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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.03.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-03-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010319023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901031902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901031902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-03
- Tag1901-03-19
- Monat1901-03
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DezugS »Preis Rt ßdr Hauptexpedition oder den im Stadt- buirk und den Bororten errichteten Aus- gavestrllen abgeholt: vierteliährlich .ät 4 »0, bet zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau- S.KO. Durch die Post bezogen für Deutschland u Oesterreich: vtrrteljährl. ü. Maa abonairt teraer mit entspreäMdem Postausschlag bei deo Postanstaltea in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem- bürg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Tonaustaaten, der Europäischen Türkei, Egupten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch di« Expedition diese- Blattes möglich. Di« Morgen-Ausgabe erscheint um >/,7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Ne-artion und Expedition: JahanniSgaffe 8. Filialen: Alfred Hahn vorn«, v. Klemm'- Sortim. Umversitätsstraße(Paulinum), Louis Lösche, Katharinevstr, pari, und König-Platz Abend-Ansgave. npWtr TagMaü Anzeiger. Amtsksatt des Königkichen Land- nnd Ämtsgerrchtes Leipzig, des Rashes und Notizei-Ämles der Ltadt Leipzig. Dienötag den 19. März 1901. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RedactlvnSsirich ft gespalten) 75 H, vor den Jamiliennach» richten (Ü gespalten) SO Tabellarischer und Zisfernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 .H (excl. Porto). Extra Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Pvstbesörderung ./L i>0.—, mit Pvstbesörderung »! 7V.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Au-gabr: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je rin« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Immer bestimmter treten die Gerüchte von Friedensoerhand« lungen zwischen den beiderseitigen Oberbefehlshabern Kitchener und Botha auf, und wenn auch die amtliche Bestätigung dieser Zeitungsmeldungen bis jetzt noch nicht erfolgt ist, so ist es doch nicht unwahrscheinlich, daß in kurzer Zeit die Waffen in Süd afrika niedergelegt werden dürften. Wie wenig es oen Eng ländern gelungen ist, das Land der beiden Republiken zu er obern, ergiebt sich aus unserer beistehenden Karte, in welcher die Namen der im Felde stehenden bedeutendsten Boerenführer an denjenigen Stellen, an welchen sie heute, 18 Monate nach Ausbruch des Krieges, thätig sind, eingetragen sind. Lediglich die unmittelbar an den Eisenbahnen liegenden Orte sind im festen Besitze der britischen Truppen, die trotz ihrer 15—Mfachen Ueber- zahl die Bahnstrecken selbst nur ungenügend zu schützen vermögen und ganz machtlos sind, das weite Land selbst vom Feinde zu säubern, welcher übrigens in kleinen Abteilungen auch im Nordosten des Oranjefreistaates und im westlichen Theile Trans vaals oerthcilt steht und keine sich bietende Gelegenheit unbenutzt vorübergehen läßt, dem verhaßten Gegner Schaden zuzufügen. Zur Erläuterung unserer Karte bemerken wir kurz Folgendes: Louis Botha, der Oberbefehlshaber der Boeren, hat sein Hauptquartier nördlich von Middelburg aufgeschlagcn, nachdem