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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.03.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-03-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000305015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900030501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900030501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-03
- Tag1900-03-05
- Monat1900-03
- Jahr1900
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Bezugs-Preis k» der Hauptexprdition oder den im Stadt- bezirk und den Vororten errichteten Slus- gobestellen abgeholt: vierteljährlich^4.üO, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hauk ^.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertrljäbrlich 6.—. Direkte tägliche Krruzbandsendung ink Ausland: monatlich 7.50. Tie Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag« um 5 Uhr, Ue-action und Erpeditio«: Johannisgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochea geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: Alfred Hahn vorm. v. klemm'« Gortim, Universitätsstraste 3 (Paulinum), Lont» Lösche, katharinenstr. 14, Part, «ad Königsplatz 7. Morgen-Ausgabe. UchMer.TllgMM Anzeiger. Amtsvlatt -es königlichen Land- nnd Ämtsgenchles Leipzig, -es Nathes un- Nolizei-Änttes -er Stadt Leipzig. A«zeigen-Pr-i- die -gespaltene PetitzeUe SV Pfg- N«rlam«u unter de«Nedartionsfteich (4am spalten) bt-^, »ar de, Anmiltennachrichka (tzgespaltaa) 40 Gröhere Echrtsten laut unser«, PrmAM verzeichnifj. Tobellarischar und Msfarnsatz nach höherem Taris. <krtr»>v«tla,«n (gefalzt), nur mit dar Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuug M.—, mit Posibeförderung ^tz ?S — Aknahmeschlttß für Anzeigek: Abrnh-Ausgab«: Bovnittag« U) Uhr- Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4Uhr. Bei de» Filialen und Annahmestellen je »i»O^ halb« Stund« sriher. Anzeigen sind stets an dt« Grpedttion zu richten. —j, Dru<k und Verlag von E, Pplz in Lsipjig. «8. Montag den 5. März 190A Si. Jahrgang, Amtlicher Theil. Offizielles Leipziger Meß-Adreßbuch. Wie zu den letzte» Messen haben mir auch zur be»or- stehenden Lster-Vormeffc für das von uuS herauSgegrbene offizielle Leipziger Meß-Adreßbuch eine Aus,«bestelle i« Städtischen Kanfhause, Telephonztmmer, I. «ber-efchvtz, errichtet. Einkäufer, welche >a, Adreßbuch nicht direkt zugcsandt bekommen haben, erhalten dasselbe dort UNeNtgeltllch gegen Eintragung ihres NamettS, Geschäftszweiges und Wohnorts in eine daselbst ausliegegde Liste. DeSgl. Wird das von uuS ebenfalls herauSgegeben« Einkäufer-Verzeichnis Aussteller» dort UNeUtgkltllch abgegeben. Mrtzbesttcher, welche in den beiden Adreßbüchern noch nicht ausgesührr sind, können ihre Anmeldung ebenfalls im Teiephonzimmcr des Städtische» Kaufhauses bewirken. Auch werden daselbst Privatmeßlokale nachgewiesen. Weitere Abgabcstellen »,r Metz-Adreßbücher der Handelskammer befinden sich bei de» Firmen: Ernst Heitmann, «rimmaische Str. 25, Paul Hungar, Markt 8, I. D. Körnig, Ritter-Str. I S, Krug L Mundt, Peters-Str. S5, Otto Meißner L Co., Nikolai-Str. s, F. W. Mylius, Thomasgafse 2, F. B. Telle, Peters-Str. 1«. Tchlictzlich liege» die Bücher noch bet einer große» An zahl von Cigarrcngeschäfteu, Restaurants, Cafes und Weinstuben der inneren Stadt, sowie iu -en vo» den Meßbesuchern am meisten besuchten Hotels zur unentgeltlichen Einsichtnahme ans. Leipzig, den 4. März 1900. Der Meß-Ausschuß der Handelskammer. ömer. *) In dem angeführten Buche ist der Briesjchreiber infolge eines Lesefehlers V. A. Gontard genannt. Es war aber Friedrich Alexander Gonlarb, der bekannte SeiSenwaarenhändler (Asfociö Schletter's), derselbe, der einige Monate daraus, am 7. Mai 1849, im Leipziger Etraßenkampfe als Mitglied der Communalgarde leinen Tod fand. Auch noch ein anderer Leipziger Name ist in dem Buche in auf» Vie Leipziger Messe vor fünfzig Jahren. Welche Bedeutung die Leipziger Messe noch vor einem halben Jahrhundert gehabt hat, zeigt eine sachkundige Schil derung aus der Feder des Leipziger Kaufmanns Friedrich Alexander Gontard aus dem December 1848. Sie findet sich abgedruckt in dem vor zwei Jahren erschienenen Buche „Aus dem Nachlaß von Karl Mathy"* *) (Leipzig, S. Hirzel, 1898). Auktion. Donnerstag, -en 8. März er., Vorm. 1V Uhr kommen Noßplatz st tNestaurant Uieliter) aus einem Eoncurfe ein gr. Posten Scknitlwaaren, woll., halbwsll., halbsci-., Lgma- und Lchürzenstoffe, sowie HcrrcnklctSerstosfe (in Stücken und ausgeschnitten) öffentlich durch mich zur Versteigerung. Ferner: t La-cneinrichtung -er Schnittwaarenbranche und Laventafel. Lokalrichter Löwbllck. Für die Meßbesucher. Während der Dauer der Messe liegt im Lesesaale der Bibliothek der Handelskammer (Neue Börse, Tr L, der städtischen Sparkasse gegenüber) eine große Reihe der wichtigsten Städte-Adreßbüchcr des Deutschen Reichs und des Auslandes zur «nentgeltlichett Einsichtnahme aus. Ebenso werden daselbst Deutsches Reichs-Adreßbuch für Ju-ustrie. Gewerbe und Handel, auch Lcuchs' Adreßbuch -er Kaufleute, Fabrikanten, Gewerbetreibenden u. s. w. für das Deutsche Reich, ferner Biesenthal's Handels- und Ge- werbe-Adretzbuch, ebenso zahlreiche Fach-Adreßbücher der keramischen, der Glasware»-, der Lpielwaren-, der Buch gewerbliche», der Eiseu-, der ElcktrizitätS-, der Textil-, der chemische«, der Musikinstrumenten-Jndustrie und viele andere kostenlos zur Benutzung im Lesesaal von S bis 12 «n- 3 bis 7 Uhr ohne vorherige Bestellung vorgelegt. Leipzig, den 4. März 1900. Die Bibliothek-Verwaltung der Handelskammer. Aufgebot. Auf Antrag des privatisirenden Fleischermeisters Ernst Moris- Hascher in Leipzig, vertreten Lurch den Rechtsanwalt Or. Ullrich daselbst, wird zum Zwecke der Todeserklärung des am 14. September 1828 in Volkmarsdors geborenen, iin Jahre 1854 als Soldat nach Amerika desertirten Gustav Adolf Müller, über dessen Leben seit dein Eingänge einer von ihm am 7. August 1855 in Cleveland Ohio ausgestellten Vollmacht keine Nachricht vorhanden ist, das Aufgebot erlassen. Der genannte Müller wird aufgesordert, spätestens in dem auf -eu 18. März 1900, Vormittags 11 Uhr anberaumlen Ausgebolstermine bei dem unterzeichneten Amtsgerichte Zimmer 165 sich zu melden, widrigenfalls er auf Antrag für todt erklärt werden wird. Leipzig, den 11. Juli 1899. Königliches Amtsgericht, Abth. 11^'. I V.: vr. Schwickert, Ass. Vcrmiethungcn. Georgiring Nr. 17 iu, Hauptzollamtsgebäude Kellerräume, asphallirt, mit Lagereinrichtung und event. Gasleitung versehen, als Meinlager passend, zu 1500 jährlich. Die Kellerräume, welche event. auch gcthcilt vcrmiethet werden können, sind vom 1. April 1900 ab zu vermietheu. Miethgejuche werden auf dem Rathhause, 2. Obergeschoß, Zimmer Nr. 20 entgegengenommen. Leipzig, den 19. Oktober 1899. Der Rath -er Stadt Leipzig. — Vr. Tröndliu. vtöMk. Nachlaß-Versteigerung. Dienstag, den 6. d. Mts., Vormittags von 10 Uhr ab sollen Elstcrstraßc 48, II. die zum Nachlasse des De. Grünewald gehörigen Möbel: Bett stellen IN. Matratzen, Federbetten, Schränke, Tische, Stühle, Lovhas. Waschtische, I Schreibtisch, 1 Aufwasch-Apparat. 