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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.01.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-01-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000127025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900012702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900012702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-01
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Reklamen unter dem RedactionSstrich (4go» spalten) 50-^, vor den Familirnnachrichtra lögrspalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Ziffrrnsatz nach höherem Tarif. vxtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefürderung 60.—, mit Postbesörderang >ll 70.—. Annahmeschluß siir Anzeigern Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 41chr. Bei den Filialen und Annahmestellen je «in« halbe Stunde früher. Anzeige« find stet- an di« Ggtzrtzttis« zu richten. Druck und Verlag do» E. Polz in Leipzig. 84. Jahrgang. Brausteuergebiete 1881/82 nicht voll 19 Millionen Mark, im Jahre 1896/97 dagegen beträchtlich Liber 35 Millionen Mark, ver doppelte sich also nahezu. Drr Tabak brachte im Jahre 1881/82 38 Millionen Mark, im Jahr« 1896/97 63 Millionen Mark, also eine Bermehung um zwei Drittel. Der Vrsammtertrag der Zölle und Verbrauchssteuern im Jahre 1881/82 belief sich aus 286 Millionen Mark, in dem Jahre 1898 auf 782 Millionen Mark, verdreifachte sich also in einem Zeiträume von 18 Jahren. Zieht man in Betracht, daß diese natürliche Entwickelung der Reichs einnahmen sich ungefähr auf daS ganze Gebiet derselben erstreckt, während die Steigerung der Marineausgaben bis zur Fertigstellung der Flotte über daS Maß der durchschnittlichen Vermehrung des Ge- sammtausgabebedarfs des Reiches nicht hinausgeht, so erkennt man, daß in der That nach der bisherigen Entwickelung drr Reichsein- nahmen vollgegründete Hoffnung vorhanden ist, Laß der Mehr- bedarf für die Flottenverstärkung ohne die Einführung neuer Steuern sich wird decken lassen, und zwar um so mehr, als die Erfahrung lehrt, daß das Niveau LeS Ein kommens und demzufolge der Lebenshaltung der großen Massen der Bevölkerung durch jede Periode stark aussteigendrr wirthschaftlicher Conjunctur dauernd gehoben wird. Ist dies selbst schon bei ganz kurzen, treibhausartigen Blüthrn jdeS Wirth« schaftlichen Lebens wahrzunehmen gewesen, in wie viel größerem Maße läßt sich eine solche dauernde Erhöhung des stuuckarä ok liks unserer Bevölkerung von der jetzigen ungewöhnlich langen Periode industrieller und commercieller Bliithe erwarten! Man ist daher um so mehr zu der Hoffnung berechtigt, daß die günstige Ent- Wickelung der Reichseinnahmen, lwelche wir für die Vergangenheit oben skizzirt haben, nicht nur in der Zukunft fvrtdaueru, sondern sich eher noch steigern werde." Auch wir halten diese Hoffnung für berechtigt; ob aber die Mehrheit deS Reichstags die Lösung der finanziellen Frage der Flottennovelle auf Hoffnungen gründen mag, ist mindestens zweifelhaft. Wir würden eS auch manchem Einzelstaate nicht verdenken können, wenn er Garantien gegen die Erhöhung der Matricularbeiträge im Falle der Nichterfüllung jener Hoffnung verlangte. ES rächt sich eben, daß die Lösung der Reichsfinanzreformfrage trotz wiederholter und dringlicher Anregungen von Seiten einzel staatlicher Finanzminister auf die lange Bank geschoben worden ist. Könnte sie jetzt nebenher