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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.01.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-01-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000124014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900012401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900012401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- unvollständig: 1 Beilage (S. 629-632) fehlt
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-01
- Tag1900-01-24
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> Msl! ;r. lkl! in Kerllll rl. kost, Seo eie., eren kv ensn ;r Latalox UnunK! gegenü kbruar 1900 l-Lvkv nssnr>E- chäft >en mich Bc- edieuung zn. -in. veiua-qnellet» len ür.Ärb rauchet Itzkll, »ern, echwnnea- nBelfledern u.Dau» rlanu» garantier! I andlllr0,«»:«Z»! «»1,80:1,8». MV- S,5». «llderwethe it;Sll- rndanne« »,7b; 7; midonnen «,»0; u. »de» bette». Vnon- i«I «j-chißesallend«» en zimlmMoNMkN- Lo. > ln Westfale», rel-lifte», euch über tesirlt «»gäbe der FRS//SF» /^MAOF» M-«ke Twerer. irre S. 2. Leiliilie zm ÄWigkk Tageblatt mi> WM Nr. WMch A. Ztilmr I88K. Msy-MM Deutscher Reichstag. 88 Berlin, 23. Januar. Beim Beginn der heutigen Re'ichStagssitzung ergriff der freisinnige BolkSparteiler Fisch beck das Wort und hielt eine etwa einstündige Rede. Herr Fischbeck spricht außerordentlich eintönig; viel Neues brachte er nicht vor. Gleich den meisten Rednern deS vorigen Tage« erklärte er sich mit dem Grundgedanken der Novelle zu der Unfall per sicherungSgesetz geb ung durchauSeinverstanden und batte nur einige, meist nebensächliche Puncte zu tadeln. Am Schluß seiner Ausführungen schloß er sich dein Anträge Trimborn auf CommissionSberathunz an, wünschte in dessen statt einer 2lgliedrigen Commission eine solche von 28 Mitgliedern. Herr Fischbeck hielt mit der Nachbarfraction, in deren Namen Tags zuvor Herr Stadthagen sich ausgelassen batte, scharfe Abrechnung, die mehrere Male lärmenden Widerspruch auf den social demokratischen Bänken hervorrief. Noch gründlicher fertigte der folgende Redner, Herr Professor Paasche, Herrn Stadthagen ab, der mit zahlreichen Zwischenrufen sich zu vertheidigen suchte. Im weiteren Verlauf seiner Rede erklärte der nationalliberale Abgeordnete — derselbe befleißigte sich im Gegensatz zu den übrigen FractionS- rednern einer wohlthuenden Kürze — die zustimmende Haltung seiner Partei zu der Vorlage, deren Vorzüge für die Arbeiter er in warmen Worten pries. — Nun mehr folgte eine Jungfernrede, indem der süddeutsche Demokrat Baumeister Simon Eckart auS Ansbach, dem Reichstag seine Meinung über die Novelle mittheilte. Uebrigens ist der Herr „Jungferredner" auS den Jugend jahren schon ziemlich lange heraus; er hat die Fünfzig bereits überschritten. Da er der Journalistentribüne hartnackig den Rücken zuwandtc, wurde von seinen Ausführungen nur so viel verstanden, daß auch er die Angriffe der Socialdemokratie auf die BerufSgenossenlchasten mit ziemlicher Schärfe zurllckwieS, wobei er leltsamer Weise von dem Platze auS sprach, dm Abg. v. Voltmar an den selten vorkommendeu Tagen ein nimmt, an denen er im Reichstage erscheint. Kurz, wie Herr Eckart, faßte sich auch der folgende Redner, der reichsparteiliche Hof besitzer Doerks en, der Abgeordnete für Danzig-Laad. Auch er sprach sich für die Vorlage auS, wünschte aber, wie gestern Herr von Richthofen, einige Abänderungen im Interesse der Landwirtbschast. — Nachdem somit fast alle Parteien des Hauses ihren Standpunkt halten darlegen lassen, fühlte sich die Socialdemokratie bemüßigt, einen zweiten Redner vorzuschicken. Herr Molke n buh r spricht nicht minder breitschweifig und lang weilig wie Stadthagen; doch beherrscht er den Stoff besser und ergeht sich nicht mit der Vorliebe, die dem genannten Herrn Rechts anwalt a. D. eigen ist, in