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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.02.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-02-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000216023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900021602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900021602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Abend-Ausgabe Wger TaMatt Freitag den 16, Februar 1900. Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/.7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um b Uhr. Filialen: Ulsieü Hahil vorm. v. Klemue'S Sortiur. Universitütsstratze 3 (Paultnum,, L-uiS Lüsche. Latharinenstr. 14, part. und Königsplatz 7. Re-action und LrpeLitiou: 2oba»ni-sasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. BezugS-Preis der tzauptexpedition oder den im Stadt- kejirk und den Bororlen errichteten Aus- ^bestellen abgeholt: vierteljährlich ^4.50, kei zweimaliger täglicher Zustellung in« Haus »i b.bO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertrstädrlick 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandiendung ins Ausland: monatlich 7.ü(>. Auzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Neclamen unter dem Redactivnsstrich (4ge- jpalten, üO/^, vor den Familiennachrichlen (6gespalten) 40/^. Ärvstere Schriften laut unserem Preis- verzeichn^. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. —»<—e-— <-rtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesorderong 60.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. ^nnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabr: Bormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig SL Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 16. Februar. Nachdem der Reichstag gestern die zweite Lesung deS ColonialetatS durch Bewilligung einer weiteren Rate für die Eisenbahn von Swakopmund bis Windhoek und durch Ablehnung der Forderung von 1,7 Millionen Mark zur Er werbung eines Grundstückes für ein Dienstgebäude der Colonial-Centralverwaltung erledigt hatte, ging er zum Etat deS ReichSeisenbahnamtS über und verwendete einige Stunden auf eine Debatte, vie allem Anscheine nach nicht daS geringste Resultat haben wird. Es handelte sich um die Personentarif-Reform, die schon seit der Zeit deS seligen Maybach in Aussicht gestellt worden, bis jetzt aber ein frommer Wunsch geblieben ist und bei der Lage der Dinge durch ReickStagSverhandlungen und -Beschlüsse auch nicht gefördert werden wird. Ausgerollt wurde die Frage durch die freisinnigen Fraktionen, die in einer Resolution ihr Ver- billigungSprogramm dem Hause zur Genehmigung vorlegten, unbekümmert darum, ob sie dadurch die Schwierigkeiten, welche die zur Zeit zwischen den deutschen Eisenbahnverwaltungen verhandelte Tarifreform zu überwinden hat, vermehrten, statt sie zu vermindern. Herr v. Thielen, der als der Chef der Verwaltung der reichsländischen Eisenbahnen zugegen war, zögerte nicht, als preußischer Eisenbahnminister Rede zu stehen. Die geplante Reform, die eine Vereinfachung durch Beseitigung aller Begünstigungen, wie Rückfahrkarten, Rund reisehefte, Kilometerhefte u. s. w. anstrebt und eine Ausgleichung durch entsprechende Herabsetzung deS Preises der einfachen Fahrkarte bieten will, ist in den Grundzügen wiederholt parlamentarisch erörtert worden und sowohl in den Einzcllandtagen wie im Reichstage bat man erkannt, daß ein Refornibedürfniß mehr in der Richtung auf die Vereinfachung, «lö auf HerabseHung deS Tarifs vorliegt. Wenn trotzdem für die breiteren Bevolkerungsschichten eine erhebliche Verbilligung