erfolgen, wie kürzlich der badische Finanzmioister andeuten zu wollen schien, so wäre daS nicht nur im Interesse der Flottennovelle zu be grüßen. Jedenfalls aber darf und wird der Flottenplan an der DeckungSsrage nicht scheitern. Ueber den gewaltsamen Thronwechsel in China liegt uns heute folgende Meldung vor: * Peking, 26. Januar. Es verlautet, daß der neu ernannte Thronfolger am 5. Februar unter dem Namen Chikuang zum Kaiser ausgerufrn werden soll. Während die Bevölkerung im Norden anscheinend theilnahmlos ist, werden im Süden Unruhen befürchtet. Nach einer Meldung des Bureaus Dalziel auS Shanghai enthält daS Decret, welches die Absetzung des Kaisers ankündigt, nur zwanzig Worte. ES lautet: „Es wird bekannt gemacht, daß Hukwei, Sohn des Saichee, Prinz von Tun, hiermit zum Nachfolger deS Kaisers Tungchi erklärt wird." Tungchi war der Vetter und Vorgänger deS Kaiser» Kwangsu. Dieser wird im Edikte gar nicht erwähnt. Fünf Edikte sind im Ganzen veröffentlicht worden. Eins davon trägt Kwangsu'S Unterschrift und besagt: Seine Regierung sei unglücklich gewesen, er habe sich darum entschlossen, dem Throne zu entsagen, und er hoffe, sein Nachfolger werde dem Reiche besseres Glück bringen. Kwangsu war am 12. Januar 1875 als vierjähriger Knabe als Nachfolger seines Vetters Tsaitschun aus den Thron gesetzt worden, allein die Regierung führte thalsächlich seine Adoptiv-Mutter und Tante Tsü-si, die Mutter des 1875 verstorbenen Kaisers. Am 26. Februar 1889 fand die Vermählung Kwangsu'S statt und am 4. März übernahm er die Regierung und die Kaiserin- Wittwe trat mehr in den Hintergrund. Dieselbe ist am 17. November 1834 geboren, jetzt also 65 Jahre alt -- eine energische Frau, die zu sehr ans Herrschen gewöhnt ist, als daß sie freiwillig auf daS Regiment verzichten würde. Von 1861—1881 war sie Kaiserin-Mitregentin, dann bis zum 4. März 1889 alleinige Kaiserin-Regentin und wiederum seit dem 22. September 1898. Daß drr neue Kaiser, von dem selbst die chinesische Gesandtschaft in London nichts weiß, nur ein Werkzeug in den Händen der ehrgeizigen und herrsch süchtigen Frau sein wird, versteht sich von selbst. Dagegen soll, wie die „Frkf. Ztg." aus London berichtet wird, der Vater des jetzt auf den Thron erhobenen KindeS daS Haupt der großen geheimen Gesellschaften sein, die als das „Große Schwert" oder die „Borer" bekannt sind und sich über Tschili, Schantung und Hunan ausdehnen und zu denen auch diePersonen gehören, welche kürzlich den englischen Missionar Brookes ermordeten. Kangyi'S kürzliche auSgefandte Mission uach dem Jangtse und den südlichen Provinzen soll zu dem Zwecke unternommen worden sein, die drei Vicekönme Ehangchitung, Liukunyi und Tangchungling wegen des Staatstreiches zu sondiren. Man behaupte auch, daß LiHungTschang nach Kwangtung geschickt wurde, um daS Programm der Kaiserin zu unterstützen und irgend welche Feindseligkeit der Kanlo- nesen zu unterdrücken. Die Huanesen und Kantonesen sollen die stärksten Anhänger von Kwangsu sein. Die MandschuS sollen überhaupt für den Wechsel sein, während die Chinesen mehr dagegen seien. Daß Kwangsu nicht schon im September z898 förmluh abgesetzt m»d.Pe-8«b«nS beraub* wurde, war «ne dem Umstande zuzuschreiben, daß England jene Bestrebungen unterstützte. Wenn die Kaiserin-Wittwe eS jetzt wagt, den Plan, den sie schon vor zwei Jahren hatte, vollständig aus- zusübren, so kann man daS wohl als eine indirekte Folge des südafrikanischen