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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.03.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-03-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010329024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901032902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901032902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-03
- Tag1901-03-29
- Monat1901-03
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis die t> gespulten« Petitzeile L5, H. Reklamen unter dem Redaciionsstrich (4gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten (v gespalten) ko Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offrrtenannahme 35 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung .41 60.—, mit Postbeförderung .Nl 70.—. Jinnahmelchluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Erpedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipz>. 95. Jahrgang. R 182 Freitag den 29. März 1901. Der Krieg in Südafrika. Tie Hoffnungslosigkeit der Lage spricht seit wenigen Tagen aus allen von Südafrika tominenocn Meldungen. Nur ein Blalt von allen war optimistisch geblieben — die „Times". Jetzt komml auch sic, und entwirft in einem spaltenlangen Doppelbcrichte ihrer beiden Specialcorrespondenlen m Bloemfontein und Pretoria ein Bild von der wahren Lage der Dinge dort unten, wie es aussichtsloser und trostloser kaum gedacht werden kann. Es sind selbstverständlich die „Times", die als Erste diesen Krieg befürworten und bis heute rückhaltlos oer- theidigen, selbst ihre pessimistischen Auffassungen nach Kräften ab- zusebwächen und zu verklausuliren suchen. Aber der Brutalität der Thatsachen gegenüber können sie doch nicht anders, als nicht nur .wischen den Zeilen, sondern offen und direkt das ganze Elend der Lage einzugestehcn. Wir begnügen uns damit, die markantesten Stellen der beiden „Times"-Bericvte wiederzuaeben: „Die Politik des Haltens der Eisenbahnlinien und des Aus sendens fliegender und Strafcolonnen in das Land hat die darauf gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt. Was nun? . . . Man kann dem britischen Publicum nur empfehlen, sich mit einer Po litik abzufinden, oje mit Entschlossenheit, obwohl sie Zeit brauchen wird, eventuell (>ü<-!) das gewünschte Ergebniß Haden muß. «/Vorausgesetzt wohl immer, daß diese „Entschlossenheit" auch '.hatsächlich angewendet wird, oder besser, werden kann. Wir werden weiterhin sehen, was der „Times" Correspondent unter dieser Borbedingung der „Entschlossenheit" versteht.) Diese Po litik ist eine Rückkehr zu dem ursprünglichen Plane der district- weisen Besetzung. Das wird Mannschaften, Geld und Zeit er fordern, aber so lange das Land nicht mit militärischen Eentren g-spickt ist, wie die Militärpostenlinie Bloemsontein-Tabanchu, wird der Feind immer im Stand« sein, jeder Verfolgung auszu weichen und sich zu sammeln und zu zerstreuen, wie es ihm be liebt. (Es ist bezeichnend für sie Hoffnungslosigkeit selbst dieses Planes, daß der „Timcs"-Corr«spondcnt als musiergiltig dir Militärpostenlinie Bloemfontein Tabanchu ansieht, durch welch« bekanntlich sämmtliche Boerenführer, von De Wei bis Fourie, immer wieder ganz nach ihrem Belieben, uno meist unbelästigt, hindurchge^ogen find.) . . . Die letzten Operationen sind durch aus rckcht jo vollständig mißglückt. (Bisher behauptet man cng- lischerseils immer noch, die Operationen sowohl gegen De Wet, als gegen Louis Botha seien ein großer britischer Erfolg gewesen. Der „Times"-Corrcspondent sicht dieses „nicht vollständige Fehl schlagen" darin, daß die Eapinvasion erfolglos geblieben, uno oann in