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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.02.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-02-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000209014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900020901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900020901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-02
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Die letzteren bildeten bis zum Wiener Frreben e:ne klein«, unabhängige Landeskirche für sich. Im Wiener Frieden fiel das Bisthum Osnäorück an das Königreich Hannover. Die zwei evangelischen Gemeinden «der Stabt standen fortan, während sonst ihre Verfassung nicht geändert ward, unter dem Kultusminister und 'dem Könige. Sparer wurden sie mit der hannoverschen Landeskirche verschmolzen, unter das BozirkSconsistorium und das LanoeSconsistorrum zu Hannover gepellt. Die Geistlichen werden noch jetzt aus drei von den Aarchenvorständen Vorgeschlagenen von der ganzen Gemeinde ge wählt. Die Mehrheit oer Gemeinden ist seit langer Zeit einer vermittelnden unirlen Richtung zugethan; sie hat «aber, um ge recht zu sein, für jede Kirche aucy einen orthodox-lutherischen Geistlichen gewählt. Weingart gehört einer liberaleren Richtung an; aber Vas Äozirksconststorium selbst hat ihm bezeugt, daß er eia versöhnlicher Mann und ein aufrichtiger, frommer Christ sei In der hannoverschen Landeskirche kam in den fünfziger Fahren daS lehrgesetztiche Lut'herthum auf. In Folge davon konnten Conflicte mit der Gelsinnung der Osnabrücker Ge meinden nicht ausbleiben. Wie es um Vie Seelisorge stand, danach fragte diese Richtung nicht. Die Behörden kümmerten sich nicht darum, ob jeder Geistliche für Vie Seelsorge sein festumgrenztes Arbeitsgebiet habe und ob ihm kein äußerlich oder innerlich Bedrängter entgehen könne. Wer seinen Unterricht und die ihm guilommenden Reden und Predigten hielt, auch etwa zu denen ging, die nach ihm verlangten, der genügte. Die Hauptsache war, daß keiner das 'Lehrgesetz übertrat. So fehlte der Arbeit der Geistlichen planvolle, sichere Ordnung. ES hatte -jeder von ihnen seinen persönlichen Anhang, der leicht zur Partei wurde. Biele, die der kirchlichen Hilfe ganz besonders bedurften, wurden ganz vergesse», obwohl die Geistlichen meist strebsam waren. Aber die hannoverschen Behörden waren ganz besonders, rn«hr alS andere, eifrig, Bücher für den kirchlichen Gebrauch auS- zuakbeiten. Bald ward ein Schulgesangbuch, bald ein Kirchen gesangbuch, bald eine Agende, bald ein Katechismus angeferrigt. DaS wäre ja nun schon ganz gut gewesen, wenn die religiös« productive Kraft dazu ausgereicht hätte. Das war aber gar nicht immer der Fall. Mau begnügte sich mehr oder minder damit, wieder hervorzusuchen, was vor Jahrhunderten geschaffen war. Da stritt man dann in den Synoden und «sonst darüber, Wie oft der Teufel in solch' einem Buche erwähnt werden sollt« und ob Lioderverse zulässig wären, wie di«: Du "süße Wurzel Jesse, Du hast mein Hexz bosessen; oder: Ein Scheusal Lin ich ohne Dich, rette mich. Mau glich dem Goethe'schen Manne, dec »ach Schätzen gräbt, ohne sic zu finden. Und das geschah noch in einer Zeit, in der die Atheisten drohen, uns die Städte und die Dörfrr anzuzüniden. Anfang > der sechziger Jahre wollte der Kollig zwangsweise einen Katechismus aus dem 17. Jahr hundert wieder einführen. Da brauste ein solcher Sturm durch da- Land, daß der König sein ganzes Reactionsmmisterium ent lasse» und seinen