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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.03.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-03-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010328028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901032802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901032802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-03
- Tag1901-03-28
- Monat1901-03
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Ämtsölatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Matizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Donnerstag den 28. März 1901. Anzeige«. Pret- die 6 gespaltene Petitzeile SS H. Reklamen unter dem Redaction-strich («gespalten) 7S vor de» Familiennach» richten (6 gespalten) 50 L». Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 35 H (excl. Porto). Grtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefürderuag 60.—, mit Postbesörderuug ^il 70.—. Ilnnahmeschluß siir Ätyeizea: Ab end-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei dea Filialen und Annahmestelle» je ein« halbe Stunde früher. Anzeige« sind stet« au die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz i» Leipzig. 85. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Die voereusrauen al« Stefangene. Die „Daily News" bringt die Tagebuchaufzeich nungen eines Engländers über seine Besuche in den Lagern für di« Boerenfrauen und Kinder in PortElizabeth und in Pietermaritzburg. Die Auf zeichnungen sind in mancher Hinsicht interessant. Die Versiche rung deL Kriegsministers Brovrick, daß die Boereyfrauen frei willig ins Lager kämen und sich im Allgemeinen ganz behaglich und zufrieden befänden, und die Behauptung, daß die Farmen nur niedergebrannt wurden, wenn in denselben Waffen verborgen waren oder dem Feinde irgendwie Vorschub geleistet wurde, er halten in diesen Aufzeichnungen eines Engländers eine merk würdige Beleuchtung. Hier nach der „Frkf. Ztg." einige Aus züge auS dem Tagebuch: Durban, 7. Februar . . . Wir kamen zu einer Reihe von Zelten für die englischen Soldaten auf einer Seite dec Straße und Verschanzungen mit Stacheldraht auf der andern. Hinrer diesen Verschanzungen lagen zwei oder drei Reihen rostiger Hütten aus Eisen, gelegentlich auch Zelte mit ein oder Zwei arötzeren Gebäuden. Uebevall lief eine Einzäunung von Stacheldraht in beträchtlicher Höhe herum, und an mindestens drei Seiten des Vierecks standen die Schildwachen mit ihren Gewehren. Wir kamen gum Eingang. Ein Posten mit auf gepflanztem Bajonnet gab ein Zeichen und ein Sergeant er schien, oem ich unfern Patz einhändigte . . . Die Oberin des Lagers führte uns in eine Hütte. Die eisernen Wände waren kahl; nur wenige Stühle, aber Nachbarn leihen willig und helfen auch mit Kisten aus. 330 Personen leben innerhalb dieser Drahtumzäumung; 80 davon lind Mütter, 10 Personen von Bildung und bemittelt, der Rest ist vollständig mittellos. Die physischen Bedürfnisse werden so ziemlich befriedigt. Sie haben Kleidung für eine Zeit. Die Frage ist nur, wie in diesem erzwungenen Müßiggang -er Geist gesund und beschäftigt und frei von Brüten gehalten werden kann. Pietermaritzburg, 12. Februar. Hier waren zur Weihnachtszeit 1800 Personen, wovon 500 nach Howick geschickt wurden. Dieses Lager wurde zu groß. Ick glaube, verschiedene Kinder starben und der Wechsel war nörhig . . . Die Nahrung soll früher unzureichend gewesen und jetzt bester sein; aber es ist ersichtlich mcht immer, wie es sein fällte, und kaum genügend . . . 