der „Frechheit der Boerenforoerungen". Er erwartet bezeichnender Weise demnächst „lveitere Friedcnsvorschläge". Da die bisherigen Friedensoorschläge nicht von den Boeren, sondern notorischer Weise von Lord Kitchener ausgegangen sind, so dürfte also dessen schwierige Lage auch bald wieder zu neuen Er öffnungen von Friedensoerhandlungen führen, trotz Herrn Chamberlain.) Der „Timcs"-Corresponsent fährt fort: „Fe häufiger diese Unterhandlungen abgebrochen werden, um so mehr werden wir Grund haben, uns zu beglückwünschen. Denn diesen Leuten gegenüber würde nichts, was irgend welchen „Bedingungen" gleichkommt, politisch oder auch nur möglich sein . . . ." Aehnlich denkt, oder giebi sich wenigstens den Anschein zu denken, über das Sckzeitern der Friedensoerhandlungen der Prewria-Corresponoent des City Blattes. Er erklärt dann: „Es ist gut, daß die Regierung und baS Bolt Groß britanniens den harten Thatsachen der Lage ins Gesicht sehen und die Größe der Aufgabe sich klar machen, die vor ihnen liegt, um die Feindseligkeiten in der einzigen, mit ihrer Würde vereinbaren Weise zum Abschluß zu bring-n. Frieden auf irgend einer anderen Basis, als bedingungslose Ucbergave, wird stets falsch ausgelcgt werden, während die Boeren unlo Hollands Süd-Afrikas unsere Bereitwilligkeit, Bedingungen zuzugestehen, als ein Zeichen der Schwäche auslegrn, um darauf hin auf Jahre hinaus mit uns zu feilschen und zu markten. Es muß dem Feinde klar gemacht werden, daß, wenn er noch zwei Jahre das Feld halten kann, wir gleichfalls in der Lage und, wenn nöthig, entschlossen sind, das zehn Jahr lang zu thun. Dank der Natur des Landes und dem Temperamente des Feindes darf man nicht erwarten, baß irgend eine einzelne Bewegung oder ein erfolgreiches Treffen den Krieg beendigen wird; einzelne Com- mandos mögen capituliren, aber es werden immer eine Anzahl Boeren-Banden übrig bleiben, welche forigeseht verfolgt werden müssen, bis sie nachgegeben haben, oder keine mehr übrig bleiben. Nehmen wir z. B. General French's Operationen im östlichen Transvaal, auf welche so große Hoffnungen gesetzt wurden. Di- Bewegung hatte zum Ergebniß nicht nur große Beute an Heerven und Gefangenen, sondern auch die Zerstreuung eines feindlichen Truppcnkörpers von 5—MOV Mann, dessen Anwesen heit Johannesburg und Pretoria bedrohte (also doch). Das Land indeß, obwohl gesäubert, wurde nicht endgiltig von dem Feinde befreit, und die An griffe auf die Eisenbahnlinien erfolgen '.nmer noch. Um end- giltige Ergebnisse zu erzielen, dürften diese Operationen mehrere Mal wiederholt werden müssen. Die Boeren lassen sich auf keinen Entscheidungskampf ein. Sie sind entschlossen, nicht zu capituliren, und ziehen sich deshalb stets vor den Truppen zurück, ihre gründliche Kenntnis: des Terrains dazu benützend, unsere verrückenden Truppen zu beschießen und dir schwachen Puncte der Tausende von Meilen langen Eisenbahnlinien anzu greifen. Es ist wiederholt vorgctommen, daß eine aus dem Marsch befindliche Colonne 20 Tage hintereinander ununterbrochen im Feuer war, ohne auch nur ein einziges Mal den Feind zu Gesicht zu bekommen. (Das nennt dann Lord Kitchener „siegreich den Feind vor sich hertreiben und ihn verfolgen".) Die durch einen Feldzug dieser Art Officieren und Mann schaften auferlegten Strapazen sind enorm, und angesichts der wahrscheinlichen Dauer desselben müssen Maßregeln ergriffen iverden, um einen fortwährenden N acht st 5 frischer Truppen zusichern. Es isi wahr, daß o-.e .egienmg oe- schlossen hat, 30 000 weiterer Mann zu senden, aber man soll nicht vvraussetzen, daß der Krieg deshalb nun sofort zu Ende sein wird. 70 000 Mann würden