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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.02.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-02-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000213029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900021302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900021302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Nicht der Vertrag war zu sanclioniren, sonder» nur der Entwurf eines Ge setzes, das die Negierung ermächtigt, gewisse Cou- sequenzen dieses Vertrages zu ziehen. Wenn der Reichstag sich über den Vertrag selbst zu äußern gehabt batte, so würde er, wie Professor I)r. Hasse, der einzige Abgeordnete, der das Wort zu der Vorlage ergriff, mit vollem Reckte betonte, wohl ein etwas anderes Aussehen bekommen haben. Man würde den Kaufpreis herabzusetzen versucht, mau würde bezüglich des Hinterlandes von Togo eine günstigere Regelung erstrebt haben und würde vor allen Dingen darauf hiuzuwirken bedacht gewesen sein, daß die Frage der Entschädigung der durch die Beschießung von Samoa Betroffenen nicht erst durch ein Schiedsgerickt gelost werden müßte. Es konnte ja keinen den Vertrag selbst betreffenden Erfolg haben, daß eine solche Kritik an ihm von dem Redner geübt würde, aber cs würde doch vielleicht auf die Vertreter der Negierungen einen dauernden, auf die Gestaltung künftiger Verträge günstig einwirkenden Eindruck gemacht haben, wenn die Ausstellungen Professor Hasse'S Widerhall im Hause gefunden hätten. Bei der Gleichgiltigkeit des leeren Hauses muß man aber leider befürchten, daß nicht nur diese Aus stellungen erfolgslos bleiben, sondern auch die beherzigcnS- werthen Nathschläge, die der Redner bezüglich der Verwaltung der neuen überseeischen Gebiete gab. Werden sie nicht be herzigt und stellten sich die Folgen bureaukratisck-sckablonen- baster Verwaltung ein, dann wird cs namentlich in den Kreism der Gegner unserer Eolonialpolitik nickt an Klagen und Vorwürfen fehlen; aber recktzeilig im Reichstage zu er scheinen und nachdrücklich berechtigte Forderungen zu unter stützen: dazu fehlt eS diesen Herren an Interesse und Pslichtgefühl. lieber das Ende der Berathung berichtet denn auch ein Berliner Blatt lakonisch: „Nach der Rede Hasse's eine flüchtige Abstimmung — und eilends packten Graf Bülow, Unterstaalösekretär v. Ricktbofen und die übrigen Commissare des Auswärtigen Amtes ihre Acten und ver ließen „daS Local". Das Schauspiel war zu Ende." DaS Nachspiel der polnischen Interpellation über die Gerichtssprache, die vor den preußischen Landtag gehört hätte, verlief noch kläglicher. Der ReickStagsabgeordnete vr. Hahn bat, wie mehreren Blättern gemeldet wird, seinen College» Major Szmula zum Duell herausgefordert; Herr Szmula aber hat die Forderung abgelehnt. In weiten Kreisen wird man erwartet Haben, daß der Abgeordnete Freiherr von Wan gen heim, den Herr vr. Hahn veranlaßt batte, mit sittlicher Entrüstung als „mit gemeiner Gesinnung dumm erfunden" eine Behauptung hinzustcllen, die daun Major Szmula sofort mit seinem Ehren worte bekräfligte, Hrn. vr. Hahn zur Rechenschaft ziehen würde. Die „Köln. Ztg." glaubte sogar Herrn von Wangenbein, folgenden Vorschlag bezüglich der Art der Abrechnung machen zu sollen: „Wir empfehlen als vorbildlich, wie es nicht