persönlichen und gehässigen Ausfällen. Freilich, an maßlosen Uebertreibungen fehlte eS auch in der Rede des Herrn Molkenbubr nicht, dem nebenbei auch einige Rechen fehler unterliefen. Dem Abgeordneten, der etwa eine Stunde gesprochen batte, antwortete der Staatssekretär PosadowSky, der fast während der ganzen Verhandlung in gespanntester Auf merksamkeit an dem Neferententischchen, rechts vom Redner pulte, gesessen hatte. Sodann wurde die Vorlage an eine Commission von 28 Mitglieder verwiesen. Nunmehr wurde der Rest deS Etats deS Reichs-Justizamts erledigt. Bei der Gelegenheit kamen noch verschiedene Wünsche und Beschwerden zur Sprache, vr. Pachuicke von der freisinnigen Vereinigung tadelte gewisse mecklenburgische Rechtszustände. vr. Sattler gab ihm zum großen Theile reckt, während der conservative Rettich nicht eben in glück licher Weise die heimathliche Verfassung vertheidigte. Die Sitzung schloß um 5*/r Uhr. Da morgen SchwerinStag ist, stehen die focialdemokratisch-freisinnigen Anträge auf Erlaß eines Reichsberggesetzes auf der Tagesordnung. 133. Sitzung vom 23. Januar. Am Tische des Bundesrakhes: Gras o. Posadowsky, Director Vr. v. Woedtke u. s. w. Der Präsident Graf Ball« st rem eröffnet die Sitzung um 1 Uhr. Die erste Berathung der Unfallversicherungs- Novellen wird fortgesetzt. Abg. Fischbeck (fr. Vp.): Im Namen meiner politischen Freunde kann ich mich im Allgemeinen mit den Vorlagen ein verstanden erklären. Wir begrüßen es, daß die Regierung die Vorschläge der 97«r Reichstagscommission berücksichtigt hat. Im Gegensatz zu den Abgg. Trimborn und Roesicke sehen wir es als einen Vorzug der Gesetze an, daß die localen Renten stellen herausgeblieben sind. Die örtlichen Rentenstrllen würden wohl di« Neigung haben, den Ortseingesessenen Renten zuzu sprechen, aber die Berufsgeuoffenschaften würden sich gegen ein solches Verhalten wehren. Die Behauptung des Abg. Roesicke, daß die Rrntenfestsetzungen im Allgemeinen im Wege schriftlicher Abstimmungen erfolg«», ist unzutreffend. Mr liegt der Bericht einer Berufsgenossenschaft vor, aus dem hervorgeht, daß in ihr alle Rentenfestsetzungen im kollegialen Verfahren stattgefunden haben. Es ist von Wichtigkeit, daß in der Hauptsache die Ent scheidungen sachgemäß in der ersten Instanz getroffen werden. Glauben die Arbeiter, sich nicht damit zufrieden geben zu können, so mag ihnen die zweite Instanz offenstehen. Wir freuen uns über die Ausdehnung der Versicherung auf das gesummte Bau gewerbe und auf den gesammten Betrieb der bisher nur theil- weise verficherungpflichtigen Gewerbe. Ebenso erkennen wir an, daß eine Hineinbeziehung des Handwerks nicht angängig ist. Die Hausindustriellen sollten in der Wois« eingeglisdert werden, daß den Berufsgeuoffenschaften die Vertheilung der Lasten über lassen hleibt. Die ablehnende Haltung zur Frage der Carenz- zeit bedauern wir, wir hoffen aber, daß doch noch eine Einigung erzielt werden wird. Einverstanden sind wir mit den Bestim mungen über die Erhöhung der Leistungen der Berufsgenossen- schaften, nicht aber damit, daß bei Minderjährigen die Rente nicht mehr nach dem ortsüblichen Tagelohn festgesetzt werden soll. Die Forderung deS Abg. Stadthagen, den Arbeitern statt der Rente die voll« Entschädigung zu geben, ist unberechtigt. In fahr vielen Fällen wird der Rentenbezieher doch wieder ganz oder thsilweis« erwerbsfähig. Den Bedürfnissen für die Ueber- gangSzeit wird durch eine Erhöhung der RenteRechnung getragen. Von großer socialer und wlrthschaftlicher Bedeutung ist di« Bestimmung, daß für kleiner« Renten eine einmalige Abfin dung gegeben werden kann. Die Empfänger sind vielfach in der Lage, sich mit der Abfindungssumme eine Existenz zu gründen. WaS die Vermögensverwaltung der Berussgenoffen- schaftrn betrifft, so ist bedauerlich, daß in dem vorliegenden Ge setze wiederum die