deö Verhaltens der Arbeiter von entscheidender Be deutung sind, überhaupt nicht ausgenommen werden. Dieses Verlangen zeigt deutlich von überaus schlechtem Gewissen. Man fürchtet offenbar, daß durch die Erstreckung der Erhebungen auf solche Fragen daS gemeingefährliche Treiben der socialdemokratischen Agitatoren und die gefährliche Wirkung ihrer Agitationen auch weiteren Kreisen der Be völkerung bekannt wird und daß daher die öffentliche Meinung einem energische» Vorgehen gegen solche verhetzenden Agitationen und den Mißbrauch des CoalationSrechtS zum CoalationSzwange geneigter gemacht würde, als dies jetzt der Fall ist. Wir unsererseits können nur wünschen, daß die Streikslatistik über alle Gegenstände, welche zur Beurtheilung der Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern geeignet sind, volles Licht verbreite. Dem österreichischen Ministerium v. Mittel, das nur die eine Aufgabe hatte, vor dem 1. Januar 1900 die StaatS- nothwendigkeiten noch einmal mit Hilfe des K 14 durchzu setzen, ist nunmehr das Cabinet v. Körber gefolgt. Das Interim hat ein Ende, und zu ernster parlamentarischer Arbeit soll geschritten werden. Vor Allem heißt es, die leidige Sprach en frage aus dem Wege zu räume», an der in den letzten Jahren alle Ministerien in Cislei- lhanien gescheitert sind; erst dann bars auf ein ersprießliches Arbeiten des ReichSralheS gerechnet werden, nicht eher. Nach seiner Zusammensetzung scheint daS Cabinet allerdings ge-1 eignet, dieser Aufgabe gerecht zu werden. ES umfaßt diel nationalen und politischen Hauptrichtungen deS öffentlichen I Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit brr Moraen-Au-gabe, ohne PoslbesSrderung 60.—, mit Postbefvrderung ^l 70.—. Lebens in Oesterreich, ohne doch aus Berufspolitikern, also Männern mit dem Gepäck bindender Partei verpflichtungen, zu bestehen; seine Mitglieder sind durchwegs Beamte von hervorragender sachlicher Befähigung und verhältnißmäßizer Unbefangenheit in Berug auf die Politik der Parteien, deren Grundsätze sie theilen. Das liberale Deutschthum hat in dem Justizminister Freiherr» v. SpenS-Booden und dem Unterrichtminister Or. v. Härtel gesinnungslüchtige Vertreter im Cabinet, die Tschechen in ihrem LandSmannminister vr. R«zek, die Polen in I)r. Pientak, dem einzigen Parlamentarier in diesem Ministerium, die Klerikalen im Ackerbauminister Freiherr» v. Giovanelli und im Handelsminister Freiherr v. Call. Nicht vertreten ist in dem Cabinet außer den Südslawen, die bloße Mitläufer der Tschechen sind, der tschechische Feudaladel, ein Mangel, der als ein Vorzug bezeichnet werden muß und daö Vertrauen in die Redlichkeit der Absichten des Ministeriums v. Körber nur befestigen kann, dessen Chef ein sympathischer Vertreter des guten altösterrrichischen Beamten- thumS ist, das stets centralistisch war. Jedenfalls wird eS den neuen Männern möglich sein, wrniastenS an die Auf gabe», die ihrer harren, heranzutreten, ohne daß sofort die eine oder andere Partei erklärt: „Mit diesen Ministern ver handeln wir nicht". AuS Krakau, 20. Januar, wird uns geschrieben: Galizien, das Land der Skandale, hat wieder einen neuen. In dem Lande der Mädchen- und Menschenhändler, der Mafsen- unterschlagungen von öffentlichen Geldern und aller denkbaren Mißstände, sind die Polizeibehörden einem betrügerischen Treiben vieler Gemeindevorsteher auf die Spur gekommen. Bekanntlich wandern alljährlich Tausende und Abertausende von Galiziern von Februar oder März ab nach Deutschland, um dort im Frühjahr, Sommer und Herbst Beschäftigung in derLandwirthfchaft rc. zu finden. Für di vermittelnden Agenten ist dieses ein glänzendes Geschäft. Um nun aber noch mehr zu verdienen, bestachen die Agenten zahl reiche Gemeindevorsteher, damit den Arbeitgebern in Deutsch land falsche amtliche Dokumente