14. Februar. Wir befttchten mehrere Zelte. Ein alter Mann hatte «inen Schutzbrief für seine Farm bekommen. Ungefähr sechs Meilen weiter entfernt wurde auf der Eisenbahnstrecke Dynamit gefunden; er wusste nichts davon, aber er und sein Weib wurden aus dem HauS geführt und dieses in Brand gesteckt. Vielen Frauen war ihr« ganze Einrichtung, ja im Wesentlichen Alles, was sie hatten, mit Ausnahme von ein wenig Kleidung, ohne jede Quittung oder auch nur einen Versuch zur Entschädigung confiscirt worden, weil ihre Gatren oder Söhn« im Felde waren. Ineinigc nF ällen ist das mit Frauen geschehen, deren Männer oLerSöbnein Ceylon waren. . . Die Nachricht kam, daß neue Gefangene einträfen; zuerst ein paar Soldaten, die gutmüthig auSsahen und als ob ste keinen besonderen Gefallen an ihrer Aufgabe fänden, dann eine lange, regellose Pro- eession, oft in Gruppen, meistens Mütter und Kinder; die eine hatte ihr kleines Kind im Arme, neben einer anderen trottete das Kind einher, das Kleid oder die Hand der Mutter haltend, alle müde, traurig, ernst . . . Alle, bis zu den Kleinsten, trugen «ine Kleinigkeit in der Hand, Wohl das Kostbarste oder das Nothwendigste, eine Wasserflasche, einen Wasserkessel, ein schmales Bündel Kleider; hier u>rd da «ine Dasche niit ein ioenig Lebensmitteln; eine alleinstehende Frau herzte eine Katze ... 27. Februar. Eine Frau erzählte mir heute, daß sie und ihre Kinder zwei Tage lang nach Standerton ge schleppt wurden, wo sie neun Tage verblieben; dann reisten sie einen Tag und eine Nacht im offenen Kohlenwagen ohne Lebens mittel und fanden, als sie hier anlangten, die nackten Zelte, keine Beiten, kein Bettzeug . . . Ein offi - cielles Actenstück, das mir eine Frau brachte, ist viel sagend. Sie war auf ihrer Farm, fern in Transvaal, allein mit drei Kindern, kein weißer Mann in der Nähe; ihr Gatte im Felde, zweihundert Meilen entfernt, und krank. DaS Do- cument lautete: „Vom Commandanten. Ich möchte (Ihnen nahelegen, daß cs sehr an gezeigt ist, sich ohne Verzögern zu übergeben. Wenn Sie sich freiwillig jetzt ergeben, werden sie milde behandelt und möglicher Weise nicht deportirt werden; nach Beendigung des Krieges werden Sie zu Hhrer Frau und Ihrer Fahne zurückkchren dürfen. Ich warne ^si«, daß, wenn Sie sich nicht ergeben, in vierzehn Tagen Ihre Farm verbrannt und Ihr Vieh weggetriebcn werden. Eine ähnliche Procla- mation wurde bei der Schwester dieser Frau und bei einer Nachbarin gekästen. Das Vieh wurde übrigens weggetrieben, bevor der Termin abgelaufen war. Zwölf Tage nach Erhalt der Proklamation wurde der Platz niedergebrannt. Im Lager bei Durban befanden sich am 1. März ungefähr 3000 mittellose Frauen und Kinder. Wenn die englische Behörde herausbracht«, daß eine Frau noch etwas besaß, entzog man ihr die Rationen- Dabei waren die Frauen gezwungen, in dem Lager zu leben! " London, 28. März. („Reuter's Bureau".) Ein Tele gramm Lord Kitchener's aus Pretoria vom 27. März be sagt: Unsere Verluste beim Vorgehen Babington's gegen Delarey betrugen 2 Todte und 7 Verwundete, die Boeren verloren 22 Todte und 30 Verwundete, soweit bei der eiligen Verfolgung festgestellt worden ist. Wahrscheinlich ist -der Verlust der Boeren größer. * Turban» 27. März. Wie berichtet wird, hat De Wer 35 Meilen von Standerton entfernt mit 400 Mann die Grenze Transvaals überschritten. Die Wirren in China. Tic Durchführung der FricdenSbedingungcu. Die Gesandten berathen in Peking u. a. gegenwärtig über die innere Ordnung in dem zukünftigen Gesandtschaftsviertel. Nach den bisherigen Nachrichten ist