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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.02.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-02-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000205021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900020502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900020502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Nachr." benutzen diese Gelegenheit, der Be hauptung sowohl der socialdemokratischen, wie einiger allzu resormsücdtiger bürgerlicher Blätter, daß in der socialpoli- lischen Reformgesetzgegung nicht- geschehe, durch Aufzählung dessen entqegenzutreten, was seit der Bekanntmachung der Erlasse wirklich geschehen ist: „Die umfassendste Neuregelung auf diesem Gebiete ist in der Gewerbeordnungsnovelle vom 1. Juni 1891 enthalten. Die Arbeit der schulpflichtigen Kinder wurde darin ganz verboten, der Maximalarbeitstag für Frauen eingesiihrt', die Frauen-Nachtarbeit eingeschränkt, die Schutzvorschriften für die jugendlichen Arbeiter wurden erweitert, es wurden die Arbeitsordnungen eingeführt, dem Bundesrathe wurde die Befugniß zur AuSdehnung der Arbeiter- schutzvorschriften auf Werkstätten mit Motorenbetrieb, auf die Haus- industrie rc. gegeben, die Anordnungen über den Schutz von Leben und Gesundheit der Arbeiter wurden ergänzt durch solche über Len Schutz der Sittlichkeit und vielfach verschärft, die Sonntagsruhe wurde eingesiihrt, kurz es wurde eine Fülle von neuen Maßnahmen geschaffen, die in ihrer Gesammtheit weit über den Rahmen der Forderungen der Arbeitersürsorge hinaus- gingen, welche von der Berliner internationalen Arbeiterschutzconferenz im Anfänge 1890 aufgestellt wurden. Dazu kam, daß dem Bundes- rathe Vollmachten gegeben wurden, auf denen späterhin weiter gebaut wurde. Wir erinnern in dies er Beziehung nur an den 8 120e, auf Grund dessen die einschneidendsten Anordnungen über die Arbeitszeit der erwachsenen männlichen Arbeiter verschiedener Berufszweige erlassen wurden. Die ersten neunziger Jahre wurden ausgcfüllt mit Maßnahmen, die sich aus die Sonntagsruhe bezogen, es folgte die Ausführung der von der Commission für Arbeiter statistik unterbreiteten Vorschläge, gegenwärtig wird an der Regelung der Verhältnisse der Hausindustrie gearbeitet, lleberall, wohin man sieht, ist eine Verwirklichung der in den Februar»Erlassen Kaiser Wilhelm's II. niedergelegten Gedanken zu bemerken. Dazu kommt, daß, wie die Erlasse als eine Ergänzung der kaiserlichen Botschaft vom 17. November '.881 anzuschen sind, auch dem Ausbau der auf Grund der letzteren geschaffenen Gesetzgebung in den letzten 10 Jahren die größte Aufmerksamkeit zugewendet wurde. Nm 1. Januar 1893 trat die erste Novelle zum Kranken»ersicherungsgesetz in Kraft, am 1. Januar 1900 das neue Invalidenversicherungs gesetz, die Revision der Unfallversicherung wird gegenwärtig im Reichstage berathen und eine neue Reform der Krankenversichc- rung ist bei den zuständigen Regierungsstellen in Arbeit. Auch auf anderen socialpolitischen Gebieten ist die eifrigste Thätigkeit zu be obachten gewesen. Mr erinnern nur an den Erlaß des Gewerbe- gerichtsgesetzes im Jahre 1890, an die Bemühungen zur Aus- gestaltung der staatlichen Betriebe zu Musteranstalten, an die von den verschiedensten Seiten und nicht zum Mindesten vom Staate unternommene Lösung der Arbeiterwohnungssrage." Die „Berl. Polit. Nachr." hätten noch manches Andere aufführen können; vor Allem aber hätten sie daran erinnern sollen, daß der Kaiser in dem Erlasse vom 4. Februar 1890 an den damaligen Reichskanzler sagte: „Ich bin entschlossen, zur Verbesserung der Lage der deutschen Arbeiter die Hand zu bieten, so weit die Grenzen es ge statten, welche meiner Fürsorge durch die Nothwendigkeit gezogen werden, die deutsche