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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.02.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-02-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000215015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900021501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900021501
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- LDP: Zeitungen
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
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Reclainen unter dem Redaction-strich (4g— spalten) 50vor den Familirnnachrichtrn tügespalttn) 40/^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichnist. Tabellarischer und Ziffernsap nach höherem Taris. Extra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung .Xt 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Innahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anreißen sind stet» au die GxpeSitian zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig. 91. Jahrgang. Die diesjährige Landtagssesston in -Finland. V. 8. Der finländische Landtag ist im Schlöffe zu Helsingfors mit all' der Feierlichkeit eröffnet worden, wie sie bei solcher Ge legenheit üblich ist. Der Generalgouvrrneur, als Vertreter des Zaren, übergab dem Landmarschall den silbernen Stab, das Zeichen seiner Würde; er verlas alsdann die Thronrede den Ständen, und die Obmänner derselben hielten ihre Ansprachen. Bemertenswerth ist bei diesen Eröffnungsreden ihr Ton und Inhalt; er hebt sich start von den Ansprachen früherer Jahre ab und martirt den Gegensatz, der zwischen der Bevölkerung Fin- lands und der russischen Regierung besteht. Die Thronrede zumal enthält eine unverkennbare Drohung: dec Landtag soll sich nur mit wirthschaftlichen und localen Dingen beschäftigen, widrigenfalls man in Erwägung ziehen wolle, „ob die In stitution der Stände mit den jetzigen Verhältnissen vereinbar sei". Der Sinn dieser Worte kann keine Mißdeutung zulaffen: die Aufhebung der Verfassung ist in Aussicht genommen, wenn die finländischen Deputirten nicht thun, was die Regierung von ihnen verlangt. Wie wenig bei diesen eine derartige Geneigtheit be steht, ersieht man zur Genüge aus den Antworten der Obmänner. Sie sind maßvoll in der Form, lassen aber keinen Zweifel zu, daß Finland sein Recht aufrecht erhalten und nichts von seinen Privilegien opfern will. Wenn der Landmarschall hervorhebt, „das Volk betrachte die Selbstregierung als Lebensbedingung und habe das Recht auf dieselbe niemals verscherzt", wenn ferner der Erzbischof Johannson den Wunsch ausdrückt, daß die „Cultur- völker sich von leerem Größencultus und Machtbegierde ab wenden möchten", wenn der Vertreter des Bürgerstandes darauf hinweist, daß „Gerechtigkeit und gegenseitige Achtung die Völker einander nähern, während rechtswidrige Maßnahmen die Ent wickelung hemmten", wenn endlich der Obmann der Bauern betonte, daß „freie gesellschaftliche Institutionen die Vor bedingung seien, wenn das finnische Volk seine Lasten tragen solle", so sind das Aeußerungen, über deren Bedeutung kein Wort weiter zu verlieren ist. Nach der feierlichen Ankündigung der Thronrede und nach der Entschlossenheit, mit welcher die finländischen Vertreter ihren Standpunct offenbarten, darf man annehmen, daß der gegen wärtige Landtag einen Wendepunkt in der Geschichte deZ Großfürstenthnms darstellen wird. Daß Fragen in der Ständeversammlung unberührt bleiben, die das Lebens interesse des Großfiirstenthums ausmachen, ist völlig undenkbar. Noch ist die Verfassung nicht zerstört, nock besteht der Landtag, und deshalb werden sich die finländischen Abgeordneten das Recht nicht kürzen lassen, die allgemeine Lage im Parlamente zu er