gemacht werden muß, das Verfahren des Flottenvereins in Sachen Schweinburg. Die Methode ist folgende: Man veranstaltet dem Manne einen solennen Fackelzug, man vergießt viele Thränen dankbarer Rührung über die großen Verdienste des ManncS, und endlich fordert man den Gefeierte» auf, die Thür von außen zu schließen; den Schlußakt bildet dann ein Rache- und Enthüllungsfeldzug deS edlen und selbstlosen Mannes gegen seine ehemaligen VercinSgenossen. Co verlangt es Europas übertünchte Höflichkeit und Knigge's Um gang mit Menschen, die herauSgeschmissen werden sollen. Man darf darauf gespannt sein, ob die unvermeidliche Auseinander setzung zwischen den Bündlern sich ebenfalls in so zarten Formen vollziehen wird, oder ob der Hausknecht treu und bieder mit starker Faust seines Zimtes walten wird. Jedenfalls erscheint uns ein Zusammenwirken des Freiherr» von Wangenheim mit einem Menschen, der ihn in solcher Weise hinters Licht geführt hat, einfach unmöglich. Zweckmäßiger Weise sollte aber auch der Augenblick der Selbsteiukchr und der Gewifsenserjorschnng Lazu benutzt werden, um unter dem Hühnervolk der bezahlten Agitatorentruppe, welche die Cache der Landwirthschast lediglich schädigt, eine gründliche Säuberung vorzunehmen." Die „Nat.-Lib. Corr." weiß aber zu melden: „In den Kreisen der Bundesleitung haben über das Ver bleiben des Abg. vr. Hahn in seiner Stellung am Sonntag Besprechungen statlgefundcn; die Abgg. vr. Röjickc und Freiherr v. Wangenheim aber haben sich in vollem Umfang persönlich dafür eingesetzt, daß Herr vr. Hahn ihr entscheidender Mitarbeiter in seiner bisherigen Stellung bleibe." Die Bundesleitung wird nun auch die Folgen dieser Stellungnahme zu tragen haben. Zunächst wird cS sich fragen, wie die konservative Fraclion des Reichstags sich zu Männern stellt, die sich trotz der Enthüllung in der Sonnabendsitzung des HauseSperiönlich für Hrn.I)r.Hahn einsctzen. Sodann wird sich mit dem Vorfälle ein militärisches Ehrengericht zu beschäftigen haben, dem ein Major a. D. für ein in aller Form abgegebenes Ehrenwort ebenso verantwortlich ist, wie ein Herr vr. Hahn als Oberleutnant der Reserve für den Versuch, dieses Ehrenwort als mindestens leichtfertig abgegeben erscheinen zu lassen. Vielleicht macht der ehren gerichtliche Spruch einigen Eindruck auf die konservative Fraktion, durch sie auf den Bund der Landwirtbe und durch diesen hin wiederum auf seine Leitung. Einstweilen hat Herr vr. Hahn gestern auf der Generalversammlung ves Bundes geredet, als ob nichts vorgesallen wäre, was seine Stellung erschüttern könnte. WaS die übrigen Redner betrifft, so liegt auch über ihre Auslassungen bereits ein ziemlich ausführlicher Bericht vor. Da aber der ofsicielle uock fehlt und die Herren nickt für daS verantwortlich gemacht werden sollen, was sie gesagt haben, sondern für das, WaS sie gesagt haben wollen, so verschieben wir ein Ur- tbeil und heben nur die „außerhalb der Tagesordnung" ge haltene Ansprache deS Ersten Vicepräsibentcn des Reichstags vr. v. Frege-Weltzien, hervor, einmal wegen des Interesses an der Person des Redners, sodann weil die Angriffe gegen den Fürsten Hohenlohe, die fick nach de» bis jetzt vor liegenden Berichten wie ein rother Faden durch die Reden der Bundeöberren zogen, auch in der Ansprache des sächsischen Conservativen