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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.01.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-01-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000126024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900012602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900012602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-01
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Gröbere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuug 60.—, mit Postbeförderong >s 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen - Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle« je «in« halbe Stunde früher. Anzeigen find stets an die Gxpedilta« zu richten. Druck und Verlag von E. Polz tu Leidig. Freitag den 26. Januar 1900. 9t. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 26. Januar. Warum in dem nach Schluß der Redaction unsere» heutigen MorgenblatteS eingetroffenen officiösen Berichte über die gestrige Sitzung des BundeSrathS kein Sterbens wörtchen über die Annahme der Flottcnuovelle durch die Hobe Körperschaft gesagt ist, vermögen wir ebensowenig auf zuklären, wie den Widerspruch, der zwischen dieser Annahme und der im gestrigen Abendblatte mitgetheiltcn Meldung liegt, die Beschlußfassung des BundeSrathS über die Novelle werde der Deckungsfrage halber bis zur völligen Wieder herstellung dcS Herrn Or. v. Miquel verschoben werden. Vielleicht hat daS auch in der Absicht gelegen, ist dann aber der Dringlichkeit der Angelegenheit halber aufgegeben worden. Jedenfalls ist die Novelle gestern vom BundeSrath angenommen und sofort vom NeichSmarineamte der Ocffentlichkeit über geben worden. Die unS telegraphisch übermittelten Angaben über ihren Inhalt und ihre Begründung sind erschöpfend genug und überheben unS der Nothweudigkeit, die ganze Vor lage, die nunmehr auch dem Reichstage zugegangen sein dürfte, mitzutheilen. Daß der BundeSrath die DecknngS- frage nicht so gelöst gelassen hat, daß für den Nothfall neue Einnahmequellen in Aussicht nimmt, gehl daraus hervor, daß cS in der Novelle heißt, von der (Yesammthöhe der einmaligen Ausgaben (186t Millionen Mark) seien auf Anleihe 765 Mil lionen und auf ordentliche Einnahmen 1062 Millionen zu übernehmen. DaS wird derjenige Punct sein, an dem die Gegner der Flottenverstärkung am schärfsten einsetzen; wahrscheinlich wird sich der Bundesrath noch nachträglich mit Anregungen aus dem Reichstage bezüglich oer Deckung-frage zu beschäftigen haben. Eine Folge der vor läufigen Behandlung dieser Frage scheint cs zu sein, daß der BundeSrath darauf Verzicht«» hat, eine gesetzliche Frist, bis zu welcher die im tz 1 der Vorlage angegebene Vermehrung durchgesührt werden muß, zu bestimmen. Dieser Verzicht wird damit motivirt, daß bei einem Plane, zu dessen Durchführung ei» sehr langer Zeitraum erforderlich sei, die Festlegung einer Ausführungsfrist etwas Bedenkliches habe. Voller Zuversicht heißt eS zum Schlüsse, die verbündeten Regierungen hofften, daß der Reichstag, wenn er da- Ziel der Entwickelung angenommen habe, sein Mögliche- thun werde, dieses .diel nach Maßgabe der finanziellen Leistungsfähigkeit des Reiches seiner Vollendung entgcgenzuführen. Der Schluß satz läßt die Annahme zu, daß die Regierung sich im Stillen der Hoffnung hingiebt, der Reichstag werde in einer noch kürzeren Frist als 16 Jahre die im 1 vorgesehene Verstärkung zur Durchführung bringen. ES ist zuzu geben, daß die Erfüllung dieser Hoffnung nicht aus geschlossen ist, aber man muß sich darüber