er es meisterhaft verstanden hat, den zangenartigen Operationen der 7 englischen Colonnen zu entwischen, die ihn Uber die por tugiesische Grenze drängen wollten. Lucas Meyer, welcher unter Botha befehligte, steht zur Zeit in den unwirthlichen Gegenden des südöstlichen Transvaaals. Smuts steht mit seinem Kom mando im Barberton-District und Coester unweit Komati Poort. Im Norden des Hauptquartiers bei Rosienkal befindet sich Viljoen und westlich von ihm bei Nylstroom und Warmbad ein ziemlich starkes Kommando unter Paget. Delarey, nach De Wet viel leicht der bedeutendste Stratege der Boeren, hält immer noch die Magaliesberge westlich von Pretoria und Johannesburg besetzt und bringt alle Versuche des britischen Generals Kitchener, ihn von dort zu vertreiben, zum Scheitern. Beyer, der oft mit Delarey zusammen operirt hat und durch seine kühnen Streifzüge bis in die unmittelbar« Nähe der beiden vorgenannten Siädte sich einen Namen gemacht hat, steht südlich der Eisenbahnlinie Johannesburg-Standerton. De Wet, der Schrecken Englands, befindet sich westlich von Kroonstad und beabsichtigt wahrschein lich, sich zu Botha und Schalt Burger zu begeben; südlich von ihm loerden die Boerenführer Brandt, Hertzog und Pretorias gemeldet und bei Smithfield steht der Präsident Steijn. Die Engländer, welche ihr Hauptquartier in Pretoria haben, halten die an den Eisenbahnen liegenden Städte besetzt und werden von ihren Gene ralen zur Verfolgung der Boeren erfolglos durch das ganze Land gehetzt, während fortgesetzt kleinere Trupps von letzteren über rumpelt, gefangen genommen und nach Abnahme der Waffen, Munition und Kleidungsstücke wieder freigelassen werden. Das ist die augenblickliche Kriegslage in den beiden Boeren- republiken, wobei nicht vergessen werden darf, daß auch noch in der Capcolonie die beiden Kommandos unter Kruitzinger und Sheepec (in den Districten von Kradock und Muraysburg) und etliche kleinere Abteilungen in der Gegend nördlich von Steijns- burg stehen. Auch hier sind die britischen Truppen trotz ihrer numerischen Ueberlegenheit nicht im Stande, den Feind zu ver treiben. Jedenfalls liegt die Sache so, daß die Boeren den Krieg, wenn sie wollen, noch lange fortsetzen können, da sie ihre Waffen- und Munitionsoorräthe von den britischen Truppen selbst immer fort ergänzen können, und durch die Fortnahme der englischen Proviantiransporte auch vor Nahrungsmangel sich leicht schützen können. Hoffen wir, daß diese Verhältnisse bei den Friedensverhand lungen auch in das richtige Licht gesetzt und voll zur Geltung gebracht werden. * London, 19. März. (Telegramm.) Tie „Times" be« richten aus Bloemfontein unter dem 18. März: Die zwecks Umzingelung Fouries und seiner 800 Mann unternommenen Operationen sind mißlungen; die Hälfte des Feindes entkam letzte Nacht. In einigen Tagen wird eine bedeutend umfangreichere Umzingelung unternommen. Die Wirren in China. Russisch englische Reibereien. Wie bereits mitgetheilt wurde, sind die Russen und die Engländer in Tientsin sich in die Haare gerathen wegen eines Grundstückes, auf daö beide Theile Anspruch machen. Die Eisenbahn Shanha'.kwan-Tientsin-Peking ist bekanntlich Eigcuthuiu einer englischen Gesellschaft und dieselbe ist ibr vor Kurzem durch Permittelung deö Grasen Waldersee von den Russen wieder znrückgegeben worden. Tas englische Eisen- babnamt in Tientsin wollte nun ein Nebengleis in der Nähe der Station