widerklingen. Herr vr. v. Frege-Weltzien sprach nach einer Meldung, die schwerlich eine nachträgliche Correctur erfahren wirb: Erwarten Sie keine Rede, sondern nur einen Gruß von mir, den ich zugleich im Namen aller Abgeordneten bringe, die auf dem Boden Ihres Programms stehen und es nach Kräften treu ihrer Pflicht zur That werden lassen wollen. Als Vertreter einer Minderheit stehe ich vor Ihnen; gebe Gott, daß sie bald eine Mchrheitspartei werde. In meiner engeren Heimath Sachsen ist es uns gelungen, alle Parteien in unserer Londesvertretung zu einigen. (Bravo!) Gegenüber der Social» demotratie sind wir Alle einig. Die Freisinnigen männlicher und weiblicher Richtung haben wir eliminirt. Wir stehen Alle hinter unserem Könige, aus dessen fünsuudzwanzigjährige Regierung wir mit Stolz blicken. (Beifall.) Wir denke» der nächsten Jahre, der großen Aufgabe der wirthschastlichen Regeneration, der künftigen Handelsverträge. Dann muß die Minderheit zur Mehrheit geworden sein, oder alle Parteien müssen so weit sein, daß sie unsere gerechten Forderungen nicht be kämpfen, sondern unterstützen. Denn kein Stand leidet unter der Erfüllung unserer Forderungen, sondern jeder gedeiht darunter. Hoffen wir auch, daß das deutsche Reich dann einen Reichskanzler findet, der dcn Spuren seines ersten unsterblichen Vorgängers, des Fürsten BiSmarck, folgt. (Beifall.) Auf diesen Reichskanzler hoffend, bleiben wir treu unfern Grund sätzen und unsern angestammten Herrscherhäusern. Vorwärts mit Gott für König und Vaterland! (Lebhafter Beifall.) Valfrey-Wbist mackt im „Figaro" den vergeblichen Versuch, verschiedene Kundgebungen französischer Staatsmänner und Publicisten im unschuldigsten Sinne zu deuten; er spricht von „deutschen Streitschriften und Chikanen" iu diesem Zu sammenhänge. Da er selbst eifrig am Werke war, die Empfindlickkeiten der Engländer gegen Deutschland wach- zurufen und rege zu erhalten, thut er Unrecht, wenn er von Artikeln der bescheidensten französischen Journalisten spricht, denen „ein so gewaltiger Einfluß beigemessen werde". Da selbst ein Saint-Cöre sich seiner Zeit rühmen durste, täglich im französischen Ministerium der aus wärtigen Angelegenheiten vertrauliche Informationen zu er halten, ist die Annahme berechtigt, daß der frühere Diplomat Valfrey, auch wenn er unter dem Pseudonym Whist schreibt, nicht selten die Auffassung des Herrn Delcasss wiedergiebt. Was aber den Kammerpräsidenten Deschanel und dessen Aufnahmerede in der französischen Akademie betrifft, so hat dieser Staatsmann, dem von allen Seilen eine bedeutende Zukunft in Aussicht gestellt wird, so daß er schon wohl in ab sehbarer Zeit an die Spitze der Regierung berufen werden könnte, sich keineswegs darauf beschränkt, die publicistischen Leistungen seines Vorgängers Edouard Hervö zu rühmen. Vielmehr icentificirte er sich vollständig mit dessen ein Zu- kunftSbündniß mit England anstrebenden Politik und ließ sich kann in derselben Sitzung der Akademie von seinem College» Sully Prudhomme wörtlich bescheinigen: „Nichts von unseren Unglücksfällen, noch von unseren Fehlern vergessen, ist Ihnen deutlich als unsere erstePflicht erschienen.unddiesezwingtzu der anderen, hinsichtlich aller Aussichten aufWiderberstellung, die unS das diplomatische und militärische Schachbrett der ganzen Welt darbieten