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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.03.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-03-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010321028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901032102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901032102
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- LDP: Zeitungen
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
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LL0S au» dem stenographischen Berichte genau erfleht, wa» vor seinen« Erscheinen seine svcialdeinokratischen Gegner von ibm und über ihn gesagt. Jedenfalls wäre eS, uachden« vor gestern der frühere Hospredigcr mit grobkörnigem Sand und der Scheuerbürste ans die Soeialdemotraten lvS- gegangen war und sie herauSgefordert hatte. Gleiches mit Gleichen» zu vergelte»«, das Beste gewesen, wenn Vicepräsident Büsing den ziemlich spät erscheinenden Herrn Stocker nicht dazu angchalten hätte, nur auf das zu antworten, waS er selbst hören werde. Hätte der Verfasser des „Scheiterhaufenbriefes" aus Alles antworten dürfe»«, was ihm über die vor seinein Erscheinen gegen ihn erhobene«» Vorwürfe mitgetheilt wurde, so hätte der Scandal wohl noch etwas länger gedauert, er wäre dasür aber auch völlig zu Ende gekommen. Geschunden gingen ja ohnehin beide Theile aus der gegenseitigen Mohren wäsche hervor. Unö erinnert daS Verhalten der Gegner lebhaft an einen Ausspruch der „Germania", die seiner Zeit den edlen Don Carlos mit den Worten vertheidigte: „Er ist eminent katholisch, was seine Ankläger nicht sind." Ganz so daS VertheidigungSsystem der gestrigen Gegner. Herr Bebel, obwohl er zugestehe»» mußte, daß er mit dem Tuckrrbriefe hineingegefallen war und ihn bisher in unzu lässiger Weise auSgeschachtet hatte, fühlte sich rein wie ein neugeborenes Kind, weil er eben Bebel, ter große Führer der Genossen in daS gelobte Land des ZukunftsstaateS, ist und weil — sein Ankläger, Herr Stöcker, selbst Butler aus dem Kopfe hat. Und dieser, der Heißsporn, der für seine nicht unbedenklichen politischen Zwecke nicht selten recht bedenkliche Mittel in Anwendung gebracht bat, fühlte sich als Unschuldsknaben, weil er der große Reformator, der „neue Luther" ist und — weil er an seinen social demokratischen Gegnern viel auSzusetzen hat und ihnen daS Recht bestreitet, über Andere zu Gericht zu sitzen. Daß «ine solche VertheidigungS- und WeißwaschungS- manier einem christlichen ehemalige«, Hospredigcr noch übler stebt, als einem Socialdemokraten, liegt auf der Hand. DaS mochten auch die früheren Parteigenossen Stkcker'S fühlen, die sich zwar seiner scharfen Bußpredigten gegen die socialdemokratischen Führer freuten, aber sich wohl büteten, dem Bußprediger selbst beizuspringcn, als er in die Defensive gedrängt wurde. Es blieb ihin also bei seinem Versuche, seinen „Scheiterhaufen b rief" zu rechtfertigen, nichts übrig, als sich auf daö Urtheil eines Herrn v. Thielmann über dieses Schriftstück zu be rufen. Nach diesem Urtheile soll der Brief eine „patrio tische Thal", eine „Warnung vor der Jntrigne" ge wesensein, die vom Parteifanatismus ausgebeutet worden sei. Gegenüber einem solchen Versuche, den wahren Charakter deS Scheiterhaufenbriefes in dem Gedächtnisse der Well auS- zulöschen, ist eS nothwendig, den Wortlaut der wesentlichsten Stellen de« vielberusenen Stöcker'schen Schreibens in Er innerung zu bringen. Herr Stöcker schrieb: „Was man. . meines Erachtens thun kann »md muß, ist Folgendes: Princlpiell wichtige Fragen, wie Judensrage, Apostolicum, Harnack, Neichstagswahl iin 6. Wahlkreise, die gewiß mit einem Fiasko der antisocialdemokcatifcheu Eleinente schließt, muß man, ohne Bismarck zu nennen, in