Krieges ansehen, der England große Schwierigkeiten bereitet und sein Ansehen Wohl auch im fernen Osten bereits geschädigt hat. Ist eS richtig, daß Rußland und Frankreich die Absetzung Kwangsu'S gebilligt haben, dann kann eS nicht zweifelhaft sein, daß England in China eine diplomatische Niederlage erlitten hat. Die Einführung von Reformen in China, d. h. die Stärkung desselben, ist Ruß land nicht erwünscht, weil dadurch der Auflösungsproceß deS Reiches, als dessen Haupterbe Rußland angesehen sein will, verzögert, wenn nicht gar verhindert würde. Dieselbe Politik bat Rußland auch stets gegenüber der Türkei verfolgt. Warum aber Frankreich denselben Weg wandelt, ist un verständlich — eS sei denn lediglich aus dem Grunde, um Rußland einen Gefallen zu erweisen und England ein Bein zu stellen. Der Lrieg in Südafrika. —p. Nach dem im heutigen Morgenblatte veröffentlichten Telegramm unseres Londoner Gewährsmannes bestätigt sich unsere Annahme, daß die Stellung, welche General Warren auf dem SpionSkop eingenommen hatte und aus der er wieder vertrieben wurde, nur eine Vorterrasse deS Berges oder eia Vor berg deS eigentlichen Gipfels ist. Aebnlich faßt auch Di. LeydS, der Transvaalgesandte in Brüssel, die Sache auf, der einem Mitarbeiter des Pariser „Echo" gegen über erklärte, er habe beim Lesen der Meldung übet die „Erstürmung" des SpionSkop den Eindruck erhalten, daß die englischen Truppen ihre Stellungen nicht be haupten könnten. Es müsse bemerkt werden, daß der SpionSkop aus verschiedenen Anhöhen bestehe. General Warren habe eine dieser Anhöben besetzt, die indeß nicht von besonderer strategischer Bedeutung sei, denn die Boeren hätten auf dieser Anhöhe nur eine schwache Be satzung hinterlassen und offenbar noch eine höhere Stellung innegehabt. „Ich glaube annehmea zu dürfen", sagte LeydS, „daß das amtliche Telegramm unvoll ständig veröffentlicht wurde. Alles läßt vermuthen, daß dal Artilleriefeuer, das dem General Warren so unangenehm war, wie daS Kriegsamt meldet, nur die Wirkung hatte, die Engländer auch von dieser niedrigen Anhöhe zu vertreiben." Wie seien sonst die Verluste zu erklären, die daS amtliche Telegramm meldet? Wahrscheinlich batte man das Telegramm von un angenehmen Stellen gesäubert, um die Bolksbegeisterung nicht abzukühlen. Er sei überzeugt, daß der boerischr Generalstab diesen Angriff vorauSgesehen hatte, und er glaube nicht an einen Erfolg der Engländer. Der UmgehungSversuch Buller'» werde scheitern. Nun, er ist gründlich gescheitert. Die Engländer be fürchten, daß die Boeren ihren Sieg auSniitzen und selbst »um Angriff übergehen werden, weshalb sie an die Deckung ihrer bisherigen Stellungen am Tugela, wenn nicht an einen Rkeftvg -über denselben senken rttkkfsrn. Das deutet die folgende Mel dung an: r. Lon-o», LS. Januar. (Privattelegramm > General Buller schützt -le Tugelaltnie mit -er ge lammten Artillerie-Brigade. General Hart -alt -en Brückenkopf -er Pontonbrücke a» -er Wagon Furth. Htl-yar- deckt Warren» Rückzug» Lhttleton -le Pot- gieters Furth am Lnetreehill. SpearmanS Lager ist stark befestigt. Tie für -en SpionSkop engagirteu Truppen verloren -en größten Thcil ihrer vfftetere. Warren ging gegen Buller'»Befehl zurück. Die Gesammtstellung Buller'» tst durch den Rückzug un haltbar geworden. Tie Mannschaften find feit fünf Tagen ohne regelmäßige Verpflegung. Durch dteglühendeHitze und Wassermangel sind sie grötztenthetls kampfunfähig