bauen, allein die Russen behaupteten, daß das Stück Land, wo vie Engländer die Schienen legen wollten, zu der von ihnen jüngst erworbenen „Eoncession" (Niederlassungs gebiet) gehöre und sie vertrieben die englischen Arbeiter. Diese kehrten jedoch, unterstützt von einigen hundert englischer Soldaten, zurück, worauf die Russen ihre ganze Streitmacht in Tientsin auf dem Platze vereinigten. Tic beiderseitigen Truppen befehlshaber kamen überein, den Frieden während 2 t Stunven aufrecht zu erhalten, um über die Angelegenheit an ihre Regierungen berichten zu können. Beide Theile haben sich verschanzt, doch werden sie sich wohl gegenseitig nicht LcklimmeS anthun, da die Engländer vermuthlich auch dies mal die Vernünftigen spielen und nachgebcn werden, obgleich, wie die „Frkf. Ztz." mittheilt, einige englische Blätter sich sebr energisch gegen das russische Vorgehen aussprechen. Natürlich machen sie dabei auch den Versuch, auf Grund der letzten Neichstagsrede des Grasen Bülow Deutsch land in den Streit mit Rußland hinein zuziehen. Die „Pall Mall Gazette" meint, daß dieser Eisenbahnstreit eine Art Stichprobe sei, deren Erledigung entscheidend für die Lösung vieler anderen Fragen ähnlicher Art sein würde. Wenn die russische Regierung darauf bestehe, die Action ihrer Osficiere in Tientsin aufrecht zu erhalten, fo scheine ein englisch-deutsch-japanischer Protest unvermeidlich zu sein, „den zu ignoriren für Rußland sehr unklug wäre". Der „Standard" rechnet noch bestimmter auf die Unterstützung Englands durch Deutschland gegen Rußland. Es sei, meint das Toryblatt, nach den Erklärungen des Grasen Bülow gar kein Zweifel darüber mehr möglich, „daß Deutsch land auf der Seite derjenigen Mächte zu finden fein wird, welche gegen den Abschluß von Separat-Abkommen sind, durch die die Control« über einen Theil chinesischen Gebietes in die Hände der Officiere des Zaren fallen würde. Der russischen Politik müsse energisch Widerstand geleistet werden und man müsse in Petersburg eine „entschlossene Sprache" sichren u. s. w. Drohungen der Briten werden auf die Russen schwerlich mehr Eindruck machen, als auf die Boeren. Jedenfalls ist zu hoffen, daß die Rede des Grafen Bülow nicht von den Rnssen ebenso mißverstanden wird, wie von den beiden erwähnten englischen Blättern geschehen. Mittlerweile sind bekanntlich die beiderseitigen Wach mannschaften auf je 27 verringert worden, um während der Verhandlungen einen Zusammenstoß zu verhindern, dafür ist aber ein neuer Streitpunct aufgetaucht, der Anspruch Rußlands auf die Gewässer der Blonde- nnd Elliot- Jnseln in der Korea-Bai. Nach dem Londoner Parlaments bericht im Morgenblatte ist England entschlossen, die An sprüche Rußlands nicht anzuerkennen, da es sich um nichts Geringeres als um den Zugang zum Golf von Petschili handelt. So sammelt sich immer mehr Zündstoff zwischen den beiden Rivalen — vielleicht ein neuer Hoffnungsstrahl für die — Boeren! * Washington, 18. März. Der hiesige chinesische Ge- sandte Wutingfa iig ist vom chinesischen Hose ausgefordrrt worden, darüber zu berichten, ob das Mandschurei-Abkommen den chinesischen Interessen widerspreche. Politische Tagesschau. * Leipzig, 19. März. Der Reichstag Kat bester» wieder einmal eine Petition um Wiedereinführung der Prügelstrafe bei Roh heitsdelikten abgelebut. Tie Petition verdiente kein besseres Schicksal, denn sie war zu unbestimmt und ließ nicht erkennen, was