1 Mikroskop, ärztl. Instrumente, Porzellan, Gläser, Wäsche, Kleidungsstücke re. gegen sofortige Baarzahlnng öffentlich ver- steigert werden. I,llckoetke, Localrichter. Königliche KnnAakailkiNlr nnd Kunstgenierbeschule )u Lcipsig. WM litt Ltlldikn im ZmmnskMtftr IM «NI 24. April. Projektionszeichnen uud Schattenkonstruktion, architektonische Formenlehre, Stillehre und Gesäßformenlehre: Arch. Lamprecht. Malerische Perspektive, Ornamentik und Eniwersen malerischer Dekorationen: Prof. Weichardt. Modelliren, Medailliren und Lijeliren: Bildh. Lehnert. Proportionslehre und Zeichnen nach graphischen Vorlagen, bez. Zeichnen nach Gypsornamenten: Prof. Seifert, Prof. Mohn und Lehrer Klepzig. Zeichnen nach der Antike, Naturabgüssen und anatoiniichen Präparaten: Prof. Dietrich und Pros. Winter- stein. Aquarellmalen, Farbenlehre und landschaftliches Staffagezeichnen: Prof. Bourdet. Zeichnen und Malen nach Stillleben und Entwerfen für Buchornamentik, sowie von Diplomen und Plakaten: Prof. Honegger. Typographisches Zeichnen: Prof. Honegger. Zeichnen und Malen nach dem lebenden Modell und nach der Natur, Kompositionsübungen und Ausführung selbständiger Illustrationen unter Anwendung der für die mechanischen Reproduktionsmethoden eiforderlichen Technik: Dir. Vr. Nieper, Pros Tekorationsmalen: Maler Winther. Lithographiren: Scheiter. Holzschneiden: Prof. Berthold. Kupfer- uud Stahlstechen, Radiren: Prof. Seifert. Glas- und Porzellanmalen: vaoat. Photographie und photomechanische Vervielsältigungs- und Druckverfahren: Pros. vr. Aartand. Mythologie und Archäologie: Prof. vr. Studniczka. Kunstgeschichte und Geschichte der graphischen Künste: vr. Kurzwelly. Anatomie des Menschen: vr. Lange. Thier- und Pflanzenkunde: vr. Zürn. Anmeldungen vom 5.—10. März d. Js. nachmittags von 4—5 Uhr in der Kanzlei erbeten. Leipzig, Februar 1900. »«w Direkt»»: vr. I- w 4 rr. Xlvpo r. Mathy, der bekannte badische Staatsmann damal« Mitglie der Frankfurter Nationalversammlung pnd de« Rcich«- ministeriumS, batte bei einem Mittagessen bei dem Coqsul Koch >» Frankfurt die Aeußerung gethan, Meßplätze seien jetzt über flüssig geworden. Diese Aeußerung war wohl durch Koch'« Frau, eine geborene Gontard, ihrem Leipziger Petter, dem Kaufmann Gontard, hinterbracht worden, und da e« dem Leipziger Handelsherrn nicht gleichgiltig war, wie «in so einflußreicher Mann wie Mathy über die Messen denk», so schrieb er an Mathy einen Brief, worin er ihm eine ein gehende Darstellung von Art und Umfang deS Geschäfts verkehrs auf den Leipziger Messen gab. „Um Sie zu überführen", heißt e« i» di«sem Brief«, „daü Meßplätze wohl noch besteh«», wenn auch nicht 1» Frankfurts so bitt« ich Sie, zum 21. April sich hier «inzufindrn, bei Ihrem getreuen Cousul*) abzusteigen und «in« Zeit lang das Getriebe der hiesigen Messe mit anzusehen. Sie werden da Kaufleute aus alle« Gegenden der Welt finden; Bergen in Norwegen so gut als Palermo sind vertreten; aus Schweden, Dänemark, Finland, aus allen Tbeile» von Atußland, pp» Petersburg bis nach Odessa und Tiflis, auS Polen, Galizien, der Moldau und Walachei, der Türkei, Italien, der Schweiz, England, Frankreich, Belgien und Holland, sowie au« allen Tbeilen von Deutschland sind Käufer und Verkäufer da. Sie finden da große Läger amerikanischer Pelzwaaren, welche gegep Schweinsborsten und Hasenhaare, die auS der Moldau kommen, vertauscht werden, und wieder ander» verhandeln die schönsten Zobelfelle gegen Kisten voll alter rother englischer Uniformen zum Besatz für russische und polnische Banerntrackten. Ganze Ladungen von Tuch gehen nach Tiffi«, nach Odessa, nach Italien und nach der Schweiz, und die anderen Kaufleute au« Brody und Berditfcheff, au« Kiew und Obeffa, auS Jassy und Bukarest, auS Warschau uud Lublin und wie die Orte alle heißen, kaufen zweimal oder dreimal im Jahre ihren Bedarf in sogenannten „Leipziger Maare»", welcher Begriff alle Maaren in sich schließt, die in einer Haushaltung gebraucht werden, also alle Manufakturen des In- und Aus landes, zur Kleidung sowohl als zum Bedarf und zum Luxus, vom Hut bi« zur Stecknadel, Möbelstoffe, Gold- und Silber, waarcn, Bronzen, Uhren rc. Au 20 000—22 000 Mensche» ist der Zuzug von regelmäßigen Käufer» und Verkäufern in einer Hauptmesse, und bi« 80 000—90 000 Menschen ist die Bewegung derer, welche nur auf kürzere Zeit zugeben. Hieraus können Sie abuehmen, daß die« zu bestimmten Zeiten sein muß, sonst würden sich di« Leute, d»e mit einander zu verkehren haben, nicht antreffen, »nh jhr Zweck würde um so mehr verfehlt werden, al« sie ihre Geschäfte nicht in der Art würden machen könne», wie es einmal Gebrauch ist. Der Credit der größeren Häuser an dir Einkäufer ist da besonders in Erwähnung zu bringe», der von Messe zu Meße gegeben wird; durch diesen Credit nun sind die Käufer au« den entfernten Gegenden, die dadurch ihre Maaren zur freien Verfügung berausbekommen, in den Stand gesetzt, solche gleich l,egen baare Vorschüße an die Spediteure zu versetzen, un gerade mit diesem Geld mache» sie ihre Einkäufe bei den kleinen inländischen Fabrikanten, welch« keinen Credit bewilligen können, und die« Geschäft geht iu fülliger Weise verlese»: unter dem 24. April 1848 ist «m Brief de« damaligen Redacteurs der Leipzig«! Zrituug, Bros. Oswald Marbach, au Mathy mitgetheilt. Aus dem ist gar ein „O. Marbeck" geworden! *) Ein Scherz L>s Briefschreibers. Er meint sich selbst, denn er war Handelsconsul o«r Freien Stadt Frankfurt und d«4 Groß» herzogthllms Baden. Feuilletsn. Dramatischer Unterricht bei Heinrich Laube. Eine Thcatererinnerung von Anna Löhn-Siegel. ViachdruU vttdetin. Im Jahre 1847 wurde ich am Leipziger Stadttheater enga- girt. Eine meiner ersten Visiten sollte dem Dichter des „Monal- deschi", der „Bernsteinhexe" und der „ C a r l s s ch ü l e r " gelten. Ich kam immer vergeblich an seine Thür. „Verreist!" hieß es, und der große Hund, der bei seinem Herrn sehr angesehen war, empfing mich stets von Neuem mit erschreckendem Gebell. Dennoch ließ ich nicht ab, den Versuch, zu wagen, und glaubte mich dadurch interessant zu machen, daß ich mich dem dienstbaren Geiste auf seine Frage nach meinem Namen als Laura Carls (die Schüler ließ ich weg) vorstellte. Heinrich Laube wohnte in einem Gebäude, welches den un gebräuchliches' Namen: „das Storchsnest" führte. Die Stadtgeschichtc Leipzigs sagt davon: Das jetzt vollständig über baute oder zu Straßenkörpern verwendete Storchsnest war ei» städtisches Oekonomiegut, welches zuerst im Jahre 1593, wo «S einem vr. Rothe gehörte, erwähnt wird. Da Rothe Calvinist war, drohte der Pöbel bei einem ausgebrochenen Aufruhr, „ihm sein calvinisch Storchsnest mit einem rothen Hahne zu besetzen", d- h. es niederzubrennen. Den Namen hatte da« Gut durch «in Storchenpaar, das daselbst Jahre lang auf einer Scheune nistete, bekommen. Im Jahre 1617 wird au-drücklich noch eines dort hausenden Storchenpaares gedacht, so daß es scheint, »IS ob hier ganze Generationen von Störchen Wohnung genommen hätten. Im dreißigjährigen Kriege wurde das Gut eingeäschrrt, aber sein Name „Storchsnest" übertrug sich auf den Neubau. Nachdem ich meine Besuche im Storchsnest auf gelegenerr Zeit verschoben hatte, wollte es das Glück, daß ich Heinrich Laube eines Tages auf der Expedition des Theaters antraf. Ich wurde ihm vorgestellt und nach dem Austausch der nothwendiasten konventionellen Redensarten sagte er in seiner kurzangevun- denen Art: „Kommen Sie doch einmal zu mir, ich möchte Ihnen die Laura in meinen „Carlrschülern" einstudiren. Oder