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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.03.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-03-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000316024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900031602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900031602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-03
- Tag1900-03-16
- Monat1900-03
- Jahr1900
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Die Morgen-AnSgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag- um ö Uhr. Ne-artion un- Erpe-ition: Jobanuiögaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. Filialen: Alfred Hahn vorm. V. klemm'» Sortim. Universitätsstraße 3 (Paulinum-, Louis Lösche, Katharinas. In. -art. uud KönigSpIcih 7. * H Bezugs Preis der Hauptexpedition oder den im Stadt- ir»irk und den Vororten errichteten AuS- ulbesteven ab geholt: vierteljährlich^ 4.50, vei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» üLL Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Direkte tägliche Krenzbandiendung in» Ausland: monatlich 7.50. ' Al»end-A«sgabe. UchMer TliMaÜ Anzeiger. Amts blatt des Körtigsichen Land- uud Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Motizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigerr-Prei- die 6gespaltme Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4 g» spalten) 50^, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut uoserem PreiS- verzrichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Eftftra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mn Postbesörderung 70.—. Tianahmeschluß für Tiuzeigen: Abend-Ausgabe: Bonnittag« 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittag- 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je ei» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Srpeditio» zu richten. Druck und Verlag von S. Polz in Leipzig Z 137. Freitag den 16. März 1900. 94. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 16. März. Der Reichstag hat gestern die drei restirenken, die „Kunst paragraphen" der lex Heinze in gemeinsame Berathung ge zogen. Die Folge war, daß gar nicht« beschlossen wurde. Da« Hau« erwie« sich nach wenig schönen Vorgängen, wie unser Parlamentebericht genugsam geschildert hat, bei der Ab stimmung über einen dritten Vertagungsantrag beschluß unfähig. WerthloS war die sechScinhalbstündige Sitzung darum doch nicht. Sie hat den Schwärmern für den Kunsttheil der lex eine moralische Niederlage gebracht, deren Schwere am deutlichsten aus den zwei verlegenen Verantwortungsreden deS Staatssekretärs Nieberding und des bayerischen Bundesbevollmächtigten Grafen Lerch en- feld erhellt, also gebildete Herren — von den Anderen reden wir nicht. Wenn die Lächerlichkeit tödten könnte, was eine Parlamentsmehrhrit geschaffen, so lägen heute wenigstens die durch ihre Fassung zweckwidrigen ßtz 184u und 184d ent seelt im Papierkorbe. Der Abg. v. V o N m a r, der mit großer, nicht unverdienter Aufmerksamkeit angchört wurde — seine Ausdrucksweise verhielt sich zu der vorgestrigen der Herren Bebel und Stadthagen wie das Kunstversläntniß des Papstes Julius II. zu dem des Herrn Rocren — legt die Unmöglichkeit, ein allgemeines Sutlichkeitsgcfühl zu fixireu und einen Maßstab des Zulässigen in der Kunst zu nehmen, drastisch dar. Der