Katechismus zurückziehen mußte. Vor zwei Jahren war nuu ein neues Stück Agende fertig ge worden. Die Osnabrücker Bezirkssynode sollt« -darüber ihre Ansicht aussprechen. Weingart hatte das Referat. Das Han noversch« BozirkSconsistorium meinte, durch dies Referat wär« der ^erdacht" entstanden, -daß Weingart in sieben Puncten von der Kirchenlehre abwiche. Der Vorsitzende der Synode, der Super- iytelldent, war verpflichtet, Angriffe auf die Kirchcnlehre fern »ll halten Er hatte es nicht gethan. Seelsorgerische Verhand lung mit Weingart unterließ man. Man begann sogleich «in Ditciplinarverfahren. Ueber die -sieben Puncte kam man aber hinweg. Das Vezirkseoirsistorium, und später -auch das Landes- eoasistvrimn, nahmen au, es läge da nur sine Fahrlässigkeit vor, um deren willen Weingart nur eine Ordnungsstrafe ver- dirät hätte. Im Laufe der Verhandlungen war aber von Wein gart «in halber Jahrgang seiuer Predigten eingefordert worden. Da fand sich denn im ersten Theil« einer Ost«rpredigt, daß Weingart eine geschichtliche Erörterung über die Art der Wieder erscheinung des A-uferstan-denen für -die Jünger angestellt und behauptet hatte, der Herr sv von den Jüngern nn «Geiste in einem ! neuen verklärt«» Leibe wahraenommen worden. Darin sah i das Bezirksconsistorium, die erste Instanz, eine Abweichung von der Kirchtlllechre. Es erkannt« aber nur auf einen -Verweis, nachdem Weingart einen ihm vorgelegten (nicht ganz klaren) R«verS unterschrieben hatte. Da aber der Ankläger erster Instanz Berufung cinlegte, so that -das Weingart auch. Di« Verhandlung mußte nun vor der Zweiten Instanz, dem Landesconststorium, von Neuem beginnen. -Das Landesconsistorium meinte, Weingart faßte den Revers nicht, oder dock nickt mehr, in dem Sinn« auf, in dem er gemeint sei. Weingart hätte nach Bibel und Bekenntnitz lehren sollen, Christus war« in dem gekreuzigten, jetzt aber verklärten Leib« aus seinem Äraöe hervorgegangen und von den Jüngern mit leib lichen Augen gesehen worden. Da er das aber lehre, so nehme er zu Bltel und vekenntnitz «ine in dir hannoverschen Landes kirche unzulässig« Stellung «in. Deshalb ward er entlassen. Dh di« «rst« Instanz nur auf «inen Verweis «rtannt hatte, so irnraie di« Entlassung nur von seinem bi-herigen Amte erfolgen und es mußt« ihm volle Pension gewährt werden. Nach evan gelischen Arundsätz«» hatte Weingart sich dadurch verfehlt, daß er den Gottesdienst und die Andacht der Gemeinde durch die Er- ikrlrruaa ei»«r wissenschaftlichen Streitfrage gestört hatte. Er Hast» also ei»« Zurechtweisung verdient. Weingart selbst hat Behörde em Unrecht. Sie -hatte ein« Wilder ichwtrft«, geschichtlichen Fragen durch «in«n Machtspruch ent- schiede» und sich dadurch dert Gpyst vex ultramontanen „Köl- rrstchtn Volkszeitung^ zugegoaen, die natürlich sagt: eS wäre doch t«tz «leichgillig, ob der Papst odir ein Eonfistorium Wissenschaft- liche Fragen unfehlbar entschiede. Bibel und Bekenntnitz sind nur dazu da, ihnen die lebendige Anschauung dcS Erlösers zu entnehmen und die Gemeinden m ihr zu oerttären. Das Con- sistorium mißbraucht Bibel und Bekenntnitz, um einzeln« Aus sprüche derselben wie GesetzeSparagraphen gegen den Angeklagten zu verwenden. Bon dem lebendigen Glauben a-n Christus, der darin besteht, daß wir mit dem Besieger des Todes sterben, u-m seinen Sieg über den Tod mitz-uerleben, ist in dem Urtheil über Weingart gar keine Rede. Es ist eine tief zu -beklagende, religiös inhaltlose Schrift. Der ganze Kampf gewährt demnach, wenn man nur den ersten