auch, ich werde Ihnen schreiben, wann St« kommen sollen, damit Tie endlich einmal mich und nicht nur meinen Hund an- iressen." Hocherfreut dankte „Laura Carls". Wall konnte einer jungen - ' ' - > -- Kunstnovize Ehrenvolleres begegnen, alH ein solches Anerbieten vom Dichter selbst? Kaum ein und ein> halbes Jahr gehörte ich der Bühne an, war vor Kurzem erst von einer reisenden Truppe in Cottbus an das hochrenommirte Leipziger Stadttheater ge langt und hatte alle Ursache, mich auf diesen geweihten Brettern noch unsicher zu fühlen. Die Einladung Laube's zögerte zu erscheinen. Endlich kam sie, in Begleitung eines gedruckten Exemplares des Stückes. Mit etwas Herzklopfen begab ich mich zur ersten anberaumten Lection ins Storchsnest, hatte aber doch noch so viel Raum für eigene Gedanken, daß ich meinte, die Wohnstätte eines Dichters sollte eher Adlernest als Storchnest heißen. „Herein!" rasselte cs mit scharfem, schlesischem „R", als ich leise an der Dichterpforte klopfte. Zugleich schlug ein sonores Hundeknurren an mein Ohr. Der furchtbare Liebling lag also zu seines Herrn Füßen. Ich wagte nicht zu öffnen, denn wenn der Neufundländer schlecht ge schlafen hatte oder aus sonst einem unerfindlichen Grunde bei übler Laune war, konnte ich einen lähmenden Schrecken davon tragen. Der lähmende Schrecken sollte mir leider in anderer Art nicht erspart werden. „Herrein!" rief Laube mit verdreifachtem Zungen-R — o, wie beneidete ich ihn um den Buchstaben, der mir noch immer hinten im Halse saß. Dann sprang er vom Dichtersitz auf und öffnete die Thür des Zimmers. So wünschte ich's, und vermuthlich auch der Hund, denn er sagte nichts Unfreundliches zu meimm Erscheinen. „Warum treten Sie nicht ein, wenn ich „Herein!" rufe?" frug Laube, als er mich erblickte. „Uebertriebene Schüchternheit ist doch sonst nicht der Fehler der Theaterleute." „Ich fürchtete auch nur die erschreckende Begrüßung durch den Hund", antwortete ich. „Können Sie die Hunde nicht leiden?" — „Wenn sie nicht bellen, habe ich nichts gegen sie einzu wenden." „Ohne das Bellen haben sie keinen Werth. Also: weshalb können Sie die Hunde nicht leiden?" frug Laube. Der Dichter schien »in großer Hundefreund zu sein. Ich er innerte mich, daß er, als ich ihm auf der Theaterexpedition vor gestellt worden war, seinen Neufundländer sogleich in unser erstes Gespräch ausgenommen hatte. Die Antwort auf die kynologische Frage wurde mir nicht erlassen. „Sie kommen mir vor — nämlich die Hunde —sagte ich, „wie Menschen, die ganz einseitig für eine einzige Person ein genommen sind, und an allen übrigen etwas zu tadeln, zu be- tläffen haben." „Darin liegt gerade ihr Hauptoorzug: die Treue für einen einzigen Menschen", entgegnete Laube. „Treue ist einseitig." „Aber sie artet beim Hunde in knechtischen Sinn aus", sagte ich freimüthig. „Selbst nach Fußtritten kommt der Hund demüthig wieder herangeschlichen und schmeichelt dem geliebten Herrn, der ihn getreten hat. Das mißfällt mir. Man will demjenigen Menschen kein Compliment machen, dem man eine hündische Gesinnung nachsagt." Laube sah mich mit seinen großen, ausdrucksvollen Augen scharf an und schwieg. Dann blickte er auf den Liebling unterm Schreibtisch und rief: „Hast Du's gehört? So'ne Dame hast Du noch nicht kennen gelernt, die über Deine Treue abfällig philosophirt." Nun endlich kamen wir zur Laura. Das Exemplar der Carlsschüler, welches Laube mir zugeschickt hatte, war mit Noten von seiner Hand in Blei- und Röthelstift versehen, Klammern gemacht und wieder getilgt. Am meisten störten mich die ge druckten Klammern. Sollte ich das Eingeklammerte aus wendig lernen oder nicht? Laube beabsichtigte damit, wie