die Petenten unter RohheitSdelicten verstanden wissen wollen. Wenn aber »m Laufe der Debatte von den Rednern mehrerer Fraktionen behauptet wurde, die Mehrheit der deutschen Wähler sei entschieden gegen die Wiedereinfüh rung LeS „veralteten Strafmittels", so ist das nach unseren Erfahrungen nicht ganz richtig. Man braucht nur aufzupassen, wie die öffentliche Meinung sich äußert, wenn wieder einmal bekannt wird, daß ein angetrunkener junger Lümmel anständige Frauen in der gemeinsten Weise beschimpft oder gar angegriffen oder eine ganze Anzahl solcher Individuen die Standbilder großer Männer besudelt und beschädigt hat. Dann sind es nicht nur „Spießbürger", vie am Bier tische die Ueberzeugung aussprechen, daß solchen Gesellen Feurlletsir» ui Zwei Lriider. Roman von Franz Rosen. Siattrock valeikn. XVII. Manfred hatte nicht gewußt, zu welcher Stunde Peter zum Obersten gehen würde. Peter hatte es ihm absichtlich ver schwiegen, um ihm die Qual der Erwartung nicht noch zu ver schärfen. Er war aber zu Hause, als Pet«r heimkehrte und sah ihm arspannt entgegen. Dieser Blick schien Peter erst wieder den Zweck seines Aus ganges in Erinnerung zu bringen. Der abwesende Ausdruck verschwand aus seinem Gesicht. Er wandte sich voll der Gegen wart und dem Bruder zu und berichtete ihm in kurzen Worten, was «r für ihn erreicht hatte. Statt aller Antwort fiel ihm Manfred um den Hals und überließ sich einem lauten Freuden ausbruch. Der sorglose Jubel berührte Peter schmerzlich. Sein Herz zog sich zusammen, wie bei einer unzarten Berührung. „streue Dich nicht so gedankenlos", sagte «r fast rauh. „Ver giß nicht, daß Du erstens Dein« Schulden bezahlen, und zweitens ein vernünftiger Mensch werden sollst, «he Dir der Erfolg sicher ist." Manfred lachte ihn aus. „Du armer, gedankenschwerer Mensch! Erst will ich mich Unverkürzt freuen — zum Erwägen ist es dann immer noch Zeit." AlS es aber soweit kam, verstummte seine Freudigkeit auffallend und seine Laune verschlechterte sich täglich. Peter war sich nicht einen Augenblick im Zweifel über die Ursache; aber er versuchte nicht, sich in sein Vertrauen zu drängen, das ihm Jener in hoch fahrendem Trotze wochenlang vorenthrelt. Heut« war Sonnlag. Hellleuchtender Frllhlingshimmel. Die laue Luft wehte zum Fenster Herrin und mit ihr schwellende Lebenslust. Schweigsam saßen sich die Brüder am Frühstückstisch gegen über. Hier herrschte weder Sonntagsstimmung, noch Frühlings laune. Peter hatte die Tasse zurückgeschoben und vertiefte sich in die Zeitung. Manfred zog mit dem Löffelstiel tiefe Ein drücke hin und her auf Karina's frischem Tischtuch. Endlich warf er den Löffel hin, daß es klirrte, lehnte sich heftig in den Stuhl zurück und sagte ingrimmig: „Kannst Du nicht einen Augenblick aufhören zu lesen! Ich muß etwas mit Dir sprechen." Selassrn ließ Peter da- ZeitungSblatt sinken und sah seinen Bruder an. Als verursachte diesem der ernste,, ruhige Blick körperliches Unbehagen, stemmte sich Manfred mit den Händen gegen den Tisch, daß der Stuhl, auf dem er saß, sich auf die Hinterbeine hob, und sagte gepreßt: „Peter, Du mußt mir noch einmal aus der Klemme helfen." Der Angeredete legte die Zeitung vollends in den Schooß, sah eine Weile erst darauf nieder und sagte dann freundlich und bestimmt: „Nein, Manfred, das kann ich diesmal nicht." Manfred ließ sich und seinen Stuhl so heftig in die natürliche Stellung zurllckfallen, daß Tassen