Mündels,chevheit für die Kapitalanlagen ge fordert wird. Eine große Anzahl von Papieren, z. B. in Preußen die der Hypothekenbanken, sind auf diese Weise aus- f geschloffen. Ich hoffe, daß die Commission den Bsrufsgenoffen- schaften das Recht (siebt, ihre Vermögensüverstände in den Pfand briefen der Hypothekenbanken anzulcgen, zumal da sie in anderen deutschen Staaten dieses Recht haben. Hier muß Einheitlichkeit geschaffen werden. Sehr nothwendig ist, daß die Protokolle über di« Unfälle in Zukunft sorgfältiger ausgenommen werden. Das liegt nicht nur im Interesse der sichereren Feststellung der Renten, sondern auch in dem der Justizbehörden. Die Proto koll«, wie sie im Königreich Sachsen ausgenommen werden, können in dieser Beziehung als Muster dienen. Herrn Abg. Stadthagen bemerke ich: Reute wird nicht zu viel gezahlt, wohl aber Renten. Die kleinen Renten werden vielfach gezahlt, wo Schmälerung der Erwerbsfähigkeit nicht vorlliegt; sie sind eine Art Schmerzens geld. Ich freue mich, daß die Rechtsprechung nach Vieser Rich tung in der letzt«» Zeit verständig geworden ist. Die Unter nehmer selbst haben hier Vorschub geleistet. Wenn der Abg. Stadthagen das GegentheA behauptet, so zeigt er damit, daß «r von der Praxis dieser Dinge nicht die blasse Ahnung hat. Die Auskunft des Unternehmers lautet in der Regel d«m Arbeiter günstig; er denkt: ich zahle mein« Umlage, warum soll ich das Gold nicht für meine Arbeiter wieder herausholen. Sehr oft sind die Anträge der Arbeiter auf dem Briefbogen der Unter nehmer gestellt. Der Abg. Stadthagen meint, Vie Verhältnisse würden besser werden, wenn die Arbeiter mit zur Control« heran gezogen würden. ^Generell ist das aber nicht durchzuführen. In manchen Fällen würden auch Schäden daraus entstehen. Die Unfallverhütungsvorschriften sind ja vielfach am unpopu lärsten gerade bei den Arbeitern. In einem Orte drohten die Arbeiter, nicht mehr in die Fabrik zu kommen, wenn die Schutz vorkehrungen nicht beseitigt würden. Ebenso sind die Angriffe auf Vie Vertrauensärzte ungerechtfertigt. Die Socialdemo- kraten stellen es so dar, als ob diese Äerzte um des schnöden Mammons willen allem im Interesse der Berufsgenossenschaften wirkten. Im GegenthSil, di« Aerzte scheuen sich schon, ein Attest cruszustellen, das nicht ganz für den Arbeiter günstig lautet, weil sie fürchten müssen, deswegen von den Arbeitern drangsalirt zu werben. (Unruhe bei den Socioldemokraten.) Die Socialdemo kraten erklären auch dieses, Wie schon manches andere social- polikissche Gesetz als werthlos für die Arbeiter. So hat H«rr Singer am JndalWitätsgesetz kein gutes Haar gelassen und schließlich doch dafür gestimmt. Solche Reden geben uns die besten Waffen gegen die Sozialdemokratie in Vie Hand. (Beifall links.) Abg. vr. Paafche (natlib.): Alle Parteien, die sich bisher geäußert haben, haben sich mit dem Gesetze einverstanden erklärt. Nur der Abg. Stadthagen sieht in dem Gesetze eine Lumperei, die keinen Werth habe. Meine Freunde erkennen die Fortschritte des Gesetzes an und werden dazu Mitwirken, daß sie ins Leben treten. Die Einz«lheiten der Gef«tze sind bereits genügend durchgasprochen. Die Bedenken der B«rufSgenoffen- schaften gegen Vie territorialen Schiedsgerichte sind unbestreitbar. Die Schwächen der bisherigen Schiedsgerichte sollen nicht ge leugnet werden; ihr großer Vorzug aber ist, daß in ihnen von Berufsgenossen über Berufsgerrossen Recht gesprochen wird. Wenigstens sollten bei der Untersuchung gewisser Fälle Berufs genossen in die Schiedsgerichte zugezogen werden. Es ist so dann zweckmäßig, die Betriebsunt«rnehmer kleiner versicherungs pflichtiger Betriebe mit in Vie Versicherungspflicht hineinzuziehen, zumal da es sich um eine nicht große Zahl von Personen handelt. Die Sozialdemokraten gehen bei ihren Forderungen immer davon aus, di« Unternehmer können die