klar fein, daß die N ich tfixirung der Frist die Fixirung der Cent rums- Herrschaft auf mindestens 10—15 Jahre bedeutet. Nach dem hier angegebenen Schlußsätze der Begründung soll der Reichstag in jedem Jahre einer Vermehrung zustimmen „nach Maßgabe der finanziellen Leistungsfähigkeit". Nun wird Jedermann zugeben müssen, daß die finanzielle Leistungs fähigkeit, wenn nicht alljährlich, so doch in kurzen Perioden sich erheblich verändert, wie beispielsweise die finanzielle Lage de- Reich- ixr der zweiten Hälfte deS vergangenen Jahr zehnts eine sehr erheblich günstigere war, als in der ersten. Demgemäß wird man auch, wenn man die Finanzlage berück sichtigen will, nicht in jedem Jahre ein gleiches Maß der Vermehrung beanspruchen könne». Daraus ergiebt sich, daß in jedem Jahre über das Quantum der Vermehrung mit derselben Erbitterung gestritten werden wird, wie vor dem Gesetze von 1898. Denn da die Negierung bei der Novelle selbst die jeweilige finanzielle Leistungsfähigkeit zur Grundlage nimmt, so wird sie sich nie auf die Bewilligung deS Vorjahres als auf ein Präjudiz berufe» können. Damit wird daS Centrum zum absoluten Herr» der Situation gemacht, und es wird nicht darauf ankommen, wie der Reichsschatzsekretär die finanzielle Lage ansieht, sondern wie eS dem Centrum beliebt, sic anzu sehen. Daß in absehbarer Zeit ein Reichstag gewählt werden könnte, in dem die drei alten Cartellparkeien, die Freisinnige Vereinigung und die Antisemiten zusammen die Mehrheit hätten, erscheint ausgeschlossen; das Centrum wird also Jahr für Iabr die Entwicklung der deutschen Marine bestimmen, — so lange nicht der bürgerliche RadicaliSmus sich von seiner ver bohrten Opposition bekehrt. Konnte sich früher daS Centrum für „geprellt" erklären, wenn cS eine Vorlage bewilligt hatte und nichts dafür erhielt, so ist es jetzt viel besser daran: eS hat ein gutes Dutzend Jahre Zeit, eine Forderung nach der andern durchzudrücken. In gewisser Weise wäre es vielleicht ganz gut, wenn dem radicaleu Liberalismus durch ein „schwarzes Regiment" einmal reckt deutlich vor Augen ge führt würde, wie eS durch sein Verhalten den Gesammt- liberaliSmuS schädigt. Und cs ist ferner ganz gut, daß ihm durch die eigenartige Form dcS neuen Gesetzes die Gelegen heit geboten wird, jederzeit sich zu einem verständigen und nationalen Standpuncte zu bekehren. Einmal wird vielleicht der Einfluß dcS Herrn Richter auf seine Partei sein Ende finde». Der Aufklärnug vor dem Reichstage -riugend bedürftig sind zwei Aufsehen erregende Vorfälle. Der eine von ihnen hat sich in Ade» abgespielt und besteht, wie zwei deutschen Zeitungen vom Bord des seiner Zeit ungehaltenen Dampfers „General" geschrieben wird, n, dem Verhalten deS dortigen deutschen ConsulS S. Schmuck. Consul Schmuck soll sich erst fast zwei Tage, nachdem das von den Engländern angeordnete Ausladen der Ladung deS „Generals" begonnen, au Bord deS genannten Schiffes begeben haben. Es liegt auf der Hand, daß dieses verspätete Erscheinen nicht nur die deutschen Passagiere des „General" beunruhigt, sondern auch die Interessen der Verfrachter deS „General" beeinträchtigt hat. Tas unglaublich rücksichtslose Verfahren der englischen Mannschaften bei der Ausladung wäre vielleicht unterblieben, wenn der deutsche Consul rechtzeitig au Bord erschienen wäre und tbatkräftig eingegriffen hätte. Die deutschen Interessen werden durch ein so säumiges Ver halten, wie eS dem Consul Schmuck übereinstimmend von zwei Seiten vorgeworfen wird, noch weiter insofern geschädigt, als eS zu Uebergriffen gegen RcichSanzehörige