kann, die Augen offen zu halten." Zugleich hat die „Indöpendance belze" den Bericht über eine Unterredung Jean Bernard's mit Herrn DechSancl veröffent licht, in der die Revancheideen des französischen Kammer präsidenten in unwiderlegbarer Weise zum Ausdrucke gelangten. Dies mag von Seiten des Herrn Deschanel nicht sehr klug und staatsmännisch gewesen sein, er hat es aber doch bis zum heutigen Tage nicht für angemessen oder für möglich erachtet, die Richtigkeit der Enthüllungen der „Indöpendance beige" in Abrede zu stellen. Der Krieg in Südafrika. —Nach in Brüssel vorliegenden Nachrichten stellt sich der Rückzug Buller'- keineswegs so harmlos dar, wie die Engländer glauben machen wollen. Die Boeren verfolgten den fliehenden Feind bis über den Tugelafluß, dessen Sübufer von Boerencorps jetzt besetzt ist und erricktetcn daselbst Befestigungen. In London finden Mangels näherer amtlicher Angaben über Buller's neuen Rückzug verschiedene böse private Nach richten Verbreitung und Glauben. So wird u. A. behauptet, daß drei englische Bataillone gefangen genommen und 8 Kanonen und 6 Munitionswagen von den Boeren erbeutet wurden. Zum Tbeil sollen die Truppen gar nicht mehr an den Feind herangebracht werden können. Bei dem Angriff auf den Vaalkrantz lief angeblich ein Bataillon unter dem Gewehrfeuer der Boeren auseinander und kümmerte sich um kein Commando. Andererseits nehmen Viele in England die recht fadenscheinige Ausflucht der Jingo-Presse für bare Münze, Buller habe eigentlich gar nicht den Auftrag gehabt, Ladysmith zu entsetzen, sondern solle nur General Zoubert und dessen Boeren am Tugela festbalten, während General Roberts vom Süden her mit dem Haupthcere in den Oranje-Freistaat einbreche. Um das glaubhafter zu machen, erfand man die Mähr von einem großen Eisenbahnzuge mit Proviant und Munition, welchen Buller während der Kämpfe am Spionskop glücklich nach Ladysmith hineingeworfcn habe — ob über die Drakensberge, daS Onderbrook-Plateau, oder über welchesonftigen BergcBuller diesen Proviant General Wbite „binüberzeworfen", wird wohl weislich verschwiegen. Die Hauptsache bleibt, daß die Masse der gutgläubigen Leser, die in London weniger, denn irgendwo über solche Dinge nachzudenken pflegt, die Sache glaubt, und jetzt beinahe überzeugt ist, daß Ladysmith noch lange auShalten kann, ja, daß es eigentlich auf Ladysmith gar nicht mehr ankommt. In dieser Auffassung stört denn auch nickt die ofsicielle Mittheilung, General Roberts hoffe, Anfangs März seine Operationen beginnen zu können. So läßt man ruhig und beinahe vertrauensvoll General Buller mit seinem Schlüssel weiter nach dem Schlüsselloch« von Ladysmith suchen, oder, wie „Daily News" sich hübsch auSdrückt, den Schlüssel zum zweiten Male umdrehen, und bleibt unter dem Eindruck, daß, wenn Buller in acht Tagen nach Ladysmith hineinkommt, Roberts ebenso gut in acht Tagen, wie in sechs Wochen nach Bloemfontein gelangen könne. DaS klingt wie ein schlechter Witz, aber eS ist That- sache, daß die Mehrzahl der Engländer heute unter dem Eindrücke steht: Die ganze Geheimnißlhuerci der letzten Wochen verhüllt lediglich die großartigen Pläne und Vorbereitungen deS General Roberts, der schon plötzlich im Herz:» des Freistaats mit einem großen Heere und einem noch größeren Siege auftreten werbe. Die künstlich