er sagte, den Regisseuren oder Schauspielern, welche streichen wollten, anzugeben, was der Dichter in seinem Stück allenfalls für streich bar hielt. Ich hatte die Laura bereits gespielt. Es war im unvergeßlich theuern, an Triumphen für mich so ergiebigen Ratibor. Als Laura sanken die ersten Lorbeerkränze zu meinen Füßen nieder und es erscholl: Hierbleiben! Hierbleiben im Hause! Ach, wie glücklich war ich in Ratibor gewesen. Geehrt, gefeiert, be kränzt! Etwas von der Sehnsucht, wieder Cäsar auf dem Dorfe zu sein, überkam mich. Ich hatte alles Eingeklammerte schließlich doch nachgelernt, weil ich nicht mit Unrecht annahm, daß wir in Ratibor die Carls schüler „frei nach dem dortigen Theaterdirector Heinisch und seiner Frau" gegeben haben dürften. Wenn ich nun immer daraus los redete und Alles sprach, was im Buche gedruckt stand, rief Laube dazwischen: „Zu viel! Zu viel! Weg damit!" — Das gab viel Störung. Er hatte ein Exemplar mit der Einrichtung des Leipziger Stadttheaters vor sich liegen. Warum durfte ich nicht nach diesem mcmoriren? Kaum hatte ich übrigens einige Reden Laura'« gesprochen, als es auch hier, wie schon früher auf den Proben bei Heinrich Marr, dem Regisseur des Stadtthraters, hieß: „Sie haben ja kein Zungen-R? Schaffen Sie doch das abscheuliche sächsische Hals R ab, das hinten im Gaumen sitzt." Ich fühlte mich schmerzlich berührt, gestand, daß ich schon längere Zeit an diesem Buchstaben, den Marr das nothtpendige tragische „R" genannt habe, studire, daß er aber noch immer nicht kommen wolle. „Was machen Sie für Studien, um den Buchstaben, der aller dings große Wichtigkeit hat, zu gewinnen?" frug Laube. „Marr hat mir anempfohlen", sagte ich kleinlaut, „Trr" recht scharf und ein halbes Schock Mal hintereinander zu sprechen, dann überzugehen auf Worte, die mit „Tr" anfangen, und so übe ich meine Zunge täglich an Trampelthier, Tretmühle, Tripstrille, Trommelfell und Truthahn. Vorläufig kann ich aber erst Marr's Namen leidlich richtig schnarren." Laube lachte und gab mir noch einige andere Zungenübungen an, um den bedeutungsvollen Buchstaben wirbeln zu lernen, einen Buchstaben, durch den erst Charakter in di» Sprache komme. Ich weiß nicht mehr, welcher Art sie waren, aber ich erinnere mich genau, daß ich jeden Morgen beim Erwachen mit Zungen- Turnübungrn begann, die Zunge z. B. an die obere Zahnreihe stemmte und losschnellte, um den kleinen Muskel in der Zungen spitze gelenkig zu machen. Und dann rasselte und schnarrte ich drauf los, weil Dichter- und Schauspielergrößen in der Ansicht einig waren, daß ohne dieses R das Hauptrequisit des dramati schen Künstlers: ein« Hute, deutliche Aussprache, ernstlich ge fährdet oder ganz unmöglich sei. In der Gegenwart, wo das größte Verdienst des Schau spielers darin bestehen soll, daß er redet, „wic ihm der Schnabel gewachsen ist", und wo man das tragische R nicht mehr für unentbehrlich hält, weil das Interesse für die Tragödie im Niedergang und die Vorliebe für das Conversationsstück de» leichtesten Genres längst constatirt ist, heutzutage arbeitet sich allerdings kein Kunstjünger mehr an „Trampelthier" und „Trut hahn" ab, wenn ihm sein heimathlicher Dialekt da» Zungen-R nicht mit auf den Lebensweg gab. Heinrich Laub« aber hat seinen Grundsatz von der unerläßlichen Nothwendigkeii tapferer Sprechstudien, um eine reine uud correet« Aussprach« zu «r- langen, fest gehalten. Trotz seiner Borlieb« für «inen leichten, flüssigen CondersationSton wirkte er stet» auf kunstgerechte» Sprechen hin, daS bewie» er durch die Anstellung d«» Gprech- und DortragSmeifieri Strakosch. (Schluß folgt.)
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