der allerschärfsten Weise benutzen, um den» Kaiser denEindruck zu machen, daß «r in dieser Angelegenheit nicht gut bcrathen ist, und ihm den Schluß aus BiSmarck überlassen. Alan muß also rings um das politische Centrum, resp. das Cartell, Scheiterhaufen anzünden und sie hell auslodern lassen, den herrschenden Opportunismus in die Flammen werfen und dadurch die Lage beleuchten. Merkt der Kaiser, daß man zwischen ihm und Bismarck Zwietracht säen will, so stoßt man ihn zurück. Nährt man in Dingen, wo er instinktiv ans unserer Seite steht, seine Unzufriedenheit, so stärkt man ihn priucipiell, ohne persönlich zu reizen." Wen» das hier empfohlene Verfahren eine „Warnung" vor einer Intrigue sein soll, so Hal es eine Empfehlung intriganten Vorgehens überhaupt niemals gegeben. Und wenn daS Säen von Zwiespalt zwischen dem Kaiser und dem Fürsten BiSmarck die Bedeutung einer patriotischen Thal haben soll, dann sind unpatriolische Thaten nicht mehr denk bar. Sick in der öffentlichen Meinung zu rebabililiren, ist Herrn Stöcker also nicht gelungen, und dieser Mißerfolg wird nicht geringer dadurch, daß seine focialdemokratiscben Gegner mindestens nicht weniger zerkratzt auS dem Scheuerprocesse hervorgingen. Im preußische» Abgeordnetenhaus- hat sich gestern wieder einmal gezeigt, daß der Erjüllung der Aufgabe deS CultuSministerS Sludt, das Centrum zu „versöhnen", wenigstens in der zweiten Kammer ein Hinderuiß nicht cnt- gegensteht. Don liberaler Seite wurde der Versuch gemacht, die drei bei der zweiten Etatüberatbung gestrichenen Stellen von weltlichen KreiSschulinspectoren wieder ber- zustellen; natürlich vergebens. Es nützte dem Minister Sludt nichts, daß er seine Uebereinstimmung mit den fchulpolitischcn Principiei» der Conservativen betonte: sie zogen aus denselben nicht seine, sondern ihre Con- seguenzen. Treffend wies der Abgeordnete vi. Fried berg darauf hin, daß die Ideen des Aba. von Heydebrand über das Verhältniß zwischen Schule und Kirche durchaus die des CentrumS feien. Ebenso fruchtlos war der liberale Ver such, die in der zweite»« Bcrathung gestrichenen KOON für eii» altkatbolischeS Seminar wieder herzustellen; das Centrun» wollte seine „Toleranz" authentisch inlerprctiren und sand auch dabei die gesinnuugSverwandte Unterstützung der Conservativen. Herr Sludt wird ain Ende gar den Hemm schuh anlegen müssen, nm nicht vor der Zeit nach Canossa zn gelangen. Wenn von socialdeniokrcitischer Seite über die Zunahme der entschüdignttgspstichtigcn Unfälle geklagt wird, so wird fast immer die angebliche Thciluabmlosigkeit der Arbeitgeber gegen eine durchgreifende Unfallverhütung als Haupt grund dafür angegeben. ES nützt nichts, die Socialdemokratie daraus aufmerksam zu machen, daß die meisten gewerblichen Bcrussgeiiossenschasten die eingehendsten UnsallverhütungS- vorschristen erlassen, daß sie besondere Beamte zur Ueber- wachung der Durchsührung derselben ang-stell» habe»» und daß die Arbeitgeber, wenn sie wirklich nach der socialdemo kratischen Phraseologie kein Herz für den Arbeiter baben sollten, in ihrem eigensten finanzieller Interesse auf möglichste Ver hütung der Unfälle und möglichste Abminderung der Schwere derselben hinwirken müssen Die Sccialtcmokratie bleibt auch gegenüber der ziffernmäßig zn belegenden Tbatsache, daß im Laufe der Iabre infolge der Unfallverhütungsthätigkeit der Berufsgenossenschaften die Schwere der cntschädigungS- pflichtizen Unfälle sich bedeutend herabgemindert hat, dabei, daß die Arbeitgeber in der Hauptsache die Schuld ai» den Unfällen der Arbeiter tragen. Demgegenüber dürsten einige Zahlen von Interesse sein, welche Ergebnisse der vom ReichS- Versicherungöamtc veranstalteten Unfallstatistiken sind. Danach waren im Jahre 1887 auf die Schuld der