nnd Teller klirrten. „Warum nicht?" rief er gereizt. „Weil beinahe Alles, was ich besitze, schon damals draus gegangen ist. — Ich habe lange gewußt", fuhr er fort, als Man fred bestürzt schwieg, „daß Du mich eines Tages darum bitten würdest, und mir wohl überlegt, was ich Dir würde antworten können und müssen." „Aber, mein Gott, ich habe ja gar nicht gewußt, auf welche Weis« Du daS damals geordnet hast! Ich bildete mir ein, Du nähmst das zum Theil von den Ersparnissen — Du sagtest ja immer, Deine Zinsen verbrauchtest Du nicht —"; er wurde immer verwirrter; denn je mehr er darüber nachdacht«, um so klarer wurde ihm, daß er armseligen Unsinn redete. „Ich glaube, ich habe mir das nie genügend klar gemacht." „Du bist wenigstens ehrlich", sagte Peter trocken. „Aber es ist meine Schuld mehr, als Deine. Ich hätte Dir Alles klar machen — Dir die Augen öffnen sollen, wo Du sie Dir in jugendlichem Leichtsinn verbandest. Es thut Keinem gut, wenn man ihm alle Schwierigkeiten aus dem Wege räumt und ihm jeden Ernst verbergen möchte." „Aber ich habe Dir doch das, was Du damals für mich hergabst, ganz pünktlich verzinst —" sagte Manfred ziemlich unlogisch. „Davon haben wir unser Leben zum Theil bestritten. Wo sollte es denn sonst Herkommen? Meine Besoldung reicht nicht für Zwei, und von Deiner Zulage hat unser Haushalt in letzter Zeit wenig zu sehen bekommen. Kurzum — ich habe nur noch einen kleinen Rest, und der muß als Nothpfenntg bleiben. Du wirst Dir also diesmal wohl selber helfen müssen." „Dann ist die Sach« aus", stieß Manfred mit eigenthümlich pfeifendem Laut durch di« Zähne. „Denn w«nn ich von meinem eignen Geld was flott mache, so hab« ich daS Vermögen nicht, das ich zum Heirathen beibringen muß." Er beugte sich über den Tisch und vergrub den Kopf in die Hönde; trotzig und verzweifelt. Peter betrachtete ihn ernst. „Hast Du denn leinen Andern, als mich?" fragte er endlich. Manfrev kopfschüttelte. „Ich könnte ja zum Juden gehen — aber das macht die Sache nur noch schlimmer. Wie es mit guten Freunden ist, wirst Du wohl wissen. Die brauchen immer Alles allein. Ich wüßte nur Einen, der mir vielleicht helfen könnt« — Lazinsky." „Nein, Manfred, das erlaube ich auf keinen Fall", fuhr Peter hastig auf. Manfred sah ihn sehr erstaunt an. „Warum denn nicht? Er ist reich — und er ist nicht geizig." „Weil ich nicht will, daß Du von ihm abhängst. Von ihm am wenigsten. Ich habe meine guten Gründe dafür." „Denkst Du, daß es mir ein besonderes Vergnügen sein würde, bei ihm zu betteln?" knurrte Manfred unwirsch, ohne in seiner aufgeregten Stimmung sie Erklärung jener Gründe zu verlangen. „Äarum bringst Du Dich selbst in diese Lage!" „Mach mir nur keine Vorwürfe", rief Manfred gereizt. „Das nützt jetzt gar nichts. Gieb mir lieber irgend einen Rath." Peter zögerte lange, ehe er endlich sagte: „Hast Du noch nicht an die Großmutter gedacht?" Manfred fuhr auf, als habe man ihm körperlich wehgethan. „Lieber laß ich mich hängen! Denkst Du nicht mehr an die wohlgesetzte Rede, die sie mir damals zum Abschied hielt, und an das Gesicht, das sie däbei machte?! Und da soll ich bitten? Machen mir doch schon die Dankesepisteln, die ich jeden Quar talstag schreiben muß, Noth genug." „Gefühlspolitik darfst Du hier nicht treiben", sprach Peter kühl. „Wenn Du Dich in die Nothwendidgkeit bringst, fremde Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen, darfst Tu nicht zu stolz