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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.02.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-02-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190002119
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19000211
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19000211
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-02
- Tag1900-02-11
- Monat1900-02
- Jahr1900
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.02.1900
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Größere Cchriste» laut unserem Preis verzeichnis;. Tabellarischer und Zissernsap »ach höherem Taris. (ntro-Beilligkn (gesalzt), nnr mit dec Morgen - Ausgabe .ohne Postbesörderung ./t 60.—, Mil Postbesörderung ,/L 70.—. -——- Ännahmeschlnk für Ämeiqen: Abend-Ausgabe: Vormittag; 10 Ubr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Ubr Lei den Filialen und Annahmestellen je eins halbe Stunde früher. Anzeiger! find stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 9t. Jahrgang- Sonntag den 11. Februar 190A Aus -er Woche. Nach einem dritten Berathnngstage, der weit länger und ungleich lebhafter, aber nicht viel fruchtbringender war, als der zweite, ist die F l o t t e n v o r l a g e an die Kommission verwiesen worden. Damit beginnt erfahrungs gemäß in Deutschland das kritische Stadium solcher Fragen. Die Propaganda wird nun keineswegs entbehrlich, da eS Parteien und einzelne Abgeordnete giebt, die die Volkö- stimmung, will sagen, die Sicherheit ihrer Mandate im Falle von Neuwahlen, vor allen Dingen zu Rathe zu ziehen pflegen. Daö Werben für den Flottengedanken im Lande ist darum jetzt nvtbiger als je, und dem entsprechend wächst die Ver antwortlichkeit derjenigen, die sich in den Vordergrund der Agitation stellen. Bisher ist in diesem Puncte in vielen Tbeilen deS Reiches fast mehr gesündigt als wohlgcthan worden. Die ausgezeichnete Constitution der Flottensache, noch gekräftigt durch den Doercnlricg, tonnte aller gegen sie gerichteten Attentate spotten. Aber jede Wider standsfähigkeit hat ihre Grenzen; es ist an der Zeit, daß die guten Leute und schlechten Musikanten sich einige Zurück haltung auserlegen und den schlechten Leuten, den Strebern und Ordensjägern, den GeschäftSslottenpolitikern das Handwerk erschwert WM>. Daß die drei letztgenannten Sorten eristiren, bat selbst Herr Schweinburg nicht bestritten. Mit der Möglichkeit, daß solche Schädlinge bei wohl meinenden schlechten Psychologen einen gewissen Flottenüberdruß Hervorrufen, muß umfomehr gerechnet werden, als die Ver handlungen der Neichstagscommission vom Centrum sehr weit anSgesponnen werden dürften. Es giebt zwar beispiels weise gewiß keine Handhabe, einem anrüchigen Blatte zu verwehren, die Marincverstärkung im Tone des Ausver- kaufSgrschäftS anzupreisen, aber eS braucht doch nicht weiter hin den Socialdemokraten ermöglicht zu werden, ohne Wider spruch im Reichstage zu behaupten, daß dieses Blatt ein Lieblingsblatt am Berliner Hofe sei, eine Angabe, die sich auf die gleichfalls nnwiderlegt gebliebene ältere Ver sicherung einer achtungswcrthen nationalen Zeitung stützt. Dies e i n Beispiel. ES sind noch einschneidendere Mißgriffe an der Tagesordnung und im Allgemeinen sucht man mit höfischem Brennmaterial Flottenstimmung unter Hitzegraden zu erzeugen, die bei dem nun einmal kühle» Wesen des Deutschen den vorhandenen guten Willen leicht verdorren lassen können. Den Flottenverein als solchen trifft dieser Vorwurf nicht, am wenisten den sächsischen Landesverband; wenn aber das Marinegesetz, so oder so, unter Dach gebracht ist, wird man sich doch darüber unterhalten dürfen, ob ein Gebildete wie dieser