örtern und Stellung zu den die Autonomie bedrohenden Maß nahmen der Regierung zu nehmen. In erster Linie wird die letztere das bereits einmal verworfene Projekt der Heeres - reform einbringen. Das Schicksal der Vorlage wird zweifel los das gleiche wie im vorigen Jahre sein. Man wird die Ab lehnung in die denkbar mildeste Form kleiden und Alles ver meiden, was den Gcneralgouverneur und die Petersburger Macht haber herausfordern könnte. Aber die Thatsache der Zurück weisung kann man deshalb nicht ändern, und sie ist es allein, an die sich die Regierung bei ihrem weiteren Vorgehen in Finland halten wird. Schon die Heeresvorlage dürfte deshalb geeignet sein, den Conflict zwischen Finland und der russischen Regierung zum Ausbruch zu bringen. Eine weitere Frage ist dann noch die unsichere Lage, in welcher sich zur Zeit die Presse befindet. Die zahlreichen Maß regelungen werden ohne Zweifel im Landtage zur Sprache ge bracht werden. Man darf indeß nicht annehmen, daß die fin ländischen Abgeordneten sich damit begnügen werden, ihrem Un- muth über die erfolgten Vergewaltigungen in scharfen Worten Ausdruck zu geben; das wäre ein ebenso thörichtes als zweckloses Beginnen und entspräche nicht der politischen Reife des fin ländischen Volkes. Aber man wird darauf dringen, daß der Senat die erforderlichen Schritte thut, um die verfassungsmäßige Freiheit der Presse gesetzlich zu regeln und in einer Weise zu festigen, daß Angriffe von außen wirkungslos bleiben. In diesem Sinne lautet auch die Instruction, welche verschiedene Be zirke ihren Vertretern im Landtage mitgegeben haben. Die Preßangelegcnheiten werden um so mehr eine lebhafte Erörterung im Landtage veranlassen, als bereits früher hierüber Verhandlungen des Senats und der russischen Regierung statt gefunden haben. Der Standpunct Finlands wurde allerdings in Petersburg nicht getheilt. Vor sechs Jahren bereits hatte der finländische Landtag aus Anlaß von Bedrückungen 'um gesetzliche Feststellung der Preßfreiheit gebeten. Das Gesuch wurde, wie zu erwarten stand, rund abgeschlagen. Bald darauf erging dann an den finländischen Senat die Aufforderung, ein neues, mit den Reichsgesehen übereinstimmendes Censurreglement auszuarbeiten. Die Regierung erreichte dabei freilich nichts Anderes, als die be stimmte Weigerung, mit dem Hinweise auf die vielen Schwierig keiten, die beim Erlaß einer derartigen Verordnung zu über winden wären. Seitdem hat man es in Petersburg für vortheil- hafter gehalten, auf dem gewöhnlichen Verwaltungswege die Presse zu knebeln, als durch langwierige Verhandlungen immer wieder seine Pläne hinausgeschoben zu sehen. Auf die Weigerung des Senats erfolgte keine Antwort, aber man begann sehr bald eine willkürliche Zeitungsbevormundung, die allmählich zu einer Art Gewaltherrschaft ausgeartet ist. Die Presse sollte unter allen Umständen mundtodt gemacht werden, und, wenn das auch nicht völlig gelungen, die bisherige freie Meinungsäußerung ist jedenfalls beträchtlich erschwert. Die allgemeine Form, in der die Thronrede die Verfassung des Großfiirstenthums bedroht, gewährt dem Generalgouvrrneur die ausgedehnteste Freiheit zum Einschreiten gegen den Landtag. Es giebt ja in Finland keine politische Frage von irgend welcher Bedeutung, die nicht ebenfalls die Interessen des russischen Reiches berührt. General Bobrikow hat nun während seiner bisherigen Amtsführung zur Genüge bewiesen, daß er vor nichts zuruck- schreckt, wenn es sich darum handelt, die Grundsätze des allein herrschenden Russenthums zur Geltung zu bringen. Die Fin- länder können deshalb auf das Schlimmste gefaßt sein. Als im vorigen Jahre die Wehrvorlage vom Landtage ab gelehnt wurde, da hieß es, man wolle in Petersburg noch einmal