Abg. Müller-Meiningen beleuchtete dieselbe Unmöglichkeit vorzugsweise vom juristischenStandpunct, und nachdem der Staatssekretär Nieberding trotz allem noch einmal das Unglück über sich heraufbcsckworcn hatte, von einer „durchschnittlichen Auffassung des Volks von Sittlich keit" zu reden, erhob sich der Nationalliberale vr. Dern- hard, um die Paragraphen und ihre Schöpfer nieder zu rabelaisiren. Wir gedenken, diese erfrischende Nede, die in unserem ParlamentSberichte sehr stiefmütterlich behandelt ist, im Wortlaut nachzutragen, nicht allein weil sie das Beste an Kritik enthält, was bisher über die Kunst paragraphen gesagt worden ist, sondern auch weil in ihr BorzüglicheS über wahre Sittlichkeit über das Volk, daS man den Unterschied zwischen Sinnenreiz und Kunst er kennen lehren müsse, gesagt ist. Die Bildhauerei wird sich hoffentlich den großartigen Gendarmen, der nicht weiß, ob er sein Schamgefühl durch einen nackten Marmor- athleien „nur" oder „moderirt" oder „gtvblich" verlctzt sühleu soll, nicht entgehen lassen. Sie kann, indem sie ihn in Bronze darstcllt — die Charakterköpfe sind im Reichstag zu modelliren — die beste Rache nehmen für die tzß 184a und l>, die heute trotz alledem werden angenommen werden. Während tonangebende englische Zeitungen ebenso heftige, wie grundlose Anklagen gegen daS Berliner Cabinel erhebe», zeigt es sich mit greifbarer Deutlichkeit, daß don englischer Seite wieder einmal ein Kesseltreiben gegen Tentsch- lanb vermittelst der Presse im Zuge ist. Kaum hat die „Kölnische Ztg." auf Allarmnachrichlen westeuropäischer Blätter aufmerksam gemacht, die den Anschein erwecken wollen, als ob Deutschland gegen Rußland intriguire, da kommt auf dem Umwege über Pest in den „Münchener Neuesten Nachrichten" ein „Vertrauensmann der türkischen Pa la st kreise" zu Wort, der das Geschäft der Verhetzung Deutschlands und Rußlands in geradezu grotesker Weisebetreibt. Dieser „Vertrauensmann" behauptet, daß die Erlangung der Concrssion für die Bagdad bahn eine Durchkreuzung russischer Feurllston. 2d Hans Eickstedt. Roman in zwei Bänden von Anna Maul (M. Gerhardt). Nachdruck vtrdoilii. „DeS SiegerS Hohn klingt aus Ihren großmüthigen Worten", versetzte Hans. „Sie setzen Ihrem Sdlaven den Fuß auf den Nacken und rufen »hm zu: „Fliehe!"" „Armer Sklave!" lächelte Äera. -In der Dia Sixkina winkte sie dem Kutscher, unnzukehrm und denselben Weg -zurück zu nehmen. Noch cininäl rollte der Wagen zwischen den -immergrünen Bäumen und blühenden Ge büschen des Monl« Pincio hin. Rom mit 'seinen Kuppeln und Thüvmen, seinen Triumphbögen und Palästen kreidete sich in überwältigender Großartigkeit zu -ihren Füßen aus. „Nehmen wir Abschied!" sagte Pera. „Mir werden diese römischen Tage unvergeßlich sein. — -Und Sie, Doctor Sickstedt? — WaS haben Sie denn?" HanS saß in sich zusammengesunken, ohne das wundervolle Schauspiel vor «ihm eines Bücke» zu würdigen. Jetzt richtet« er sich plötzlich aus, beugte sich vor und blickte mit brennenden Augen in daS Antlitz seiner Gefährtin. „Im Ernst, Dera, Sie haben vollkommen Recht, und ich will und muß Vie Kraft finden, wich von Ihnen zu trennen. — Es ist mir heute klar geworden, tödtlich klar: es -geht nicht so werter. Ich ruinire mich selbst und 'werde zum Schurken an Ihrem Gatten, wenn ich nicht «in Ende mache." Pera starrte erbleichend zu ihm auf. „Aber