Arbeitgeber von den gesammten entschädigungspflichtigen Unfällen 20,47 Proc., im Jahre 1897 16,81 Proc. zurückjuführen, es hatte sich dem gemäß im Laufe der erwähnten zehn Jahre eine bedeutende Herabminderung derArbcitgcberverschuldung bemerklich gemacht. Dagegen war die Schuld der Arbeiter an den Unfällen von 26,56 Proc. im Jahre 1887 auf 29,89 Proc. im Jahre 1897 gestiegen. Es ist auf die Thatsache, daß Arbeiter selbst auS Leichtsinn, Unaufmerksamkeit, ja aus unmittelbarem Wider spruch gegen die UnfallverhütungSvorschristeu die Unfälle herbei führen, schon vielfach aufmerksam gemacht worden. Die Social demokratie hat eS aber niemals für nothwendig gefunden, die Arbeiter auf möglichste Vorbeugung gegen die Unfall gefahren hinzuweisen. Die angeführten, auf Grund amtlicher Erhebungen ermittelten Zahlen über die Verschuldung von Arbeitgebern und Arbeitern an den entschädigungspflichtigen Unfällen zeigen, welche Schädigungen die socialdeuiokratische Taktik der Beschuldigung der Arbeitgeber für die Arbeiter im Gefolge gehabt hat. Die Engländer haben eS bekanntlich immer bestritten, daß der neu aufgetauchte Mnliuh im Somalilande ibnen irgendwelche Unannehmlichkeiten bereitet. Unser deutscher Consul Schmuck in Aden kommt in seinein dem ReichSamte deS Innern erstatteten Handelsberichte für 1900 auf diesen Mullab zn sprechen, und es siebt voch danach auS, als wenn namentlick in ihren Handelsbeziehungen die Engländer durch diesen Mullah stark geschädigt würden. Der Consul schreibt: „Der Handel in Aden hat nicht allein unter der Pest gelitten, sondern auch durch die Unruhen im Somalilande und in Aeiiien. Im erstgenannten Lande ist vor etwa zwei Jahren ein Mullah aufgetaucht, welcher der englischen Regierung viel zu schaffen macht. Er plünden alle Dörfer und ist sogar bis auf wenige englische Meilen von Berber», dem Sitze des Administrators der Colonie, gekommen. Werben ihm Truppen entgegengeschickt, zieht er sich in daS Hinterland zurück, wohin die englischen Truppen wegen Mangels an Wasser nicht zu folgen vermögen." Da der Haupthandel AdenS auS dein Somalilande kommt und in Schaf- und Ziegensellen besteht, so ist ihm durch daS Auftreten LeS Mullahs natürlich ein ganz bedeutender Schaden zugefügt. Jetzt hat. wie berichtet wurde, Meuelik von Abessinien gegen den Mullah mobil gemacht, wobei ihn die Engländer unterstützen. Deutsches Reich. Berlin, 20. März. (Das preußische Für- sorgeerziehungsgesetz.) Das im Mai v. I. im Land tag berathene und unterm Darum des 2. Juli 1900 veröffentlichte preußische Fiirsorgeerziehungsgesetz tritt am 1. April o. I. in Kraft. Regierung und Landtag haben mit diesem Gesetz eine sociale Thal vollbracht, die mit Rech! als eine der größten unserer Zeit bezeichnet werden muß, wem« auch nur annähernd die durch das Gesetz gewollten Ziele zur Verwirklichung gelangen. Das jüngste Heft der „Zeiischrift für Socialwissenschaft" (Berlin, Verlag von G. Reimer) faßt zutreffend Zweck und Verdienst des Gesetzes in dem Satze zusammen: „Ten schwersten socialen Ge fahren der Familienzerrüttung und der Auswüchse des Erwerbs lebens dadurch zu begegnen, daß man den gewissenlosen oder un ¬ fähigen Eltern ihre Kinder entzieht und so die Nachtommenschaft ganzer bedenklicher Familiengruppen für die Gesellschaft erhält das ist sociale Arbeit im großen Stil!" — Alles kommt aber auf die Ausführung des Gesetzes an, damit dieses nicht zu einein bloßen Polizeigesetze herabsinkt; es stellt an die Behörden, au die Justizverwaltung, an die Gemeinden und alle intcrcssirten Privatkreise die höchsten Anforderungen, öic zu einer Neubelebuna unseres ganze«» ErziehungSlvescns führen können. Eindringlich mahnt oben genannte Zeitschrift: Es ist ein entscheidender Augen blick! Das neue Gesetz kann ebenso