ermuntert. Deshalb hat der Reichstag einen begründeten Anspruch darauf, bei der dritte» Lesung deS Etats dcS Auswärtigen Amts Aufklärung darüber zu erbitten, ob Consul Schmuck sich wirklich so saumselig gezeigt hat und ob das Auswärtige Amt die etwa gebotene Remevur hat einrreten lassen. — Der zweite, Auf sehen erregende Vorfall hat sich in Baden zugetragcn und be trifft die Verabschiedung des praktischen Arztes Or. Käst in Triberg, Oberarztes der Reserve, durch kaiser liche CabinetSordre, „weil er trotz Hinweis auf die Erforder nisse der StandeSehre ihm zugefügte Beleidigungen auf sich hat sitzen lassen, ohne in standesgemäßer Weise dagegen ein- zuschrciten." DaS macht Or. Käst laut der „Köln. VelkSztg." selbst bekannt, indem er zur Aufklärung hinzufügt: Bezirks arzt Bürkle in Triberg habe sich gebrüstet, ihn schwer be leidigt zu haben. Käst habe sich der Militärbehörde gegen über zu der eidesstattlichen Erklärung erboten, daß die Beleidigung in Wahrheit gar nicht vorgekommen sei. Käst erhielt vom Ehrengericht die Weisung, entweder „standesgemäß", d. h. auf dem Wege deS Zweikampfe-, „die Sache zu erledigen oder die Entscheidung der Militär behörde abzuwarten." Käst habe Letzteres vorgezogen und zwar aus folgenden Gründen: „Mit einem solchen Herr», der es mit der Ehre Anderer derart leicht nimmt, ohne es mit der Wahrheit genau zu nehmen, mich zu duelliren, würde ich selbst dann unter meiner Würde gehalten haben, wen» ich auch nicht schon als Katholik und alter Herr einer katho lischen Corporation und als vernünftiger Mensch mich auf ver neinenden Standpunct hätte stellen müssen. Nebenbei verbietet das Gesetz, das auch von Militärpersouen zu respectiren ist, daS Duell. Wie aus der oben angeführten CabinetSordre hervorgeht, ist mir keine unehrenhaste Handlung vorzuwerfen. Ich überlasse der Oessent- lichkeit die Beurtheilung der Frage, wer von Beiden würdiger ist, deS Kaisers Rock zu tragen." BezirkSarzl Bürkle, ebenfalls Oberarzt der Reserve, hat für die von ihm behauptete Beleidigung vom Generalstabsarzt eine Verwarnung erhalten. — Or. Käst irrt nun in der Annahme, daß Militärpersonen daS Ducllverbot, wie eS das Strafgesetzbuch auSsprichr, bedingungslos respectiren müßten; denn herrschend ist vor der Hand die Anschauung, daß die Wahrung der StandeSehre deS OfficierS unter Umständen den Zweikamps unvermeidlich mache. Auch die CabinetS ordre des Kaisers vom 1. Januar 1897, welche den Zweikämpfen der Officiere „mehr als bisher" vorbeugen will, verbietet den Zweikamps nicht ohne Weiteres. Wohl aber muß im Hinblick auf diese CabinetSordre die Frage aufgeworfen werden, wie Ehrenrath und Ehrengericht in der Angelegenheit deS Or. Käst sich verhalten haben. Die angczogene CabinetSordre bestimmt: „Kommen zwischen Osficieren Privatstreitigkeiten und Be- leidigungcn vor, die nicht alsbald aus gütlichem Wege standesgemäß beglichen werden, so sind die Betheiligten verpflichtet, unter Unter lassung aller weiteren Schritte ihrem Ehrenrathe sofort Anzeige zu machen. Der Ehrenrath hat . . den Sachverhalt ungesäumt. . »ufzuklärrn und »ach dem Ergebnisse der Ermittelung«», sowie nach Anhörung der Betheiligte» schriftlich entweder 1) einen Ausgleichs vorschlag aufzustellen, oder 2) zu erklären, daß er sich nach Lage der Sache außer Stande sehe, einen Ausgleich vorzuschlagen, daß vielmehr ein ehrengerichtliches Verfahren nothwendig sei, oder aber 3) festzuslellen, daß die Ehre der Betheiligten für nicht berührt zu erachten und deshalb weder ein Grund zur Ausstellung eines Aus« gleichSvorlchlags, noch