versuchen, die Zustimmung der Stände zur „Reform" zu er langen. Schlage dieses aber fehl, so werd« man die Verfassung aufheben und mit Hilfe des Militär- die „Alleinherrschaft" des Zaren im Großsurstenthum proclamiren. Es wird sich bald zeigen, ob thatsächlich nun mit offener Gewalt vorgegangen werden soll. Obgleich die Machtmittel Rußlands die Lber- leqeneren sind, so wäre es immerhin kein geringes Wagniß. Es würde der Kampf gegen ein Volk entbrennen, das sich in seinen heiligsten Rechten bedroht erachtet und das, zur Verzweiflung getrieben, doch schließlich viel mehr leisten könnte, als man glaubt. Eine gewaltsame Zertretung Finlands könnte sich nur unter Aufbietung von Anstrengungen vollziehen, die dem Zarenreiche bei seinen vielen Verbindlichkeiten in Asien und Europa recht un bequem wären.' Deshalb nehmen wir an, daß die Petersburger Machthaber und der Generalgouverneur Bobrikow am Ende vor der Errichtung einer Militärdiktatur in Finland zurückschrecken werden. Und das um so mehr, als die bisher stattgehabte all mähliche Abbröckelung der finländischen Autonomie mit ziem licher Wahrscheinlichkeit zum Ziele führt; dieses Ziel aber ist kein anderes, als die Nivellirung und vollkommene „Angliederung" des Großfiirstenthums an Rußland. Wir können den vorstehenden Ausführungen unseres Gewährsmannes zwei uns eben zugegangene Telegramme anfübren, auS denen hervorgeht, daß in Petersburg durchaus kein versöhnlicher Sinn herrscht, und daß der Zar zu außer ordentlichen Maßregeln entschlossen ist, wenn Finland nicht Ordre pariren will. Die Meldungen lauten: * Helsingfors, 14. Februar. (Telegramm.) Die „Find- landskaja Gaseta" veröffentlicht nachstehendes, an den General gouverneur von Finland gerichtetes kaiserlicheSNescript: „Bei der am 18. Mai vorigen Jahres erfolgten Schließung Les außer ordentlichen Landtages berichteten Mir die ständischen Vertreter über die durch die bevorstehende Reorganisation des Militär- wesens im Großslirstenthum Finland und die Veröffentlichung des Manifestes vom 3. Februar vorigen Jahres hervorgerufene erregte Stimmung. Zu Meinem Bedauern ersehe Ich aus den Reden des Landmarschalls und der Talmänner, daß die ständischen Ver treter nicht von dem allgemeinen staatlichen Nutzen Liesest I Maßnahmen überzeugt sind und sich über diese unpassende! Ausstellungen erlaubt haben. Ich beauftrage Sie, zur all gemeinen Kenntniß zu bringen, daß diese Ausstellungen unrichtig sind nnd der seit dem Anfang des Jahrhunderts bestehenden Sach lage, nach der Finland einen integrirendrn, unabtrenn- baren Theil Rußlands bildet, nicht entsprechen. Ich wünsche ferner, daß dem finländischen Volke bekannt gemacht werde, daß Ich, als Ich bei der Thronbesteigung die heilige Pflicht übernahm, für das Wohl aller der russischen Krone unterstehenden Völkel- schäften zn sorgen, es für gut erkannte, für Finland die von Meinen Vorfahren geschenkte besondere Ordnung der inneren Gesetzgebung zu bewahren. Als eine Erbschaft der Vergangen heit übernahm Ich gleichzeitig die Festsetzung der Beziehungen des Großsürstenthums zum russischen Reiche durch ein positives Gesetz." Tas Nescript erwähnt sodann das Manifest vom 3. Februar und sagt zum Schluß: „Ich erwarte von Ihnen energisches Handeln, durch das in der Bevölkerung Finlands die Auffassung in der wahren Bedeutung der zur Stärkung der Bande zwischen dem Reiche und dem Großfürstenthume ergriffenen Maßnahmen gefestigt werde, und Ich wünsche, daß die treuunterthänige Ergebenheit Les finijchen Volke», an der Ich nicht zweifle, durch die That bewiesen werde und Ihnen die Erfüllung Meiner Anweisungen erleichtere." * HelfingforS, 14. Februar. (Telegramm.) Der General gouverneur hat die hiesige Obrr-Preßvrrwaltung darauf