herauskommt, so ist eS am wenigsten verständ lich, warum gerade die „freisinnigen" Fractioneu die Begün stigungen conserviren wollen. Diese unbekannten Gründe wurden auch durch dieAbgg.Mü lle r-Sagan und Schrader nickt klar; von dem Letzteren erfuhr man nicht viel mehr, als daß er für die „schönen" Privatbahn-Zeiten schwärmt. Zn dieser Beziehung tonnte ihm der Minister v. Thielen, der auch einmal Directionsmitglied einer Privateisenbahn gewesen ist, die Erinnerung einigermaßen auffriscken. Man nehme, meinte der Herr Minister, nur einmal den ehemaligen Tarif der Anhalter Bahn oder auch der Rheinischen zur Hand! Die Privatbahnen hatten recht weite Grenzen für die Tarifformirung und verfuhren unbehelligt nach dem finanziellen Interesse der Gesellschaft. Dagegen sind seit den Verstaatlichungen Ermäßigungen namentlich der Gütertarife eingetreten, deren Betrag sich jährlich auf 100 Millionen Mark berechnet. Gegen eine Verminderung der Einnahmen im gegenwärtigen Augenblick machte der Minister namentlich geltend, daß in Folge der starken Material beanspruchung eine Steigerung der Ausgaben eingetreten ist, der die Eisenbahnverwaltungen nicht ohne Sorge gegenüber stehen. Bezüglich des Gelingens der Reform äußerte sich Herr v. Thielen nicht allzu zuversichtlich. Die tiefgreifenden Verschiedenheiten in den Tarifeinrichlungen Süd- und Nord deutschlands machen die Ueberbrückung des Mains in dieser Beziehung schwer. Eine Hauptschwierigkeit scheint namentlich in der vierten Classe zu liegen, die Preußen nicht aufgeben nnd die man im Süden nicht annehmen mag. Daran wird auch durch die beantragten Resolutionen nichts zu ändern sein, über die Haus erst bei der dritten Lesnng abstimmen wird. Obgleich die Gegner der Flottenverstärkung mit allen nur denkbaren Mitteln ihre Agitation betreiben und besonders jeden kleinsten Fehler der Freunde der Flottenvorlage für ihre Zwecke auSnutzen, vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über eine neue Ungeschicklichkeit eines dieser Freunde berichtet würde. So liegt heute ein Bericht über eine seltsame Rede vor, die der katholische Divisionspfarrer Dr. Pörtner aus Straßburg in Düsseldorf in einer Versammlung des Deutschen Flottenvereins gehalten hat und die zur Abwehr bcrauS- fordert. vr. Pörtner hielt es nach seiner ausdrücklichen Erklärung nickt für seine Aufgabe, die Nothwendigkeit der Verstärkung nnsererFlottevom wirthschaftlichen.industriellcn und militärischen Standpunkte aus darzulhun, sondern erörterte jene Momente der Flottenfrage, „welche aus der Seele des deutschen Volkes heraus und aus dem Willen des deutschen Kaisers auf die Nothwendigkeit einer starken Flotte für Deutschlands zu künftige Entwickelung Hinweisen". Für die Art, in der vr. Portner das so gestellte Thema behandelte, ist der nach stehende Satz kennzeichnend: „Wenn wir . . den Landessürsten wirklich als von Gottes Gnaden uns gegeben ansehen, wenn wir unseren Kaiser als unseren Landesvater betrachten, ihn als solchen in kindlicher Treue und Verehrung Hockachten und lieben, wenn wir annehmen, daß in dem Berhältiisse des Kaisers zu seinem Reiche der gleiche harmonische Zug liegt, wie in dem eines Vaters zu seiner Familie, dann sehen wir wahrlich die Verpflichtung nicht als ausfallend, sondern als gerechtfertigt, ja heilig an, den Willen des Kaisers zu respectiren." Die Verpflichtungen deS deutschen und des preußischen Staatsbürgers gegenüber dem Kaiser und dem Könige sind umschrieben in der Reichsverfassung und in der Verfassungs urkunde für den preußischen Staat. Diese Verpflichtungen geben in ausreichendem Umfange dem Kaiser