beabsichtigt, das ganze Viertel mit Befestigungsanlagen zu umgeben. Es würde also eine Festung innerhalb Pekings entstehen. An Schaffung von freiem Schußfeld außerhalb der Wälle dieser Feslur mußte selbstverständlich auch qedackt werden. Del Ga stellt sich dann als ein« zweite „verbotene Stadt" dar, die Chinesen nur unter besonderen Voraussetzungen Zutritt haben können. Die Ausdehnung dieser Stadt, in der die Gesandtschaften von mehr als zehn Mächten und die Caserne der Schutztruppen liegen würden, wird so groß sein, baß eine europäische Kleinstadt in ihr Raum fände. Die Gesuche von fremden Kaufleuten und Anstalten, in den Bereich der Ge sandtenstadt einbezogen zu werden, fanden unter diesen Um ständen keine Berücksichtigung. Die Beralhungen der Gesandten, wie innerhalb ihrer Stadt die Polizei auszuüben sein wird, haben noch nicht zu einem Ergebniß geführt. Sie haben sogar, wie mitgetheilt, bei einigen Gesandten Zweifel an der Zweckmäßigkeit des ganzen Planes entstehen lassen. Es scheint, als ob in Peling innerhalb dcS diplomatischen Corps eine gewisse Müdigkeit sich bemerkbar macht, die durch die Langsamkeit der Fortschritte in der Durchführung der Friedensbedingungen erklärlich wird. Da aber die Beschlüsse, die zur Ueberreickung der gemeinsamen Note an China führten, ein stimmig als unwiderruflich bezeichnet worden sind, und da in zwischen neue Umstände nicht eingetretcn sind, so ist es schwer eiu- zusehen, warum von den wohlerwogenen Bedingungen desFriedens abgewichen werden soll. Zweifellos wird die Nachbar schaft einer selbst auf die strengste Vcrtheidigung beschränkten Fremdensestung die chinesischen Machthaber nicht entzücken, der Polizeidienst mag nicht ganz leicht zu ordnen sein, und ein ungeschicktes Auftreten der fremden Soldaten inmitten der Chinesen kann gewiß zu gefährliche» Reibungen führen. Indessen die Rücksicht auf die Sicherheit der fremden Ge sandten verlangt, daß die Chinesen sich mit den von ihnen verschuldeten Thatsachen aussöhnen, daß die Polizeifrage geregelt wird und daß die fremden Cchutzwachen in be sonders strenger Manneszucht erhalten werden. Ter Mandschureiverlrag. In Wien nimmt man, wie der „Köln. Ztg." von dort berichtet wird, die Aufregung in Japan sehr ernst; man nimmt an, Japan sei für sich allein im Gelben Meere stärker als Rußland, das ihm nur gewachsen wäre, wenn Frankreich Rußland activ unterstütze, waS jedock zu bezweifeln sei. Immerhin gilt die japanische Regierung für so friedlich, daß sie wohl ebenso wenig wie die anderen Mächte über Einsprüche gegen den bis beute übrigens nicht abgeschloffenen Mandschureivertrag hinauSgehen dürfte. * London, 27. März. Wie das „Reuter'sche Bureau" erfährt, beschränkt sich das Vorgehen des Generalfeldmarschalls Walders«« l insichtlich des strittigen Landes in Tientsin auf die militärische Seite der Angelegenheit. Nachdem die militärischen Wachen beiderseits zurückgezogen sind, wird die Rechtsfrage von den zuständigen Behörden geprüft. Tie Functionen Waldersee's erstrecken sich hierauf nicht. Ein« endgiltige Entscheidung dürfte vorläufig nicht getroffen werden, da die Rechtsurkunden einzusehen und verschiedene Behörden zu befragen sind. * Tientsin, 27. März. („Reuters Bureau".) Die Engländer planen den Bau einer Eisenbahn von Peking nach Tu ngt schon. Politische Tagesschau. * Leipzig, 28. März. Boni Rheine bis zur Isar wetteifert die Presse des CentrumS in dem Versuche, die Worte des Kaisers über das Schwinden der Achtung vor -er Autorität im ultra montanen Parteiinteresse auszubeuten. „Christliche