warum — warum?" stammelte sie. „Warum? — Ist daS noch Nicht deutlich genug? Wollen Sie'« durchaus hören, daß ich Sie liebe? — Ja, Pera, ich kleb« Sie, mit wahnsinniger Leidenschaft, ich habe keinen Gedanken, kein Sinnen und Verlangen mehr als Sie, Si« müfstn mich fortschicken, um Ihrer Ehre und Ruh« willen. Denn ich nxrde Sie zwingen, motn« Mitschuldige zu werden, wenn St« mich nicht -aus Ihrer Näh« verbannen." Er «hatte ihre Hände ergriffen u-Nd preßte si« -in den seinen. „O, -warum haben Sie das get-han?" ries Dera mitt schmerz lichem Dorwurf. „Warum haben Si« den Schleier z«rriff«n, der unser Glück verhüllt«. Wir -hätten harmlos und friedlich neben einander leben -können. J«tzt muffen wir uns freilich trennen. Ach, und fetzt fühle ich erst, wa» das -heißt — und daß ich Sä nicht mehr «ntbehren kcmnl" Aspirationen bedeute, daß Deutschland die Insel El Kueit am persischen Golf als Koblenstation sich zu sichern im Begriff sei, daß in China weitere deutsche Erwerbungen unmittelbar bevorstehen, daß eine deutsche Expedition im April nach Ana tolien geben werde. — Dem Skeptiker wird cS so vorkommen, als ob im Vorstehenden ein Bißchen viel ans einmal angekündigt werde. Liest man aber die Offenbarungen des „Vertrauens mannes der türkischen Palastkreise" nochmals, so erkennt man, daß er seiner Einbildungskraft, jedenfalls mit einiger Selbstüberwindung, Zügel angelegt bat. Denn besagter Ver trauensmann hat nur vier „Neibungsslächen" herausgegrisfen, in Bezug aus welche Deutschland Verstimmung bei Rußland Hervorrufen kann — wobei vorausgesetzt ist, daß die Er werbung der Concessiou für die Bagradbahn von Deutschland als eine Durchkreuzung russischer Aspirationen aufgefaßt sei. Vielleicht aber hat sich unser „Vertrauensmann" nur des halb auf jene vier „Neibungsslächen" beschränkt, weil ihm im Augenblick eine Landkarte nicht zur Hand war. Sobald dieser Mangel behoben, d. h. sobald unser „Vertrauensmann" über die an sich möglichen Reibungsflächen zwischen Deutschland und Rußland sich unter richtet hat, klärt er die Welt wahrscheinlich darüber auf, daß Deutschland demnächst Russisch-Polen, die russischen Ostsee provinzen, das russische Lappland und die Insel Nowaja Semlja zu erwerben gedenke; vielleicht hat der Vertrauens mann auch noch einen Punct in Sibirien im Auge — es braucht ja nicht gerade Cap Tscheljuskin zu sein —, welcher die Begehrlichkeit Deutschlands geweckt habe. Aber Scherz bei Seite! Die „Deutsche Ta geszig/' jammert heute in einem spaltenlangen Leitartikel über die Enthüllungen des biederen Muselmannes, zeigt sich aufs Eifrigste bereit, sic für richtig zu halten — „unmöglich ist ja heute nichts" — und fordert „eine so fortige authentische Zurückweisung der Meldungen des Münchener Blattes", weil wir sonst „England mit Leib und Seele verschrieben" wären uns „um kleiner Bortheile willen" unsere ganze internationale Stellung untergraben hätten. Vielleicht wird das Verlangen der „Deutschen Tageszeitung" erfüllt, vielleicht aber auch nicht, denn die Macke jener Mel dungen ist so plump, daß ein deutsches Blatt sie von Rechts wegen ohne Weiteres als solche erkennen müßte. Der Krieg in Südafrika. -p. Neber die bereits angclündigie, mit erfreulicher Rasch heit erfolgte Antwort Transvaals auf Salisburh's ablehnendes Telegramm wird uns berichtet: * London, 15. März. „Daily Mail" meldet aus