Theil der (übrigens -sonst sehr innigen) Weing-art'schcn Predigt und das Unheil der Behörde mit einander vergleicht, einen sehr trostlosen Anblick. Man hat da einen Kampf zwischen Liberalis mus und Lehrgesetzlichkeil vor Augen, bei dem die Religion ganz fehlt. -Solche Kämpfe müssen -aus der Kirche ganz verbannt werden, weil sie die Kirche nur zerreiben. Das haben die Osna brücker Gemeinden instinctiv begriffen. Sie wollen das Joch dec Lehrgesetzlichkeit zerbrechen, das mit ihrem religiösen Leben nach ihrer Ansicht so verfährt, wie die Herrschaft Napoleon'- I. mit der Vaterlandsliebe der von ihm unterworfenen Völker. Mit Petitionen, die von vier Fünfteln der 18jährigen Gemeinde mitglieder unterzeichnet sind, haben st« den König von Preußen und seinen Cultusminister um Hilfe gebeten. Sie wünschten, daß der König im Wege der Gnade das Unheil der Behörde auf heben oder mildern, die Entlassung also in «inen Verweis u-m- wandeln möcht«. Der Cultusminister wurde ersucht, den Ge meinden entweder ihre frühere Selbstständigkeit wioderzugeben, oder -ihnen zum Anschluß an di« unirte preußische Landeskirche zu verhelfen. Der König übergab die Petition dem Cultusminister zur Erledigung. Der antwortete, „daß er auf Grund der stattgehabten Prüfung sich nicht veranlaßt finde, die Auf hebung oder Milderung der gegen Den Pastor Weingart rechts kräftig erkannten Disciplinarstrafe im Gnadenwege herbeizu führen". Das war vorauszusehen. Ein Eingriff des Cultus- ministers oder auch des Königs mußte -den Schein erwecken, man wollte gewaltsam die hannoversche Landeskirche der Union zu führen. Das hätte Ken Sturm nur vermehrt. Die Gemeinden konnten nur sich selbst helfen. Sie mußten einfach in die unirte Landeskirche eintreten, die allem Anscheine nach Religion und Lehrgesetz zu unterscheiden weiß. Dazu war die LandeSsynode versammelt. Auf ihr mochte der Fall Weingart -zum AuZtrag kommen. Was war nun von der Synode zu erwarten? Liberale gab es in ihr nicht. Die Orthodoxen hatten keinen Grund, gegen das Urtheil wider Weingart einzutrcte». Wohl aber fanden sich in der Synode Bekenner der Richtung, die den Zank zwischen Libe ralen und Orthodoxen von der Kirche fernhalten will und über zeugt ist, der Gottesdienst sei nur dazu da, die Lebensgemeinschaft der Gemeinde mit ihrem Erlöser und mit Gott zu erneuern und zu stärken. Die hätten denken können: -was geht uns der Kampf der beiden Richtungen an, -denen wir vollkommen fremd gegen über stehen? So äbor dachten diese Männer nicht. In ihrem Namen gab Pastor Chappuzeau eine Erklärung ab, in der sie ihren Glaubensstandpunct über den beiden streitenden Parteien klar zum Ausdrucke brachten. End lich trat d«r ehrwürdige Professor D. Hermann Schultz aus Göttingen auf, der rundweg erklärte, einen Geistlichen, der doch den Glauben an Christus predigen wellte, müßte man schonend behandeln. Daß -dieser per sönliche Christus zu persönlichem Leben zu Gott erhoben sei, das sei die Heilsthatsach«. Alles ander« gehe den Glauben nichts an. Ganz ähnlich hatte Chappuzeau gesagt, es käme nur darauf an, die Thatsache der Auferstehung zu bekennen. Sie nur könne man erleben. Das wie -sei Gottes Geheimniß. Niemand in der Synode hat den Versuch gemacht, diese Männer z-u widerlegen. Sie sind nicht zu widerlegen. Wer mit Christus geeint ist, der glaubt an seine Auferstehung, weil er selbst durch ihn zu ewigem Leben auferstanden ist. Auf das leere Grab und die Identität -des Leibes kann und darf er seinen Glauben nicht gründen. Diese Dinge kann der