Erziehung der Jugend, „volle Freiheit" für die katholische Kirche, ins besondere ihre Orden — das ist daS wohlbekannte Recept, das zur Wiederherstellung der Achtung vor der Autorität -mpsohlen wird. So schreibt der „Westfäl. Merk.": Wir unsererseits müssen di« Ausführungen des Kaisers in di« ie seine* Großvaters zujammenfassen: „Dem Volke muß Lie Religion erhalten werden". Sorge man flir eine christliche Er- Ziehung der Jugend — auf die Schule hat ja der Kaiser hin gewiesen — und gebe man der Kirche volle Freiheit des Wirkens, dann wird man nicht mehr über Demoralisirung der Jugend und Schwinden der Autorität zu klagen haben. Es war eine etwas ungewöhnliche Form, in der die Meinung des Kaisers zur officiellen Kenntniß der Volksvertretung gelangt ist. Die preußische Volksvertretung, an die sie sich besonders richten, hat es an sich nicht fehlen lassen. Sie hat oft ein christliches Schul gesetz gefordert; noch jüngst hat sie größere Freiheit für die Ordensgesellschasten verlangt. Das Centrum ins besondere hat alle Jahre die größten Anstrengungen zur Erhaltung von Religion, Moral und Autorität gemacht. Auch der Reichstag hat in dieser Richtung gearbeitet. Möge dicjRegierung endlich daS Ihrige thun." Die ultramontane Presse kennt eben nur eine Autorität und will nur diese eine anerkannt wissen: die päpstliche, und giebt sich den Anschein, zu glauben, durch die Festigung dieser Autorität werde Alles erreicht werden, was der Kaiser erreichen möchte. Wie früher, so setzt man sich auch jetzt über die bekannten Tbatsachen hinweg, welche die Wirkungs losigkeit des alten Recepls unwiderleglich darthun. Man bleibt blind gegenüber den Zuständen in Belgien, wo trotz der unbeschränkten Freiheit der katholischen Kirche die Autorität der Regierung minimal, dieAutoriiäl der Krone gleich Null ist. Man bleibt auch blind gegenüber den Verhältnissen, welche dieStatistik für die im Sinne des KlerikaltSmuS überaus rühmenswerlhe Bevölkerung Ober-BayernS festzestcllt hat. Auch hier, wo die äußere Unterwerfung unter kirchliche Satzungen und die Beeinflussung der Schule durch die Kirche wahrlich groß genug ist, wird >ahrauS, jahrein beobachtet, daß der Wider stand gegen die Staatsgewalt überaus groß und die Achtung vor dem Leben des Mitmenschen überaus gering ist. Liegen hierfür im Allgemeinen unanfechtbare statistische Beweise vor, so ist der Fall des Räubers Kneißl im Besonderen noch frisch in Aller Gedäcbtniß. Selbst der Träger der Staats gewalt in Bayern, Prinzregent Luitpold, ist nicht davor bewahrt geblieben, die Folgen des mangelnden Autorität«- sinne- der oberbayrischen Bevölkerung zu erfahren; glücklicher weise blieb es eine symbolische Handlung, al« am 24. August 1894 vie Büste des Prinzregenten im Wittelsbacher Park zu Garmisch-Partenkirchen verstümmelt wurde. „Christlich" er zogene Menschen wie der Attentäter Hödel haben «S leider bei symbolischen Handlungen nicht bewenden lasten; ebensowenig war dies der Fall bei dem Dominikanermönch Clöment, dem Mörder König Heinricb'S III. von Frankreich, besten „christliche" Erziehung nicht minder feststeht, als die Ravaillac'S, de« Mörders König Heinrich'- IV. von Frankreich. Die Liste der Attentäter solcher Art könnte noch viel umfangreicher ge staltet und die Schilderung politischer Zustände m Landern, wo „die Kirche" der vollen Freiheit sich erfreut, noch viel weiter ausgesponnen werden. Aber die angeführten Thatsachen ge nügen hinlänglich, um den Werth der von der CentrumSpreffe im Anschluß an die Worte des Kaisers erhobenen