Industrie auf dem Weltmärkte con» currenzfähig zu erhalten und dadurch ihre und der Arbeiter Existenz zu sichern. Der Rückgang der heimi schen Betriebe durch denVerlust ihres Absatzes im Aus lande würde nicht nur die Unternehmer, sondern auch ihre Arbeiter brodlos machen. Die in der internatio nalen Concurrenz begründeten Schwierigkeiten zur Ver besserung der Lage unserer Arbeiter lassen sich nur durch inter- nationale Verständigung der an der Beherrschung des Weltmarktes betheiligten Länder, wenn nicht überwinden, doch ab- schwächen." Es läßt sich nicht verkennen, daß die hier betonten Schwierigkeiten durch socialreformatorische Maßnahmen anderer Länder allmählich etwas abgeschwächt worden sind. Aber es darf auch nicht verkannt werden, daß diese aus deutsche An regung bin erfolgten Maßnahmen noch nicht ausreichen, um die gesetzgebenden Factoren von der Fürsorge für die Con- currenzsäbigkeit der deutschen Industrie auf dem Weltmärkte zu entlasten. Wenn trotz dieser Fürsorge Deutschland auch in den letzten Jahren an der Spitze der social-reformatorisch thätigen Mächte geblieben ist, so darf es sich über alle Ver- kleinerungsversuche berufsmäßiger Hetzer und unpraktischer Idealisten trösten. Die „Post"-Meldung, daß von den Reichs- und Staats behörden der Versuch gemacht werde, zu einer einheit lichen Rechtschreibung für das Tentsche Reich zu gelangen, ist schon kurz erwähnt worden. Von Interesse sind aber noch die Bemerkungen, welche das Blatt an seine Mitthei lung knüpft: Der praktische Nutzen einer solchen Einführung leuchtet ein. TaS Bürgerliche Gesetzbuch ist für das ganze Reich giltig. Wird nun die in ihm gebräuchliche Schreibweise für den amtlichen Ver kehr der Behörden des Reichs und des größten Bundesstaates angenommen, so ist der Weg gefunden, um endlich zu der so lange ersehnten Einigung in der Orthographie zu gelangen. Bis jetzt haben wir verschiedene amtliche Rechtschreibungen im Reiche, in Preußen giebt es gar zwei verschiedene; denn die seit zwanzig Jahren in Len Schulen zur Einführung gelangte Rechtschreibung ist ja von den Behörden fast durchweg abgelehnt worden. Eine Einigung der deutschen Staaten über eine einheitliche Orthographie würde überall mit großer Genug- thuung begrüßt werden. Wie es ohne große Schwierigkeiten gelang, die 1880 in Preußen eingeführte Orthographie in den Schulen der Monarchie und den meisten norddeutschen Staaten einzu bürgern, trotz der vielen Abweichungen gegen die frühere Schreib weise, so muß es sich auch unschwer erreichen lassen, zu einer neuen Normalrechtschreibung, die alle unberechtigten Abweichungen in der Schreibweise deutscher Wörter beseitigt, zu gelangen. Eine andere Frage ist die, ob die Schreibweise, die im Bürgerlichen Gesetzbuche gewählt ist, wirklich als die beste und zweckmäßigste zu betrachten ist. Diese Frage ist aber untergeordnet gegenüber dem Gewinn, der sich aus einer einheitlichen Orthographie für das ganze Reich ergeben würde. Diese Urtheile stimmen mit den unsrigen und besonders mit den wirklichen Verhältnissen nur zum Theil überein. ES ist z. B. nicht andem, Laß sich die Puttkamer'sche „Recht schreibung bei uns eingebürgert habe. So sehr eine einheit liche Orthographie zu wünschen wäre, so sehr ist eS ver werflich, aus Zweckmäßigkeitsgründen der Sprache Gewalt anzuthun. Deshalb halten wir die Frage nach der „besten" Orthographie durchaus nicht für untergeordnet. Im klebrigen halten wir es für noch weit wichtiger, sich den im Allgemeinen wirklich mustergiltigen Styl des D. B. G. überall zu eigen zu machen und alle die greulichen „diesbezüglichen" Aus drücke auszumerzen, als sich auf die nun einmal nicht gut beleumundete Puttkamer'sche Orthographie zu einigen. Die Lockerung derDisciplin unter den egyptischen Ncgcrtruppen, welche in den Kreisen des dortigen