erzeugte Verwirrung der Anschauungen über die tbatsächlichen Ver hältnisse auf dem Kriegsschauplätze hat eben einen solchen Höbegrad erreicht, daß Alles, auch das Sinnloseste, geglaubt wird. Die Presse thut fast ausnahmslos das Ihrige, um diesen Zustand aufrecht zu erhalten. Sie füllt ihre Spalten mit den widerspenstigsten Einzel heiten über den letzten Tugelaübergang Buller's, dcn „großen Sieg" Macdonald'S bei KoodoeSberg und „erfolg reiche Operationen" der Generale Gatacre und French bei Rendsburg und ColeSberg; obwohl sie ganz genau weiß, daß alle diese „Erfolge" ebensoviel Mißerfolge, um nicht zu sagen FrurHeton. Hans Eickjiedt. Rowan in zwei Bänden von Anna Maul (M. Gerhardt),. Nachdruck vcrdotrid ,Mho! das nenn' ich aber Einen in die Falle locken!" ver setzte Hans, niedergedonnert. „Das klingt ja, als sollt' ich auf die Bank der Angeklagten kommen! Darf ich wenigstens eine neue Cigarette haben?" „Erst fetzen! Hier auf diesen Stuhl, ins volle Lampenlicht, damit uns keine schuldbewußte Miene entgeht. Hier find Ciga retten. Hier Feuer. Ich würde mir sellber eine in die Fratze stecken, wenn Philipp, das Ungeheuer, es mir nicht verooten hätte. Und jetzt eröffnen wir das Verfahren. Du bist Dir also Deiner Schandthaten bewußt, bekennst und bereust?" „Nicht so eilig, Tante Wally, Du fängst ja mit dem Ende an. Bereuen — so viel Du willst —, aber lieber ohne Bekenntyiß. Willst Du nicht ebenfalls Platz nehmen? Das wäre Deiner richter lichen Würde angemessener, außerdem viel gemüthlicher." „Na, da sitz ich! Also jetzt gieb Rechenschaft. Warum hast Du Dich Jahr und Tag nicht bei uns blicken lassen?" „So lange ist das nicht her, Tante Wally." „Bitte, wann kamst Du nach Berlin? Sylvester vor'm Jahr — nicht wahr? Neujahr hatten wir die Ehre, Dich hier zu haben, ordentlich, wie es sich gehört, zu Mittag und Abend. — Nächsten Sonntag gabst Du mir einen Korb, kamst vier Wochen später auf ein paar Abendstunden, und wardst nie wieder gesehen." „Es ist unheimlich, wie Du Buch führst, Tante Wally!" „O ja, das wollt' ich meinen! Ich hatte Deiner armen Mutter versprochen, Dir eine Heimath in unserem Hause zu bieten. Jeden Sonntag lag ein Gedeck auf dem Tisch, aber der Herr Doctor hatten bessere Unterhaltungen." „Der Herr Doctor hatte für das Examen zu arbeiten und folglich auf die lockendsten Genüsse der Häuslichkeit und Gesellig keit zu verzichten." „So — hohoho! Du arbeitest für das Examen! Ja, dann freilich!" Offenes Hohngelächter Tante Wally"s, während dessen in Cickstsdt's Gesicht langsam dunkle Röthe stieg. Trotzdem ließ er gemächlich, als könne seine Gemüthsruhe durchaus nicht gestört werden, den feinen blauen Rauch des türkischen Tabaks über seine Lippen gehen. „Und ich gutes Schaf!" rief Tante Wally aufgeregt. „Ich mache mir Sorgen und Gedanken wegen des Herrn Neffen. Ich kann die Nächt« nicht schlafen und ängstige mich, daß er in schlechte Gesellschaft gerathen sei." „Schlechte Gesellschaft ist zuweilen amüsanter als gute, Tante Wally", versetzte Hans philosophisch. „Ja, das glaub' ich! — Das kann ich mir halt lebhaft vor stellen! — Aber Deine arme Mutter, Hans! Die weint sich der weil die Augen aus!" „Tante Wally, hast Du schon die tanzenden Ochsen im Reichs- hallentheater gesehen? Das Unglaublichste, was Berlin zur Zeit bietet, kann ich Dir