Forderungen zu beleuchten. Nur auf den vielbesprochenen letzten Hirten brief des Bischofs Ender- von Fulda sei in diesem Zusammenhänge nochmals hingewiesen. Er zeigt so recht, daß die Kämpfer für die Festigung der päpst lichen Autorität Beleidigung weder der evangelischen Kircke, noch der staatlichen Einrichtungen scheuen, um ihren Zweck zu erreichen. Hat der preußische CultuSminister wirk lich, wie man aus seinen Aeußerungen und Handlungen schließen muß, den Auftrag, das Centrum zu „versöhnen", indem er dessen „Anstrengungen zur Erfüllung von Religion, Moral und Autorität" unterstützt, so wird er, je weiter er in der Erfüllung dieses Auftrags kommt, mehr uud mehr inne werden, daß er, ohne den Träger der Krone auch nur in» Geringsten vor Anschlägen zu sichern, jede staatliche und jede andere kirchliche Autorität zur Befestigung lediglich der päpstlichen untergräbt. Wenn wir wiederholt auf die jüngst im Reichstage an gewissen Vorkommnissen in der preußischen Rechtspflege geübte Kritik, sowie auf die Nichtanwesenheit deS preußischen Iustizministers, dem lange vorher Waffen und Zeit bezeichnet waren, zusprechen gekommen sind.soverrätb auch die halbamtliche preußische Presse, daß eS sich um nichts weniger als gleich- ziltigc oder um Dinge handelt, die dem ReickStag nichts an gehen. Die „Berk. Corr." unterzieht sich nochmals, und zwar mit ungewöhnlicher Ausführlichkeit, der Aufgabe, Herrn Schön stedt zu rertheidigen, und — was nicht ininderwichtig ist — sie verbreitet sich übcreinige im Reichstage erhobene Beschwerden, ohne deren thatsächliche Begründung zu leugnen, und sie verurtheilt das erzählte Vorkommniß für den Fall der Nichtigkeit der Angaben, an der der Iustizminister anscheinend nickt zweifelt. Der Fall ist kurz der folgende: Ein Staats anwalt und hierauf dessen vorgesetzter Oberstaatsanwalt hatten einen Strafantrag wegen Beleidigung zurückgewieseo; von dein als letzte Instanz angerufene Justizministerium war aber die Weisung ergangen, Anklage zu erbeben. Diese motivirte ministerielle Verfügung soll der Staatsanwalt dem Gerichte, daS schließlich verurtheilt hat, mitgetheilt haben, ein Verfahren, daß die „Berl. Corr." nicht in Abrede stellt und von dem das halbamtliche Blatt sagt, der Justizminister würde eS „auf daS Entschiedenste mißbilligen", wenn eS von dem Staatsanwalt in der That eingeschlagen worden wäre. Deu Iustizminister selbst aber, so heißt eS weiter, treffe kein Dor wurf, denn er wußte und wisse von einem solche« „un gehörigen" Schritte nichts. Letzteres ist aber für die im Fenttletsn. 18) Zwei Drüber. Roman von Franz Rosen. Nachtruck vtrboirii. „Elisabeth!" Der Vorwurfs- und liebesvolle Ton machte, daß sie di« Augen niederschlug, und daß ihr ein jäher Schwindel das Blut inS Gesicht trieb. „Die Gewißheit, daß Jemand mich liebt und für mich denkt, verliere ich auch drüben nicht", sagte sie leise. „Und was nützt das, wenn man sich nicht erreichen kann", rief er heftig. „Sie können umkommen in Unglück und Elend, Niemand wird eS wissen — Niemand wird einen Finger zu Ihrer Hilfe rühren können!" „Sie brauchen mir all die Schwierigkeiten nicht in so blühen den Farben auHumalen", meinte sie mit einem traurigen Lächeln. „Ich habe mir daS Alles schon selber gesagt. Aber es schreckt mich nicht. Körperliche Entbehrungen fürchte ich nicht. Ich bin gesund und rüstig und kann einen guten Stoß vertragen. Außerdem haben wir keine Kinder. Das erleichtert die Sache. Im Anfang war ich ost traurig darüber. Jetzt danke ich Gott dafür." P«trr stand mitten im Zimmer und sah die