Europäer- thums gewisse Besorgnisse hervorgerufen haben soll, wird von der Londoner Presse mit großem Gleichmuts» beurtheilt. Nack ihrer Darstellung steckt den Sudanesen, welche den Grundstock der egyptischen Armee bilden, die Kampflust im Blute; sie lieben den Krieg um des Krieges willen und werden verdrossen, aufsässig gegen ihre Vorgesetzten, wenn diese ihnen nicht von Zeit zu Zeit Gelegenheit zur Befriedigung ihrer kriegerischen Jnstincte bieten. Emin Pascha blieb diese Erfahrung nicht erspart, während dem Mahdi und seinem Nachfolger die Eigen schaften der sudanesischen Soldateska so gut bekannt waren, daß sie Kriegszüge selbst dann unternahmen, wenn an dem Miß erfolge derselben kein Zweifel bestehen konnte. Jetzt, nachdem die endgiltige Pacificirung des Sudans die Aussichten auf be waffnete Zusammenstöße wesentlich herabgemindert hat, ist den in Omdurman garnisonirenden Negertrvppen — immer nach englischer Schilderung — die Einförmigkeit des Friedensdienstes bereits so unerträglich geworden, daß sie nur auS diesem Grunde rebellisch wurden. Angesichts dieser Sachlage faßte der Cominandant des Platzes einen raschen Entschluß; er befahl die sofortige Ablieferung sämmtlicher in dem Besitze der Truppen befindlichen Munition, und da diesem Befehle pünktlich nachgekommen wurde, so folgert man daraus, daß der Geist der Unzufriedenheit keine tieferen Wurzeln geschlagen haben kann. Indessen liegt in den gemeldeten Symptomen von Lockerung der Manneszucht unter der NegersoldateSka immerhin eine Mahnung zur Vorsicht, insbesondere legt sie die DiSlocirung einer ständigen europäischen Garnison nach Omdurman oder Khartum nahe, um durch deren Anwesenheit die ungezügelten Leiden schaften der eingeborenen Truppen besser im Zaume zu halten. Uebrizens wird von den Londoner Blättern bestritten, daß die aufrührerischen Tendenzen unter der Negersoldateska in ursächlichem Zusammenbange mit den Fehlschlägen der eng lischen Kriegführung in Südafrika ständen, vielmehr sollen die Umtriebe einiger fanatischer Hetzer daran Schuld sein. Man weiß nicht, ob letztere Version gerade die tröstlichere wäre, denn Angesichts der durch die ganze islamitische Welt gehenden Gährung dürste das Entzünden des Religionshasses in dem sudanesischen Truppenkontingent die Erhaltung des selben in loyalen Gesinnungen gegen das andersgläubige Engländerthum mindestens nicht erleichtern. Der Krieg in Südafrika. 'N Alle Meldunben — nur amtliche liegen noch nickt vor — stimmen darin überein, daß Buller'S dritter Entsatzversuch seit Freitag in vollem Gange ist, aber offenbar noch zu keinem Erfolg geführt hat. Erst wenn Ladysmith befreit ist, sollen amtliche Nachrichten ausgegeben werden. Auf diese warten wir, wie gesagt, noch vergeblich, also bat der Kriegs gott die Schale noch nicht zu Gunsten Sir Redver Buller'S sinken lassen. Unsere schon durch Anschlag bekannt gegebenen Nachrichten lauten: r. Turba», 4. Februar. (Kabeltelegramm.) Tie „Natal-TimeS" melden vom Sonntag: Buller versuchte elrneut den Uebergang über de» Tugela und die Turchbrechnng der FciudcSlinien seit 48 Stunde». Tic Bekanntgabe von Einzelheiten ist verboten. k. London, 4. Februar. (Privattelegramm.) Eine hier cingetroffenc Privatmcldnng besagt, Buller „riss am Freitag Sen Feind vergeblich an. Ta- Endresultat ist noch unbekannt. In militärischen Elnbs eircnlircn Gerüchte von einer erneuten Niederlage Buller'S. Alles ist noch unbestätigt. Privatim erklären Beamte des KricgsamtS, es würden keinerlei Nachrichten ansgcgcbcn, ehe nicht das Endresultat der Lperatioucn bekannt ist. * London, 4. Februar. Eine Sonderausgabe der SountagSbiätter berichtet aus Durban in der Nacht znm 4. d. M.: General Buller überschritt den Tugela in der Nacht znm 2. d. MtS. (Freitag) und marschirt ans Ladysmith. Definitive