und dem Könige, was deS Kaisers und Königs ist. Ueber sie hinaus auf Grund mystischer Tüfteleien über GotteSgnadentbum und Reichsfamilienvaterschaft neue Pflichten des Gehorsams zu construiren, widerstreitet ebenso verdeutschen und der preußi schen Verfassung, wie eS die Sacke der Flotte schädigt. Phan tastereien solcher Art führen lediglich Wasser auf die Mühle Derjenigen, die fälschlich behaupten, daß die Frage der Flotlenverstärkung mit absolutistischen Neigungen Zusammen hänge und dazu benutzt werden solle, nickt nur den Reichstag, sondern auch den Bundesrath um ihre verfassungsmäßigen Rechte zu bringen. So gewißdem deutschen Flottenverein derartigeTen- venzen fernliegen,so wenig sollte ersich derVerpflichtung entziehen, in dieser Nia-lung nirgends falsche Vorstellungen aufkommcn zu lassen. Der Deutsche Flottenverein tbäte daher gut, wenn er Herrn vr. Pörtner in aller Form desavouirte; und für Vie Zukunft müßte der Deutsche Flottenverein sorgfältiger als bisher die Redner, welche die Flottensackc vertreten, auS- wählen, damit Entgleisungen, wie die in Rede stehende, ver mieden werden. An der Ausnützung der letzteren werden die Gegner der Flottenv-rstärkung allesammt es nicht weniger fehlen lassen, als z. B. die „Köln. Volksztg.", der wir den obigen Wortlaut der Pörtner'schen Ausführungen entnommen haben. Als vor etwa secks Wochen das militärische „Experiment" gemacht wurde, eia russisches Armeekorps nach Kuschk zu befördern, geschah dies, der russischen Presse zufolge, weil Rußland wegen des anscheinend nahe bevorstehenden Todes deS Emir Abdurrahman auf alle Eventualitäten vor bereitet sein müsse, und weil auch die jüngst unter indischen Grenzstämmen hervorgetretene Unzufriedenheit Vorsichtsmaßregeln nöthig mache. Neuerdings ist nun noch ein zweites Armeecorps von Merw in südlicher Richtung nach der afghanischen Grenze befördert worden. Zn Londoner politischen Kreisen nimmt man indeß, wie der „Münck. Allg. Ztg." von dort geschrieben wird, keineswegs an, daß Rußland in nächster Zeit einen Einfall in Afgha nistan zu machen beabsichtigt. Man hebt vielmehr hervor, eS sei seit Zähren eine russische Gewohnheit, Demonstrationen gegen Afghanistan zu machen, während in Wirklichkeit die Petersburger Regierung ihre aggressive Tbätigkeit auf ein ganz anderes Ziel richtete. Zm gegenwärtigen Fall, so wird weiter auszesührt, handelte es sich für Rußland einfach darum, die Blicke Englands aus Afghanistan zu fixiren, um in Persien um so ungestörter arbeiten zu können. Die Verhandlungen betreffs des Finanzabkommens mit der Regierung des Schah waren in der Thal so vollkommen ge heim gehalten worden, daß die vollendete Tbatsache die ganze Welt — am meisten aber England — überrascht bat. Die britische Regierung ist sich natürlich sofort in vollem Maße bewußt geworden, eine wie ernste Lage dadurch für Zndien und das britische Reich geschaffen worden ist, und sie ist zu der Neberzeugnng gelangt, daß sie irgend einen wirksamen Schritt thun muß, um zu Verbindern, daß nicht auch in Süd-Persien über „britische Interessen" einfach zur Tagesordnung über gegangen wird. Die russische Politik hält ihre Ziele unver wandt im Auge und verfolgt sie mit Ruhe und Consequenz. Eines der vielen Ziele, auf die sie beharrlich binstrebt, ist die persische Küste. Es ist klar, daß eine Ansammlung von Truppen in Kuscht mit Bezug auf die Verwirklichung der russischen Pläne in Persien ihre sehr wesentliche Bedeutung bat. Denn von Kuschk auö können diese Streitkräfte sehr leicht für Zwecke in Persien verwandt werde». Diese russische Armcedemonstration beabsichtigt die