auch zu einem ehrengerichtlichen Verfahren vorhanden sei. . . Ein Ausgleich ist anzustreben, soweit eS die StandeSsitte irgendwie zuläßt." Die bevorstehende zweite Berathung LeS Militäretats giebt Gelegenheit zu der Erkundigung, wie Ehrenrath und Ehren gericht im Falle des Or. Käst sich verhalten haben. Am chincfische» Kaiserhofe bat, wie schon kurz gemeldet, sich soeben der zweite Act der mit der Mattsetzung deS Kaisers Kuangsü begonnenen Palastrevolution abgespielt. Man berichtet uns noch: - Peking, 25. Januar. („Reuter's Bureau".) Ein gestern ver öffentlichtes kaiserliches Edict giebt bekannt, daß der Kaiser wegen seines schlechten Gesundheitszustandes nicht in der Lage ist, die Staatsgeschäfte zu leite», und Pu Chun, der Sohn des Prinzen Tua», zum Thronerben ernannt ist. Aus dem Edict ergiebt sich, daß die Kaiserin-Dittwe den Kaiser Kuangsü zwingen will, zu Beginn de« chinesischen Neujahre- abzudanken, obwohl die- in gewissen Hofkreisen erhebliche Opposition finden dürfte. Zwar bedeutet das Edict nicht die völlige Abdankung Kuangsü'-, man glaubt aber in hohen chinesischen Kreisen, daß die Abdankung nur eine Frage der allernächsten Zeit sein werde. Seit mehreren Monate» ist fortwährend verbreitet worden, die Kaiserin-Wittwe beabsichtige, ihren Plan bis zu Ende durchzufllhren. Die Macht ver energischen Kaiserin ist ersichtlich jetzt auf ihren Höhepunkt gestiegen. Als sie im Herbste 1898 der Herr schaft des jungen Kaisers wenn auch nicht nominell, so doch tatsächlich ein Ende setzte und an Stelle der gut gemeinten, aber zu überhasteten Reformbewegung wieder dem Altchinesenthum die Oberhand verschaffte, fürchtete man vielfach für das Leben des jungen, von seiner Nachfolgerin und Tante in strengem Gewahrsam gehaltenen Kaisers. Doch war diese Furcht unbegründet, da die Kaiserin-Mutter die fremden Ver treter in Peking fürchtete (und wahrscheinlich bestätigt sich auch das in Loudon umlaufende Gerücht nicht, der Kaiser habe unmittelbar nach Ernennung seine- Nachfolger« Selbstmord begangen). Selbst die Absetzung deS Kaiser», von der wiederholt die Rede war, blieb aus, offenbar aus demselben Grunde. Ja, die Kaiserin-Mutter sah sich in der letzten Zeit wiederholt gezwungen, den Schatten kaiser bei einzelnen Haupt- und StaatSactionen wieder aus seiner Verborgenheit herauSzuziehen und in hellere Be leuchtung zu rücken. Wenn sie aber jetzt thatsächlich den Schritt unternommen hat, den Kaiser abzusetzen und einen neuen Kaiser zu ernennen, so beweist daS nur, vaß sie sich sicher zu fühlen beginnt und einen solchen Schritt gefahrlos wagen zu könne» glaubt — ob in Folge der chinesisch-japa nischen Annäherung oder auS anderen Gründen, entzieht sich naturgemäß der Beurtheilung. Für das Ausland bedeutet die Absetzung des bisherigen Kaiser-, so wenig praktische Be deutung sie an sich haben mag, jimmerhin eine Verschärfung des fremdenfeindlichen Zuges in China, der ja al-daS eigentliche Wesen der jetzigen Regierung sich mehr und mehr hrrauSgebildet hat. Der Krieg in Südafrika. Es scheint nichts gewesen zu sein mit dem „gro-t Victors Darren'« am Ppian-kop. Weiteres, als da« Telegramm auS SpearmanS-Lager, dem man es schon von Weitem ansieht, daß eS von deS CensorS- GedankenS-Blässe angekränkelt ist, hat London nicht zu erfahre» bekommen, obwohl doch die Nacht zum Donnerstag und der Donnerstag selbst nicht gut ereignißloS verlaufen sein könne». Hat Warren seine Stellung auf dem „eroberten" Berg halten können trotz des fortgesetzten überlegenen Geschützfeuers der Boeren? Oder hat er dies zum Schweigen