Glaube nicht erfahren; sie werden heute durch die Geschichtswissenschaft festgestellt, morgen zweifelhaft gemacht. Der Glaube bedarf unzerstörbarer Gewiß heit. Die Synode kam nicht weiter, als daß sie gegen eine Stimme, die Spitze gegen Weingart gekehrt, den rein negativen selbstverständlichen und doch nichts sagenden Satz annahm: Wsr in offenkundigem und grundsätzlichem Zwiespalt mit dem lutherischen Bekenntnisse steht, ist vom Predigtamte fernzuhalten resp. aus ihm zu entlassen. DaS Kirchenregiment ward durch den Präsidenten des LandescowsistoriumS und den Abt v. Uhl horn vertreten. Keiner von ihnen hat es versucht, die Anschau ungen Chappuzeau's und des Prof. Schultz zu widerlegen, ob- wcchl durch sie ein Urtheil wie das über Weingart einfach unmög lich gemacht ward. DaS Ergebniß ist ein höchst trauriges. Weingart ist nicht im Stande gewesen, seine liberale Theologie in seiner Studir- stube zurückzulassen und seiner Gomeinde einfach evangelischen Glauben zu predigen. Seine Richter, namentlich die zwei Uhl horn und Düsterdieck, von denen jener als Kirchenhisto riker, dieser als neutestamentlicher Philolog zweifellose Verdienst« hat, haben es nicht vermocht, den Angeklagten auf den in der Kirche allein zulässigen religiösen Standpunct zu erheben. Sie konnten aus ihrem Glauben ihre Orthodoxie nicht ausscheiden, wie Weingart ihn nicht von seinem Liberalismus freimachen konnte. Der Kampf zwischen den beiden Richtungen ist für die Wissenschaft unvermeidlich. Für die kirchliche Gemeinde ist er der Ruin. Daß er immer und immer wieder vor di« Gemeinden gebracht worden ist, das hat einst daS evangelische Christ«nthum und die deutsche Nation dem Untergange nahe gebracht, in unserer Zeit aber die Kirche der Macht beraubt, «inmüthig den Ultra- montaniSmuS, den Atheismus und die, zuletzt noch, von d«r preußischen Thronrede beklagt«, zunehmend« Unsittlichkeit zu be kämpfen. WaS kann da helfen? Zunächst mehr Hingebung an die sittliche Arbeit in der -Seelsorge, die immer eint. Sodann ein« besser« dogmatische Bovbildung der Leiter der Gemeinden und der Kirch«, die «s ihnen möglich -macht, auf da» Schärfste zwischen Theologie und Religion (persönlicher Hingebung an dir Person des Erlösers) -zu unterscheiden. Die Verhandlungen der hannoverschen Synode haben da- klar gezeigt. Stand Pastor Chappuzeau an der Stelle des Pastors Weingart oder v. Schultz an der Stelle des v. -Uhlhorn, dann gab es -keinen Fall Wein gart und die Kirche der Provinz konnte in Frieden ihrer Arbeit leben, Menschenseelen zu retten. Der Krieg in Südafrika. -r? Bereits in der Nacht zum Montag hat General Buller den Ucbergang über den Tugela vollzogen. Es ist den ganzen Montag und Dienstag über — soweit reichen die zu uns gelangten Nachrichten — heftig und erbittert gekämpft worden, und auf alle Fälle haben auch am Mittwoch und Donnerstag die Kanonen nicht geschwiegen und haben die Gewehre nicht bei Fuß gestanden, aber bis in die späte Abendstunde des gestrigen Tages (Donnerstag) wußte man in London noch nichts über den AuSgang des gewaltigen Ringens. Daraus ist mit Sicherheit zu schließen, daß Buller abermals auf jähen und energischen Widerstand der Boeren gestoßen ist und daß von einem Entsätze Ladysmiths, dem Ziel deS ganzen Borstoßes, noch keine Rede sein kann. Die DrahimeldungdeS „Standard" schließt mit den Worten: „Es ist nicht die mindeste Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß es den Boeren gelingen wirb, uns aus den Stellungen, die wir gewonnen haben, zu verdrängen. (Das