der nothwendigen Ziffer näher kommen, aber 30 000 könnten unter Umständen genügen, jedoch unter der Bedingung, daß frische Nachschübe regelmäßig srattfinden, um Officiere und Mannschaften abzulösen, welche längst, Dank der Dauer des Feldzuges, unbrauchbar geworden sind. Wäre ein solches System bereits im August vorigen Jahres eingeführt, so Härten wir jetzt lauter frische Truppen mit einer neunmonatigen Feldzugsersahrung an die Front schicken können. Nach dem Eintreffen der versprochenen 20 000 Mann Verstär kungen sollten diese 30 0V) Abgediente nach Hause zurückgesandt werden. So lange nicht diese Seite der Lage von der Negierung vollständig begriffen ist, bleibt die Möglichkeit bestehen, daß der Krieg Jahre lang dauert." Das spricht für sich selbst. ?. London, 29. März. (P r i v cr r t e l c g r a m m.) Aus Durban wird unrerm 27. Mürz gemeldet: De Wet kreuzig mit 500 Mann Len Daalfluss bei Pilliersdorp, erhieir 1000 Mann Verstärkung und rückr gegen Standerron in Coope ration mit Botha vor. * Lissabon 29. März. (Telegramm.) Der Dampfer „Benzuclla" ist hier mit zahlreichen Boeren ein- ge la uzen. 400 von ihnen begaben sich von Lissabon nach der Ciladelle Peruchc, der Rest, gegen 200, ist nach Alcobaca auf gebrochen. General Pienaar reiste nebst seiner Familie in Begleitung eures porrugiasischen Generals nach Thomar ab. Während der 'Seereise sind ö Boeren gestorben; 72 wurden bei ihrer Ankunft in Lissabon ins Krankenhaus gebrach:. Capstadt, 2ss. Marz. (Pr-vattclogramln.) Die Pest macht alarmircnde Fortschritte »uter den tzeuropärrn. Vie Wirren in China. Ter englische Aufzcnminifter über Sie Lage. Auf verschiedene, die Lage in Ebina betreffende Fragen Spencer'- erwiderte in der gestrigen Sitzung des englischen Oberhauses der Staatssekretär des Auswärtigen Marquis ofLans- downe, soweit ihm bekannt, seien keine neuen Truppen bewegungen in China im Gange oder in Erwägung. „Wir sind noch kaum in der Lage", fährt Redner fort, „zu sagen, daß die chinesische Regierung die Forderungen der gemeinsamen Note mit solchem Entgegenkommen ausgenommen hat, daß die Zurückziehung der Truppen zu rechtfertigen wäre. Die Regierung ist ernstlichst bestreb:, die Behandlungen zu be schleunigen. Wir haben die Hoffnung, daß cs bald möglich sein werde, die Truppen zurückzuziehen, oder ihre Zahl bedeutens zu vermindern. Die Verhandlungen schreiten zwar langsam fort, aber wir können uns, obgleich das nicht überraschend ist, mit dem Gedanken trösten, daß hinsichtlich ge- wisser Grundsätze in den politischen Fragen im Ganzen Ein muth i gleit unter den Mächten herrscht. Diese Principien sind die folgenden: Wir befinden uns nicht im Kriege mit China. Wir wünschen nicht, terri torialen Vortheil aus diesen Vorgängen zu ziehen. Wir erkennen den binoenden Charakter der bestehenden Vertrags verpflichtungen an. Wir wünschen, die Politik der „offenen Tbür" iunezuhalien, und daß, wo Vorzugsrechte gewissen Mächten zuacstanden worden sind, dort allen anderen Mächten gleiche Cbanr-n gcoeb-n werden." LonSdowne legt sodann die Einzel- heitcu der Verhandlungen dar und theilt mit, daß der Gesandte Satowangeroiescn worden ist, inseincnForderungenmäßig zu sein. Was öie Frage der Ge s a n d t s ch a f t s w a ch e n betreffe, so wünsche die englische Negierung nicht, daß Peking zu einer Festung umgestallet werde, sondern nur, daß die Gesandtschaftswachcn ausreichend stark seien, um die Sicherheit der Gesandtschaften zu verbürgen. Wa di« Entschädigungsfragc betrifft, ist die Re ¬ gierung ver Ansicht, daß die Entschädigung auf die gegenwärtig durch oie Operationen verursachten Kosten beschränkt, und daß hinsichtlich der