Lasten tragen. Das ist nicht der Fall, namentlich können es die landwirthfchaftlichen Berufs genossenschaften nicht. In Hannover betragen diese Lasten be reits 100 Proc. der Grundsteuer, in Hessen-Nassau sind die Lasten noch größer. Gin Mittel, di« Lasten und VerwaUungskosten zu mindern, ist di« Capitolsabfindung für kleine Renten. Es ist auch durchaus Nicht so, wie die Socialdemvkraten es dar stellen, daß die Arbeitgeber di« Blutsauger und di« Arbeiter die Engel sind. Es giebt unter den Arbeitern Leute, die sich mit einem gequetschten Finger dauernd eine Rente zu erhalten suchen und deshalb die Heilung hintanhalten. Es sollen keine Unfälle gezüchtet werden, wie man es genannt hat. Ich schließe mit dem Wunsche, daß Vie Commission das Gute, was in dem Gesetz entwürfe steckt, auch ohne, daß die Socialdemokroten helfen, zum Sogen der arbeitenden Klassen gestalten werde. (Beifall links.) Abg. Eckart (Vp.) vertheidigt die Berufsgenvssenschaftcn gegen den vom Abg. Stadthagen erhobenen Vorwurf der Knapserei und erklärt, daß wenigstens die Berufsgenossenschaft, der er angehöre — der Redner ist Baumeister —, stets nach bestem Wissen und Gewissen die Renten festgesetzt hab«. Die in der Vorlage vorgeschlogene Ausdehnung der Versicherung sei durchaus Wünschenswerth. Die Berufungsfrist müsse auf das Doppelte der vorgeschlagenen Frist verlängert werden. Abg. Dörtfen (R«ichsp.): Die Vorlage bedeutet einen großen Fortschritt. Mi den landwirthschaftlichen Anstalten ist ein anderer Maßstab für di« Beiträge wünschenswerth. Die Grundsteuer ist dazu nicht geeignet, weil diese Steuer selbst nicht nach einem Einheitlichen Maßstab angelegt ist. Abg. Molk«nbuhr (Soc.) meint: Wenn Vie Arbeit«! zu weilen mit der R«nte, selbst der höchsten, unzufrieden seien, so sei ihnen daraus kein Vorwurf zu machen. Der Grund lieg« darin, daß dem Rechtsbewußtsein d«s gewöhnlichen Mannes das Hexen Einmaleins der ReichsgesetzgebUng unbegreiflich sei. Den Ar beitern gebühre voller Schadenersatz. Der Grundgedanke des Haftpflichtgesetzes sei ein sehr gesunder, bei der Reichsgesetzgebung >werd« aber der beste Gedanke zur Cavicatur, sobald er auf die Arbeiter angowendet werde. Die Ueberanstrengung der Arbeiter trage zur Vermehrung d«r Unfälle bei. In solchen Fällen treffe die Schuld an den Unfällen den Unternehmer. Die Reichs regierung von heute denke weniger human, als j«nr bei Erlaß der ersten Gesetze. Bei allen Reichsbeamten, vom Reichskanzler dis zum Landbriofträg«! herab, sei der Gehallt seit dem Erlasse des alten Gesetzes bedeutend gestiegen. Wenn es sich aber um Arbeiter handele, wolle man Vie Rente nicht entsprechend erhöhen, obwohl auch di« Löhne der Arbeiter gestiegen ssien. Die Rente steh« zu d«n Löhnen im ärgsten Mißverhältnisse. Wenn man neben Ker Eliasse der Erwerbsunfähigen eine der völlig Hilfs bedürftigen setzen wollte, würde man s«hr wolMätig wirken. Abg. Hocffel (ReichSp.) weist auf Vie Nachtheile der baoren Rentenzahlung an notorische Trunkenbolde hin. Staatssekretär Graf v. Posadowsky betont gegenüber 'dem Abgeordneten Molkenbuhr, daß Vie landwirthschaftlichen Durchschnittsköhne von den Landesbehörden festgesetzt würden, und daß daher im Reichstage die Behauptung, Vie Festsitzungen geschähen nicht in richtiger Weise, nicht controlirt werden könne. Hierauf wird Vie Diskussion geschloffen und die Vortage einer 28g1iodevtg«n Commission überwiesen. Es folgt die Fortsetzung der zweiten Berathung des Etats des Reichs-Justizaintes. Abg. Pachnicie (freis. Per.) kommt auf die Rechtszustände in Mecklenburg zurück. Die mit dem Gutsherrenthum ver bundenen abrigteillichen Gerechtsame gingen bei der Vererbung, sogar beim Verkaufe des Gutes auf den Nachfolger über. Die Confequenzen dieser Zustände in Vormundschaftssacheu seien ganz abnorme. Abg. Kirsch (Centr.) meint, das Centrum fei allgemein nicht