gebracht? Sind die Boeren zurückgegangen? Und wohin sind sie geflohen? Wie steht eS um die Fühlung mit Buller'S Centrum diesseits und jenseits der PotgieterS Drift? DaS alles sind Frage», die den gewöhnlichen Sterblichen zu beantworten der hohe Rath des Londoner KriegSamtS nicht für nöthig oder nicht für gerathen hält. Auch die Brüsseler TranSvaalaesandtschaft bezweifelt ent schieden de» angeblichen Sieg Warren'S. Warren selbst spreche bloS von Delogirung einer kleinen Boerentruppe, was keineswegs damit stimme, daß die Boeren mit großer Heeresmacht den SpionSkop besetzten. Offenbar handle es Lettillrtsn. 2ij Die ganze Hand. Roman vonHans Hopfen. Nachdruck v^rl?otni. Die Malerin hatte jenen zweiten Fächer, dessen Annahme man vor zwei Monaten verweigert hatte, thcils aus Unmuth, theils au- Ungeschick, nicht gerade verbessert und ihn im Zorne darüber verworfen. Nun hieß es, ihn wieder hervorkramen. Von dem alten mit dem Bildniß der Simonetta trennte sic sich schwer, sie hatte sich seit Jahr und Tag gewöhnt, ihn als ihr eigen zu betrachten. Mer ein dritter war noch nicht vorhanden, und der eifrige Commis meinte, früheren Aeußerungen zum Trotz, das wären gerade zwei ihrer besten Arbeiten, und da bereits mehrere Damen der großen Gesellschaft Nandafächer verlangt hätten, käme Alles darauf an, wenigstens ein Paar sofort zu befriedigen und damit die Sache wieder in Schwung zu bringen. DaS Fräulein starrte den katzenbuckelirden Kaufmannslehrling mit offenem Munde an. Hinter seinem blassen, blöden sah sie im Geiste ein anderes Gesicht auftauchen, mit überlegenen, lächeln den Lippen unter einem schmalen schwarzen Strich von dichten Haaren, und ob sie sich schon gegen eine solch» Hilfe wehren zu müsse» meinte, ftrömte die Dankbarkeit ihr unwillkürlich zum Herzen wie eine wärmende Dlutwelle. Sie hatte, ganz unverhofft, zwei Fächer verkauft und — wie sie meinte — gut verkauft, und Aussicht, wieder andere zu ver kaufen .... O, das war Hilfe in der Noth. Unwillkürlich faltete sie nach dem Abgänge des fremden Menschen beide Hände und bliflte nach alter Gewohnheit nach oben. Aber was von oben auf sie herabzusehen schien, war nicht wie Kinder und Backfischlein sich den Schöpfer der Welt im wallen den weißen Haar und Barte vorzustellen pflegen, sondern wieder der Fremdling mit dem seltsamen Schnurrbarte zwischen wohl wollend lächelnden Lippen und anbetenden Augen. ES ist ein eigenthümlich Gefühl um Dankbarkeit. Uno so dachte sie dankbar mit einqestandencm Vergnügen an einen Mann, an den zu denken sic sich unter anderen Umständen gewiß nicht gestattet hätte. Nun war das Gefühl stärker als sie, und sie sand kein Uebcl dabei. Konnte der Herr denn wissen, wie sehr er Vorsehung gespielt hatte? Sie sah nichts Schlimmes, nur eine Huldigung zarter Art vor ihr, al- Künstlerin, und nebenbei einen kleinen Beweis seines Einflusses, der ihm in ihren Augen nicht zum Schaden gereichte. O Gott, wenn es wieder gelänge, sich durch eigene Kraft zu erhalten, wie dankbar wollte sie ihm sein wenn auch gewiß nicht in der Weise, wie Miß Lydia die Menschen be trachtete. So sah sie dem Wiedersehen am anderen Abend nicht ohne Lust entgegen. Sie folgte einem Wink ihrer Freundin Alma und kam eine Viertelstunde vor der angesetzten Zeit zu dieser. Die Gcheimräthin nahm sie bei der Hand, und mit ihr im Zimmer auf- und abwandelnd, sagte sie: „Geben Sie unserer Lydia heute einige Längen vor. Wollen Sie? Es ist doch unge fährlich. Der Mann betrachtet Sie ja bereits wie seine Muse, wenn nicht gar wie sein Schicksal, Teufelsmädel, das Sie