auf- merksam gemacht, daß in der örtlichen Presse Artikel erschienen seien, die die politische Lage in Finland falsch darstellten, und hat der Ober-Preßverwaltung anhrimgestellt, die Censoren darauf hin- zuwcisrn, daß Artikel, die nicht genau dem Sinne der in dem Rescript des Genrralgouverneurs vom 8. Juni 1899 ausgedrückten kaiserlichen WillenSmeinung entsprechen, wonach Entscheidungen des außer- ordentlichen Landtages in Bezug auf das Maustest vom 3. Februar 1899 für regelwidrig erklärt werden, nicht zulässig sind. In Finland wird man mit tiefer Betrübniß von diesen neuen KnebelungS-Rescripten Kenntniß genommen haben, die aber voraussichtlich den Muth deS tapferen Volkes nicht beugen werden. Der Krieg in Südafrika. -t> Wenn eine Meldung deS militärischen Mitarbeiters des Londoner „Morning Leader" zutrifft, wird in wenigen Tagen ein neuer Entsatzversuch Buller'S erwartet, möglicher Weise östlich von Colenso. Da sowohl über Buller'» Operationen nack seinem letzten Rückzug über den Tugela, noch von General Joubert s Vormarsch zur Umgehung der englischen Armee jede Nachricht fehlt, entgeht uns die Möglichkeit, die Meldung des „Morning Leader" kritisch zu behandeln. Sehr wahrscheinlich klingt sie nicht, einmal weil Buller kaum wagen kann, eine kurz hinter einander zweimal geschlagenen Truppe schon wieder inS Feuer zu führen, sodann weil hier das Fehlen direkter Straßen verbindung die Beförderung deS TrainS sehr schwierig ge stalten würde und endlich, weil auf dieser Seite die Boeren sowohl südlich de» Tugela auf dem Jnhlawe-Berge und nördlich auf dem Jsimbulwana - Berge außerordentlich starke Stellungen inne haben, auf den sie rasch ihre gesammtr Macht concentriren könnten. Außerdem wäre noch südlich vom Tugela der Blaauwkrantz-River und even». nördlich davon der Klip-River zu überschreiten. Den sehr weiten Umweg über Weenen aber wird Buller schwerlich wählen. Auch dort trifft er auf starke Boeren-CommandoS, und ehe er am Tugela angekommen wäre, bätten sicherlich die Boeren die die Straße beherrschenden Umhlami- und Quagane-Berge am Nordufer deS Tugela besetzt. Aus »nn Sululande erfahren wir, daß die dort vorrückenden Boeren weit stärker al« bisher angegeben und nicht 2, sondern S Geschütze, darunter Belagerungsgeschütze und 80 Wagen mit sich führen. Nicht« konnte besser da« Hinfällige der englischen Behauptung beweisen, die Boeren hätten längst ihren letzten Mann an die Front gebracht und keinerlei Truppen mehr disponibel, ja, sie müßten, um Buller widerstehen zu können, Eronje'S Truppen von der Modder berholen. — Ladysmith geht eS schlecht, Fieber und Dyscenterie greifen immer mehr um sich und die Zahl der Todesfälle steigt von Woche zu Woche in beunruhigender Weise. Die angebliche Meldung, man schlachte in Ladysmith täglich 30 Ochsen, ist natürlich erfunden. Folgende sonderbare Meldung kommt aus Brüssel, 14. Februar: In einer Correspondenz deS „Petit Bleu" auS Pretoria wird versichert, daß in den letzten Tagen de» De- cembcr 2000 englische Soldaten an den Ufern deS MaputaflusseS an der Grenze von Swasiland nnd dem portugiesischen Gebiete angekommen seien, die während deS Rückzuges auf Dundee von den Truppen White's getrennt worden und Wochen lang im Znlu- lande umhergeirrt seien. Sie seien ohne Stiefel und stark ausgehungert auf portugiesischem Gebiete an gelangt, wo sie entwaffnet worden seien. Von diesen 2000 Engländern glaube man, sie seien mit General White in Ladysmith eingeschloffen. Uebcr Buller'S verschiedene Entsatzversuche wird uns aus London, 12. Februar, noch geschrieben: „Wir werden täglich bescheidener. Heute freuen wir unS schon, daß Buller's Heer glücklich einer fürchterlichen Falle entgangen, welche Joubert hier zwischen den