Meldungen über seine Bewegungen werde» nicht eher durchgelafsen, als bis er Ladysmith befreit hat. * London, 4. Februar. Vom 2. d. M. wird dem „Reuter,chen vnrean" ans Ladysmith gemeldet: Tas Feuer der Geschütze des Generals Buller ist wieder gehört worden. Weitere Nachrichten von seinem Borrückcu werden hier begierig erwartet. Tic Boeren haben sich im Süden und Westen coneentrirt, weniger nach Nordosten. * Ladysmith, 4. Februar. Schweres Geschütz tester Buller'S wurde gestern (Sonnabend) gehört. Wir kennen das Resnltat nicht. Tie Boeren stehen wieder in Massen bet Ladysmith und bringen eine weitere Kanone nach dem Surprise-Hügcl. Wir sind znm Empfange Ser Boeren bereit, falls sie einen neuen An griff wagen sollten. Hier ist Alles wohl. - Tie Frage ist jetzt, wo Buller den Uebergang über den Tugela bewerkstelligt, oder zu bewerkstelligen versucht bat. Im Casino der Garde-Caserne hieß es am Freitag auf das Bestimmteste, General Buller selbst habe einem befreundeten General gekabelt, er werde am 1., spätestens am 2. Februar von Neuem den Uebergang über den Tugela zu erzwingen suchen, und zwar diesmal weiter östlich an der Schiedfurtb und der Mündung des kleinen Tugela in den großen. Auch^ in den Wandclgängen des Parlaments gingen fast gleichlautende Gerüchte um. Danach hätte Buller nicht auf eigene Initiative den Entschluß gefaßt, noch einmal das Glück der Waffen am Tugela zu versuchen, sondern bereits vorige Woche den gemessensten Befehl erhalten, unter allen Umständen und um jeden Preis einen dritten Versuch und zwar unter Aufbietung aller Kräfte zu macken, um General White die Hand zu reichen. Buller werde Alles daran setzen, zwischen den Onderbrook- Bergen und demArnothill hindurch auf der von Spring- Ls, Die ganze Hand. Roman von Hans Hopfen. Nachdruck verboten. „Glauben Sie?" fragte der General hastig, und ein bischen verrcitherische' Röche ließ sich auf der wohlgepflegten Haut über den Backenknochen bemerken. Frau Seckenstedt entging diese plötzliche Bewegung des sonst so gemessenen und zurückhaltenden Mannes nicht. Sic dachte: in einem Punct ist eine schlaue Frau doch dem genialsten Diplo maten über, und sie beschloß im selben Augenblick, das Eisen zu schmieden, so lange es heiß wäre, darum den General und Nanda in den nächsten Tagen noch einmal zusammenzuführen und, wenn irgend möglich, so, daß Jenem eine Erklärung recht nahe gelegt würde. Uw diese Würdig vorzubereiten, sagte sie vorerst nur: „Einer, der für immer aus den Augen scheiden will, ist gefährlicher als Einer, dem man jede nächste Woche wieder zu begegnen sicher ist. Sie selber sind trotz ihrer grauen Haare so ungestüm, so un überlegt, wo Sie Neigung spüren, wie bei uns die liebe Jugend kaum. Meine Nanda muß allem Gerede sicher entrückt und über allen falschen Schein gestellt werden. Ich hole sie mir noch heute ins Haus und werde sic als meinen Logirgast behandeln, bis Euer Excellenz auf hoher See schwimmen." „Hole der Teufel die aufdringliche Tugendwächterin", dachte der General, laut aber erwähnte er nur die Zuversicht, daß die Frau Gehermräthrn ihm auch so nicht ihre Thiire verschließen werde. „Ganz im Gegenkheil", erwiderte Jene mit vollendeter Höf lichkeit, „ich werde mich, wie immer, ungemein freuen, wenn Euer Excellenz meinen Einladungen gütige Folge leisten wollen." DaS war ja nahezu beleidigend, das hieß ja nichts Anderes, als ungeladen wird ihm die Thür nicht geöffnet, ein Wiedersehen Nanda'S nicht gestattet werden, ihm, der seit bald zwei Monaten keinen Tag vergehen ließ, ohne dir Angebetete wenigstens einmal gssehen, wenn auch nicht immer gesprochen zu haben. War die Frau verrückt, sich also zwischen sie und ihn zu drängen? Freilich, sie war die alte Freundin der Familie Wesselbrunn, sie durfte sich gewissermaßen ein Recht anmaßen, Nanda