Frau, dir so ruhig und selbstverständlich von den unerhörtesten Dingen sprach, mit einem Gemisch von Zorn und Bewunderung an. Endlich sagte er möglichst ruhig: „Ich will Sie gewiß nicht zu unrechten Schritten verleiten. Ich selbst bin der Ansicht, daß heiligste Pflichten in Glück und Unglück daS Weib an den Mann binden. Aber dies Gefühl darf nicht in Fanatismus, in Selbstvernichtungswuth aus arten. Und waS ist daS, waS Sie thun wollen, Anderes? — Sie rennen in Ihr sicheres Verderben, und Niemand hat etwas davon. EL ist ein ganz und gar unvernünftiges Beginnen, das Ihnen in der Extas« deS Augenblicks als eine heilige Mission erscheinen mag. Aber morgen früh schon werden Sie eS bereuen. Und dann — ich weiß es — werden Sie nicht umkehren. Sie werden weiter gehen — sich weiter schleifen lassen — bis Ihre Kraft zu Ende ist — bis es Ihnen das Herz gebrochen hat." „Besser «in gebrochenes Herz, als rin gebrochener Eid", sagte sie fest. Peter wandte sich heftig ab. „Si« meinen", hörte er ihre sanfte Stimme sagen, „es hat Niemand etwas davon, wenn ich mit ihm gehe. Aber sehen Sie, ich bilde mir immer noch ein, daß ich nicht ganz ohne Einfluß auf ihn bin. Nicht, daß ich ihn durch Bitten oder Vorstellungen irgendwie beeinflussen könnte. Aber ich bin der einzige Mensch, vor dem er — sich — noch schämt. Und manchmal — wenn auch nur sehr selten, — kommt es über ihn wie eine Erinnerung an die Leidenschaft, die er einst für mich empfunden haben mag. — Und ich denke, daß ich vielleicht draußen, wo wir mehr auf einander angewiesen sein werden, auf diesem Grunde bauen kann, daß vielleicht mein Dasein doch nicht so ganz ohne Werth für ihn ist. Vielleicht will Gott es mir gerade jetzt an die Hand geben, ihn zu retten. Und wenn nicht — so kann ich doch einst sterben mit dem beruhigenden Bewußtsein, gethan zu haben, was ich thun konnte. — Denken Sie, wenn ich nun hier bliebe, und ich erführe eines Tages, daß er in Elend und Schande um gekommen ist — würde ich mir nicht immer sagen müssen: Du hättest es verhindern können? Und wcnn Cott eines Tages seine Seele von mir forderte — wie sollte ich bestehen?" Peter kam es vor, als stünde er vor einem Heiligthum. „Wie wollen Si« durchfuhren, was Sie auf sich nehmen", sagte er dumpf. „Sie lieben ihn nicht. Sie achten ihn nicht — können ihn nicht achten —" „Ich gehöre zu ihm", sagte sie einfach. Er sah sie an, wie man ein heiliges Wunder ansieht. „Ja — wenn Sie so denken —Dann blieb es feier lich still. „Kann ich noch irgend etwas für Sie thun?" fragt« Peter nach einer Weile. Nein — sie hatte schon an Alles gedacht, für alles Nöthige Sorge getragen. Ihre Sachen packte si« zum Theil ein, zum Theil blieb Alles, wie es lag und stand, in der Wohnung sieben, und der Wirth bekam den Schlüssel. Wenn sie erst wußte, was aus ihnen wurde, konnte sie schriftlich weiter be stimmen. Sie unterhielten sich von nebensächlichen, unwesentlichen Dingen, in gedrücktem, zerstreutem Tone, wie zwei Menschen, die hinausschieben möchten, was doch nun nothwendig gesprochen werden muß. Endlich machte Elisabeth dem qualvollen Zustande ein Ende. „Es war so gut von Ihnen, daß Sie bei mir waren, und es hat meinem Herzen wohlgethan, über das Alles mit Ihnen zu sprechen. Aber ich habe noch sehr viel zu thun — die Zeit fliegt — es wird bald Abend sein — wir müssen nun doch einander Lebewohl sagen!" schloß sie mit wankender Stimme. Und sie standen einander gegenüber und konnten es nicht. „Es ist ja unmöglich, daß wir uns trennen!" rief er heiser und griff sich mit beiden Händen an