ist ja recht be scheiden. D. Nek.) Tie Aussicht auf den Entsatz von Ladysmith ist entschieden hoffnungsvoll." Dagegen sagt eine von der „Exchange Telegr. Company" veröffentlichte Drahtmeldung aus Spearmanslager: „Unser weiterer Vormarsch ist momentan gehindert, da die Boeren uns von ihren Stellungen auf demSpionskop und dem Doornkloof der Länge nach beschießen, unsere Verluste werden auf 250 Tobte und Verwundete geschätzt". — Sie dürften wesentlich größer sein, denn am DienStag tclegrapturte der das ÄmbulanzcorpS bei Buller commandirende Officier, daß sofort hundert weitere Träger geschickt werden müßten, was augen blicklich geschah. Ueber die Einzelheiten der Kämpfe sich ein Urtbeil zu bilden, ist auch jetzt noch nicht möglich, da die Berichte sich nicht miteinander vereinbaren lassen. Der Angriff Buller's ging vom Zwartskophügel auf der südlichen Seite des Tugela aus und über die Ponl-Drift und die Molan-Drift, links vom kleinen Tugela-Fluß, etwa in der Mille zwischen SpionSkop und Colenso, und richtet sich also gegen die Straße, welche von dort an den Onderbrook-Bergen über Dewdrop nach Ladysmith führt. Auf dem westliche» Kriegsschauplätze scheinen sich neue Ereignisse vorzubereiten. Hier liegt seit der Niederlage, die sich Lord Melhuen am kl. Tecember bei Magersfontein zugezogen bat, das britische Enlsatzheer für Kimberley den Boeren unter Cronje thatenlos gegenüber. Eine Erkundung nach Westen, nach Douglas, und gelegentliche Demonstrationen nach Ostsüdosten, in der Richtung auf Jakobs- dal,waren dieeinzigen Lebenszeichen,die seitdemvon dieserHeeres- abtheilung vernommen wurden. Man war der Meinung, daß hier am MobLerflusse die Zeit wirksamer für die Briten arbeiten werde, als eS die Kanonen und die Bajonette zu thun ver möchten, denn man nahm an, daß die Boeren unter erheb lichen Verpflegungsschwierigkeiten, Krankheiten, Wassermangel und anderm Ungemach litten, zu dem eine Belagerungs truppe, wenn die Intendantur nicht ganz musterhaft arbeitet, stets verurtheilt ist. Im Lager Methuen's freilich hat seitdem nicht die Unthätigkeit geherrscht, wie sie in seinen militärischen Operationen zu Tage trat. Seine Truppen haben unter Leitung der Ingenieure inzwischen eine neue Eisen bahnbrücke über den Modder- und den Rietflnß gebaut, und man nimmt an, diese Brücke soll später auck von hier aus dem weitern Vordringen in den Freistaat dienen. Mittler weile scheinen die Boeren, vielleicht unter dem Druck jener Schwierigkeiten, die Initiative zu weitern Feindseligkeiten ergriffen zu Haden. Da sie in den ersten Tagen bas GraS östlich von MagerSfontein in Biand gesetzt hatten, wurde ver- mulbet, daß sie in dieser Richtung einen Vorstoß gegen die rückwärtigen Verbindungen Methuen's versuchen würden. Wie aber auS einem Telegramm des „Standard" aus KoppjeSdam vom 5. Februar hervorgeht, dürfte eS zunächst nicht im Osten, sondern im Westen zum Gefecht kommen. Die Meldung lautet: „General Mactonald ist gestern (am 4. Februar) mit der Hochländerbrigade, einer Batterie Artillerie und einem Re giment Ulanen auS dem Lager von Modderriver in KoodooS- berg angekommen. Der KoppjeSdam beherrscht die Straßen von Kimberley nach Hopedowu und DouglaS. Macdonald'S Eintreffen erfolgte gerade zur rechten Zeit, da hierdurch die Vereinigung zweier starker BocreocommandoS verhindert wurde. Seine Streitmacht hält jetzt di« beide» Ufer des Fluffeö besetzt. Zwischen den Voi posten ist «S bereits zu Plänkeleien gekommen." Und heute wird unS gemeldet: * Moder - Niver, 