dafür, daß sich das Reich in inn«rpolit'ische Verhältnisse der Einzelstaaten einmische, aber das habe bei Mecklenburg aller dings eine Grenze. Redner spricht sich gegen die Erhöhung der Strafmündigkeit aus. Die Strafvollstreckung sii einer Verbesse rung bedürftig. Abg. Schmidt-Warburg (Centr.) vertheidigt das jüngst von dem sächsischen Bundesrathsbevollmächtigten kritisirte Ur- theil des Landgerichts Berlin, wodurch der „Vorwärts" von der Anklage der Beleidigung des sächsischen Oberlandesg«richts frei gesprochen wurde. Abg. Rettich (cons.) tritt den Äußerungen der Abgg. Büsing, Pachnicke und Kirsch über di« Rechtszustände in Mecklen burg entgegen. Nach einer weiteren Bemerkung des Abg. Sattler (uatbib.) wird der Etat des Reichs-Justizamtes angenommen. Morgen 1 Uhr: Etat des Reichs-Schatzamts, sowie ein Antrag Agster (Soc.) und Genossen über Vas Reichs-Berggesetz. Schluß der Sitzung Uhr. AuS -en Commissionen. 88 Berlin, 23. Januar. (Privattelegramm.) In der Budgetcommisston des Reichstags stand heute der Colonial etat zur Berathung. Ter Referent Prinz Arenberg berichtete zunächst über die dem Etat bcigefügte Denkschrift, betreffend die anderweite Regelung der Bezüge der Colonialbeamten in den afrika- Nischen Schutzgebieten. Colonialdirector v. Buchka letzt eingehend dar, welche Reformen in der Colonialverwaltung er durch zuführen gedenke. Besonders die Ausbildung der Beamten solle praktischer als bisher gestaltet werden, sie sollen auch mehr kaufmännische Kenntnisse erwerben. Die Selbstverwaltung der Schutzgebiete unter Betheiligung der Eingeborenen solle mehr ausgebildet werden. Das Zollsystem solle von unnützen Placke reien, besonders hinsichtlich des Passagiergepäcks, möglichst befreit werden. Man dürfe bei dieser Reform jedoch die vorhandenen Schwierigkeiten nicht unterschätzen. Er hoffe, bereits im nächsten Jahre über Erfolge berichten zu können. Abg. vr. Mü ller-Sagan (fr. Bp.) fragt an, ob bei Ansetzung dcr Dienstaltersstufen nicht auch Rücksicht auf die Gefahren des Klimas genommen werden könne. Wenn der Colonialdirector Len Bureaukralisinus durchbrechen wolle, müsse er auf den Assessorismus verzichten. Man solle möglichst praktisch er fahrene Leute in den Colonien anstellen. Geh. Rath v. Buchka hält auch Leute mit praktischer Erfahrung für die wertbvollsten Candidaten zum Colonialdienst, leider seien sie aber in wünschens- werther Zahl nicht zu haben. Cs käme hier weniger aus Vorbildung an alS auf Persönlichkeit und Charakter. Diese Eigenschaften werden vor Absendung der Beamten eingehend geprüft. Der Ge sundheitszustand in unseren tropischen Colonien habe sich infolge sanitärer Maßregeln sehr gebessert. Eine Abstufung der Gehälter nach dem Klima sei im Allgemeinen unmöglich. Abg. vr. Hasse (natl.) empfiehlt zur Vorbildung für unsere Colonialbeamten Reisen in die Colonien anderer Nationen. Sie könnten vielleicht als Vertreter in deutsche überseeische Handelshäuser geschickt werden. Colonialdirector v. Buchka: Wenn er tüchtige Pflanzer, Kaufleute und ähnliche bewährte Kräfte, welche in den Colonien Erfahrungen gesammelt haben, bekommen könne, werde er sie selbstverständlich annehmen. Die Assessoren sollten nach be standenem Examen zunächst im Vorbereirungsdienst verwendet und selbstverständlich in dieser Zeit auch besoldet werden, vr. Müller- Sagan empfiehlt, die Colonialbramten zur Erprobung zuerst nach subtropischen Ländern, z. B. nach Südbrasilien, zu schicke» und erst später in unsere tropischen Colonien. Abg. Vr. Paasche (al.) hält die Kenntniß des tropischen WirthschastslebenS, auch in Amerika, für unsere Beamten für werthvoll, theilt im klebrigen die Bedenken gegen den AffessorismuS nicht. Abg. Frese (fr. Berg.) empfiehlt als günstige Vorbereitungsländer für unsere Colonialbeamten neben Brasilien auch die holländischen Colonien Java und