sind. Aber Miß Mac-Minn will ihre Kunststücke machen, also gewähren Sie ihr Zeit und Raum dazu. Sie springt mir sonst aus in Folge gekränkter Eitelkeit und Eifersucht, und das wäre schade, denn für Biele, besonders für die uniformirte Jugend in meinem Salon, ist sie die pcrest attraction nach wie vor, und die will ich nicht missen. Also klug und gut sein, Wessclbrünnchen, nicht wahr?" „Ganz za Befehl der gnädigen Fran", antwortete Nanda mit einem tiefen Knix und herzlichem Lachen. Die Andere lächelte nur ein wenig mit, denn dieser Ausgang ihrer eigenen Pläne könnte so wie so doch nur gethcilte Freude bei ihr Hervorrufen. Weiter sagte sie: „Die tolle Miß ist nämlich bitterböse auf Sie, und geberdet sich nicht anders, als ob sie in den alten Knaben Knall und Fall verliebt sei. Es wäre lächerlich, wenn'S kein Schwindel wäre. Was bildet sich der Mensch nicht Alles ein, aus purer Eitelkeit. Aber Sie kennen sie ja. Man ist bei ihr nicht sicher, ob sie einem keinen Streich spielt, und ich liebe das nicht, ich liebe, daß Alles in genauen Grenzen zierlich und wohlgezogen und in den besten Formen von Statten geht. Und Sie, meine liebe Freundin, Sie werden, wie immer, meinen Intentionen Hilfe leisten." ,Miit Freude», gnädige Frau, aber cs steht döch nicht bei mir allein, und es wäre doch auch nicht nach den Regeln der guten Gesellschaft, wenn ich Seiner Excellenz, die sich mir gegenüber mit vollendeter Höflichkeit benimmt, abstoßend be gegnete." .Würse ich je zu Dergleichen rathen? Das sei ferne. Aber versuchen Sie's in d-r ersten Stunde, in den ersten anderthalb Stunden, zur Abwechselung einmal, einem der Herren Statisten, die unseren General begleiten, den fristeten Kopf zu verdrehen —, welchem, sei Ihnen überlassen —, den alten Conquiftador geben Sie ebenso lange dem Feuer englischer Liebenswürdigkeit Preis. Es wird Ihnen nichts schaden und uns Beiden Verdruß «»sparen." Nanda nickte gar gehorsam, im Stillen aber war sie empört, daß die gute Geheimräthin ihr vorschreiben wollte, mit wem und wie viel mit Jedem sie sich zu unterhalten habe. Weibes Trotz stieg in ihr auf, der Salonfrau, sowie der verdrehten Engländerin zu beweisen, daß sie Niemand unter den Augen schön zu thun brauchte, um zu gefallen, und auch, der Scheibe den Rücken lehrend, ins Schwarze träfe. Dem Programm entsprechend, zog sie sofort nach der Be grüßung der Herren Len Attache in ein längeres Gespräch, damit sie sich nach dem Schicksal einer Pensionsfreundin er kundigte, die angeblich aus seinem Lande stammen und vor Jahren dorthin zurückgekehrt sein sollte. Der Gefragte kannte die Dame zwar nicht — was deren Erfinderin nicht über raschte —, wohl aber deren Familie. Er ergriff die freundlich dargcbotene Gelegenheit, sein Licht über ihr leuchten zu lassen und einen Schatz von Anekdoten auszukramen, die sich alle unter den Verwandten jener erfundenen Mitschülerin begeben haben sollten. Schließlich bemerkte der Herr sogar, daß Sc. Excellenz zu jener Sippe in nahem Grade verwandt sei, und gerieth auf diesem Umwege zu einem ausführlichen Berichte der Thaten und Schicksale seines verehrten Chefs, wobei sein Erzählcrtalent an Fräulein von Wesselbrunn eine aufmerksame Zuhörern fand. Diese vernahm bei der Gelegenheit unter Anderem auch, vaß der General ein erfolgreicher Politiker und das Haupt einer großen Partei sei, und daß sich sline am Staatsruder hantiren- den Gegner seines wachsenden Einflusses nicht anders hätten er wehren können, als daß sie ihn außer Landes geschickt hätten, allerdings mit einer so wichtigen Mission, daß diese