7. Februar. (Meldung des „Reuter'scheu Bureau-".) Macdonald hält die Stellung an der KoodooS- berg-Drift. Der KoppjeSdam ist der Höbenzug nordwestlich von Lord Metbuen's Lager, an dessen Cüdrande sich der Rietfluß, der hier in der KoodooS-Berg-Drift durchschritten werben kann, vorbeiwindet, um sich kurz unterhalb der alten Eisenbahnbrücke mit demModdeifluß zu vereinigen. Bermuthlichwar, someinttie „Köln. Ztg.", gemeldet worden, daß dort im Westen große Boerenstreitkräfte sich zom Vorgeben anschickten und nun wurde General Macdonald mit der Hockländerbrigad«, deren Com- mando er nach dem Tove des bei Magersfontein gefallenen Generals Wauchope Übernommen bat, einem der beiden Ulanen-Regimenter (Nr. S und IS) und 6 Geschützen zur Deckung von Mrtbuen'S linker Flank« vorgeschoben. Wenn eS General Macdonald gelungen ist, die Vereinigung zweier Boerencommanvo« zu hindern, so sollte man annehmrn, daß das eine von ihnen von Nordosten, daS andere aber von Sütwesten berranrückte, Macdonald sich zwischen beide ein geschoben und somit ungefähr Front nach Westen Kat. Ob eS sich bei alledem um einen ernstlichen Angriff auf Methuen's Flanke oder nur um einen überraschenden, aber vereitelten Vorstoß kleiner Boerenabtheilungen gegen Methuen's rück wärtige Verbindungen, oder endlich, WaS auch nicht aus geschlossen wäre, um einen neuen Entsatzversuch Methuen's von Westen her handelt, läßt sich auS der Meldung des „Standard" nicht ersehen und bleibt abzuwartcu. Aus Brüssel, 7. Februar, wird berichtet: Die englische Meldung, daß 7000 Boeren in ColcSberg eingeschlossen seien, ist unwahr. Der Weg nach dem Oranje staat ist offen, so daß der Rückzug jederzeit möglich ist. Der Vorstoß der Engländer nach dem Oranjestaat wird kaum vor 4 Wochen erfolgen. Folgende Meldungen sind noch anzureihen: * Paris, 8. Februar. (Telegramm.) Die vom franzö fischen Jugendbunde nach Transvaal gesandten Freiwillige» haben an den Vorsitzenden George- Berry ein Dankschreiben ge richtet, worin sie mittheilen, daß sie glücklich in Pretoria angelangt und ins deutsche Corps eingestellt sind. (Boss. Ztg.) * Paris, 7. Februar. Es wird hier als zweisello- bezeichnet, daß England Italien die Ablösung der englischen Truppen in Egypten angeboten hat. Italien habe dies bisher aus Furcht vor dem Widerspruch der Großmächte abgelehnt; doch scheint die Sache noch nicht erledigt zu sein. (Mgdb. Ztg.) IS 00» Mann für den Kriegsschauplatz. k. (/. London, 7. Februar. Nächsten Montag sollen, so versichert ein ofsiciöseS Communique, weitere 13 000 Mana mit 3000 Pferden und 6 Geschützen, darunter die vierte Cavallerie-Brigade, mebrere Milizbataillone und einige Com pagnien kaiserlicher Aeomanry in 15 Transporten nach dem Cap abgehen. Ob das wirklich geschieht, muß man füglich abwarten, da der Abgang dieser 4. Cavallerie- brigade bereits wiederholt angekünbigt wurde, ohne wirklich statlzufinden, ein Theil dieser Brigade notorisch noch nicht kertig ist, und mehrere der in Frage kommendetz Miliz bataillone ebenso wenig ihre Mobili'sirung vollendet habe». In den letzten Wochen wurde alle Augenblicke der Abgang von bedeutenden Miliztruppenmengen angekündigt, die, wie sich jetzt herausstellt, vollständig auf dem Papier standen, oder lediglich in der Phantasie deS betreffenden Reporters existirten. Ich erwähnte gestern schon kurz, daß der Appell an die Freiwilligen überhaupt ein sehr klägliches Resultat ergeben hat. Man batte, wie erinnerlich, von 100 000—150 000, ja einige Optimisten und Entbusiasten von 200 000 Freiwilligen