Privatforderungen solche indirecter Art au- geschlossen werden sollten- Die Politik der Regierung geht dahin, Chinas Weiterbestehen als Macht zu respectiren uns zu ver meiden, daß ihm eine erdrückende Last aufgebürdet wird. Eine Ser Einnahmequellen, die sür die Bezahlung der Entschädigung in Betracht kommen, sind die S e e z ö l l c. Die Regierung meint, daß der gegenwärtige Hollsatz von Neuem geordnet und auf o Procent ack valorem festgesetzt werden kann. Die Regierung sieht keinen Grund, warum gewisse Artikel, die jetzt zollfrei sind, nicht dem Zoll unterworfen werden sollen; wenn wir aber ver suchen, darüber Erwägungen anzustellen, ob der Zolltarif be deutend erhöht werden soll, haben wir das Gefühl, daß wir nicht vorsichtig genug Vorgehen können. Wenn wir die Zollsätze be deutend erhöhen, gewinnen wir wenige Millionen in Gestalt einer erhöhten Entschädigung, aber wir können dabei den britischen Handel in China lähmen. Die Regierung wünscht nicht, diese Gelegenheit zu benutzen, um China innere Reformen aufzu zwingen. Das betrachten wir nicht als unsere Aufgabe, aber wir verzweifeln nicht daran, eine Reform zu erleben. In Beantwortung der Frage Spencer's nach der Anwend barkeit des englisch - deutschen Abkommens auf die Mandschurei verliest Lansdowne sodann die erste Klausel des Abkommens und hebt hervor, dieselbe enthalte zwei Ein schränkungen; sie nehme nur Bezug auf die an den Flüssen und an oer Küste Chinas gelegenen Häfen, und nur auf dasjenige chinesische Gebiet, wo die beiden Mächte einen Einfluß ausüben könnten. Das Wort „Einfluß" sei ein etwas elastischer Ausdruck. Er, der Staatssekretär, habe sich über das erkundigt, was zur Zeit der Vorberathungen über das Abkommen oorging, uns es sei ihm mitgetheilt worden, daß die deutsche Regierung der englischen wissen lasse, daß mach ihrer Meinung die Mandschurei nicht rin Gebiet sei, in welchem sie einen Einfluß ausüben könne. Dieser Punct verdiente aber nicht allzu viel Beachtung. Denn das Abkommen verringere in keiner Weise die Rechte der Mächte, die V e r t r a g s h ä f e n zu be nutzen, deren Benutzung durch den Vertrag von Tientsin zu- gestansen worden sei. Es gebe nur zwei Lertragshäfen in der Mandschurei, Niutichwang und Talicnwan, und Rußland habe England ausdrücklich versichert, es beabsichtige, den letzteren Haien offen zu halten. Uno was ersteren Hafen betreffe, so sei es keine Frage, Saß er nur als offener Hasen behandelt werde. Hinsichtlich der zweiten Clausel des deutsch-englischen Abkommens bestehen nach Ansicht der englischen Regierung nicht dieselben Vorbehalte. Die Claus«! bezieht sich auf ganz China und daher auch auf die Mandschurei. Ich habe in den Blättern die Berichte über die Rede ves Grafen von Bülow ge sehen, in denen angedeutet wird, daß die deutsche Regierung die Clausel in einem von unserem abweichenden Sinne int-<- pretire. Ich muß aber das Haus bitten, zu erwägen, ob dieser Punct sehr wesentlich ist, da alle Mächte, mit Einschluß Deutsch lands, wiederholt erklärt haben, daß die Integrität Chinas aufrecht erhalten werden soll. Mr wissen auch, daß Deutschland die chinesische Regierung gewarnt hat, sich in Sonder verträge mit anderen Mächten einzulaffen. Es macht sicherlich nickt viel aus, ob Deutschland zu diesem Schlüsse auf Grund des deutsch-englischen Vertrages gelangt ist. oder auf Grund von Erwägungen der allgemeinen Politik. Redner kommt dann auf das Mandschurei Abkommen und erklärt, er könne nicht sagen, ob ein solches Abkommen getroffen worden sei. Die Regierung sei weit entfernt, den englischen Interessen in der Mandschurei eine über triebene Bedeutung beizumessen. Er erkenne