Londoner Regie rung durch die Entsendung eiqeS Geschwaders in den Per sischen Golf zu beantworten. Der Krieg in Südafrika. Von der gelammten englischen Presse wird fortgesetzt der Einmarsch Lord Roberts in den Lranjefreistaat mit Artikeln offenster Herzerleichterung begrüßt, die mit rück schauenden Einleitungen die neuesten Ereignisse in Zusammen hang mit der bisherigen Sachlage bringen, sie erklären und mit Hoffnungen, Wünschen und Speculationen für den weiteren Verlaus begleiten. Man stellt mit Befriedigung fest, raß Roberts über vier Infanterie-Divisionen, die erste aus den früher in Südafrika stehenden Einheiten zusammengestellte, die neunte, die sechste und die siebente, und fast 7000 Reiter verfügt. Man nimmt an, daß die Boerenstellung bei MagerSfontein im weiteren Verlauf des Vormarsches (Um- gehungsversuch in nordnordöstlicher Richtung auf Kimberley zu) unhaltbar und die Boerenmacht gleichzeitig von dem Marsche auf Bloemfontein abgedrängt, auch sonst iu der Flanke bedroht werbe. Ein Treffen erwartet man nicht vor heute (Freitag), Nachricht über das Er- gebniß etwa Sonntag oder Montag. Nach der „Köln. Zeitung" hätte Lord Roberts zu seinem Vorstoß etwa in der Hand: sieben bis acht Brigaden Infanterie (28 000 Mann), sechs Cavallerie- regimenter (2400 Säbel), 4000 Mann berittene In fanterie und mindestens 90 Geschütze. Wieviel dieser stattlichen Macht die Bo er en, über die Piet Cronje den Oberbefehl führt, entgegenstellen können, ist noch weniger zuverlässig zu ermitteln, eS mögen 10 000, 20 000, mit der Zeit vielleicht gar 30 000 Mann sein. DaS Gelände bei Modder-River ist von dem Treffen von MagerSfontein am l l. December, in dem sich die Hochländerbrigade vor den Sckanzen der Boeren verblutete, bekannt; noch heule halten Briten wie Boeren dieselben Stellungen besetzt. DaS ganze Positionsbild nördlich des Modder erinnert an einen Bogen, dessen Krümmung die boerische Stellung und dessen Sehne die Stellung der Briten bildet. Wie der auf den Bogen aufgelegte Pfeil zieht die Bahnlinie sich mitten durch beide Stellungen hindurch nordwärts nach dem etwa 30 km von den britischen Vorposten gelegenen Kimberley. Dieses allgemeine Bild verschiebt sich im Einzelnen zum Vorthril der Boeren, und bei ihrem Frontalangriff am t 1. December erkannten die Engländer, daß die von den Boeren besetzten Höhen derart gelagert waren, daß ihre Truppen in die Stellung des Gegners wie in einen Sack kunemmarschirlen und dem Kreuzfeuer der boerischen Scharfschützen er lagen. Da seitdem die Boeren diese natürliche Festung noch erheblich verstärkt haben, so darf man wohl annehmen, daß Lord Robert« wegen des dabei unausbleiblichen Verluste- an Menschenleben einen neuen Angriff in der Front nickt versuchen wird. Die „Erkundung", die General Macdonald vor Kurzem nach Westen nach dem KoodoeSberze unternom men bat, scheint ferner gelehrt zu haben, daß eine Umgehung der Boeren auf dieser Flanke unmöglich ist; wahrscheinlich war daher von vornherein, daß Feldmarschall Roberts eine Umgehung de« linken Flügels der Boeren nach Osten versuchen würde. Hier liegt 16 km ostsüdöstlich vom Lager am Modder der von etwa 250 Boeren bewohnte Ort Zakobsdal, wo die Boeren große Vorräthe angehäuft haben. Zum Schutze dieses Depots haben die Boeren zwischen dem Modder- und dem Nieisluß auf der Straße Spytsontein-ZakobSdal starke Feld befestigungen errichtet. Zm Allgemeinen aber ist das Gelände hier im Osten flacker, und Ortskundige behaupten, daß ein Versuch, Kimberley zu entsetzen, mit Aussicht auf Erfolg nur von dieser Seite auS unternommen werden könne. An der Stelle, wo die