wenig wie andere wohl gemeint« Gesetze automatisch wirken. Die Gesellschaft hat blos das von ihm zu erwarten, was sie selbst daraus machen wird. Und es wird sehr viel daraus zu machen sein! Justiz und Ver waltung, Kirche und Schule, Aerzte und Volksfreunde, Vereine und Anstalten werden zu einem planmäßigen Zusammenwirken aufgcfordert wie nie zuvor, um unserem Volke seine Jugend, seine Zukunft zu erhalten! * Berlin, 20. März. Der Gesetzentwurf, betreffend Versorgung der Kriegsinvaliden und der Kriegs hinterbliebenen, der dem NeichStagr'zugegangen ist, besagt in der Begründung: Die verbündeten Regierungen halten in Uebereinstimmung mit der Erklärung des NeichSkanzlers in der Sitzung deS Reichstags vom 24 Januar 1901 es nicht für angängig, mit der Ausbesserung der Bezüge der Kriegsinvaliden ans den bisherigen Kriegen nock länger zu warten. Diese Ausbesserung muß vielmehr als dringlich sofort in die Wege geleitet werden, und die ver- biindeteu Negierungen glauben hierbei auch den Absichten des Reichstags nm so mehr zu entsprechen, als von diesem selbst die Nothwendigkeit und Dringlichkeit der Maßnahme wieder holt riiiinnlhig anerkannt worben ist. Auch der Umstand, daß der hierdurch bedingte Mehraufwand ein erheblicher fein wird, kani» für die aisbaldige Durchführung der als nothwendig und dringlich anerkannten Ausbesserung kein Hinderniß bilden. Es darf vielmehr vertraut werden, daß auch in der, zumal bei der gegenwärtigen Finanzlage des Reichs, nicht rjnsach gestalteten Frage der Deckung eine Verständigung über »ine sachgemäße Regelung sich werde erzielen lassen. Für das Rechnungsjahr 1901 ist in 8 23 die Entnahme der erforderlichen Deckungsmittel bis zum Betrage von 13 Millionen Mark aus den Capitalbeständen deS Neichs-Jnvalidenfonds vorgesehen. Diese Art der Finanzirung läßt sich jedoch nur als vorübergehendes, durch die augenblickliche That sache bedingtes AnSknnftSmitlcl rechtfertigen. Nachdem der Gesetz, cnlwurs für die Versorgung der Theilnehnier an der ost asiatischen Expedition und ihrer Hinterbliebenen vom Reichstag abgelehnt worden ist, erscheint es geboten, Lurch den vorliegenden Gesetzentwurf auch die Versorgung dieser Invaliden und ihrer Hinterbliebenen in gleicher Weise zu regel», wie die der Invaliden aus früheren Kriegen. Ebenso erscheint es angezeigt, diejenigen Angehörigen der Schutztruvpeii, welche insolge kriegerischer Unternehmungen invalide geworden sind, in den Gesetzentwurf «nit einznbeziehen und auch ihren Hinterbliebenen die Vortheile desselben zuznwenden. Endlich soll, um die gesammle Kriegsversorgung dauernd einheitlich zu regeln, auch die Versorgung der Kriegsinvaliden und Hinter» bliebeuen zukünftiger Kriege in dieses Gesetz eingrjchlossen werden. Die schätzungsweise Zusammenstellung der Mehrkosten, die dem Neichö-JnvalidcnsondS zur Last fallen, ergiebt 13 Millionen Mark, und zwar 2 200 000 für Osficiere, 9 400 000 für Mannschaften, 1 400 000 für Hinter bliebene. Diese pro 1901 berechneten Mehrkosten werden sich schon vom Etatöjahr 1902 ab und demnächst weiter mit dem allmählichen Absterben der Kriegöpensionäre und Kriegs hinterbliebenen vermindern. — Der Kaiser hat zum Bau eines neuen Schul bauses iu Greiffenberg der evangelischen Gemeinde aus seinem Dispositionsfonds 15 200 .L überweisen lassen. Da das Gebäude nach dem Voranschläge 16 000 kosten soll, so hat die Gemeinde nur noch 800 .4 aufzubringen. — Der preußische Minister der öffentlichen Arbeiten hat von Neuen: die königlichen Cisenbahndirectivnen auf die zur Sicherung der Waldungen gegen FeuerSgefahr erforderlichen Vorkehrungen hingewiesen. Namentlich ist auf daS Wundhalten der Schutzstreifen und Schutzgräben mit Nachdruck zu halten, in Staatsforsten wie in anderen Waldungen. In der Zeit