zu bemuttern, und er hatte nicht gehandelt, wir e» eine Mutter billigen durfte. Er selbst billigte es nicht mehr, er hatte Gewissensbisse, aber die Leidenschaft quälte den Alten noch viel mehr, sie sorgte dafür, daß sich die Gewissensbisse nicht nur nicht verminderten, sondern daß er sich aus Alma's Salon mit merkwürdigen Einfällen weg begab und von dieser Stunde an sich näher und näher an Ent schlüsse heranwagte, die er vordem nie für möglich gehalten hatte und noch jetzt nicht für unausweichlich hielt. Aber für's Letztere sorgten die Umstände, Frau Seckenstedt's Entschlossenheit und sein eigenes thörichtes, braves Herz. Nanda hatte die sechs oder sieben Wochen seit ihrer Trennung von Immanuel dumpfsinnig hingebrlltet und von Tag zu Tag sich mit der Hoffnung geschleppt, der Ungetreue werde zu ihr zurllckkehren. Sie verbiß sich in diese fixe Idee so, daß sie die Festigkeit seines Entschlusses nicht gewahrte, an die Dauerhaftig keit feiner Abneigung nicht glauben wollte. Mit Don Pedro ver kehrte sie gewissermaßen mit geschlossenen Augen, in einem gewollt traumhaften Zustande, der volle Besinnung mit Willen fern hielt. Der verliebte General duldete die wunderliche Laune, wie er all' ihre Launen ertrug, um die Launische selbst nicht zu verlieren, und es läßt sich denken, in welche Aufregung ihn der Beschluß gebracht, den ihm Frau Seckenstedt soeben kund gegeben hatte. Nanda hört- lachend den Bericht, aber sie versicherte Don Pedro mit vollem Ernste, daß sie sich der Einladung Alma's, die sie, während er bei ihr war, durch die Rohrpost erhielt, nicht ver sagen könnte, ohne ihren guten Ruf aufs Spiel zu sehen. Sie erklärte sogar rund heraus, daß sie diesen Antrag wie eine Ehren rettung freudig begrüße und sich ihrer mütterlichen Freundin dafür zu hohem Dank verpflichtet fühle. Dabei glänzte es wie Helle Freude aus ihren unergründlichen Augen, daß der gesetzte Diplomat in einem Sturm von widerstreitenden Empfindungen von dannen ging, wie ihn sein Herz, so alt es war, noch nie durch gemacht hatte. NanVa's plötzliche Freude war aber dadurch entfacht worden, daß sie in Alma's tapferem Vorgehen und in Dem, was darauf folgen werde, nur ein sicheres Mittel zu erkennen glaubte, den abtrünnigen Immanuel heim an ihr Herz zu locken. Daß er sie noch immer liebte und begehrte, stand ihr außer Zweifel. Hörte der Schmoll» nun, daß der andere Mann im Begriff stand, sie aanz und gar für sich in weite Ferne von ihm fortzunchmen, mußte er sich dann nicht auf sein Glück besinnen und ihr, und wär's am letzten Tage vor der Abreise, zurufen: bleib' und bleib' bei mir? Darum hatte Frau Seckenstedt wenig Mühe, das Fräulein von Wesselbrunn zu überreden, sich, von dem alten Eroberer ge fährdet, wie sie war, unter ihren Schutz und ihr Dach zu flüchten, und Beide warteten vereint in Kampfstellung ab, was der ver liebte Hidalgo beginnen und was er für Entschlüsse fassen werde. Die Beiden wußten, was sie wollten, und ahnten, was der Andere werde wollen müssen. In der Stille des Herzens aber jubelte Nanda, denn nun meint- sie die sichere Hoffnung aufsteigen zu sehen, gleichviel, ob es Immanuel bis zur Verheirathung mit dem Ausländer kommen lassen werd- oder nicht. Sie hatten sich nun zwei Monate nicht gesehen. Da schrieb sie ihm eines Tages ohne viel Einleitung und Floskeln, kurz und bündig, wie sie wußte, daß er's gern hatte: „Don Pedro u. s. w. wirbt um meine Hand. Rette mich vor ihm! Rette mich für Dich!" Er antwortete nicht gleich und fast ebenso knapp, daß er krank Hewvsen und jetzt mit Arbeit so überhäuft sei, daß er nicht mehr sagen könne, als zu jedem ihrer Entschlüsse alles erdenkliche Glück zu wünschen. Sie zerknitterte das Blatt Papier in entrüsteten Händen, dann aber glättete sie's wieder und steckte es ins Mieder ans pochende Herz, denn, daß