Sumatra. Jeden- falls sollte man die Beamten erst in fremde Colonien schicken und dann erst in den deutschen Colonien verwenden. Der Vorsitzende v. Kardorff constatirt, daß die Mehrheit der Commission sich mit dem in der Denkschrift und heute mündlich vom Cojonialdirector dargelegten Grundsätzen einverstanden erklärt habe. — Die Com mission geht hieraus zur Berathung des Etats für das Ost afrika nische Schutzgebiet über. Bei den Einnahmen sind als Tit. 1 angesetzt: directe Steuern 560000 Der Referent Prinz Aren berg constatirt, daß die Häuser- und Hüttensteuer in erfreulicher Zunahme begriffen sei, das sei von sehr hoher cultureller Wichtigkeit. Correferent vr. Hasse regt die Einführung der deutschen Geld- wirthschaft in den ostafrikanischeu Colonien an. Das indische Rupien system sei auf die Dauer nicht haltbar. Aba. Müller-Fulda (Ctr.) rügt, daß der Rechnungsabschluß deS ostasrikanischen Schutzgebietes für 1897 und 1898 noch nicht vorliege. Director v. Buchka er klärt diesen Mangel durch die weite Entfernung und die Schwierig keiten der Umrechnung auS der Rupienwährung in unser Geld system. Müller-Fulda wünscht sodann größere Specialisirung der direkten Steuern, sowie genauere Angaben über Ausfuhr und Ein fuhr, Zölle und Zollbefreiungen. Unsere Colonien erfordern zu hohe Zuschüsse. Eine günstigere Gestaltung der Einsuhrverhältnisje werde vielleicht eine Verminderung des Zuschusses ermöglichen. Man müsse danach streben, daß die Colonien sich selbst erhalten. Die Steigerung der Zuschüsse des Reichs, die jetzt schon ca. 30 Millionen betrage, könne nicht zugelasjen werden. Direktor v. Buchka er« kennt diese Ausfassung als berechtigt an und sagt für den nächsten Etat größere Specialisirung zu. Abg. Bebel beurtheilt den Etat sehr pessimistisch und befürchtet noch aus Jahre hinaus ein weiteres Wachsen LeS ReichSzuschusscs. Der Optimismus bezüglich Ostasrikas, wo Huugersnoth und Heuschreckenplage nicht aufhören, sei ihm unbegreiflich. Der Kaffeebau in Wrstusambara habe sich nach dem Urtheil von Sachverständigen als unmöglich herausgestellt. Redner bemängelte schließlich die Art, wie die Ausstellung deS Etat- erfolgt sei. Direktor v. Buchka rechtfertigt die Aufstellung deS Etats. Ein System der Rechnungslegung nach heimischem Muster sei sür die Colonien allerdings undurchführbar. Abg. Graf Stolberg (cons.) stellt den Antrag, den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, in Erwägung zu ziehen, ob eS sich nicht empfehle, die Rechnung sür Ostafrika künftig in Rupien oufzumachen. Dieser Antrag wird gegen 7 Stimmen angenommen. Titel 1 wird daraus genehmigt, die weitere Debatte auf Mittwoch vertagt. 88 Berlin, 23. Januar. (Privattrlegramm.) Ja der Reichstogscominission sür dir Münzgesetznovelle entwickelte sich heute in Anknüpfung an Artikel 4 (Neuprägung von Silbermüuzen und Einziehung der Thaler) »ine ausgedehnte Münz- und Währungs- debottr. Abg. vr. Arendt beantragte, bei Neuprägung von Silber- münzen Silberbarren deutschen Ursprungs zum Marklwerth anzukausen. Der Münzgewinn soll zur Einziehung der Reichscassenschrine ver- wendet werden. Präsident Koch, die Abgg. vr. v. Siemenz und Büsing bekämpften den Antrag. Ein Beschluß wurde nicht gefaßt. 88 Berlin, 23. Januar. (Privattelegramm.) Die 19. Com mission deS Reichstags trat heute in die Berathung des Gesetzes über die CousulargerichtSbarkeit rin. Bon einer Generaldebatte wurde abgesehen, doch sollen zwei Lesungen stattfinden. Zum Bericht- erstatt»! wurde Abg. Beck-Heidelberg (nl.) bestellt. 