sagen." „Ach bewahre! Denkst Du, Philipp ginge mit mir irgendwo hin? — Der hat kaum Zeit, sein Mittagbrod hinunterzufchlingen, es lohnt gar nicht, was Gutes zu kochen, er weiß nicht, was er ißt. Steh' ihn nur an, er hat keine drei Loth Fleisch auf den Rippen." „Immer noch das Holzgeschäft?" „Ja, das Holzgeschäft, und jetzt hat er sich noch zu anderen waghalsigen Unternehmungen verleiten lassen, weil seine Frau zu lange ruhige Tage gehabt hat." „Pferdebahnen", erklärte Philipp. „Nicht hier, in Köln oder Königsberg. Das HolZgefchäft wird abgewickelt und auf gesteckt." „Das freut mich, Onkel Philipp, das freut mich!" ließ sich Gertrud vernehmen. „Ich habe niemals verstanden, wie Du es über's Herz bringen konntest, solch' einen wunderherrlichen Wald albzuholzen, und all' das Leben, das darin sprießt und blüht und singt und klingt, zu vernichten." „Ein Geschäftsmann hat kein Herz, Kind", erwiderte Philipp, trank sein Bier aus und wischte sich den Bart. „Wie steht's mit einem Cognac, Hans? Wart', ich hole die Flasche. Da sind auch Gläser. Die Damen halten mit, nicht wahr, Gertrud? — Schade rst's um solch 'ne riesige Forst, mein Mädel, aber ein gutes, sicheres Geschäft. UebrigenS hab' ich da noch 'was Neues im Auge." — „Ja, immer was Neues, immer was Neues!" bestätigte Wally klagend. Es wird zu viel, viel zu viel für einen." Sei nicht so pessimistisch, Tante Wally", mahnte Gertrud. Philipp war an seinen Schreibtisch getreten und nahm ver schiedene Bröckchen sandigen Gesteins und blauer Thonerde, in Papieren gesondert, hervor. „Wißt Ihr, was das ist?" fragte er, den beiden jungen Leuten diese Proben zeigend. „Willst Du ein Bergwerk anlegen?" fragte .Hans. „Petroleumquellen erbohren will ich. Aber plaudert nicht, Kinder!" Hans fragte nach dem Wo und Wie, und Phflrpp'erzählte von seinen Versuchen und erklärte das Verfahren und die möglichen Vortheile, falls sich Erdölquellen, und zwar reichhaltige, in der Nähe der Lüneburger Haide erschließen ließen. „Leider kann ich's nicht allein machen", seufzte er, „es gebörk viel Capital dazu." „Schade, daß ich Dir nicht damit aushelfen kann, Onkel Philipp", bemerkte Hans. „Eher könnte ich mich Dir selbst als Hilfskraft zur Verfügung stellen." „Hm — das läßt sich hören", erwidert« Henning, indem er seine Proben bei Seite räumte. „Wollen weiter drüber reden, so bald die Sache im Zuge ist." „Und was wird dann aus der Juristerei, Hans?" fragte Tante Wally mit gespannter Miene. „Die Juristerei, Tante, ist heutzutage kein Boden, dem Quellen des Lichts oder des Reichthums entspringen." „Besonders, wenn man aufhört, ihn zu bebauen." -Hans Eickstedt drehte sich um und starrte die Sprecherin wortlos an. Gertrud wurde unruhig. „Wollen wir ausbrechcn, Herr Eick stedt?" fragte sic. Hans verstand sie und stellte sich mit dank barem Blicke zu ihrer Verfügrmg. Aber Tante Wally hielt ihn wiederum zurück. „Nein, Du sollst mir nicht entschlüpfen. Bekennen sollst Du, Unglücksmensch, wie es mit Deinem Examen steht." „Nicht indiscret sein, Wally!" rief ihr Gatte warnend. „Ach, laß mich doch, Du könntest schon wissen, daß man mit Diskretion überall nicht weit kommt! — Ich würde mir ja wahr haftig lieber die Zunge abbeißen, als mich in Dinge mischen, die mich nichts angrhen, aber ich bin doch nun mal die rechte Cousine von unserer