an, daß, soweit ein Eisenbahn-Unternehmen in Betracht komme, jener Theil Chinas, den englisch-russischen Einvernehmen gemäß, in die Interessen Rußlands fällt. Tcr Tientfiner Zwischenfall * Die „Russische Telegraphen-Agentur" erfährt, daß zur Be endigung des Tientfiner Zwischenfalles zwischen den Befehls habern der russischen und der englischen Truppen nachstehende Vereinbarungen getroffen worden sind: Der Befehlshaber der englischen Streitkräfte, die Stellvertretung des Generals Gaselee, Barrow, erklärt: ,,I) Die Verletzung der russischen Flagge habe nicht in der Absicht der englischen Behörden gelegen, und es sei die von Rußland behauptete Entfernung der russischen Grenzzeichen weder auf Befehl, noch mit Kennt niß ver englischen Militärbehörden erfolgt. 2) Weiden die begonnenen Arbeiten nicht fortgesetzt werden, bevor nicht die Frage des Eigenthumsrechts zwischen beiden Regie rungen geordnet worden, oder bevor man nicht zu einem gegen seitigen Einvernehmen darüber gelangt ist. 3) Die englischen wirklich ein frommer Mann. Aber damit hatten seine Berufs pflichten nichts zu schaffen. Als Capitän vertrat er die Inter essen seines Rhe>o«rs ohne weitere Frage. Er ließ sich über den übelriechenden Tyne setzen unh,wanderie durch Gänge und Gassen, wo der mit Feuchtigkeit vermischte Kohlenstaub eine dicke Schmutzkrusie über dem Straßcnpilaster gebildet hatte und die Luft von allerlei Dämpfen erfüllt war. Immer noch nagte er an der Cigarre und brütete vor sich hin. Aber sobald er den Eingang zum Dock passirt und ein paar Worte mit dem wachhabenden Schutzmann gewechselt hatte, kam eine Verwandlung über ihn. Er warf die Cigarre weg, preßte sie Lippen zusammen und ließ alle persönlichen Gedanken hinter d«m Eingangsthore zurück. Er stand in Herrn Gedge's Dünsten. Von diesem Augenblick an hatte sein Gehirn sich nur noch mit Herrn Gedge's Interessen zu beschäftigen. Mit seiner allgemein gefürchteten, beißenden Zunge mußte er nun die auf Herrn G«dge's Schiff arbeitenden Schaurrleute und Kohlentrimmer anspornen, ihre schweren körperlichen Anstrengungen zu ver doppeln. Kaum eine Minute verging, nachdem er das Dock betreten hatte, da waren auch schon die Stahltrossen des „Sultan von Borneo" von den Dallen am Quai losgeworsen. Nach weiteren zehn Minuten klapperten und bockten die Winden, die nach der anderen Seite des Docks gebrachten Leinen strafften sich an und zogen den Dampfer hinüber unter die schwarzen sperr beinigen Kohlenschütten. Und nach einer halben Stunde donnerte die Ladung in die offenen Luken hinab, so schnell die Eisenbahn wagen oben auf der schmierigen Plattform sie ausspeien konnten. Der Kohlenstaub verfinstert« die Luft, füllte jede Ritze und breitete sich als gestaltloser Schlamm über den Wasserspiegel des Docks aus. Die auf Stundenlohn angestellten Arbeiter schaufelten varauflos, als ob sie centnerweis« bezahlt würden, aut reiner Angst vor Capitän Kettle. Was sein« sonstigen F«hl«r auch srin mochten: vom Stand punkte des Rheders betrachtet, war dieser kleine Schiffer mit d«m spitzen rothen Barte entschieden der beste Capitän, der je mals aus einem englisch«n Hafen segelte. Niemand verstand es, wie er, aus seinen Leuten solch« fast unglaublichen Arbeit? leistungen herauizupressen und zu -schinden. Aber jene anderen Fehler waren es eben, die ihn verhinderten, in seinem Berufe vorwärts zu kommen. Und so blieb er, was er war, einer jener bsmitleidenrwerthen Gelegenheits-Schiffscapitäne, die von der Hand in den Mund leben und niemals sicher ststd, ob sie ein eben übernommenes Schiff nach Monaten noch führen werden. An diesem Nachmittag mustert« Capitän Kittle seine