Bahn bei der Station Modder River den Fluß überschreitet, mündet der in nordwestlicher Richtung strömende Modder in den Rietsluß, der seinerseits bi- zu dieser Flußgabel im Allgemeinen die Richtung von Süvosten nach Nordwesten beibehält, um von hier auS nach Westen dem Vaalflusse zuzuströmen. Soweit sich jetzt auS den spärlichen Nachrichten ein Ueber- blick gewinnen läßt, scheint es, daß Feldmarschall Roberts in einer weit nach SUdoslen auSholenden Bewegung den Riet- fluß südöstlich von Zakobsdal, dort, wo dieser in einer scharfen Biegung gradeswegs nach Süden fließt, überschritten und dann, Zakobsdal westlich liegen lassend, in nord östlicher Richtung gegen den Modder und über diesen hinaus vorgegangen ist. Zur Deckung seines Rücken- und seiner Flanke und um die Boeren in der Front bei Spytsontein und MagcrS- fontein festzuhalten, ist offenbar Lord Methuen mit stinerDivision bei der Station Modder River stehen geblieben, so daß Lord Roberts, was wenigstens die Infanterie angebt, nur frische Truppen gegen den Feind fübrt. Sie scheinen von der Hitze mehr gelitten zu haben, als durch das Feuer der Boeren, denn es wird ausdrücklich berichtet, daß die Cavallerievorhut unter French nur geringen Widerstand fand. Eö war zu er- FeiröHetsn. Hans Eickstedt. Rowan in zwei Bänden von Anna Maul (M. Gerhardt). Siach»>uck »erd»»». ,-Das Fräulein Trudchen wird ja wohl immer ein Fräulein bleiben", meinte Luise treuherzig. „Woher wissen Die das?" rief Gertrud lachend. „Ach, das weiß ich schon; Sie wollen ja keinen Mann. Fräulein Trudchen haben sich niemals nach den jungen Herren umgosehen." „Weiter fehlte auch nichts", bestätigte Gertrud. „Aber was ist das für dummer Schnack, Lu'ise? Sie denken wohl selber ans Heirai'hen? Nur heraus mit dem Geftäckdniß." Luise hatte die Fänger vor den Augen und wollte sich vor ver schämtem Lachen ausschütten. „Na, Luise", begann Gertrud würdevoll, die Hände auf dem Rücken, „ich hoff' doch, Sie werben sich nicht an einen dummen Bengel verplempern. Das wär' ja unverzeihlich. Sie Haden eine schöne Stellung und können sich was ersparen. Sie bringen sich viel besser allein durch als mit Mann und Kind. Man hat Ihnen Zulage versprochen —" „Siebzig Thaler will die Frau Geheimräthin geben, und mitnehmen Will sie mich im Sommer ins Bad, aber „Nein" hab' ich gesagt, gnäd'ge Frau, und wenn's hundert wären —" „Also Sie haben schon gekündigt? Sie verdienen Prügel, Luise." „Aber 's ist doch solch' 'n ordentlicher Mensch, Fräulein Trudchen!" Mer und was ist er denn? Wo Haden Sie ihn kennen gelernt?" „Maurer ist er, unld kennen gelernt hab' ich ihn bei der Amalie, wo in Elbing bei Superintendent- diente, und hat sich hierher vermlethet nach Berlin und dann hier geheirathet. Bei der hat der Ludtvig Schlafstelle. Und di« kennt ihn doch, daß er seine Arbeit hat und seinen guten Verdienst und daß er nicht trinkt." „DaS ist doch di« Hauptsache", erklärte Gertrud sachverständig. ,-Di« Amalie hat 'nen kleinen Grünkram, wissen Sie, Fräuleln Trudchen, Milch und Vorkost und Käs« und Bier und 'n« Wäscherolle. Der Monn arbeitet beim Röhrenden. Dir ist ja auch soweit ganz zufrieden. Leicht hat sie'S gerad' nicht, und daS Kind ist auch schon da, aber man will doch nicht sein Leben lang dienen." „Wann soll denn nun die Hochzeit sein?" fragte Gertrud. „Ach, noch lange nicht. Zum Sommer verreisen Geheim raths, bis dahin blei-b' ich. Wenn Fräulein Trudchen dann möchten die Güte haben und möchten mir helfen die Möbel kaufen für die gute Stube — Fräuleinchen verstehen doch besser, wie so was muß sein, als wie unsereins." „Gewiß, dabei helfe