Pretoria unter dem 13. d. M.: Ter Staatssekretär Reitz Hot eine Procla- mation erlassen, in der er Salisbnry's Behauptungen widerlegt. Es heißt darin, die Republik habe seinerzeit an die britische Negierung die Forderung gerichtet, die britischen Truppen zuriickzuzieben, sie würde sonst deren Anwesenheit als Kriegs erklärung auffassen. Hierin hätte man noch keine Kriegs erklärung Lurch die Boeren zu sehen brauchen. Beides, die Rüstungen und das Ultimatum, seien Schutzmaßregeln gewesen, die aus dem Zuge Jamesons gefolgt seien und aus der sich durch dir chissrirten Telegramme ergebenden Entdeckung, daß britische vabinetSuunistcr in Len Versuch verwickelt gewesen seien, den Republiken ihre Unabhängigkeit zu stehlen. Jetzt sei durch Calisbury's F ü ns u n d z -w -a nzig si e s Capitel. Trübe, schwül und staub erfüllt lastete -die Lüft -in den Straßen von Beriten, vbgle-ich es in "der ersten Octoberwoche und nicht gerade warm war. — -Gertrud kam -von -ihrem einfachen Mittagstisch in der Victoria-Brauerei zurück. Man konnte zum Glück noch -im Freien essen. Die -dicke tabakrauchgeschwängerte Drift des Spei-scsa-äles verdarb nach den ersten Wochen -den Appetit. Gertrud hake nur einen kurzen Weg; sie -wohnte jetzt in -der Kurfürstenstr-aße, nahe der Dennewihstraße, wo die Micthen nicht thouer sind. Im Begriff, die Hcmsthür zu öffnen, bemerkte sie eine Frml mit einem Kinde auf dem Arm, die aus der Kellerwohnung eines der gegenüberliegenden Häuser quer ü-ber den Straßen damm und offenbar auf sie selber zugeeilt kam. „Fräulein Trüschen — herrje, da sind Sie endlich doch! All' diese Tage hab' ich Sie vorbeikommen sehen unld immer ge dacht, ich müßt' 'rüberspringen und Ihnen guten Tag sagen, aber ich hab' ja keine zehn Minuten Zsit -gehabt!" „Luise!" envidedte Gertrud überrascht. „Jetzt erkenne ich Sie erst. Wie, Sie wohnen hier?" „Zweimal sind Fräul-einchen dicht an mir vorbeigegangen, o-hne mich zu sehen!" lachte di« junge Frau, die ihr gehobene Hand herzlich drückend. Ja, ich hab' mich verändert. Das bringt -das Verheirathetsein so mit sich. -Die Trudel hier und das Zweite wird auch wohl bald -da s-oin." Gertrud liebkoste ihr kleines dlon'des Namensschwesterchen auf dem Arm der jungen Mutter. „Wi« geht es denn, Luise? Mr Haden uns lang« nicht gesehen." „Ach Gott, Fräulein Trudchen, -wie wird es denn atmen Menschen ergehen", seufzte Luise, die sauber wi« immer, aber ohne di« ihr sonst eigene Zierlichkeit gekleidet, resoluter a-ls früher, aber blaß und schmal -auss-ah. „Wir sind jetzt hier in die Keller wohnung gezogen, sie ist ja feucht, und meine einzige Angst, daß -die Trudel mir di« Diphtheritis kriegt im Winter. Wir käben nämlich die Portierstelle und zahlen -blos die halbe Miethe, und sonst -ist cs ja auch nett, und ich denke, ich bekomme hier eher Näharbeit als in der Dresdner Straß«. Nein, was ich mir freu' über die Fräulein Trichchen! U-nd Sie 'wesiden 'mal mit un kommen, nicht wahr, ich -bin jetzt schon so ha-lbweg' in Ordnung, blos dlie Gardinen noch zu waschen. Im Sommer -sind Frä-u- l-einchen «wohl wieder bei dem Herrn Docker -in Elbing gewesen? Ist er denn noch immer -hübsch gesund, der alte Herr?" „Leider nein, Lu-ise, in diesem Sommer war er recht krank", erwiderte Gertrud. „Wir haben tüchtig an ihm zu pflegen ge habt. Jetzt -war er wieder kildl-ich auf Deck. Wo ist -denn Ihr M-ann? Auf