der Dürre ist in ge fährdeten Waldstrecken für eine vermehrte Strcckenbewachung durch Einstellung von Brandwächlcrn zu sorgen. Diese Strecken sind, soweit eS noch nicht geschehen ist, dem Fahr personal durch besondere Merkmale zu bezeichnen, die am zweckmäßigsten an den Telegraphenstanzen, soweit erforder lich, mit Zustimmung der ReichStelegraphen-Verwaltung an gebracht werden. Auch sind den Locomotivführern die Be stimmungen wegen rechtzeitiger Benutzung der Sicherungs- Vorrichtungen gegen Funken-Auswurf erneut einzuschärfen. — Unter der Ueberschrift „Zulassung der Frauen zum Universität Sb «such" theilt die „Schief. Zlg." »nit: Der Unterrichtsministrr hat in einer ueuerdings erlassenen Verfügung erklärt, daß die für männliche Hospitanten geltenden Grundsätze auch für die weiblichen anzuwenden seien. Demnach sei der Besuch von Universität-Vorlesungen nur den Dame» jti gestatten, welche »Ine mindestens der Obersecunda einer inlän dischen höheren Lehranstalt bezw. der wissenschaftlichen Reise sli- den «iajäbrig.sreiivilligen Militärdienst entsprechende Vorbildung erlangt hätten. Da den VolkSschullehrera die Berechtigung zum eiojahrig.srriwilligen Dienst zuerkannt worden sek, genüge für dir Zulassung weiblicher Hospitanten das Lehrrrinnenzeugntß. Das EntlassungSzeugniß einer höheren Töchterschule genüge nicht, vielmehr dürfe in diesem Falle dir Zulassung nur ganz ausnahmsweise bei Vorlegung anderer, vollglltiger Au-weise über die erforderliche Vorbildung erfolgen. Diese Bestimmungen gelten nur für Inländerinnen; dir Regelung der gleichen Ve. stimmungen für Ausländerinnen hat sich der Minister Vorbehalten. — Dem Oberbürgermeister von Berlin ist vom 1. April ab die Schülpolizei in dem Umfange übertragen, daß von ihm die polizeilichen Strafverfügungen wegen un entschuldigter Schulversäumnisfe nach Maßgabe des Gesetze» vom 23. April 1883 und der Verordnung deS Provinzial- schulcollegiumS vom 6. April 1897 zu erlassen und zu voll strecken sind. — Die Bezeichnung „Proceßagent" ist ein Titel, dessen unerlaubte Führung strafbar ist. So hat daS Ober- lanveSgericht iu Köln in einem Urtheil vom 12. d. M. ent schiede». Nach tz 3 der Verfügung von» 25. September 1899 hat der Instizminister auf Grunv der Novelle zur Civil- proceßvrdnuiigdenLandgerichtSpräsidentendie Befugnißertbeilt, einzelneuPersouen unter gewissen Voraussetzungen daSgeschäftS- mäßige mündliche Verhandeln vor einem bestimmten Amts gericht zu gestatten, und es kommt dann das Zurückweisungs recht deS Amtsgerichts gegenüber diese»» Personen in Wegfall. Nack 8 3 der Verfügung sind solche in dienstlichem Verkehr als Proceßa genten zu bezeichnen. Durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts in Köln, der sich Wohl auch die anderen Gerichte bald anschließen werden, ist damit die Be- zeichuuug „Proceßagent" für die Personen, welchen das geschäftsmäßige mündliche Verhandeln vor einem Amts gericht gestattet ist, zu einem Titel gemacht, dessen nur sie sich bedienen dürfen. — Neber die Veränderungen in der Leitung deS Flottenvereins theilt die „Post" noch mit: „Freiherr von Bcaulieu-Marconnay ist von seinem Posten als Kanzler deS Deutschen FlottenvereinS zurückgetreten, weil einige von ihm getroffene Maßnahmen, inSbesonvere die kost spielige China-Nachrichten-Expedition, unter den Mitgliedern deS FlottenvereinS abfällige Beurtheilnng gesunde»» haben. Unrichtig ist die Nachricht, daß auch der F ü r st zu Wied sein Amt als Präsi dent deS Vereins niederlegen wolle. Der Fürst zu Wied ist krank und kann insolge dessen zur Zeit die Geschäfte als Präsident des Vereins nicht wahrnehmen. Der Fürst wird in den nächsten Tage«» zur Wiederherstellung seiner Gesund heit nach dem Süden reisen. Als sein Stellvertreter fungirt der Fürst