ich, wird mir eine Ehre sein", versichert« Gertrud. „Haben Sie denn ein hübsches Sümmchen an die neue Einrichtung zu wenden?" ,/Mein Sparcaffenbuch wird eingelöst, und dann muß es reichen. Nachher will ich lernen Maschlnennähen, denn daß ich Aufwartestellen annehme, das will mein Ludwig nicht leiden." „Nun, Luise, ich wünsche Ihnen recht viel Glück — und daß Ihr Ludwig sich als braver Mann bewähren möchte", sagte Gertrud und reichte dem Mädchen die Hand. Dieses drückte ihre Lippen darauf und ließ ein paar Thränen darauf niederfallen. „Manchmal ist mir ja, als thät' ich in mein Unglück rennen", sagte sie, plötzlich sehr kleinmüthig. „Aber nun hab« ich Ja ge sagt, uetd der li«b« Gott wird ja wohl weiterhelfen." „Verlassen Sie sich aber nicht allein auf den lieben Gott, sondern auf Ihre eigene gesunde Vernunft, Luise, denn die hat der liebe Gott Ihnen gegeben, damit Sie sie brauchen sollen, das ist seine Hilfe", erwähnte Gertrud sehr ernsthaft. Nachdem Luise fortgegangen, warf Gertrud auf das Sopha. Im Stübchen war es dämmerig geworden, die Lichter aus den gegenüberliegenden Fenstern der Seiten- und Quer- gebäüde blickten durch die geschloffenen Gardinen. Gertrud fühlte Bn dumpfes Kopfweh und hätte gern« eine Viertelstunde ge schlafen. Aber jeder Schritt in dem schmalen Corridor, auf den ihr Zimmer mündete, jedes laute Wort, das in den Neben räumen gesprochen wurde, fiel wie ein Hammerschlag auf ihre Nerven. Jetzt begann überdies eine der Hochschülerinnen drüben ihre Hebungen auf dem Piano. Gertrud kannte diese ewig wieder holten Passagen aus Eramer'S Etüden nur zu genau, es war wie da- unausgesetzt« Schaukeln eines festgebundenen Bootes im Fahrwasser eines großen Dampfers. SS machte seekrank, ohne daß man aus hob« See kam. An Einschlafen war jetzt nicht mehr zu denken. Aber ein müde- Träumen umfing Gertrud, in dem allerlei Gedanken und Bilder austauchtrn und arabeSkenhaft verschlungen in- einvndevf lassen. .-Sie werden immer ein Fräulein bleiben." — Die zuversichtliche Prophezeiung hatte einen heimlichen Stachel, der im Flüsche festsaß und nachträglich zu brennen und zu schmerzen begann. Und was wäre es denn, wenn Luise Recht behielte. — Doch nur, was Gertrud selber sich oft genug gesagt, waS sie aus freiem Willen für sich erwählt hatt«. War es also kein fr«i«r Wille, fühlte es ihr an der Gabe, zu gefallen, die Münner zu fesseln? — Warum aber. — Weil sie verschmähte, um ihre Gunst zu buhlen? — Ja, wenn Vas Bedingung war . . Käthe war die Jüngere und weder hübscher noch klüger als Gertrud, — warum sich nicht offen Singestrhen, was doch That- sache war. Jräilich, wenn Gertrud gewollt hätte — Theodor Künder hatte sich anfangs viel mehr um sie bemüht als um Käthe. Aber sobald er anfing, warm zu werden, war sie kühl geworden — eiskalt. — Später, als er sich mit Käthe verlobt hatte, waren sie wilder die besten Freunde geworden. An Freun den hatte cs Gertrud überhaupt niemals gefehlt, aber lieben —? Wem war sie denn in ihrem Leben schon begegnet, der es werth war, von ihr geliebt zu werden? Unter den Elbinger Herren hatte es keinen einzigen gegeben, dessen Nähe ihr das Herz schneller schlagen machte — vielleicht — war Vies Herz auch wirk lich gar nicht darauf eingevichtet .... Sehr merkwürdig, daß Eickstedt sofort bei der ersten Be gegnung mit Vera von Martiny Feuer gefangen hatte. Einer verheiraiheten Frau — er hatte ihr j^venfalls nachgespürt — schwerlich war das Zusammentreffen in der Leipziger Straße reiner Zufall getwSsen. Aber wie sie ihn auch angeblich, an gelächelt hatte — „Einen Mann verrückt zu machen — zum Verbrecher zu machen", hatte