Arbeit, nicht wahr?" Telegramm aller Zweiscl beseitigt. Die Bürger müßten für ihre nationale Existenz kämpfen in dem Vertrauen, daß Gott das Recht schützen werde. Eine schlagendere Widerlegung konnte Salisburh's heuch lerische Entstellung des wirklichen ThatbestandeS nicht er fahren, als durch die sensationelle Enthüllung des Staats- sekrekärS Reitz. Nun weiß man, was ja für jeden mit den Gepflogenheiten der englischen Diplomatie nur einigermaßen Vertraulen schon lange klar gewesen, daß der Jameson- ritt, der die Selbstständigkeit Transvaals- durch einen revolutionären Coup über den Haufen Wersen sollte, ein Werk nickt Rhodes' und Zameson's allein war, sondern mit Wissen und Willen der Regierung Ihrer britischen Majestät ins Werk gesetzt wurde; aber man weiß jetzt noch mehr, man weiß, daß nu Scaatsarchiv von Pretoria urkundliche Beweisstücke rüden, mit welchen die Wahrheit der schweren Beschuldigungen, welche Reitz gegen bas Londoner Cabinet erhebt, jederzeit bewiesen werden kann. Wer konnte cs unter solchen Umständen und im Hinblick auf die die Verhandlungen zwischen Pretoria nnd London fortwährend beglenenden, fortgesetzt sich steigernden Truppenzusammen ziehungen an der Grenze Transvaals, Krüger verdenken, wenn er losschlug, noch bevor eine englische Heercsmacht versammelt war, groß genug, die beiden Republiken zu erdrücken! Man wunderte sich damals allgemein, daß er so lange zögerte und nicht schon 14 Tage vorher Befehl zuni Einrücken gab. Auf den Inhalt jener Verhandlungen geht Staatssekretär Reitz gar nicht mehr ein, da sie für die Entscheidung, ob Krieg oder Frieden, nachdem England längst den ersteren beschlossen hatte, ganz irrelevant waren, es sei denn, daß Krüger Cbamberlain's frivoles Spiel, die eben zugestandenen Forderungen zu Gunsten der Uitlanders durch immer weiler gebende zu überbieten, bis zum Ende mitgespielt, d. h. Trans vaal auf' dem Wege „höflicher" Verhandlungen an England ausgeliefert hätte. Die Goldfelder hatten in daS von Jägern und Hirten bewohnte Land ungeheure Massen gewinnsüchtiger Ausländer gebracht. Um von ihnen nickt überrannt zu werden, erschwerte man ihnen ihr staatliches MitbestimmungSrecht. Während die Aufnahme in den zweiten Volksrath ihnen nach vierjährigem Aufenthalt möglich war, wurde die Wahl in daS Oberhaus an dieBcdingung vierzehnjähriger Seßhaftigkeit geknüpft. DieBriten forderten Vei kürzung ter Frist auf fünf Jahre. In den Conse- renzeu deö vorigen SommcrS zwischen Krüger und deinCapgouver- neur Milner gab Ersterer nach. Zunächst erließ der Volksrath ein Gesetz, das den nötbigen Aufenthalt auf sieben Jahre herab setzte. Schließlich ging Krüger laut Depesche vvm 29. August fogar auf die Forderung der fünfjährigen Frist ein. Und nun geschah daS Ungeheuerliche: Chamberlain erklärte sich mit der Erfüllung seines eigenen Verlangens nicht mehr zu frieden; die englische Negierung stellte das neue Begehren, Johannesburg sollte völlig eigene Verwaltung erhalten und in den Schulen die englische Sprache eingefübrt werden, die Forts der Boeren aber müßten niedergelegt werden. DaS wäre Selbstmord gewesen. Zwischen diesem und dem Kampf gegen England hatten die Boeren jetzt nur noch die Wahl. Sie konnte keinen Augenblick zweifelhaft sein. Tic kriegerischen Operationell sind nalurgemäß nach der Besetzung Bloemfonteins durch Lord Roberts und dem Rückzug