zu Salm-Horstmar. Wenn auch zur Zeit eine gewisse Krisis im Präsidium deS FlottenvereinS besteht, so sind die Gerüchte, welche von einem Rücktritt des Fürsten zu Wied sprechen, doch übertrieben; vielmehr liegt nur eine vorübergehende Abgabe der Geschäfte auS dem eben erwähnten Grunde vor. — Die allgemeine Lohnbewegung der Maler und An streicher Berlins und der Vororte führte zu erneuten Ver handlungen niit der Innung. Es kam zedoch zu keiner Einigung, so daß nunmehr eine Generalversammlung der Arbeitnehmer über die weiteren Schritte endgiltig entscheiden wird. — Die Aussperrung der Fabrikschuhmacher Berlins umfaßt 850 Mann; neue Schritte wurden bisher von keiner der Parteien unternommen. — Der Bevollmächtigte zum Bundcsrath, großherzoglich mecklen burgische Ober-Zolldirector Kunckel ist iu Berlin angekommen. — Fürst Napoleon Ney von der Moskwa, Herzog von Elchingen, der vor einigen Wochen hier eingetrossen war, hat jetzt Berlin wieder verlassen und sich nach Paris begeben. — Der chilenische Gesandte in Berlin, Don Ramon Sober en s stau x, der bisher bei den Regierungen von Deutschland und Italien beglaubigt war, ist zum 1. April von seiner Stellung als Vertreter Chiles in Italien enthoben worden. Dafür ist er zum Gesandten Chiles in Oesterreich-Ungarn ernannt. Er wird voraussichtlich bald nach Ostern dem Kaiser Franz Joseph sria Beglaubigungsschreiben überreichen. Bisher war Chile in Wien nur durch eineu General-Consul vertreten. Auch dieser Posten wird zum 1. April neu besetzt. — Dem Director des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg, k. k. österreichischen außerordenltichen Professor vr. Freiherr» von Berger ist der Rothe Adler-Orden dritter Classe verliehen. — Der „Reichsanzciger" widmet dein verstorbenen Berghaupt, man» a. D. Brassert einen ehrenden Nachruf. * Kulm, Wpr., 20. März. In dem Proceß gegen pol nische Gymnasiasten wegen Geheimbündelei wurden drei Gymnasiasten wegen verweigerter Zeugenaussage in Zeug« niß haft genommen. * vromberg, 20. März. Die „Ostd. Rdsch." meldet, daß die Stadt Kulm an der Weichsel mit FortS umgeben einmal sehen. Komm' überhaupt recht oft zu uns, betrachte unser Haus ganz als das Deine!" . Säbelklirrend eilte er die Treppe hinunter. „Der arme Junge kann sich in meiner Einfachheit nicht mehr zurechtfinden", dachte Peter ihm nach. „Was finge er wohl an, wenn auch er eines Tages dazu gezwungen sein würde! Und wenn er sich jetzt nicht selber schützt — ich kann es nicht mehr." Manfred eilte indeß nach Hause. Seine Schwägerinnen waren schon fort, was ihm nicht sehr leid that. Am liebsten war er immer mit Maria allein. „Weißt Du, Schatz", sagte er, ungewöhnlich ernst, die Arme ii» die Seiten gestützt, iu einer sehr gewichtigen Pose, „es ist doch schade um Peter; er wird ein richtiger Maulwurf. Nicht allein, daß er sich von allem Menschlichen zurück,zieht, nimmt er sich nun noch eine spießbürgerliche, ungemüthliche Wohnung — drei Treppen hoch — ein wahrer Adlerhorst; hockt da mit seinen Büchern wie ein Philister, als einzige Gesellschaft die alte Vogelscheuche, die Karina — sie ist ja eine treue, gute Seele, aber doch nur eine Bedientenseele. Und dabei ein Mensch, wie Peter, mit seinem Charakter, seinen Gaben — es ist doch min destens sonderbar!" „Es muß doch einen Grund haben", sagte Maria. „Vielleicht ist er in Geldnoth!" „Geldnoth!" Manfred lachte etwas gezwungen. „Wie sollte Peter in Geldnoth kommen; er hat nie etwas verbraucht; für sich giebt er kaum das Nöthigste aus." „Bielleicht hat er guten Freunden geborgt", sagte Maria harmlos. „Idealismus genug hat er dazu." „Hm — ja—", meinte er und räusperte sich verlegen — „er .