Verein überhaupt für unsere deutschen Verhältnisse paßt. So viel steht schon heute fest, daß Aufgaben, welche der Flottenverein vollauf zu erfüllen glaubt, früber von den nationalen Parteien mit vollem Erfolge gelöst worden sind. Es ist mindestens zweifelhaft, ob ein Specialverein dies überall vermag. Er wird cs da können, wo, wie bei unS in Sachsen, die nationalen Parteien in leidlichem Frieden leben und am allerwenigsten als Mit glieder des Flottenvereins daran denken, dessen Veran staltungen und Kundgebungen einen einseitigen Partcistempel auszudrücken. Er wird cs nicht können, wo, wie in der Provinz Hannover, das zwischen diesen Parteien bestehende Verbältniß ein gespanntes ist und die im Landcsvereine dominirenden Elemente infolge dessen der Versuchung er liegen, aus Veranstaltungen Les Vereins Capital für sich und gegen andere nationalgeftnnte Parteien zu schlagen. Ueber- baupt wird überall, wo die Verhältnisse nicht ganz besonders günstig liegen, die Partei, die mit ihrer An hängerschaft Fühlung auf weitestem LebenSgcbiete unterhält, in einer besonderen Frage, die die Ueberliefcrungen und Interessen großer Massen nicht in einer für jeden Einzelnen erkennbaren Weise berührt, weit eher Gehör und Vertrauen finden, als ein Verein, der sich nur in dieser besonderen Frage an die Masse wendet und im klebrigen ihr gleichgiltig ist, wie sie ihm, dem Vereine, gleichgiltig zu sein scheint. Man gebe sich doch keiner Täuschung hin; dem kleinen Landwirtb, dem kleinen Handwerker im Binnenlande wird eine Einsicht in die Bedeutung der Flotte nicht vermittelt werden können; er ist aber für die Flotte zu gewinnen von Organisationen und Personen, die er als ihm wohlmeinend kennt, die in ihm faßbaren politischen Dingen für ihn gewirkt haben, denen er mit einem Worte ein Vertrauen schenkt, daS der patriotische Cpecialist — der leider häufig auch nur ein Sportsman ist — nicht beanspruchen kann und niemals erringen wird. Allerdings dieses Verlangen, die Kreise der nationalen Parteien nicht zu stören, beruht auf der Voraussetzung, daß diese ihren geschichtlichen Grundcharakter nickt geändert haben. Mit dem Hinweise auf die Berliner Leitung des Bundes der Landwirthe, deren Mitglieder fast durchweg der conscrvativen Partei angeboren, vermöchte der Flotten verein vielleicht nicht unschwer seine Unentbehrlichkeit darzu- thun. Die Bundesleitung intriguirt thatsächlich gegen die Flottenvorlage, wenn auch vielleicht nicht ganz in der von der „Germania" behaupteten Weise. Bekanntlich batte das Organ der Bundesleitung die Zuschrift eines „rheinischen LandwirthS" veröffentlicht, der entschiedenes Auftreten gegen die Flottenvorlage verlangte, „bis die Regierung gezeigt habe, daß sie etwas für die Landwirthschaft nickt nur zu thun beabsichtige, sondern auch wirklich thue." „Wenn wir", hieß cs weiter, ,^ru jeder Flottenvorlage „Ja und Amen" sagen auS lauter Patriotismus, dann haben wir das Heft au» der Hand gegeben, dann ist Deutschland mit einem Mal ein Industriestaat." Hiergegen erläßt jetzt Freiherr v. Pleiten berg-Mehrum, der Vorsitzende des Bundes für die Rhein provinz, folgende Erklärung: Di« rheinischen Landwtrthe, die dem Bund« d«r Landwirthe angrhörrn, haben in wichtigen nationalen Fragen noch nie eine ..'lo-ut-lles"-Politik getrieben, fondrrn sind stets fest und treu der Führung ihre« Kaiser« und König« gefolgt, da werdrn sie auch in der Flottenfroge nicht versagen! Da« darf ich schreiben, ohne erst besondere Umfrag« zu halten, weil ich meine Landsleute und Be- rufSgenofi«» knia». Der Verfasser dieser Erklärung unterläßt eS, die Frage aufzuwerfen, wer jener „rheinische Landwirtb" war, dem das BundeSorgan seine Spalten öffnete; er unterläßt