geworden. (Wiederholt.) Buller girbt die Verluste Warren'» am Mittwoch auf 24 Todte, 155 Verwundete und 31 Vermißte, in-gesammt auf 210 Mann an. Es ist nicht recht klar, ob damit die Verluste während der Tagesstunden de» Mittwoch gemeint stad, während deren Warren unter schwerem Feuer der Boeren seine Position am SpionSkop hielt, aber, wie er selbst sagt, be trächtlich mitgenommen wurde, oder die Verluste während der Nacht vom Mittwoch auf den Donnerstag, unter deren Schutz Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. Januar. Zwei lange Sitzungstage hat der Reichstag, besser als sonst besucht, an die zweite Berathung der sog. lox Heinze, d. h. der Strafgesetznovelle, zu der schon vor einer Reihe von Jahren der bekannte Fall Heinze den ersten Anstoß gegeben hat, verwendet, und noch läßt sich nicht absehen, ob er etwas zu Stande bringt, was dem Zwecke entspricht oder auch nur die Zustimmung deS BundeSraths findet. Nicht ertrag reicher waren die beiden letzten Sitzungen des preußischen Abge ordnetenhauses, in denen die Berathung deSEtatüderland- tvirt h sch ast l ich en Verwaltung fortgesetzt wurde. War der erste Tag dieser Berathung trotz der vorhandenen schroffen Gegensätze verhältnißmäßig ruhig verlaufen und hatte die Hoffnung erweckt, die Fortsetzung werde in eben solchem Gleise sich bewegen, so machten die Führer des Bundes der Landwirt he diese Hoffnung durch heftige Angriffe auf die Nationalliber,alen zu nichte, in deren Namen besonders der Abg. vr. Friedberg in einer Rede, aus die wir zurückkommen müssen, antwortete und namentlich gegen den Abg. vr. Hahn und sein agitatorisches, daS Zusammenwirken aller besonnenen Freunde der Landwirth- sckast unmöglich machendes und dadurch die Landwirthschast selbst schädigendes Treiben sich richtete. Gestern versuchten nun zwar auf der einen Seite der Abg. v. Wangenheim und aus der andern der Abg vr. Sattler und Graf Oriola Ocl in die wild bewegten Wogen dieses Kampfes zu gießen, aber der Abg. vr. Hahn schüttelte von sich die lindernden Tropfen ab und provocirte eine scharfe Entgegnung deS Abg. Vr. Friedberg. Erst spät erinnerte man sich, daß daS Gehalt des LandwirtbschaftsministerS auf der Tagesordnung stand, bewilligte diesen Titel und vertagte die weitere Be rathung des landwirthschaftlichen Etats auf den Montag, an dem der Kampf voraussichtlich aufs Neue entbrennen wird. Die Meldung unseres Berliner Htz-Correspondenten, daß im BundeSrathe bei der Berathung der Flottennovelle mehrere Bundesstaaten sich ausdrücklich die nachträgliche ein gehende Berathung der Deckungsfrage Vorbehalten hätten, hat bis jetzt weder Bestätigung, noch Widerspruch erfahren. Jedenfalls aber giebt ein Artikel der „Berj. Pol. Nachr", der den Nachweis zu führen sucht, daß die Deckungsfrage eigentlich gar keine Frage sei, die Ansicht der Mehrheit der verbündeten Regierungen wieder. Es heißt in ihm: „Ohne Zweifel wird die grundsätzliche Opposition gegen die Flottenvorlage die Thatsache, daß nahezu eine Verdoppelung der Aufwendungen für Flottenzwecke in Aussicht steht, agitatorisch gegen den Flottenplan zu verwerthen suchen und dabei die in der Begründung enthaltene Angabe, daß sich nach der Entwickelung der Reichsfinanzen erwarten lasse, es werden diese Ausgaben ohne neue Steuern zu decken sein, thunlichst todtschweigen. Demgegenüber mag «in Blick auf die thatsächliche Entwickelung der Reichseinnahmen in einer drr für die Flotte in Aussicht genommenen Herstellungszeit annähernd entsprechenden Periode der Vergangenheit am Platze sein. Die Zölle, welche bekannt- lich unter den Reichseinnahmen an erster Stelle stehen, lieferten i. I. 1881/82 einen Ertrag von rund 196 Mill. Mark, i. I. 1896/97 dagegen einen solchen von 464 Mill. Mark. Die Zolleinnahmen haben sich daher in diesem 15jährigen Zeiträume weit mehr alS verdoppelt. Die Gesammteinnahme von Bier betrug in dem Ferrillrtoii. 