er gesagt. Freilich, wenn rin« verheirathete Frau solche Blicke für fremde Männer hat, dann muß etwas in ihr glühen, ein fieberndes Be gehren, ein unersättliches Glücksverlangen Ist daS einfach verabsckeuungswürdig? Oder ist eS das, was der Sckönhoit des Wei'bes den eigentlichen Reiz verleiht, sie unwiderstehlich macht und den Willen des Mannes ihr unter wirft? — Ist das die Nalurmackt. die sich im Weibe verkörpert, das Dämonische, Göttliche, V«rhängnißvolle? „Sie wcüden immer «in Fräulsin bleiben." Aber daS war ja längst beschlossene Sache. Hatte sie nicht ihre Kunst? Ihre Kunst? — Ach sa, — Aber wenn die Kunst das Leben auSfüllen soll, muß sie ihren Jünaer weihen mit dem Kusse des Genius, ihn über die Maße der Stümper, die ihr Leben lang über die untersten Stufen in ihres Tempel- Vorhof Vicht hiimxa- klim'men, emvortragen, hoch, hoch! — Ob Eickstedt gang vergessen, daß er sich bei ihr angemeldet hatte? In den ersten Tagen nach jenem unvergeßlichen Spaziergang im Miergarten batte Gertrud immer Blumen mit nach Hauke gebracht und ihr Zimmercken festlich geschmückt. Dann hatte sie das verdorrte Kraut fortgeworfen und Alles genau so geordnet wie gewöhnlich. Sie war ihm ja nur so von ungefähr wisber in den Weg ge laufen. — Er war eine impulsive Natur — hatte tm Augenblick das Bcdiirfmß gehabt, sich auszusprechen — es hatte ihn nach einer treuen Seele, einem theilnehmewoen Schwester herzen verlangt .... Und sie —? Sie hatte sein Bild in sich herumgetragen, der Ton seiner Stimme hatte in ihrem Innern wiedergehallt, zu jeioer Stunde, zu jeder Minute .... And die Nachmittage, die sie ihm zur Verfügung gestellt, waren ein Auf und Nieder holder Erwartung, brennender Sehn sucht, teivvoller Enttäuschung gewesen. ,-Ach, warum sollte sie ihn nicht lieben? Warum sollte sie sich nicht eingestehen, daß es kein Glück auf der Welt giebt, außer seiner Liebe! Sechstes Capltel. Aus ihren Träumereien, über denen sie vielleicht wirklich ein wenig singefchlummert war, schrak Gertrud plötzlich auf. Es klopfte an die T'HLir — und diese Stimme — „Ja wohl, ich bin zu Haus«, Fräulein Eva", rief sie und eilte zur Thür. „Doctor Eickstedt, bitte, treten Sie ein!" „Gott, Sie haben es ja noch ganz finster, Fräulein Pilgrim!" lachte das junge Mädchen und reicht« ihr eine Kart«. „Sie haben geschlafen, nicht wahr? Beinah: hätt' ich Herrn Doctor abge wiesen. Warten Sie, ich bringe die Lampe." „Danke, Fräulein Eva! -Meine Lampe ist in Ordnung. Seihen Sie, jetzt ist's hell." Ein Zündhölzchen flammie auf, dann entwickelte der Docht der Sterarinkerze ein bescheidenes Licht. Eickstedt trat in die Thür, den Paletot über dem Arm, den Hut in der Hand, in tadellosem Gesellschaftsanzug. „Verzeihen Sie mein Eindringen, Fräulein Pilgrim", bat er. „Wollen Sie mir ein Hallbstündcken opfern?" Sie kam ihm entgegen, reichte ihm dle Hand und nickte lächelnd, ohne zu antworten. „Ich will n-icht stören", sagte der Backfisch schnippisch, ging und zog Vie Thür mit ausdrucksvollem Klappen hinter sich 1». . Jetzt brannte auch die Lampe. Gertrud hing einen Papier schleier darüber, der d«n Lichtkreis in zartrosa Dämmerschein tauchte, entfernte fhn aber wieder. „Nein, wir wollen uns nicht besser machen, als wir sind, meine Bude und ich. Setzen Sie sich, Doctor Eickstedt. Es ist hübsch von Ihnen, daß Sie Wort halten. Fast hatte ich schon die Hoffnung aufgegeben." „Einmal war ich schon an Ihrer Thür", erwiderte Eickstsot. „Da fiel mir's zum Glück noch ein, daß es nicht der rechte Abend war. Stimmte der Tag, so fehlte die Stimmung. Tie
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