es auch, zu sage», welche Bezeichnung der verdient, der eine solche angebliche Zuschrift veröffentlicht, ohne ihr auf das Ent schiedenste entgegen zu treten. Jedenfalls hält auch er ein solches Verhalten für intrigant. Ob Herr l)r. Hahn auf einen CentrumSmann auch mündlich und heimlich ein zuwirken versucht hat, ist solchen öffentlichen Einwirkungs versuchen des Bundesorgans gegenüber ziemlich gleichgiltig. Es ist auch ziemlich gleichgiltig, daß Herr I)r. Hahn nicht Mitglied und nicht einmal Hospitant der conservativcn Partei ist. Er ist die Seele der Leitung des Bundes der Landwirtbe nnd bat als solcher Einfluß auf Bundesmitglieder, die der conscrvativen Partei angehörcn und einen namhaften Theil derselben beherrschen. Deshalb ist leider auch auf diesen Theil in der Flottenfrage kein Verlaß. Hat doch Herr v. Levetzow im Reichstage die Flottengegnerschaft von conscrvativen Abgeordneten ausdrücklich eingestanden. An gesichts dieser Erklärung ist der Muth zu bewundern, der die „Kreur - Zeitung" von der Rede des Herrn v. Levetzow sagen läßt, sic habe die Stellung der conserva- tiven Partei zur Flottenfrage vollkommen klargelegt. Im Gegentheil, die Zweifel sind sehr lebhaft und sehr schwer wiegend; denn: wieviel konservativ: Reichstagsabgeordnetc stehen der Flottenvorlage nicht „sympathisch" gegenüber? Diese Frage nach Lein Umfange der conservativcn Flotten opposition wird vielleicht die entscheidende. In der Gleichung, die dem Reichstage vorlicgt, ist zu dem gewohnten ultra montanen X alS ein die Lösung sehr erschwerendes T die Partei, die unter dem Zeichen des Kreuzes für König und Vaterland zu streiten vorgiebt, hinzugetreten. Der wirthschastliche Krieg Mischen Rußland und England in Persien. Nachtruck »irboikN. Aus Teheran, 12. Januar, schreibt uns unser ständiger Herr Mitarbeiter: Da der Kampf zwischen Rußland und England um die Vor herrschaft in Persien öbensowo'hl auf wirthschaftlichem als auf politischem Gabiete ausgefochten wird und er im verflossenen Jahrzehnt durch vielfache Industrie- und Handelsunter- nehmungen, welche von beiden Seiten ins Leben gerufen wurden, an Schärfe erheblich zugcnommen hat, so ist es natürlich, daß sowohl die innere als die äußere Politik Persiens häufig durch diese Unternehmungen beeinflußt wurde. Mit der Ernennung des bekannten Diplomaten S ir D r u m - monoWolff zum Gesandten in Teheran schien England die Absicht zu haben, ernstlich sein früheres Uebergewicht in Persien wieder herzustellen, das durch die russische Eroberung Tur kestans in Frage gestellt schien. Mit vielem .Geschick wurden alle Vorbereitungen getroffen, um dem Schah bei seiner Reise nach Europa 1889 die Größe und das Ansehen Englands vor Augen zu führen. Alle größeren Städte bis hinauf nach Schottland iwurden ihm gezeigt und die Großen des Reiches wurden ver anlaßt, ihn auf ihre Schlösser einzuladen. Die günstigen Folgen 'dieser Zuvorkommenheiten blieben denn auch nicht aus, sie be standen aus den Concessionen für eine Bank, Ausbeutung aller zu erschließenden Minen, für eine Fahrstraße vom KarunslUß nach Teheran und Isfahan, freie Schifffahrt auf dem Karun und eine Tatbaksregie. Run wurde eine fieberhafte Thätigkeit entwickelt; eine große Anzahl europäischer Beamten aller dieser Gesell schaften verbreitete sich über das ganze Land und schienen berufen zu sein, die Segnungen der Civilisation bis in die entferntesten Winkel des Reiches zu tragen; kurz, es schien eine Morgenröthe besserer Tage und heilsamen Fortschritts anzubrechen. Wie bald jedoch verschwand dieser schöne Traum! Bei einigen Unter nehmungen zeigte es sich, daß sie auf sehr unsicherer Grund lage aufgebaut waren, und vor allen Dingen hatte man die Rechnung ohne — Rußland gemacht. Dieses faßte die Uebcr- fluthung Persiens mit englischem Capital als wirthschaft - liche Kriegserklärung auf und traf seine Gegenmaß- regeln. Gefährlich waren vor allen Dingen das Tabaksmonopol und gute Handelsstraßen nach dem Süden. 