der Boeren vorläufig zum Still stand gekommen, da Ersterer zu dem entscheidenden Vorstoß nach dem Norden des Freistaates neue Kräfte sammeln muß. Nur „Ach Gott, Fräulein Tr-uldchen, mit «der Arbeit, was ist man so — so, er -ist nach die Dresdner -Straße, nach unsere alte Woh nung. Der Wirth -hat unsere Pfandscheine zur-ückbehalten von wegen (die Miethe, der Ludwig soll -m-it -ihm reden, Wir brauchen doch jetzt unsere Wintersachen, und wir -wollen ja Alks zahlen -aus Heller und Pfennig —! Wenn m-cm der Ludwig nicht wieder unterwegs sn 'ne Destille gerat den -ist, er könnt' schon längst retour s-ein. Ach Gott, Fräulein Trudchen, die Zeiten -sind gar z-u schlecht. Und für die Maurer vor Allem. Anfangs hat der Ludwig im-m-er Arbeit gehabt und schönen Verdienst. Er hat bald sollen Pol-ier werden, da hat das angefangen. Mt dem Streik, da hat -das angefangen. Und nachher Pt immer Noth gewesen um Ar-beit. Er -will ja arbeiten — und er kann arbeiten für Zivil — aber was will man denn machen, wenn doch keine Maurerarbeit verlangt wird?" „Wie? Ueberall wir's gekaut, und ein tüchtiger Maurer sollte keine Arbeit finden?" fragte Gertrud -verwundert. Luise verwies ihr Kindchen zur Ruhe, das auf ihrem Ang strampelte -und auf den Böden verlangte. „Ja, das denken Sie, Fräulein Trudchen, uUd ich -hab's auch manchmal gedacht, aber was hilft 'das? Der Ludwig ist rumgelaufen Tag -aus, Tag ein, und er hat drei Wochen gearbeitet, dann hat «r sechse gefsrert. Ich sag' blos, wozu haben wir denn den Magistrat? Und die Regierung und all« die Beamten? Die bekommen ihr schönes Gehalt und lassen sichs wohl sein auf unsere Kosten. Wozu sorgen die nicht dafür, -daß die Maurer Arbeit bekommen und zu leben haben?" „Da kann ich Ihnen nicht Bescheid geben, Luise", erwiderte Gertrud. „Ich weiß nur, daß ich sehr zufrieden -wäre, wenn sich der Magistrat auch meiner anuehmen und mir Arbeit schaffen wollte." „Ach, gehen Sie doch mit Ihrem Arbeiten, das ist doch blos Spaß. Dafür -ist doch der Herr Oberstleutnant da. W«nn Sie 'mal was zu nähen hätten, Fräulein Trudchen! Gar zu gern kam' ich als Aufwartung zu Ihnen, ich kann man nicht fort, weil ich doch nach -di« Thür« sehen muß." „Eine Aufwartung hab' ich schon', sagte Gertrud und streckte lachend ihre beiden Arme auS. „Ach wo, da» geht doch nicht, Sie allein. Na, ich komm' schon 'rüber, wenn der Ludwig zu HauS ist, gründlich reine machen, nnd wenn'» nur einmal die Woche ist." „Lassen Sie das nur bleiben, Luise", wehrte Gertrud ab. „Ich dank' Ihnen schön." „Na ja, für jetzt, aber wenn das Kind da ist und Alles über standen — nun muß ich aber laufen, ich hab' die Thür festzestellt, da» soll eigentlich nicht sein." im Norden der Capcolonie spielen sich noch einige, weniger kriegerische als militärische Vorgänge ab, die in der Ver einigung der Divisionen Galacre'S und Elements' crm Oranjeslusse und in der Uebersckrcitung des letzteren gipfeln. Die Vorlruppen beider Generäle sind schon mit einander in Fühlung gekommen und Gatacre hat den Grenzfluß bereits überschritten. Hierüber meldet man uns: * London, 15. März. Lord Robert« telegraphirt au» Bloemfontein unter dem 15. März Abends: „General Gatacre überschritt den Oranje-Fluß und besetzte heute früh Bethulie. General Polacrew ging mit 2000 Mann Garde, zwei Geschützen und einer kleinen Abiheilung berittener Infanterie von hier