ihn, wenn er sie glücklich — woran »licht' zu zweifeln — durchführte, erst recht zum einflußreichsten Manne in der Republik machen müßte, wenn er nicht schon früher — was auch im Bereiche der Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit — zum Präsidenten, zum Oberhaupte des Staates gewählt werden würde. Der Erzähler wie die besten Patrioten seiner Hennath ver sprächen sich von der Regierung dieses außerordentlichen Manne- den großen Aufschwung aller öffentlichen Angelegenheiten. Ge reizt durch einen scheinbaren Widerspruch seiner'Zuhörerin, die nur, um mehr zu hören, den Einwurf gemacht hatte, Don Pcdro erschiene ihr mehr als ein Lebemann, denn ein Staatsmann unl> Politiker, entwarf der Attache ein Bikd der riesigen Arbeitskraft und großartigen Thätigkeit feines Herrn und Meister», da« der Zweiflerin eine andere Werthschätzung beibrachte, als sie bisher bei aller guten Meinung von ihm gehegt hatte. . Don Pedro hatte die künstliche Gruppirung der heutigen Unterhaltung sofort durchschaut und sich als höflicher Herr ohne Widerstreben darein gefügt. Nanda wunderte sich nur, daß nicht sofort Lydia, sondern vielmehr die würdige Frau Geheimrath selber ihn ganz und gar in Beschlag nahm. Er duldete mit voll endeter Galanterie, um sich nachher schadlos zu halten. Daß sein Adjutant in all' dieser Zeit mit Nanda nur von ihm sprach, übersah er mit einem Blick. Auch daß in ihren leeren Händen sich heute kein Fächer mehr befand, war dem zufrieden Lächelnden nicht entgangen. Weder während der Vorstellung im Circus, noch beim nach- folgendemSouper'fandsichGelegenheitzu einem auch noch so kurzen, unbelauschten Wortwechsel. Das Gespräch war dort wie da ein allgemeines unter dem Halbdutzend Theilnehmern und Don Pedro der Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit. Nanda verdroß es, daß ihr's nicht einmal möglich geworden war, sich, wenn auch nur mit wenig Worten, bei ihm für die wirksame Empfehlung ihrer Fächer zu bedanken. DaS war für sie ein verlorener Abend. Dem einflußreichen Mann werde die Lust vergehen, sich noch weiter für eine so unhöfliche Person zu verwend.-». Das war nun, wie es eben war. Verstimmt und stumm trennte sie sich von den Herren. Vielleicht, daß ihr Hände druck beim Abschiede von der Excellenz etwas lebhafter war, als es sonst ihre Gewohnheit. Im Wagen widersprach sie der Secken- stedt nicht, die diesen Abend für einen sehr gelungenen erklärte. Schon am Brandenburger Thore vertauschte sie die Equipage der Gcheimräthin mit einer Droschke, die sie Heimbringen sollt^ Als aber diese vor ihrem Haufe kn der Eichendorffstraße hielt, öffnet« dienstbeflissen ein Mann den Schlag, und sie erkannte nach dem ersten Erschrecken den General. Er bat sie, die Freiheit, die er sich genommen habe, zu enO schuldigen, und in der menschenleeren Straße noch hundert Schritt mit ihm hin- und zurückzulegen. Nach dem langen Sitzen in überfüllten Räumen, erst im staubigen CircuS, dann im engen Sälchen der Garküche weöd« die frische Luft ihr nur gut Ihn». Er könne ganz gewiß nicht schlafen, wenn er nicht erst ein bischen mit ihr geplaudert habe. Denn eine Enttäuschung wie die heut erlebte, lege sich bedrückend aufs Gemüth. Di: Geheim - räthin sei gewiß eine herrliche Frau, aber vier oder fünfStunden mit ihr im Tete » Töte den TantaluS zu spielen, sei für einen mit Arbeit überhäuften Sterblichen keine Erholung. Nanda fügte sich nach einigem schicklichen Widerstreben seiner dringend widerholten Bitte und legte so obenhin ein paar Finger
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