Mann« Leuilletsn. Abenteuer des Lapiliins Kettle. Von C. Hy ne. Sl-Strnck virbotm. Gewehre für Cuba. „Alles, was an Land zu thun ist, Herr Gedge", sagte Capitän Kettle, „müssen Sie selber übernehmen. Das ist so 'ne ähnliche Geschichte, wie damals mit der „Alabama", und damit möchte ich nichts zu thun haben. Dabei kommen allerlei Gesetze in Be tracht; das Gesetz über Anwerbung fürs Ausland zum Beispiel und 'n halbes Dutzend andere, die man unmöglich alle im Kopfe be halten kann. Wenn ich mir erlauben darf, Ihnen zu ratyen, Herr Gedge, so setzen Sie sich mit einem tüchtigen RrchtSanwalt in Verbindung, bezahlen, was er verlangt und lassen sich erst mal über alle gesetzlichen Fragen genau informiren, ehe Sie sich überhaupt auf das Geschäft einlassen." „Unsere englischen Gesetze", fuhr der kleine Mann fort, indem er einen tiefen, wohl irgend einer trüben Erinnerung geltenden Seufzer ausstieß, „sind eklige Dinger, wenn man damit in Collision kommt. Bei jedem Schritte, den man thut, kommt das Gesetz und mischt sich in fremde Angelegenheiten. Man iveiß niemals, woran man ist. Nein, Herr Gedge, es geht doch nichts über di« „Staaten". Hübsche gemüthlick)« Gesetze haben sie drüben; wenn Einer nur das nöthige Papiergeld hat, kann er sie stellenweise kaufen. Und wenn er dabei noch 'n leidlicher Pistolenschütze ist, so spricht das auch noch zu fernen Gunsten." Herr Gedge, ein noch junger Mann, war der Rheder des Dampfers „Sultan von Borneo". Er klopfte ungeduldig mit dem Falzbein auf die Löschpapierünterlage. „Bleiben Si« der der Sache, Kettle. Wir sind jetzt in England; die amerikanischen Gesetze gehen uns gar nichts an. Ihren Rath brauche ich nicht; ich bin t«in Narr. Sie können Ihr Patent verwetten, daß ich ganz genau weiß, was ich zu thun hab«. Lassen Sie sich's doch sagen. Die Charter ist vollkommen in Ordnung." „Wenn wir nur erst ausclarirt hätten", lautete die bedenk liche Entgegnung. „Der Clarirung steht nichts im Wege. Der „Sultan von Borneo" geht von hier mit Kohlen nach der Havanna. Draußen auf See, wo kein Laad in Sicht ist, trifft er eine Pridatyacht, die die Waffen an Bord hat, und nimmt sie über. Furchtbar einfache Sache." „Newcastle-Kohlen für Cuba? Da gehen doch nur Kohlen aus Virginia von Norfolk oder höchstens aus Wales von Cardiff oder Newport hin." „Es scheint doch nicht so. Der Contract war schon lange ab geschlossen, ehe noch ein Schiff verlangt wurde, um die Waffen 'rübcr zu schmuggeln." „Na, faul si«ht die Sache aus, aber sehr!" „Dafür kann ich doch nicht", versetzte Gedge ärgerlich. „Ich sage Ihnen die reine Wahrheit. Wenn die Wahrheit, wie das ja gewöhnlich der Fall ist, unwahrscheinlich aussieht, so ist das doch nicht meine Schuld. Haben Sie sonst noch irgend welche Einwendungen zu machen?" „Nein, Herr Gedge, augenblicklich wüßte ich nichts weiter." „Gut also; wollen Sie das Commando des Damvfers über nehmen, oder treten Sic zurück?" „Wenn sie mich abfassen, knüpfen sie mich auf", murmelte Kettle. „Keine Idee! Das wagen sic nicht. Der britische Consul würde Sie schon los bekommen. Blos wegen Schmuggelns wer den sie in Cuba kein«» Engländer hängen. Außer dem bekommen Sie ja für das Risico zwei Pfund m«hr. Statt zwölf Pfund monatlich gebe ich Ihnen vierzehn. Sowie Sie ankommen, ist Alles bereit, und Sie bringen Ihre Gewehre ohne Weiteres an Land. Dann dampfen Sie nach Havanna und löschen Ihre Kohlen, als wenn nichts passirt wäre. Wenn die Sache glatt abgewickelt wird, «rhalten Sie noch eine Gratification von zehn Pfund. Nun also, Capitän, entschließen Sie sich! Gehen Sie, oder nicht?" «Ich gehe", antwortet« Kettle mit düsterer Miene. „Ich bin ein armer Mann