-hat freilich einmal eine recht ansehnliche Summe weggegeben — um einem guten Freunde zu helfen, dem das Wasser an den Hals ging — und dieser gute Freund war noch dazu sein Bruder —" „Manfred!" Sie sprang auf und wurde ganz roth vor Schreck. Aber ebenso schnell faßte sie sich. „Du verzinst es ihm doch?" „Selbstverständlich!" „Nun — dann ist es ja für ihn ebensogut, als wenn er «S irgendwo in sicheren Papieren liegen batte. Denn sobald wir etwas Eigenes haben — Du von Deiner Großmutter, oder ich von meinen Eltern —, zahlen wir es ihm doch sofort zurück!" .Natürlich l Sofort l* „Nun — also, davon kann sein sonderbares Leben nicht kommen. Also hat er vielleicht eine unglückliche Liebe?" Sichtlich erleichtert durch die oberflächliche Behandlung, die Maria der heillen Angelegenheit widerfahren ließ, athmete Man fred tief auf. „Ich weiß nicht. Aber ich möchte es glauben. Er selbst wäre natürlich der Letzte, es einzugestehen." Maria schien ein Weilchen zu überlegen. Dann sagte sie mit der liebenswürdigen Entschiedenheit, mit der sie unbequeme Gesprächsgegenstände zu beseitigen verstand: „Ich will Dir sagen, Freddi, Dein Bruder ist mir immer vorgetommen wie ein Mensch, der seine eigenen Wege gehen will. Nun — und solche muß mau gehen lassen. Man erntet keinen Dank, wenn mau sich uin sic kümmert. Wir wollen ihn bitten, recht oft zu uns zu kommen und dann immer recht nett zu ihm zu sein. Mehr können wir nicht thun." Sie bemerkten es kaum, daß Peter dieser an ihn ergangenen Aufforderung nur selten entsprach. Sie hatten noch zu viel mit sich selber zu thun. Peter trug kein Gefühl des Neides gegen das innere und äußere Glück seines Bruders. Es widerstrebte nur einfach seinem Zartgefühl, die jungen Eheleute, die durch Beruf, Verwandte und Geselligleit ohnehin genug getrennt und in Anspruch genommen wurden, an den wenigen, ihnen vergönnten stillen Abenden durch seine Anwesenheit zu stören — und ferner widerstrebte es ihm, an einem Wohlleben theilzunehmen, dessen Kosten die Verhält nisse ersichtlich überstiegen. Er konnte sich sorgender Gedanken dabei nicht erwehren. Dazu kam, daß er mit Maria nicht recht warm werden konnte. Die erste Unterredung, die er unter vier Augen mit ihr gehabt, hatten seiner guten Meinung von ihr einen Stoß ge geben. Und wenn er jetzt auch sah, daß sie Manfred's ganzes Glück ausmachte, so hatte er doch kein rechtes Vertrauen zu diesem Glück. Es mangelte ihm an Innerlichkeit. Maria jagte nach Befriedigung aller möglichen, oft recht kostspieligem äußeren Be dürfnisse, als müßte sie damit eine verborgene Lücke schließen. Sie ließ sich nach wie vor den Hof machen — forderte durch ihre anziehende, ein wenig selbstbewußte Persönlichkeit geradezu auf dazu und behandelte ihren Mann mehr wie einen guten Kame raden, wie als Geliebten und Beschützer. Ihr gegenseitiger Ver kehr war freundlich und fröhlich — von ihrer Seit« ein wenig zu scherzhaft, von seiner Seit« viel zu verliebt. „^rrwutes anwntes. —" Gegen diese Wahrheit des alten klassischen Weisen ist nicht anzukämpfcn. Peter fand wenig Anknllpfungspuncte mit seiner Schwägerin, deren von einem Gegenstand zum andern leicht hintänzelndes Geplauder nie zu einer ernsten Ruh« zu zivingen war. Ihre Lebensauffassungen behagten ihm nicht. Er machte ihr leinen Vorwurf aus denselben — sic waren ihr durch Erziehung und Elternhaus erwachsen. Aber ec sah das häusliche Glück an diesen Auffassungen scheitern. Es gab Dinge, die mußten eben sein. Darin war sie von Anfang an mit Manfred einig gewesen. Ein gewisser Luxus gehörte zum standesgemäßen Leben. Alle trieben cs so — man tonnte sich nicht ausschließen, wenn man nicht in eine schiefe Stellung gerathen wollte. Peter lächelte dazu. Er selbst trieb keinen Luxus; er machte nicht mit, was Andere ihm vormachten. Dennoch war seine Stellung in seinem großen Bekanntenlreise unantastbar. Aber da er