'Don letzterer Sorge wurde Rußland sehr bald befreit, da die geplante Straße zum Karun nach dem Ausbau des schon vorhandenen Theiles Tehe- ran-Kum aukaegeben wurde. Um aber gegen ähnliche Ueber- raschungen gesichert zu sein, schloß es einen Vertrag mit Persien, der diesem weitere Concessionserthoilungen auf Verkehrswege für zehn Fahre untersagte; außerdem beschloß cs, den Bau der Straße Rescht-Teheran. Die Tabaksregie brachte Rußland dadurch zu Falle, daß es die Geistlichkeit zu einem Rauchverbot veranlaßte, das erst nach der Aufhebung des Tabaksmonopols und nach höchst bedenklichen, zum Theil gegen die Europäer ge richteten Unruhen aufgehoben wurde. Auch die Mining Company gab ihre Thätigkeit bald auf, denn eS stellte sich heraus, daß die Mineralschätze durchaus nicht so ungeheuer waren, wie man ge glaubt hatte, und daß der Mangel an Brennmaterial und Zu fuhrwegen die Ausbeutung der Gruben und Verarbeitung der Erze unmöglich machten. So waren nach einigen Fahren alle englischen Unternehmungen mit Ausnahme der Imperial Bank of Persia wieder verschwunden, der britische Angriff also auf der ganzen «Linie abgeschlagen und der Einfluß Rußlands mehr be festigt, denn je. Das englische Bankinstitut mit einem eingezahlten Capital von 650000 Lstrl. ist als Staatsbank concessionirt und mit einem Royal charter ausgestattet; es hat das Recht der Notenausgabe und besitzt Zweigniederlassungen in allen größeren Städten Persiens. Die Imperial Bank ist eine Macht im Lande geworden und hat der Regierung schon aus mancher Verlegen heit geholfen. Auch diesem Unternehmen haben di« Russen eine Concurrenz gegenübergestellt in Form einer'Filiale der Moskauer internationalen Handelsbank und eines Leihhauses, welches sogar unter directer Leitung des russischen Finanzministeriums steht. Hat Rußland die englische Concurrenz durch diplomatische und handelspolitische Mittel unterdrückt, so ist andere europäische Concurrenz durch eigenes Mißgeschick zu Grunde gegangen, vor Allem die große b e s g i s ch e Zuckerfabrik und die belgisch« Glas hütte. Erstere wurde in den Jahren 1896 und 1897 in Kehrisek, 20 Kilometer südlich von Teheran durch die deutsche Maschinen fabrik Grevenbroich erbaut. Wenn man bedenkt, daß oie ganze maschinelle Einrichtung auf Lastthieren herangeschafft werden mußte, kann man sich einen Begriff machen von den Schwierig keiten des Baues und der Montage, die von drei Ingenieuren und 21 Monteuren der genannten Fabrik in bewunderungswürdiger Weise überwunden wurden. So tadellos nun auch dieses Muster deutschen GewerbefleißeS arbeitet, so hat die Gesellschaft von Anfang an nur Verluste zu verzeichnen ge habt und hat schließlich vor etwa 14 Tagen den Betrieb einstellen müssen. Mehr durch Mangel an gründlichen Vorstudien und durch schlechte Verwaltung, als durch äußere Umstände veranlaßt, hat auch die Glasfabrik bereits im vorigen Jahre ihren Betrieb ein stellen müssen. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß das i'm Lande sich vorfindende Material weder zu feuerfesten Steinen noch zum Glasfluß besonders geeignet ist und daß die Heran bringung von Europa jeden Gewinn ausschließen würde. Be dauerlich ist dabei, daß der damalige belgische Gesandte mit allen Mitteln der Ueberredung persisches Capital zur Bcihciligung an diesen beiden Unternehmungen herangezogen hat und nun jedes Vertrauen zu europäischen Gründungen geschwunden ist. Alle diese Mißerfolge der Gründungen des letzten Jahr zehntes belehren uns, daß, so lange oer jähe Wechsel der Preise, der durch die vorsintfluthlichen Transportverhältnisse bedingt ist, jeder Vorausberechnung Hohn spricht, die Schaffung europäischer Industrien keinen Gewinn abwerfcn kann. Nachdem Rußland den Bau von Eisenbahnen in die Hand genommen hat, werden die Dafeinsbedingungen europäischer Unternehmungen an sich wohl günstiger werden, aber dann wird Rußland erst recht keine fremde 'Concurrenz heranlassen. Der Krieg in Südafrika. Die letzte wichtigste Nachricht ist die so gut wie amtlich» Bestätigung deS FeblschlagenS deS Buller'schen Angriffes und sein Zurückgehen auf das Südufer deS Tugela. „Reuter'S Bureau" meldet: * London, 10. Februar. Dem „Reuter','chen Bureau" wird ans Springfield Bridge vom 9. Februar gemeldet: Tie britische Streitmacht ist wieder über den Tugela znriickgcgangeu, nachdem der britische ttencral die llrberzengnng gewonnen, das; angesichts deS heftigen kkeschützseuers Ser Hoeren ein weiteres Borrücken ganz nutzlos groste Verluste an Menschen kosten würde. Wir haben bereits in Anknüpfung an unserePrivattelezramiue die Folgen dieses SckrittcS erwogen, so daß wir der Be stätigung selbst nichts biuzuzufügen brauchen. Auch den Rückzug Macdonald'S und Dabingtou'S haben wir gemeldet. Es konnte jedoch aus den Meldungen hervorgehen, als sei dieser Rückzug ein taktisches Manöver, dem war jedoch nicht so, denn vom Tact verstehen die Engländer ja überhaupt nichts. Eine Depesche aus Modder-River vom Freitag besagt: Die vereinigte Streitmacht Macdonald'S nnd Babington'S ist hier her zuriickgckehrt. Ihr Marsch war, obgleich wegen der Terrain schwierigkeiten der ursprüngliche Plan nicht auSznfiihren war, in jeder Beziehung von Ersolg, denn der Feind wurde ziiriickgcworse». Von einem Erfolg kann Wohl nicht gut die Rede sei», wenn der „ursprüngliche Plan" nicht auözuführen ist und der Feind so znrückgeworfen wird, daß sich die Sieger, obgleich sie Ver stärkungen berangezogen hatten, wieder rückwärts concentriren. Die englischen Verluste werden wieder sehr hoch geschätzt. Man meint, daß die Kämpfe vom 5. bis 7. Februar wegen Ladysmith, bei MagerSfontain und Colenso den Engländern 2500 Mann gekostet haben. lieber die Reise des vr. LeydS nach Berlin schwebt noch ein geheimnißvolleS Dunkel. Daß er wegen einer An leihe nach Deutschland gereist sei, hat er selbst alö unrichtig erklärt, dagegen besagt ein Telegramm der „Münch. Allg. Zeitung" auS Brüssel, daß Leyds bestätigt habe, daß seine Reise nach Berlin von politischer Bedeutung gewesen sei; er erklärte jedoch, „über die Angelegenheit vorläufig Stillschweigen beobachten zu müssen. Vielleicht werde später die Neberraschung nm so größer sein". Einzelheiten über die Schlacht am Tugela am 7. Februar berichtet der Corresponvent Les „Standard": Spearmans Camp, 7. Februar, 6,55 Abends. Die Ope rationen begannen früh am Montag bei Potgieters Drift. Die I t. Brigade (jetzt unter Oberst Künne, dieselbe, welche so schwer am SpionskopgeIitten),welchezurDivisionWarren gehört,machte einen Scheinangriff auf die gerade vor unserer Front liegenden KopjeS, zuerst unter Deckung der Marinegeschütze auf dem Aliceberge, später unter Deckung der Feldbatterien. Die In fanterie ging langsam gegen die verschanzte Boereustellung auf den Brakfonteinbergen vor und beschäftigte den Feind. Während dieser Diversion rückte die dazu bestimmte Infanterie, welche Sonntag Nacht unter dem Aliceberge campirt hatte, längs deS Fußes de« Zwartskop in der Richtung ans unsere Rechte vor. Eine Pontonbrücke wurde von den Ingenieuren unter dem Feuer des Feindes über den Tugela geschlagen. Das erste Bataillon, welches am Vor mittage über Len Fluß ging, war die