22i Die ganze Hand. Roman von Hans Hopfen. Nachdruck »«beim. Achtzehn Kilometer südlich von Berlin, hinter der Stadt, welche dem Kreise feinen Namen gegeben hat und bei den Fein schmeckern der woiten Welt durch eine kleine, schon von Goethe im Briefwechsel mit Zelter preislich erwähnte Rübe berühmt geworden ist, hinter Teltow liegt ein Schloßgut derer von Hake, mit seinem Park und Wald wohl der anmukhigste Fleck auf Meilen in der Runde, Klein-Machnow geheißen. FrMch, zur Wonnezeit der Flioder- oder Lindenblüthe stellt sich der Ort reizender dar; aber auch an milden, trockenen Winter tagen kann man an dem zwischen Wassern schöngelegenen Herren sitz, an der Piefigen Schloßrmne und am rothen Kirchlein im Kranze riesiger Bäume seine Freude haben. Keine Gegend in der Nähe der Roichshauptstadt ist denn auch von Malern so heimgesucht wie diese. In der milderen Jahreszeit siedeln sich ganze Schulen von Landschaftern mit ihren lehrhaften Häuptern in der Nähe an. Im Winter freilich ist's still und einsam da, wenigstens an Werktagen, wo keine Tanz musik unternehmende Mägde mit ihren derben Knaben hinaus- lockt und Familien im Freien keinen „Kaffee kochen können." In diesem lauen Winter jidoch zog wohl der Eine und die Andere mit Skizzenduch und Farbenkasten waghalsig schon vor ver Zeit hinaus, und auch Nanda hatte, durch eine Photographie des Oertchens gereizt, sich in den Kopf gesetzt, die Gegend auf rin Bild hin zu studiren. War'», daß das Wort d«S Generals, sie möchte vom Fächer zum Gemälde nn Rahmen fortschreiten, unbewußt in ihr nach wirkte, war's, um neben dem künstlerischen Zwecke noch den rein menschlichen zu verfolgen, in dem abgelegenen Waldasyl einige Bormittage in Immanuel'« Gesellschaft ungestört zu verplaudern, die Abrede mit dem Gelisbten war rasch getroffen und bald au»- geführt worden. Sie hatten sich zwei Wochen nicht gesehen. Erst war Nanda durch Alma Seckenftedt'« gesellschaftlich« Unternehmungen in Anspruch genommen worden; dann hatte Winkler auf Anrathen seines Gönners Wettdswalt sich für etliche Tagt nach Leipzig begeben, um mit einem Verleger zu unterhandeln, der beiden Politikern als der richtige Mann für die neu zu gründende Wochenschrift erschienen war. Allein so zuversichtlich Immanuel ausgefahren, so nieder geschlagen war er zurückgekehrt. Es war doch «ine wunderliche Welt, die des Geschäftes mit all' ihrem eingestandenen und verhohlenen Eigennutz, die billig einkaufen und theurer verlaufen als das oberste Gesetz aller menschlichen Bewegung betrachtete und für di« Vermittelung eines Products an den Abnehmer mehr, weit mehr als drr Mann des schöpferischen Gedankens und der ausführenden Kraft zu beanspruchen für erlaubt, ja für das Natürlichste in Handel und Wandel erachtete. Dabei kein Muth, eine Mark zu wagen, wo für höhere Interessen sich erprobte Kräfte in den Kampf be geben wollten, und dicht daneben eine an Trunkenheit mahnende Waghalsigkeit, wenn inan der Mode, und wär's der albernsten Mode, zu