sein, darum zu bitten." Manfred machte ein finster überlegendes Gesicht. „Uno wenn sie es mir abschlägt?" Peter zuckte die Achseln. „Dann wirst Du es wohl Deinem Schwiegervater überlassen müssen, entweder Deine Schulden zu zahlen oder für das zum Heirathen nothwendige Capital zu sorgen — was Dir nun eben am wenigsten unangenehm ist." Manfred sprang ungeduldig auf. „So unausstehlich, wie heut, bist Du wirklich noch nie ge wesen, Peter. Es ist sehr gefühllos von Dir, «ine solche Mentor- inicne aufzusetzen, wo mir jammervoll genug zu Muthe ist. Und wenn Du wenigstens aufgeregt wärest — poltertest, schimpftest — aber mich so mit kaltem Blicke untergeben zu sehen — und ich gehe unter, verlaß Dich drauf! Ich begehe eine Tollheit — ein Verbrechen — ich erschieße mich — ich will nichts wissen vom Leben ohne Maria. Du begreifst dal natürlich nicht —, Du findest es schon kindisch und sentimental, daß mir die Trennung von ihr am Herzen nagt — Du hast ja keine Ahnung, was Liebe ist, Du mit Deinem Fischblut — Du — o Du —". Die Stimme brach ihm vor Erregung. „Du mit Deinem un erträglichen, geistigen Hochmuth!" schmetterte er als letzten Trumpf heraus und stürzte, ohne sich noch einmal umzuschen, aus dem Zimmer. Peter sah ihm vom Fenster aus nach, wie er die Straße hinunterstürmie. Sein Gesicht war traurig und ernst. Manfred kam am Abend dieses Tages sehr spät nach Hause. Er warf einen scheuen Blick auf den Bruder, der, von seinem Buche aufsehend, ihn freundlich und ruhig grüßte und sagte in möglichst gleichgiltigem Tone: „Ich habe beschlossen, es bei der Großmutter zu versuchen; es bleibt mir ja nichts Anderes übrig. Ich wollte Dich birten, Peter, mir den fatalen Brief abzunehmen. Das wenigstens wirst Du doch für mich thun können!" Peter erwiderte lein Wort. In den groß««, dunklen Augen aber, die er langsam dem Bruder zuwandle, stand etwa» zu lesen, das Manfred Vas heiße Blut ins Gesicht trieb. Schwei gend ging er hinaus und schloß sich in seinem Zimmer ein. Wieder vergingen einige Tage. Kühle, regnerische, höchst ungemüthlichc Tage. Manfred s Laune war unerträgllch. gereizt, mißtrauisch und erbittert. Peter merkte indeß fast wenig da von, denn er bekam ihn fast gar nicht zu sehen. Eines Abends beim Schlafengehen zog Manfred ein ge- mißhandeltes und zerknittertes Briefblatt aus der Tasche, und warf es so unfreundlich wie möglich und ohne ein Wort zu sprechen, vor Peter hin, der es gelassen auknahm und durchlaS. Die Großmutter erklärte in diesem Briefe unter Bezug nahme auf das soeben eingelaufene Schveiben Manfred'», daß sie zu ihrem Bedauern dem Enkel diesmal nicht helfen könne. Um ihrem abschlägigen Bescheid den Schem kalter Interesse- losigkeit zu nehmen, fügte sie hinzu, daß ihr nach dem Tod« ihres Mannes nur soviel übrig geblieben sei, daß sie ihr Leben in gewohnter Weise weiterführen könne. „Es wird wohl so sein, wie sie schreibt", sagte Peter lakonisch und gab den Bries zurück. „Wahrscheinlich", lachte Manfred giftig. Die Kehle war Ihm wie zugeschnürt. Er nahm den Brief, zerpflückte ihn in un zählige Stückchen und sah trübsinnig zu, wie eins nach dem andern taumelnd zu Boden flatterte. Peter stand wenige Schritte von ihm und sah seinem abwesenden Gebahron sorgenvoll zu. Als das letzte Stückchen Papier lautlos den anderen nachschwebte, sah Manfred aus. Di« Blick« der Brüder trafrn sich. G«cund«n-
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