Durham leichte In fanterie der IV. Brigade Lyttleton. Es rückte gegen Vaal- krantz vor, daS auf der directen Straße nach Ladysmith liegt (eS kann nur die über die Schiet Drift nach dem Flagstone Spruit und der DewdropS Straße führende, von Springfield nach Ladysmith laufende Straße gemeint sein) nnd gelangte nach zweistündiger glänzender Arbeit in Angriff-Distance der Boeren. Die erste Kopse wurde mit dem Bajonett und mit äußerster Bravour genommen: fast gleichzeitig klärte das erste Bataillon der Sckützenbriaade die zweite Kopje, nachdem sie über einen langen Hügelrücken gegangen. Sie bivouakirtcn auf der Stelle (auf diesem ganzen Vormarsche fanden die angreifenden Engländer offenbar gar keinen Widerstand, denn die Boeren befanden sich nach allen übrigen Darstellungen recht« nnd links auf den daS Thal beherrschenden Höhen nnd ließen die Engländer ruhig in de: Thalmulde vorgehen, um sie später unter das Kreuzfeuer ihrer Geschütze zu nehmen und auf die Uferhöhen deS Tugela zurückzuwerfen). Der Schein angriff bei Potgirtrr» halt« snnrn Zweck erfüllt, die Lon- centration auf dem kritischen Puncte zu verhindern und so fiel die l l. Brigade auf den Fluß zurück. Im Lause der Operation wurden Infanterie wie Artillerie einem schweren Artillerieseuer ausgesetzt. Am Dienstag versuchte der Feind um 4 Ubr Nach mittags (cs ist auffallend, Laß der Bericht nicht sagt, was die 1l. Brigade weiter unternommen, noch weniger, was aus Leu beiten kleinen über den Tugela bei der Schietfurt gegangenen Bataillonen geworden und ob diesen nickt weitere Truppen gefolgt sind. Andere Berichte behaupteten, Buller babe am Morgen des Dienstag drei Brigaden über den Tugela gebracht oder zu bringen versucht, respective darauf verzichten müssen, weil seine Avantgarde und jene ersten beiden Bataillone nicht weiter vorzudringen vermocht hätten und es ihm nicht gelang, oder er nicht wagen durfte, seine schwereArtillerie über Len Fluß zu führen, dievon uns bei Vaal- krantz besetzte Stellung wieder zu nehmen, wurde mit Verlust zurückgetrieben. Die soweit gethane Arbeit ist glänzend durch geführt, das Bomben» und Maximfeuer, mit welchem uns die Boeren überschütteten, war außerordentlich schwer, unsere Verluste aber, verhältuißmäßig betrachtet, gering. DaS Dur hamer Bataillon machte während seiner Attaque ein Paar- Gefangene. Der Feind focht wie gewöhnlich mit äußerster Hartnäckigkeit. Das Manövriren und die Zielsicherheit der Artillerie während des Kampfes am Montag war über jedes Lob erhaben. Es ist nicht die leiseste Wahrscheinlichkeit vor handen, daß eS den Boeren gelingt, unS aus den genommenen Stellungen zu vertreiben und die Aussichten auf den Entsatz von Ladysmith sind entschieden hoffnungsvoll. Staatsrath Bloch über Sen Krieg. Der russische Staatsrath Bloch, mit dem der Berliner Corresponvent ver „N. F. Pr." eine Unterredung hatte, sagt: u. A., der südafrikanische Krieg bestätige die Behauptung seines Werkes, daß die modernen Waffen einem Angriffe jeve Aussicht auf Erfolg benehmen. Durch die Rasanz der Schußwaffen ist die Stellung des Bertheidigers, der hinter guten Deckungen stehr, ungleich vortheilhafter geworden, während Vie Lage oes An greifers ungleich unvorteilhafter geworden ist. Tas Verhältniß Beider steht zu einander wie 8 :1. Darüber sind heute alle Militärsachleule einig. Dazu kommt noch, Daß ver gedeckte Ber- theidiger seine Waffe genauer und wirkungsvoller anwenden kann als der stürmende Angreifer. Dem Ersteren sinv oie Distanzen bekannt und er verliert auch die Zeit nicht, die der Angreifer zum Vormarsche benöthigt, während deren er selbstverständlich nicht schießen kann. Die Stellung des 'Vertheioigcrs ist eine so überlegene, oaß ganz kleine