Onderbrook- und Brakfontein-Hügeln gestellt. Dort hatte der böse Boeren- führer heimlicherweise riesige Belagerungsgeschütze auf den steilen Höhen postirt, die gänzlich versteckt, dem Späherauge des Generals Buller und seiner Stabsofficiere, wie seiner Plänkler entgangen waren, als zum guten Glück ein Insasse deS Fessel ballons die „Lonz TomS" entdeckte und den General recht zeitig warnte. Damit ist jedenfalls der Beweis erbracht, daß cS sich keineswegs um eine Niederlage bei diesem dritten Scheitern eines Entsatzversuches, sondern lediglich um eine „taktische Vorsichtsmaßregel" handle, welche General Buller „hohe Ehre" macht. So allen Ernstes zu lesen in fast sämmtlichen heutigen Blättern. Die hübsche erfundene Ballonentdeckung war schon gestern gemeldet, aber wenigstens von den ernsteren Blättern noch nicht als Erklärung für den dritten Rückzug Buller'S benutzt worden Einige der letzteren sind auf Grund der heutigen Meldungen zu der weiteren Entdeckung gelangt, daß dieser Rückzug auch strategisch ein Meisterstück war, sintemalen eS sich inzwischen heraus stellte, daß der böse General Joubert auch seinerseits über den Tugela gegangen und zwar in einer Richtung, die in ihrer Fortsetzung notbwendig mit der Rückzugslinie General Buller's coüidiren mußte. Herr Winston Churchill, welcher nach wie vor den englischen General in hingebenstcr Weise secundirt, hat inzwischen auch dessen neuestes Orakel herüber gekabelt. General Buller hat offenbar seine frühere Prophezeiung, er werde in acht Tagen in Ladysmith sein, vergessen und erklärt jetzt, der Entsatz Ladysmiths sei eine „ver lorene Hoffnung" und er müsse jetzt das Heer für die Vertbeidigung Natals erhalten. Also auch der Einmarsch in den Freistaat durch die DrakenSbcrgpäffe ist von ihm auf- aegeben, was allerdings nicht Weiler verwunderlich, zumal selbst officiöS zugegeben wird, daß er seine Artillerie bereits am 9. und 10. Februar von Zwartskop zurück gezogen und unsere eigenen Privatkabcl melden, er be finde sich in vollem und schleunigem Rückzüge auf Estcourt und seine Avant-Garde sei bereits im Gefecht mit den auf den Doornkop-Straßen vorrückendcn Truppen Jonbert'S. Ueberaus auffällig ist, daß Winston Churchill bereits am 9. Februar wieder vom Lager in Frere auS telegrapbirt: „Ein ziemlich sicheres Anzeichen, daß der gemeldete Rückzug Buller's thatsächlich in vollem Gange und vom kleinen und großen Tugela nichts mehr zu hören ist." Churchill selbst suhlt sich zu einer großen Apologetik der gesammten Operationen Buller'S veranlaßt, die sich für den Unparteiischen allerdings wie eine Anklageschrift liest. Er kabelt: Frere Camp, 9. Februar, 10,15 Vormittag. Da der Besitz des Vaalkrantzhügels keine gute Aussicht für einen weiterenVormarschzu versprechen schien, so befahl General Buller dessen Räumung. Bei Anbruch der Nacht begann der Rückzug der Brigade des Generals Hildyard (unser Special- correspondent hatte uns bereits gemeldet, daß eS Hildyard'S Brigade war, welche nach der fluchtartigen Räumung deS Vaalkrantz durch die Brigade Lyitleton den Rückzug deckte), die Brücke wurde um Mitternacht abgebrochen. Während deS 8. Februar ging die ganze Armee in daS Lager bei Spearman und Springfield zurück, um einen neuen Vorstoß in anderer Richtung vorzubereiten. (DaS ist natürlich nur eine Deckphrase.) Ich benutze diese Gelegen heit, um bezüglich deS Feldzuges in Natal eine allge meine Erklärung abzugeben: Die ursprüngliche Ursache der unglücklichen Bedingungen und Schwierigkeiten, welche jetzt vorliegen, entspringt der Wahl Ladysmiths, vor drei Jahren als strategisches, militärisches Centrum. General Buller gab damals osficiell seine Ansicht dahin ab, daß e« unmöglich sein würde, irgend einen Theil deS