dienen sicher zu sein glaubte. Man hatte ihn Mit der größten Bereitwilligkeit, ja mit zur Schau getragenem Wohlgefallen, zugehört, seine Pläne geistvoll, seine Arbeitskraft als die zuverlässigste Stütze der Partei, die Theilnochme von Leuten, wie Wettdswalt, der schlesische Magnat und Andere waren, al» kostbare Sicherheit erklärt, und als er am anderen und am dritten Tage wiederkam, «var von all' den schönen Hoffnungen, die man vor ihm blendend hatte ausprasseln lassen, nichts mehr zu finden, al« wie leere Hülsen auf einem Feuerwerksplatz. Der letzte Empfang bei dem Leipziger Prinzipal war von ungeduldiger Unfreundlichkeit schon schwer zu unterscheiden ge wesen. Da hatte er denn an Wendewalt geschrieben, daß auf diesem Felde der Weizen der Partei nicht blühen werde, und war nach Berlin zuritckgefothrrn, derweil der alte Demagogentrotz recht fühlbar in ihm wieder einmal aufbrodelte. Wendewalt hatte ihn kachelst» empfangen. Hatte er nicht gesagt, daß es Geduld kosten werde, und Immanuel sich nicht gerühmt, daß er Geduld habe, und diel Geduld? War Geduld nicht die andere Hälfte de« Talent«? Schon gut; aber e« giebt kein Talent, da« nicht Hungers stirbt, wenn man ihm nicht zu essen giebt, und Geduld übt sich ni« schwerer, al« mit leerem Magen. Ganz so weit war nun Winkler noch nicht, aber allerdings nicht mehr so weit davon, und seine Laune dementsprechend herb und sarkastisch, wir feine Hochachtung vor mühelos genießenden Menschen gering. Diese Stimmung färbt« denn auch aüf die Unterhaltung drr beiden Liebenden ab, so froh sir wann, sich endlich wilder einmal in Gottes freier Natur stundenlang an einander freuen zu dürfen, und so viel ein Jeder auch dem Anderen des Wichtigen und Ueberraschenden mitzutheilen hatte. Es war ein goldiger, blauer Tag. Die Sonn« schien warm wie im Frühling und zeichnete in scharfen Schattenrissen, die sich achte hin und her bewegten, die Nadelholjzzweig« auf den glänzen den Sawdiweg. Nandas Malgeräth lag weit drüben aus der niedern Kirchhofsmauer unangefochten, während die Beiden, von keinem Menschen belästigt, in der warmen Februarluft die mächtige, jetzt entlaubte Allee hinter der Kirche an den Häuschen der Schloßbsdiensteten auf und nieder wandelten. Jeder war überzeugt, dem Anderen die wichtigeren Neuig keiten zu bringen. Aber nachdem Winkler all' seinen Aerger, seine Enttäuschung, seine Menfchenvcrachtung ausgekramt hatte, gab er vor Nanda'S Enthüllungen doch klein bei. Zuerst war der Zorn über ihn gekommen, daß er die Fäuste ballte, wie Einer, der es nicht erwarten kann, solch' bodenlose Frechheit handgreiflich zu züchtigen. Aber mitten im auf wallenden Grimm war er plötzlich stehen geblieben und hatte laut aufgelacht, so laut und gellend, daß es der armen Nanda durch die Ohren ins Herz schnitt. Wie wund mußte die Brust sich fühlen, die also lachend sich Luft machte. „O über di« Welt, die schmutzige, närrische, verkehrt« Welt!" rief Immanuel auS. „WaS nimmt man sie nicht, wie sie sich giebt, und behandelt sie nicht mit ganzer Verachtung, wie sie's verdient, und betrügt nicht genrüthsruhig Diejenigen, welche nach gar nichts Anderem dürsten und beten, als betrogen zu werden!" „Immanuel!" flüsterte Nanda, die Hände wie vor Entsetzen faltend. „Sieh' mich nicht mit so erstaunten Augen an, Schatz", ant wortete Winkler. „Sind wir nicht in einer fürchterlichen Lage, Du und ich? Weißt Du einen Ausweg, eine wirkliche Hilfe? Hab' ich nicht