Tnippenthrile gegen große Ueber machten Stand hatten können. Wir sehen das bei all ven Be lagerungen in diesem Kriege. Bei 'Lavysmil'h, Mafeling und Kimberley halten sich englische Minderheiten gegen die lieber macht der Boeren, anderseits vermochten die an Zahl über legenen Engländer gegen die bei Magersfontein, bei Stormberg und Colenso verschanzten Boeren nichts auszurichten. — „Glauben Sie nicht, daß ver Krieg früher ein Ende finden wird, ehe cs dazu kommt, bis Pretoria vorzuoringen?" — „Sicher! Denn ich halte es für unmöglich, daß oer Krieg so lange ge führt weroen könne:, bis es den Englänvern möglich sein würde, durch Niederwerfung ver Boeren in Folge eines langsamen SchanzcnkriegeS und einer enormen Heeresentfalrung Las Lana zu unterwerfen nnd Vie Hauptstadt mit Aussicht auf Erfolg zu belagern. Die Kriege weroen, wie ich es schon immer ausführte, viel länger dauern, als die 'Kriege früherer Zeiten. Ent scheidungsschlachten giebt es überhaupt nicht mehr." — „llnv wenn nun England Alles daran setzen wirs, durch ungeheure Vermehrung seiner Truppen, durch ungeheure Massen, den Sieg an seine Fahnen zu heften, um einen ehren vollen Frieden schließen zu können?" — „Das liegt jenseits der Möglichkeit. Die Ernähruiigsfrage läßt es ausgeschlossen er scheinen, daß die Engländer eine ungeheure Truppenzabl in diesem Lande concent rircn können, und je mehr st e sich von der K üste entfernen, um so schwie rigerwirddieErnährungfein. Hierzu kommt noch, daß der Boere durch den Krieg erst eigentlich Soldo: wird. Auch das fällt erschwerend in die Waagschale. Die Aussichten der Engländer werden immer schlechter werden. Es wird zu einer Stockung der kriegerischen Bewegungenkommenmüs s en. Die Truppen werden sich Monate lang gegenüber liegen und im kleinen Krieg gegenseitig aufreibt n. UmjedenFußüreitLandeswirdgekämpft wer den. Zu einem großen Angriff kann es nicht mehr kommen. Das kann Jahre dauern, bis eine bessere Einsicht Platz gegriffen hat und bis die Stockungen des Geldmarktes und die wirthschaf! liehen Krisen ein dröhnendes „Halt" ertönen lassen." — „Was wird nun schließlich daraus werden? Auf solche Kriege sinv wir voch heute nicht mehr eingerichtet, wir können doch keine sieben jährigen und dreißigjährigen Kriege führen?" — „Ich glaube, daß der gesunde Sinn der Bevölkerung Englands dem Gemetzel Einhalt gebieten wird. England wird, vielleicht nach Stürz des gegenwärtigen Cabincts, selbst rin Schiedsgericht vor schlagen. Wenn der Krieg ein Jahr dauert, wird England ein schließlich der Verwundeten und Kranken 80 000 bis 100 000 Mann verloren haben. Es wird außerdem Milliarden ausge geben haben. England wird notgedrungen zum Schiedsgerichte greifen müssen." — „Das wäre dann allerdings eine Ironie der Weltgeschichte; England hätte ein solches Schiedsgericht vor dem Kriege beguemer und unter viel besseren Bedingungen haben ' können." > vr. W. I. LetzdS. Willem Johannes Leyds wurde am 1. Mai 4859 zu Maze- lang auf Java geboren, war erst Lehrer, studirte dann zu- Am sie Po am Rechtswissenschaften. Im Jahre 1884 promoviert er mit Auszeichnung. Sein Plan war hieraus, nach Leyden zu zlhen und lveiter zu studiren, um das Examen für den Colonial dienst ablegen zu können, aber am Tage nach seiner Promotion bot Präsident Krüger, der sich damals mit Smit und Duioit in Nederland befand, dem jungen Doctor der Rechte das Amt eines Staats procurators der südafrikanischen Republik an. Nach einigem Zögern willigte Leyds «in. 1887 wurde er als Staatsprocurator wieder gewählt, und im Mai 1889 folgte er W. E. Blot als Staatssekretär. In d«-n Jahren 1893 und 1397 wurde er al- solcher wieder gewählt.
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