der Halsstarrige auf den ersten Streich das Knie beugen werde, das hatte sie ja gar nicht erwarten können. Er sollte schon noch Streiche fühlen. Ihre Zuversicht war nicht zu knicken. Aber Don Pedro hatte einen schlechten Tag im Hause Seckenstedt, obwohl er sich nicht bewußt war, irgend etwas Nanda zuwider gethan zu haben. Doch so unnachsichtig er Männern gegenüber war, so geduldig blieb er vor schönen Frauen. Wenn Immanuel Winkler von Arbeitsüberhäufung sprach, so hatte das seine Richtigkeit. Niederlagen im Reichstage und im Landtage hatten den staatserhaltenden Parteien aufs Neue den Wunsch erweckt, ihre Vertretung in der Presse zu verstärken. So waren Wendewalt und der schlesische Magnat mit anderen Freunden wie von selbst auf den halbvergessenen Plan zurück gekehrt, dem schneidigen Publicisten, der die Alles verneinende, Alles unterwühlende Demagogie aus eigensten Lehrjahren besser als irgend Einer kannte und ihre Schwächen bloßzulegen der rechte Mann war, zu einer wirksamen Wochenschrift zu verhelfen. Man batte für die Presse schon so viel Geld umsonst ausgeyeben, daß man es füglich auch noch mit diesem neuen Unternehmen wagen durfte, das nicht sehr anspruchsvoll einsetzte und unter den ob waltenden Umständen als ersehnter Kampfgenosse erschien. So war 'denn Winkler Tag und Nacht dabei, alle Vor bereitungen zu treffen, um der Unterstützung, die ihm in so ehren voller Art geworden war, zu entsprechen und Buchhandel und Publicum für das neue Blatt zu interessiren. Die einstigen Genossen empfingen ihn selbstverständlich mit Hohn und Spott und machten ihn jeden Morgen und Abend öffentlich todt. Jenes Blatt des Renegaten wurde von ihnen nicht anders als höchst verächtlich „Winkler's Winkelblatt" oder „Winkelblättchen" titulirt. Er fiel aber nach allen Seiten aus und blieb bei dem frischen, fröhlichen Kriege lebendig und gesund. Sein „Winkelblättchen" gewann mit jeder Woche mehr Boden, so daß es, ehe ein Viertel jahr verging, zu den gelesensten Zeitschriften der Reickshauptstgdt und fein Herausgeber zu den angesehensten Publicisten, die im Vorderkampf der öffentlichen Meinung stehen, gezählt wurde. Immanuel aber pries Gott für solche Gnade, denn ein wirk sameres Mittel, sein knirschendes Herz zu bändigen, seinen Gram zu verwinden und seinen Kopf oben zu behalten, hätte die Vorsehung ihm nicht gewähren können, als die Anstrengung und Sorge, sich im Getümmel des Tages als ein Führer im Streit zu bethätigen und zu behaupten. Und auch das Gute war dabei, daß seinem Vagabunden- t'bum ein Ziel gesetzt worden war. Nach Erfolgen, die ihn seinen jetzigen Freunden theurer gemacht hatten, war seine Stellung ge sichert, sein Ansehen im Wachsen und sein Einkommen mehr als genügend. Ihm war, wenn er an die jüngste Vergangenheit von so veränderten Standpunkte zurückdachte, nicht anders, als lägen Jahre dazwischen. Aber auch die Wehmuth blieb ihm nicht fern, wenn er erwog, daß er und die Geliebte nach den langen acht Jahren nur noch acht kurze Wochen hätten zu warten brauchen, um eines besseren Schicksals und dauernder Zusammengehörigkeit froh zu werden. Allein das war ja ihre Schuld und ihr Verhängniß von An beginn ihrer Liebe gewesen, daß sie nicht zu Denen gehörten, Sic warten können und warten wollen. Sie waren vor der Zeit glück lich gewesen, ach, so sehr glücklich, und so hatten sie vor der Zeit aufgezehrt, was ihnen von, Schicksal als Glück zugemessen worden war. Sie hatten sich einmal besessen und Immanuel dackte dank bar daran zurück, aber seltener und seltener; er hatte jetzt so viel Anderes zu denken, und jede Saumsal in seinem Berufe strafte sich sofort. An einem FrühlingSmorgen blieben aber doch Feder und Papier unangetastet liegen auf seinem Arbeitstisch über einer
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