nörd lich vom Tugela liegenden Dreiecks Natals zu halten. Zudem war die Lage von Ladysmith aus der Thalsoble eines von Hügeln umgebenen Kessels tactisch und sanitär schlecht, trotzdem wurde auf dem Jrrtbume beharrt. Bei Beginn des Krieges traf General Sir George White ein und fand fast für 20 Millionen Mark V orräthe inLady- smitb und die Hauptstadt selbst als ein große« Militär-Depot und strategisches Centrum. Wie die Presse rc., unterschätzte Sir George White die Kampfkraft der Boeren. Welch ein Entrüstungsschrei wäre damals erschollen, hätte man Lady smith aufgegeben. Sir George Wbite, welcher jedenfalls nicht glaubte, daß die Boeren im Stande sein würden, eine längere Be lagerung aufrecht zu erhalten und noch viel weniger einen wirklichen Sturm zu unternehmen, beschloß Ladyimith zu halten AlS Sir RedverS Buller in Capstadt ein ¬ traf, hielt er eS für nötbig, einen Versuch zu machen, Sir George White glücklich über den Tugela zu bringen, und glaubte, daß die Wiederherstellung der Lage in Natal von größerer Dringlichkeit sei, als eine Offensivbewegung in den Oranjefreistaat, und daß daS Schicksal der Garnison vonLadysmithvon allerhöchster Bedeutung und größtem Einflüsse auf die Entscheidung sei. ES ist ein guter allgemeiner Grundsatz, niemals Garnisonen im Stiche zu lassen und so wurde der Entsatz von Ladysmith beschlossen. Die Nachricht dieser Entscheidung wurde nicht nur zu Hause mit Befriedigung ausgenommen, denn nie mand zweifelte daran, daß eine bedeutende Streitmacht, wie die Buller'S, die Verbindung mit Ladysmith leicht wieder- herslellen, oder auf alle Fälle dessen Garnison befreien und fortbringen könne. Sir Redvers Buller indessen, welcher die ungeheuren Schwierigkeiten deS TerrainS zwischen Cbiveley und Ladysmith kannte, betrachtete diese Anstrengung von vornherein als eine verlorene Hoffnung. (Man sieht, eine wie trostlose Aufgabe die officiöse Mohrenwäsche bat, welche in so talentvollen Händen, wie die Churchill's ist: Der Arme muß selbst so tbun, als habe er nicht eben erst und nach einander rühmend gemeldet, Buller halte den Schlüssel zu Ladysmith in den Händen, werde in 8 Tagen dort sein, die Lage sei entschieden hoffnungsvoll, es sei ganz ausgeschlossen, daß die Boeren die nördlich vom Tugela eingenommenen Stellungen auch nur angreifen könnten u. s. w. u. s. w.!) und so fühlte er sich nicht berechtigt, einem Untergebenen diese zweifelhafte Aufgabe zu überlassen. (Deshalb also nur kam Buller höchstselbst von Capstadt nach Estcourt!) Die Lage in Natal gestaltete sich wie folgt: Die Boeren hielten Ladysmith mit eiserner Faust umklammert, jede Seite desselben mit Verschanzungen und rings um dasselbe Drahtzäune ziehend. Ebenso hielten sie die den ganzen Tugela entlang laufenden Höhenzüze besetzt. General Buller'SAufgabe besteht darin, Fluß und Höhen- züge zu forciren, von denen der erstere vermittelst einiger Fürthen zu übersetzen ist, während die Hügel jenseits auf allen möglichen Angriffsstellen stark befestigt sind. Es ist unmöglich, Angriffe zu vermeiden, denn der Feind hält den inneren Zirkel und besitzt die höhere Beweglichkeit, deshalb werden wir überall, wo wir den Angriff versuchen, die Hauptmacht der Deckarmee der Boeren vor unS finden. Die Schwierigkeiten der Flußübergänge gaben dem Feinve reichlich Zeit, sich zu verschanzen, aber die ganze Flußlinie war bald von ihm be festigt. General Jonbert'S kühner Vormarsch im November gegen Süden auf Estcourt und Pieter maritzburg diente diesen Vorbereitungen und Be festigungsarbeiten als Deckung. Die Belagerungslinien nm Ladysmith sind so stark gemacht, daß eine un bedeutende Truppenzahl jeden Ausfall der Garnisonen verhindern kann. Der Rest der Boerenarmee, welcher verschieden