8 1 lautet: „Die Consulargerichtsbarkeit wird in den Ländern auSgeübt, in denen ihre Ausübung durch Herkommen oder durch Staat-Verträge gestattet ist. Abj. 2: Sie kann durch kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesraths für bestimmte Gebiete aufge ¬ hoben, eingeschränkt oder außer Hebung gesetzt werden." Abg. Schrader (fr. Berg.) beantragte, Abs. 2 zu streichen. Abg. Beck beantragte, in Abs. 2 das Wort „aufgehoben" zu streichen. Abg. Himburg (cons.) beantragte hinzuzusügen: „in Ansehung be stimmter Rechtsverhältnisse". Tie Anträge Beck und Him burg wurden angenommen, darauf aber der so gestaltete Abs. 2 mit sechs gegen sechs Stimmen ab gelehnt, so daß von 8 1 nur der erste Absatz angenommen ist. Der Grund deS Antrages aus Ablehnung deS Absatzes 2 war, daß derselbe auch mit den vorgeschlogenen Abänderungen eine sehr weitgehende An- Wendung finden könne, wenn auch nach den Erklärungen der Regierungsvcrtretrr zur Zeit eine Anwendung nur auf einzelne Gebiete, z. B. China, und für bestimmte Rechtsverhältnisse (Gerichts stand der Handelsgesellschaften) in Aussicht genommen ist. Der Reichstag sei nicht in der Lage, einer gesetzlichen Bestimmung zuzustimmen, welche einen wesentlichen Theil des Schutzes der Rechte der Deutschen im Auslände seiner Lompetenz entziehe. — Der Antrag Schrader, in 8 2 statt „Deutsche" zu setzen „Reichs angehörige", wurde zurückgezogen, nachdem festgestellt war, daß nach der neueren Rechtssprache an Stelle deS früher gebräuchlichen AuS- drucks „Reichsangehöriger" die Bezeichnung „Deutscher" getreten sei. Die 88 3—19 erfuhren nur unwesentliche redaktionelle Aenderungen. Bei den 88 20, 21 und 22 wurde die Frage erörtert, wie weit.durch kaiserliche Verordnung die Rechtsverhältnisse in den Eonsula^erichtS- bezirken geändert werden sollen. Es wurden verschiedene Bedenken gegen die vorgeschlagenen Bestimmungen erhoben, aber Vorbehalten, Abünderungsanträge in zweiter Lesung rinzubringrn. Die Berathung wirb Donnerstag fortgesetzt. * Zu der in dieser Woche beginnenden zweiten Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend Aenderungen und Ergänzungen des Strafgesetzbuches (sog. ler Heinze) im Plenum des Reichs tages sind bereits Abünderungsanträge eingegangrn. Die Frei sinnigen Beckh«Coburg, Borgmann und vr. Müller-Mei ningen haben vorgeschlagen, den 8 181b der Regierungsvorlage: „Die Vorschriften der 88 >80, 181» finden keine Anwendung aus dir Vcrmiethung von Wohnungen an Frauenspersonen, welche ge werbsmäßig Unzucht treiben, sofern damit nicht eine Ausbeutung des unsittlichen Erwerbes der Mietherin verbunden ist" anzunehmen, eventuell die Schlußworte zn fassen: „Sofern der MielhzinS und die Vergütung für sonstige Beschaffungen da- Maß de- Gemein- üblichen nicht überschreiten." Liichfischer Landtag. si, Dresden, 23. Januar. Zweite Kammer. 3l. öffentliche Sitzung, Vormittags 10 Uhr. Vorsitz: Präsident Geh. Hofroth vr. Mehnert. Am Regierungstisch: Die Herren EtaatSminister vr. von Watzdorf, vr. Schurig. 1) Allgemeine Vorberathung über das köaigl. Dekret Nr. 28, den Gesetzentwurf über die Abänderungen deS Ein kommensteuergesetzes vom 2. Juli 1878 betreffend. Der Gesetzentwurf umfaßt drei Artikel. Artikel I bestimmt zu 29 Paragraphen des Einkommensteuergesetzes eine ganze Reihe verschiedener Abänderungen und Zusätze. Artikel II bestimmt, daß der Entwurf als Gesetz am 1. Januar 1901 in Kraft treten soll und daß bei denjenigen Handlungen, welche sür die Einschätzung auf das Jahr 1901 bereits iin Jahre 1900 vorzunehmen sind, den Vorschriften des jetzt zu genehmigenden Gesetzes auch schon vor dessen Inkrafttreten nachzugehen ist. Artikel 111 betrifft dir Er- mächtigung des Finanzministeriums zur Veröffentlichung deS abge- ünderten Textes des Einkommensteuergesetzes. Schon im vorigen Land tag hatte bekanntlich die Negierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, durch welchen das bestehende Einkommensteuergesetz, das fick im Allgemeinen gut bewährt hat, in einzelnen Punkten geändert werden sollte, einerseits um einige im Laufe der Zeit hervorgetretrne Härten zu beseitigen, andererseits nm i» Verbindung hiermit verschiedene Wünschens