kein Recht mehr fühlte, sich unaufgefordert oder doch ohne zwingende Gründe in Manfred's innere Angelegenheiten zu mischen, blieb er den unliebsamen Eindrücken lieber fern. So ging der Sommer hin. Als die Herbstnebel begannen, aus dem Flusse zu steigen und sich dick und grau über die Stadt zu lagern, kam für Maria eine einsame Zeit. Gesundheitsrücksichten zwangen sie, ihre Theil- nahme an der Geselligkeit auf ein geringstes Maß zu beschränken. Während dienstliche und andere Abhaltungen Manfred von Hause fernhielten, lag sie Stunden lang allein und langweilte sich tödtlich. Anfangs hatte sie sich in ihren jungen Hoffnungen wichtig und glücklich gefühlt. Die Unbequemlichkeiten, welche dieselben mehr und mehr mit sich brachten, raubten ihr völlig die Fassung. Sie quälte Manfred mit ungerechtfertigten Klagen, und als das nichts nützte, begann sie mit allen Sinnen einer Unterbrechung dieses öden Einerlei nachzudenken. Eines Nachmittags, in der traulichen Dämmerstunde, ließ sich Nikolas Lazinsky melden. Unbedenklich nahm sie ihn an. Etwas Interessanteres hätte sich ja kaum ereignen können. Lazinsky war klug genug gewesen, sich eine Weile von Maria zurückzuziehen, obgleich es ihm nicht leicht wurde, ihre prickelnde Unterhaltungsgabe zu missen und all ihre unschuldigen Reize an einen Anderen verschwendet zu sehen. Es war ganz natür lich, daß Maria auch ihn ganz zu vergessen schien. Er kannte die Frauen; er wußte» daß Naturen, wie die ihre, sich stets voll und ganz dem zuwenden müssen, was sie eben in Händen halten. Und er hatte schon zu viel geliebt in seinem Leben, um jedes mal wieder die stürmische Ungeduld Jungvcrliebter an den Tag zu legen. Er kannte die Gelegenheiten — und er konnte warten. Wenn die Erregung des Brautstandes und der Flitterwochen vorüber sein würde, dachte Maria vielleicht von selbst an ihn. Wenn nicht — wenn auch sie in das Lager jener hausbackenen Frauen übergegangen war, die ihre Männer anschwärmen, ihre Küche besorgen, ihre Kinder füttern, uno weiter nichts mehr — nun, auch gut; dann war nicht viel an ihr verloren. Er behielt sie einstweilen im Auge und wartete einen günstigen Moment ab. Der schien nun gekommen. Maria war leidend und diel allein; der Freund und Tröster willkommen. Maria hatte ihn thatsächlich in letzter Zeit so gut wie ver gessen. Sie war ausgefüllt durch all das Wichtige und Neue ihres Braut- und dann ihres jungen Ehestandes und außerdem rechtschaffen verliebt in ihren Mann. Lazinsky war im Sommer viel verreist gewesen, und wenn er ihr bei gelegentlichem Zu sammentreffen höflich, aber kühl begegnete, so empfand sie wohl ein flüchtiges Bedauern, daß diese interessante Angelegenheit nun beendet sein solle, wurde aber immer bald wieder mit ihren Ge danken auf reellere Genüsse abgelenkt. Nun, wo sie nichts hatte, um di« Länge ihrer stillen Tage auS- zufiillen, erwachte die Erinnerung an das romantische Intermezzo um so lebhafter und umwob es mit den glühendsten Farben einer durch Langeweile gereizten Phantasie. Sie empfand eine schreckhafte Freude, als er sich so unerwartet melden ließ, gerade als sie über die Einsamkeit ihres Leben» in Thränen ausgebrochen war, und ging ihm voll banger Er wartung entgegen. „Ich hör«, es geht Ihnen nicht gut", sagte Nikolas LazinSkrf und küßte ihr mit ausgesuchter Höflichkeit die Fingerspitzen; „und da wollte ich mir erlauben, mich nach Ihrem Befinden zu er kundigen." Maria «rr'öthet« ein wenig, und die eben erst getrockneien Augen füllten sich von Neuem mit Thränen. Sie forderte ihn zum Sitzen auf, und sagte, ohne auf ferne Frage einzugehen: „Eigentlich müßte ich Ihnen böse fein, daß Sie alte Freunde so lange vernachlässigen konnten." (Fortsetzung folgt.)
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