eiogeschickt werden könnten. Auf di« Namen zahlreicher erwachsener ländlicher Personen wurden Dienstconlracte mit amtlicher Beglaubigung aus gestellt und auf diese Legitimationen hin dann vierzehn- biS fünfzehnjährige Burschen oder dreizehn- bi- vierzehnjährige Mädchen geschickt. Der Arbeitgeber in Deutschland, der natürlich schon zuvor dem Agenten die Provision über mittelt, war dann der Betrogene, als diese Kinder anstatt kräftiger, erwachsener ländlicher Arbeiter auf seinem Gute ankamen. Auch wurde vielfach städtisches Proletariat, welches zu landwirthschaftlichen Arbeiten- gar nicht geeignet war, Arbeitgebern in Deutschland zugewiesen. Die Leute reisten einfach auf die Papiere beliebiger galizischer Land leute nach Deutschland, obschon die Ort»vorsteher wußten, daß die wirklichen Inhaber dieser Legitimationen ruhig in ihren galizischen Dörfern verblieben. Die Agenten bestachen die Ortsvorsteher gewöhnlich mit 2 Gulden pro Kops. Da die galizischen Agenten sich von den Arbeitgebern in Deutsch land pro Kopf der „gelieferten" Arbeiter mindesten» 6 Gulden und von den Arbeitnehmern, denen sie Stellung verschaffen, den Arbeitsverdienst des ganzen ersten Monat-, mindestens aber 15 Gulden zahlen lassen, so bleibt den Vermittlern immer noch ein nettes Sümmchen übrig. Der Vater war nicht zu Hause. Nanda war's so lieber. . . . Als der Goheimrath in später Stunde heimkehrte, fand er alle Zimmer erleuchtet und darin zwei Herren in weißcn Schürzen um seine Tochter beschäftigt. In einem erkannte er seinen Hausarzt. Eine Wärterin in weißer Haube trug bludberonnenc Becken an ihm vorbei. Die Operation war bereits vorüber und Nanda's schön«, kunstfertige Hand um ein Mied ihres Mittelfingers ver stümmelt. Er war erst vor Schrecken wie gelähmt. Dann hatte er hundert Fragen auf der Zunge. Wer die Aerzte verboten alles Anreden und jode Belästigung der Kranken, die mit geschloffenen Augen im Wundfieber lag. Schweigend stand der alte Herr von Wesselbrunn, die Finger beider Hänve in einander gekrampft, mit stieren Augen, die aus dem mageren Schädel sich zu drängen schienen, vor dem Schmerzenslager seines einzigen Kindes. Eine Thräne lief der anderen nach über die blasse Wange und etliche aus dem correcten Strich losgegangene weiße Haare zitterten heftig, vom Lampen schimmer versilbert, über der hohen, kahlen Stirne. Auf einmal quälte es ihn wie neue Angst und er eilte dem ab gehenden Arzt ins 'Vorzimmer nach. Ihn gegen alle seine Ge wohnheiten am Aermel fassend, fragte er: „Der Finger zer schmettert ... um ein Glied verkürzt . . . Wird sie denn wieder malen können?" Mit jenem halben zweideutigen Lächeln, mit welchem die Aerzte Unabwendbares so freundlich als möglich mitzutheilen meinen, versetzte der Gefragte: „Malen? In der nächsten Zeit natürlich nicht . . . Für später wird unsere liebe Patientin wohl irgend eine Hilfe sich erfinden, um trotz deS kleinen Fehlers ihre Pinsel mit der gleichen Geschicklichkeit zu handhaben wie vor dem Unfall. Es bilden sich ja alle Organe nach ihrem Gebrauch. Und sehr erfinderisch, brunn bewähren. heute auf morgen wird'» freilich nicht erlernt werden und wird Geduld und Weile kosten. Machen Sie ihr indessen daS Herz nicht schwer. Und heute vor Allem und die nächsten Tage: Ruhe, Ruhe und wieder Rühe . . . Gute 'Nacht, Herr Geheimrath!" Dieser stand starr im Vorzimmer und vergaß, dem wackeren Chirurgen Len Gutenachtgruß zurückzugeben. Er zögerte noch ein wenig und führte die gerungenen Hände an seinen stummen Mund. Dann lief er in sein Schlafzimmer, sank vor dem nächsten Stuhl in die Knie, legte sein«» Arm und sein Angesicht darauf und stöhnte: „Nicht malen, nicht malen können!", in dessen ihm die Thränen wider Willen über Knöchel und Gelenk liefen.
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