werth« Klarstellungen und Ergänzungen Herbrizuführen. Dieser Ent wurf war in der Zweiten Kammer unter einigen Modifikationen gebilligt worden, in der Ersten Kammer aber wegen deS inzwischen erfolgten Landtagsschlusses nicht mehr zur Berathung gelaugt. Die Regierung legt jetzt den Gesetzentwurf unter Verbesserungen Les geltenden Rechtes im Wesentlichen in der Gestaltung, wie er aus den Verhandlungen der Zweiten Kammer hervorgegangen ist, den Ständen erneut vor. Im vorigen Landtag batten sich tiefgehende Meinungsverschiedenheiten darüber ergeben, ob die in dem damaligen Entwürfe vorgeschlogene Steuerbefreiung der Gemeinden und der übrigen juristischen Personen LeS öffentlichen Rechtes ausgesprochen werden solle. Ter jetzige Gesetzentwurf beschränkt nunmehr in 8 0 unter 9 die Steuerbefreiung aus diejenigen juristischen Personen des öffentlichen Rechtes, welche in der Verordnung vom 2. November 1888 bezeichnet sind. Dagegen ist in Anlehnung an die früheren Be- jchlüsse der Zweiten Kammer eine Befreiung vorgesehen sür die Stiftungen, Anstalten und Personenvereine, welche ausschließlich kirchlichen, gemeinnützigen, wohlthätigen, Besoldung«- oder Pensions- zwecken Lienen. Weitere in dem Entwürfe vorgesehene Erleichte rungen sollen den physischen Personen zu Gute gehen. Hierher gehört es, daß die gcsetz- und vertragsmäßig zu leistenden Beiträge zu Kranken-, Unfall-, Atters- und JnvalidenversicherungS-, Wittwen-, Waisen-, Pensions- und Sterbecasfen sür abzugssähig erklärt worden sind (8 15) und daß gewisse wesentlichere Verminderungen deS Einkommens auch im Laufe eines Steuerjohres berücksichtigt werden sollen (8 47). WaS die finanzielle Wirkung der im vorstehenden erwähnten Neuerungen betrifft, so kann von dem Verzichte auf die Besteuerung der ausschließlich kirchlichen, gemeinnützigen, wohlthätigen, Brsoldungs- oder PensionSzwecken dienenden Stiftungen, Anstalten und Personenvereine, sowie von de» sonstigen in Aussicht genommenen Milderungen des bisherigen Rechtes rin Rückgang um 120—130000 erwartet werden, während die nach 8 47» künftig schon im Laufe des Steuerjahres ttatthaste Berücksichtigung gewisser Einkommensminderungen eine nicht unbedeutende Steigerung der Weg fälle bei der Einkommensteuer und damit eine weitere Schmälerung des Erträgnisses der letzteren um etwa 100 000.^ voraussepri, läßt. Der Ausfall wird aber durch das stetige Steigen der Erträge der Einkommensteuer bei dieser selbst Ausgleichung finden und auf den dem Landtage vorliegenden Etat deshalb keinen nachtheiligru Einfluß auSüben. Zur Debatte ergreift das Wort Abg. vr. Mehnert und be grüßt die Wiedereinbringung der Vorlage, soweit es sich mit der- jenigen auS dem vorigen Landtage decke, aus das Freudigste. Sie bringe gegenüber Len gegenwärtigen Zuständen nur Verbesserungen und er erhoffe, daß die Kammer ihre Zustimmung nicht verjagen werde. Ter finanzielle Ausfall könne trotz der wenig günstigen Finanzlage kaum in Frage kommen. DaS, waS die Vorlage Neues bringe: Die Beseitigung des bisherigen dreijährigen Einschätzungs durchschnittes, werde, meiner Ansicht nach, einer eingehenden Prü fung in der Deputation zu unterziehen sein. Von allen Seiten werde zugegeben, daß das Anwachsen der Staattausgabrn in starkem Mißvrrdältniß stehe zu den Einnahmen aus den directen Staatssteurrn; jedoch gingen die Ansichten über die Wege, auf denen Abhilfe zu schaffen sei, wenigsten- zum Theil auseinander. In der Ersten sowohl alS in der Zweiten Kammer sei man sich darüber einig, daß man größte Sparsamkeit beobachten müsse, und olle nicht unbedingt uöthigen Ausgaben vermieden werden müßten. Alle Aussicht sii vorhanden, daß auf diesem Gebiete etwa- Außerordentliche- erreicht werde, und der außerordentliche Etat um «tue Summe von 18 koMn NmMU-VMiik inf veiltztzen.
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