ge sprochen, welche sich für den activen Dienst anbieten sollten. Jetzt stellt sich heraus, daß in den ersten Tagen eine ganze Anzahl junger Angehöriger der Freiwilligen-Bataillone aller dings voluntirten, nachber aber sich nicht einmal zur Unter suchung meldeten, oder formell ihr Angebot zurückzogen. In anderen Fällen verhinderte daS Ausweisen der AuS- rüstungSfrage u. s. w. die Ausführung der guten Absicht und so kam eS, daß dort, wo man 1000 bis l500 Mann zur Ergänzung der einzelnen Regimenter pro Regiment erwartet hatte, sich nicht einmal 100 meldeten. So stellten sich in der Grafschaft Sommerset, deren VolontärcorpS 3600 Mann stark ist, im Ganzen 00 Freiwillige, und trotz aller Anstrengungen gelang es nicht, auch nur die Mindestzahl für eine einzige Compagnie, d. b. 116 Mann, zusammenzubringen, während man auf 8 Compagnien als Minimum gerechnet, ja gehofft hatte, ein ganzes Freiwilligen-Regiment bilden zu können. WaS aber ist von einer derartigen, im Augenblicke höchster patriotischer Erhebung in Scene gesetzten Bewegung an praktischem Resultate zu erwarten, wenn in Grafschaften, welche an regulären Truppen ein bis zwei volle Regimenter stellen, bei dem schon niedrigeren Stande der englischen regulären Armee nicht einmal 100 Manu Freiwilliger auf zutreiben sind? Dazu kommt noch, daß diesen Freiwilligen ganz außer gewöhnlich greifbare Vortbeile gewährt worden waren. Allen wurden von ihren Arbeitgebern resp. den sie beschäftigenden Firmen ihre Stellungen .gesichert, vielen sogar die Fort zahlung deS Lohnes resp. SalairS für die ganze Zeit ihrer Abwesenheit versprochen, in anderen Fällen, und dies fast überall, ihnen jede Sorge um Frau und Kind genommen und überdies weitere Vortbeile, wie z. B. glänzende Stellungen in der Capcolvnie, nach Beendigung des Kriege- in Aussicht gestellt; reiche Großgrundbesitzer und GroßfinaucierS hatten bedeutende Summen hergegeben, welche den Freiwilligen, sei es für ihre Ausrüstungen, sei eS direct in baarem Geld«, zu Gute kommen sollten, — kurz, alles Denkbare war getban, um diese jungen Leute zum Eintritt inS Heer zu verlocken. Dazu kommt noch die große Anziehungskraft deS „eine Rollc- SpielenS in solchen Zeiten", und man muß gesehen haben, wie diese jungen Männer schon wochenlang im Khakicostum der Colonialtruppen, stets von zahlreichen Freunden umgeben, auf der Straße, am Bar, im Theater und Concertsaal sich be geistert fetiren ließen, um die ganze Macht deS verführerischen Momentes — WaS schon darin lag — zu verstehen. Wenn trotz alledem in einer rein englischen Grafschaft, wie diejenige von Sommerset, nur 80 junge Leute unter 3000 sich meldete», so dort dock alle Illusion auf, und selbst der optimistischste Träumer und Enthusiast wird gezwungen, mit der nüchternen Tbatsacke zu rechnen, daß man mit Be geisterung allein weder Armeen aus dem Boden stampft, noch Schlachten schlägt und Kriege gewinnt. Daher auch die große Zurückhaltung der Regierung in diesem Puncte, wie in demjenigen ter Jeomanry, welche nicht viel bessere, zum Theil noch viel negativere Resultate ergeben bat. So sucht man sich beute den besten Trost in dsn Colonien. Der neueste Erfolg sind die Buschmänner Australiens. Wieviel von denselben nach Afrika abgehea werden, weiß scheinbar noch Niemand. Wir erfahren nur, daß da- KriegSamt den Colonien Australiens für dieselben 4000 Gewehre zu liefern bereit ist, daß Sidnev 3 Millionen Patronen in London bestellt hat und die Buschmänner an»
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