für Tausende gearbeitet hüben wie drüben? Wer giebt mir dafür ein Stücklein Brod? Ein tölprscher Kerl, der nicht» gelernt hat, als zwei Ziegelsteine gerade aufeinander legen und Mörtel dazwischen schmieren, tobt und rebellirt, wenn er mehr al» acht Stunden den Tag arbeiten soll und dafür nicht so bezahlt wird, daß er mit Weib und Kind davon leben kann! Ich habe Bibliotheken durchgeorbeitet und ohne Sonntag und ohne Feierabend mich in geistiger Frohn ab gerackert jahrelang, um Denen, die mich auinützen, die Gedanken und die Wort« zu liefern, die Waffen, mit denen sie für ihre Uebrrzeugung und ihre Existenz kämpfen ... wer gab, wer giebt mir dafür mein täglich Brod? ... Hat es nicht den Anschein, als ob mich diese Partei ebenso wie die frühere nur dazu braüchte, ihr die gebratenen Kastanien aus dem Feuer zu holen, und wenn ich ihr nachher die verbrannten Pfoten zeige, mich achselzuckend darauf anzuweisen, sie mir selber zu lecken, sie würden dann schon heilen, Dank wäre sie mir dafür keinen schuldig? Und Du, armes Ding, was ist Dein Loos? Die Arbeit Deiner emsigen, kunstreichen Finger ist aus der Müde, von heut' auf morgen gestrichen, wie ein schlechtes Papier aus dem CourSzettrl der Börse; nun kannst Du — ja was kannst Du denn? Als Wärterin vielleicht in Tagelohn gehen oder, was standeSmäßiger ist, als Krankenpflcgein, als „Schwester". Dein Frühstück, Mittag- und Abendbrod mit Gefahr Deiner Gesundheit und Deines Lebens verdienen, wohlverstanden Deines allein, denn für Deinen alten Vater bliebe dabei im einen wie im anderen Falle nichts übrig, und doch muß für den alten, leichtsinnigen Mann gesorgt werden. Wie willst Du das? Keine Aussicht! Vor allen Fenstern die Läden zugenagelt und für Hoffnung kein Eingang! Da plötzlich wird die Thür eingestoßen, und vom Glovienschein des Retters umflossen steht ein alter Herr mit einem wunderlichen spanischen Bärtchen auf der Schwelle, wie eine Attrape aus einer Spielschachtrl gesprungen, und er sagt: Laß mich Dich einen um den anderen Abend bei einer häuslichen Tasse Thee eine oder zwei Stunden anplaudern, rühre mir dabei den Zucker um und belüge mich, ich sei Dir doch nicht gerade der Gleichgiltigste unter den Zeitgenossen, so will ich Dich dafür reich machen und über alle Sorgen hinausheben. Tableau! Leusx vult ckecipi, munckus rult äecipi, ergo ckectplnutur. Da ist ein Greis, der kniefällig bittet: . Mach mir wa» Weitz! Da hinter die ganze Welt, die betrogen werden will, wie dieser Greis, Warum sollen sie ihren Willen nicht Haden, der Grei» und die Welt, und die Parteien und die Politik, und der ganze Kram von Menschheit? Vecipiantur! Amen! Hatte der Mann nicht Recht, der da» verfehmte Buch cke tridu» lwpo,toribu4 geschrieben? Die größten Komödianten, da« sind die großen Männer, die im Gigantenschritt durch alle Jahrhunderte wandeln, während die ehrlichen, gutmüthigrn, offenherzigen rasch au» genützt und unterS Pack geschmissen werden. Die Anderen aus zunützen, das macht grotz, berühmt und mächtig. Wer wird reich durch sich allein, wer wird reich, wenn er nicht versteht, Andere für sich arbeiten zu lassen? Scheer« doch Jeder den Anderen, der ihm gutwillig sein Fell darbketet; es wird ihm nicht alle Tage eine» geboten werden. Und am Gnd« ist noch ein Verdienst dabei, die alten Tage de» Heldmgreffe«, der sich sonst in der Berliner Gesellschaft zu Tod« langw»M, mit «iner
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