den Kopf. Sie blieb still; unheimlich still. „Sagen Sie doch etwas, Elisabeth! Ein einziges Wort!" Da wich für eines Augenblickes Länge der traurige Aus druck von ihrem Gesicht, der herbe Stolz von ihrem Wesen; und auS ihren Augen brach ein« selig« Sonn«. „Was könnte ich Ihnen sagen — das Sie nicht schon wüßten! Ich habe es ja vom ersten Tage an nicht verhindern können, daß Sie mir durch die Augen bis auf den Grund der Seele sahen! — Und nun wollen wir muthig ein Jeder sein« Last auf sich nehmen, und sie, die wir uns einander nicht tragen helfen können, uns nicht noch schwerer machen durch Klagen um das, was nicht sein kann. — Leben Sie wohl, Peter Wald burg. Gott helfe Ihnen durch diese schweren Tage — durch das ganze Leben." Thränen verdunkelten ihre Stimme. Sie gab ihm die Hand. Kurze Zeit ruhten ihre Augen ineinander, traurig» voll hoff nungslosen Jammers, wie man sich beim Sterben ansteht. „Werde ich von Ihnen hören, Elisabeth?" Sie überlegte. „Nicht gleich. Später, wenn ich ruhiger geworden bin, schreibe ich Ihnen einmal." „Und Sie werden mir nur die Wahrheit schreiben, nicht schön färben?" „Immer nur die Wahrheit." „Nun denn — Gott geleite und schütze und segne Sie." Noch ein Händedruck — ein Blick — ein Gruß — und er ging. Als die Thür sich hinter ihm geschlossen, stand Elisabeth noch ein« ganze Weile, wie er sie derlassrn, und sah ihm nach mit leeren, erloschenen Augen. Dann glitt si« langsam auf die Erde, legte den Kopf an den Stuhl, darauf er gesessen, faltete die Hände und rührte sich nicht mehr. Sie weinte nicht, sie jammerte nicht; sie dachte kaum. In einem Zustand seelischer Bewußtlosigkeit ließ sie den furchtbarsten Schmerz über sich hinbrausen. Es kam ihr kein Zweifel, ob das, was sie jetzt gethan, das Recht« gewesen sei. „Ein gebrochenes Herz ist besser, als ein gebrochener Eid." XXXI. Manfred war begraben auf dem Anlagen-Frieidhof, neben seinen Eltern. Es hatte große Schwierigkeiten gemacht, die Einwilligung zu erwirken, aber Peter hatte eS schließlich doch erreicht. Nun fiel der Schatten deS Eschenbaumes über den frischen Hügel mit seinen welkenden Kränzen. Auf der leeren Bank hüpfte ein neugieriges Bögelchen hin und her und be trachtete, das Köpfchen nach allen Seiten reckend und wendend, die neue Veränderung in diesem stillen, abgeschiedenen Winkel. — Maria war körperlich und seelisch vollkommen zusammen gebrochen. Bis zum Begräbnißtage hatte sie sich noch mit Mühe aufrecht erhalten. Nun lag sie in ihrem einsamen Schlafzimmer und dachte unter unversiegbaren Thränen Uber daS grausam« Ende ihres schönen, leichtsinnigen Glückes nach — litt unver söhnlich« Qualen unter der entsetzlichen Klarheit, die ihr über Nikolas Lazinsty's Charakter — über ihr leichtfertiges Der- hältniß zu ihm aufgegangrn war. Wie man meist zu spät daS Gut« schätzen lernt, daS uns das Leden birgt, so gewann ihr« Liebe zu dem Tobten jetzt erst die Innerlichkeit, zu der ein allzusehr nach außenhin in An spruch genommenes Leben es so lange nicht hatte kommen lassen. Nikolas Lazinsky war durch Ehrengerichtsbeschlutz seiner militärischen Würden entkleidet und vom Regiment rasstrt worden. Die Nachricht davon konnte ihn einstweilen nicht einmal erreichen, da Niemand wußte, wohin sein Weg ihn entführt hafte. Peter's Aussagen waren für das Zustandekomnnn dieses Beschlusses von großer Wichtigkeit gewesen, und Lazinsky s feige Flucht lieferte den sichersten Benni« seiner Schuld. Peter hotte schon mehrere Mal« sein« Schwägerin z« schW
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