auf 12 000 bis 25 000 Mann geschätzt wird (General Buller scheint heute noch gerade so schlecht über die Stärke seines Gegners unterrichtet zu sein, wie zu Beginn deS Feldzuges), bleibt so für die Vertbeidigung gegen General Buller zur Verfügung. Als Letzterer erkannte, daß jeder Angriff doch zu einem Frontalangriffe werden müsse, beschloß er zuerst, auf der Eisenbahnlinie anzugreifen. Die Schlacht von Colenso wurde geschlagen. Das Ergebniß ist bekannt. Die außerordentliche Stärke der feindlichen Stel lungen erfordert nach Ansicht deS deutschen Militärattaches zwei angreisendeArmeecorp». Nach Eintreffen der Verstärkungen wurde eine Anstrengung ge macht, mit Hilfe eines Scheinangriffes (?) auf Potgieters Furth gegen TrichardS Furth vorzugehen. Hier gelang e« beinahe, aber im kritischen Augenblicke bebte Sir Georges Warren davor zurück, einen blutigen Frontalsturm auf die zweite Stellung der rechten Boerenslanke anzuordnen. Gefangene Boeren drücken ihr Erstaunen darüber auS, daß daS Heer den von ihnen für ganz unmöglich gehaltenen Versuch des Durchbruches ihrer Linien überhaupt unternahm. Indeß griff General Buller noch einmal an, in der Absicht, den Druck auf Sir George White etwas zu erleichtern, in dem er die Hauptmacht der Boeren am Tugela festhielt (also nicht, um, wie behauptet wurde, Joubert abzuhalten, Verstärkungen zum Schutze von Bloemfontein, resprclwe gegen den Einbruch von Lord Robert-' oder Lord Metbuen'S Streit kräften in den Freistaat zu verhindern) und gleichzeitig in der Hoffnung, bei günstigem Terrain sich in der Ebene von Lady smith auf einem Puncte festzusetzen, aus dem er eine Basis zur HerauSbringung Sir George White's hätte machen können. «Das klingt verzweifelt, gewunden und geschraubt, wie Jemand, der nach einer unmöglichen Entschuldigung und Erkärung sucht.) So wurden die Vaalkrautzhöhen ge nommen. Unglücklicherweise bestehl keine regelrechte Auf nahme deS Geländes zwischen Tugela und Ladysmith. Es war deshalb unmöglich vor der Besetzung der Vaalkrantz- bügel festzustellen, ob dieselben ein weiteres Vorrücken be günstigten, für Artillerie geeignet waren u. s. w. Die Abwesenheit einer guten Karte kostete viel Blut. In der Folge erwies sich Vaalkranz als ungeeignet. General Lyttleton, welcher ibn nahm und hielt, berichtete, daß sich in seinem Rücken starke Positionen befänden, jede Gelegenheit für die Verwendung von Artillerie fehle, und er außerdem auf beiden Flanken seiner hufförmigen Stellungen einem schweren Feuer der großen feindlichen Geschütze ausgesetzt sei. General Buller gab der Artillerie eine Gelegenheit, den Feind auS seinen Stellungen zu vertreiben, aber dieser war durch die verschwindenden Berge (?) und die außer ordentliche Tragweite seinen Kanonen geschützt. Vielleicht wäre es. Dank der vorzüglichen Qualität der Truppen, möglich gewesen, dem Feind über Brakfontein oder Doornkloof zurückzuwerfeu, aber die Operation würde voraussichtlich 3000 Mann gekostet haben, und do mindestens zwei Brigaden die Thür hinter unS offen halten müssen, so wären unS zu wenig Truppen geblieben, um die weiteren Boerenverschanzungen anzugreifen, welche die Ebene von Ladysmith sperren. (Churchill bestätigt damit nur, wa« unser Speciakcorrespondent schon vor einem Monate Hervorbob, daß nämlich Buller, selbst wenn er in die Ebene von Ladysmith „siegreich" hinringelange, dort doch nur daS LooS General Wdite'S «heilen und seinerseits ein Gefangener Joubert'« werden würbe.) Zudem war die Wasierfrage sehr ernst; Mongerpoort, wo sich gute« Wasser in Fülle befindet, ist thatsächlich von den Boeren in eine Festung verwandelt. Wäre Buller'« Streitmacht lediglich eine Enrsatzcolonnr für
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