und häbe Frau und Kinder, muß also mit nehmen, was kommt. Aber die Kohlen kann ich nicht recht verknusen. Ich glaube Ihnen ja, was Sie von dem Contract er zählen. Wahrscheinlich sieht die Sache aber nicht aus. Passen Sie auf Herr Gedge, über die Kohlen stolpern wir noch, und dann ist der Radau da." „Und gegen einen sogenannten Radau haben Sie ja so 'n« unüberwindliche Abneigung?" warf Gedge listig ein. „Ziehen Sic mich -doch damit nicht auf, Herr Gedge", versetzte Capitän Kettle. „Ich weiß sehr wohl, waS ich für 'n Raubthier bin, wenn ich mal loslege. Skandal mit meinen Leuten ist mir nun einmal so nothwendig wie Essen und Trinken, und ich schäme mich dessen aufrichtig. Jedesmal, wenn ich hier in South- Shields in der Kirch« sitze und unseren Pfarrer predigen höre, mach ich mir die bittersten Vorwürfe. Wenn Sie nur mal hörten, wie schön und poetisch der Mann spricht, über Frieden, grüne Wiesen, goldene Harfen und dergleichen, dann würden Sie das wohl begreifen." »Ja, ja", sagte Gedge. „Ich kenne ja Ihr« Empfänglichkeit sür Poesie, Capitän. Augenblicklich aber muß ich leider auf diesen Genuß verzichten. J-ctzt habe ich keine Zeit, die Reden Ihres ausgezeichneten Herrn Pfarrers oser Ihre eigenen poeti schen Erzeugnisse zu bewundern. Ich bin sehr beschäftigt. Cigarre gefällig? Sie holen also an die Kohlenschütten und fangen um 2 Uhr mit der Ladung an. Ich sehe Sie noch vor der Ab fahrt; um zehn Uhr komme ich an Bord. Guten Morgen!" Uno Herr Gedge drückte auf Sen Knopf der elektrischen Klingel und fing an, seiner Maschinenschreiberin Briefe zu dictiren, ehe Kettle noch das Comptoir verlassen hatte. Der kleine Seemann stieg die dunklen Treppen hinunter, trat auf die Straße und wandte sich dem schmutzigen Tyne- Stromc zu. Die schräg aus seinem Mundwinkel ragende schwarze Cigarre blieb unangezündet. Aergerlich zernagte er sie zwischen den Zähnen und verfluchte innerlich sein böses Geschick. Wes halb behandelte ihn das Schicksal so schlecht und zwang ihn immer wieder, sich auf derartige Wagstücke einzulaffen? Die Lust an aufregenden Abenteuern war ihm allerdings angeboren, und als Junggeselle hätte er mit beiden Händen zugegriffen. Als Mann von Frau Kettle aber, als Vater ihrer Kinder! Ein Schauder überlief ibn, wenn er an die Zukunft dachte. Ein paar Wochen würde sie versorgt sein. Die Hälft: seiner Heuer würde sie monatlich einziehen, neben Pfund Sterling. Davon konnte sie mit den Kindern ja herrlich und in Freuden leben. Aber später, wenn irgend em böser spanischer Kriegs- ! dampfer ihn mit den Gewehren unter den Luken abfaßte, wenn er erschossen oder aufgeknüpft oder gefangen genommen, oder auf irgend eine Art verhindert würde, seiner Familie das tägliche Brod zu schaffen, wo blieb dann Miffis Kettl«? Würde Gedge > etwas für sie thun? Er nahm die Cigarre aus dem Mund und . spuckte verächtlich aus. Die moralische Seite des Unternehmens beunruhigt« ihn nicht im Geringsten. Die spanische Regierung und die kubanischen Re bellen betrachtete er als zwei concurrirende Firmen. Wer die höchste Fracht zahlte, mit dem wurde selbstverständlich die Charter geschloffen. Das Risico dabei, und ob die Handlun-- recht oder ! unrecht wäre, kümmerte ihn nicht. Das war völlige Privat- i sacht zwischen Herrn Gedge und dem lieben Gott. Er, Owen Kettle, war nur ein Werkzeug unv eb.nsowenig ein für seine Handlungen verantwortliches Individuum wie der alte „Sultan von Borneo" selber. Er war nur das Triebrad einer Maschine. Für seine unsterbliche, Seele sorgte cr durch fleißigen Kirchen besuch, wenn er an Land war. Er war kein Heuchler, sondern
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