armen, unglücklichen Konstanze, und wenn sie sich in ihrer »Seelennokh an mich wendete, werde ich nicht zimperlich thun und ihr zurückdrahtrn: „Bedaure, ich darf nicht indiscret sein!" „So, so! Meine Mutter hat sich also über mich beklagt", sagt« Hans halblaut, scheinbar gelassen, rückte aber gleichzeitig an einem Porzellanschälchen, in das er seinen Cigarrenstummel gelegt, mit so nervöser Hand, daß es über den Rand der Schreib tischplatte zu Boden fiel und zerschellte. Tante Wally achtete dessen nicht. „Eine Mutter wird doch wohl noch das Recht haben, sich um das Leben und Treiben ihres einzigen Sohnes zu bekümmern!" rief sie, sich mehr und mehr erhitzend. „Was soll sie denn thun? An wen soll sie sich wenden in ihrem einsamen Jammer? Wir sind ihr am Ende die Nächsten, und natürlich glaubt sic, Du gehst bei uns aus und ein wie ein Sohn vom Hause!" „Sie erhält regelmäßig« Briefe von mir", erklärte Hans steif. „In denen Du aber um das Wichtigste geschickt herumgehst wie die Katze um den heißen Brei! — Deine arme Mutter hat ge glaubt, Du hättest im Herbst Examen machen wollen und wärest durchgerasselt. Darüber hatte sie sich schon Halbwegs getröstet, denn das Passirt den Besten und kann nachqeholt werden. Nun ist aber Dieser und Jener von Euren Nachbaren und Brannten hier gewesen und hat Dich ausgesucht. Keiner hat Dich zu Hause angetroffen. Ein Assessor — ich habe seinen Namen vergessen —, der kürzlich in Groß -Perkitten war, der hat Deinem Onkel ge sagt, Niemand hätte davon etwas gesehen oder gehört, baß Du überhaupt arbeitest; man sei überzeugt, Du hättest keinerlei Schritte für Dein Examen gethan. Man wüßte absolut nichts von Dir, weil Du mit Deinen College» nicht verkehrtest — kurz, Du wärest zum Räthsel geworden." „In der That!" erwiderte Hans eiskalt und mit einem Lächeln, das Wally in ihrer empörten Seele nichtswürdig nannte. „Es ist tief zu beklagen, daß so viel Scharfsinn an meine un würdige Person verschwendet wurde. Was meine Mutter be trifft, so sagt sie sich jedenfalls: Wenn mein Sohn, der ein mündiger und im Allgemeinen vernünftiger Mensch ist, eS ge boten findet, über sein Thun und Treiben Schweigen zu beob achten, so wird er seine Gründe dafür haben." „O natürlich. Gründe wird er schon haben", versetzte Tante Wally aufgebracht. .Leute, die auf Selbstmordgedanken und Schlimmeres verfallen, haben ja auch immer die allerbesten Gründe." „Aha, auf Schlimmeres! Auf Wechselfälschung, zum Bei spiel, Tante Wally? Oder Beraubung eines Geldbriefträgers?" schlug Hans höflich vor. „Ach was!" rief sie erbost und sprang auf. „Das ist das Rechte, Hohn und Spott, wenn «ine unglückliche Mutter vor Gram vergeht um den verlorenen Sohn!" Sie hinkte aus dem Zimmer. HanS halt« «ine Stuhllehne ge faßt und so fest umklammert, daß die Knöchel seiner Finger weiß heroortraten. „Unbegreiflich, wi« meine Mutter dahin kommen konnte — mich und sich in so horrender Weise bloßzustellen —", stieß er mit gepreßter, stockender Stimme ^hervor. Philipp Henning, der, so lange seine Frau das Wort führte, gemüthsruhig in seiner Sophaeckc seinen türkischen Tabak quakmte, stand jetzt auf und begann in begütigendem Tone: ,-Von Bloßstellen kann da kein« Rese sein, lieber Vetter. Eine besorgte Mutter, eine verwittwete Frau —"
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