in drei Zügen ab, um mit Gatacre und Clements zusammenzustoßen. Er hatte Nachmittag 4 Uhr 30 Min. Bethany ohne Widerstand passirt." Wie sich der Ucbcrgaug vollzogen hat, crgiebt sich aus der Meldung nicht. Da man annehmen muß, daß die Boeren die Brücken zersprengt haben, muß eine Pontonbrücke ge schlagen worden sein, was aber voraussetzt, daß die Boeren ren Engländern den Uebergang nicht streitig gemacht haben. Ob sie nördlich von Bethulie an der Bahn nach Bloem fontein Widerstand leisten werden, steht dahin. Mit Erfolg werden sie es, wenn, was kaum der Fall sein dürfte, das Gelände ihnen nicht in hervorragendem Maße günstig ist, schwerlich thun, denn sie würden, da General Polacrew auf der Babnlinie von Bloemfontein im Anzug ist, zwischen zwei Feuer kommen. Jetzt wird man endlich Klarheit darüber bekommen, ob die Boeren an der Nordgrcnze der Capcolonie den Krieg fortsetzen oder diesen Tdeil des Kriegsschauplatzes aufgeben, und sich zur Hauptarmee, nördlich vong Bloem fontein, ziehen werden. Die Engländer stehen nun in Bloemfontein, aber die Boeren besitzen eine aus 12 000 Mann bestehende Streit macht, mit welcher sie, wenn der Krieg forkdaucrn sollte, bereit sind, die Zugänge »ack dem nördlichen Freistaat und nach dem Vaalfluß, sowie Johannesburg und Preloria zu verlheidigen. Drei glückliche Rückzugsgefechte haben bewiesen, daß alle Gerüchte über die Demoralisation, welche in den Reihen der Boeren einzcrissen sein sollte, unwahr sind. Die Entfernung von Bloemfontein nach Pretoria beträgt 300 englische Meilen oder nahezu 500 Kilometer, sie ist also dreimal so groß wie die Strecke von MoLder- river-Skatwn nach Bloemfontein, und wenn Marschall Roberts vier Wochen benölhigte, um die letziere zurückzutezen, so wird er mindestens zebn d:S zwölf Wochen brauchen, un: von der Haupmadt des Oranje-FreistaateS nach der Hauptstadt des Transvaal zu gelangen, die eine moderne Festung ersten Ranges sein soll. Der Weg nach Johannesburg-Pretoria führt, wie nochmals hcrvorgchoben sei, vielfach durch ge birgiges und durchschnittenes Gelände, das den Boeren neuerdings Gelegenheit bietet, ihre überlegene Defensiv- Taktil zur Geltung zu bringen, während die Engländer ihre Ueberlegenbeit an Cavallerie, der sie die letzten Erfolge zu danken haben, weniger zu verwcrthen im Stande sind. Mit Anfang April beginnt überdies in Süd-Asritä die Wintersaison. Während derselben fällt nur wenig Regen, bis und 1 Zoll, und eö kommen insbesondere auf der Hochfläche der beiden Republiken große Temperaturschwankungen vor. In Bloemfontein sinkt die TageSleinperatur von 16 Grad Rüaumur des Nachts bis auf 0 Grab, doch kommen auch Temperaturen von 5—6 Grad unter Null und Schwankungen Gertrud versprach, Kalo einmal in die Kellerwohnung hinüberzutommen. Luise nahm eilig Abschied un-s hastete über den Straßendamm zurück. „Eine Dame wartet Lei Ihnen, Fräuloin Pilgrim", sagte die Wirthin, als Gertrud ihre Treppen erstiegen hatte und an -der offenen Küchenthür vorbeiging, aus der Speisenidunst uns Geruch von heißem Serfenwasser in den schmalen Eorridor ein drang. Eertrud's Zimmer war indeß nett und freundlich, un-s die Wirt-Hin eine brav« Frau. „Na, endlich, Trude!" rief wer Besuch vom Sopha aus ihr entgegen, „'ne halbe Stunde sitz' ich hier un-d gähn« und -wollte eben gehen, Venn Du weißt ja, Philipp wird fuchswil'd, wenn er auf das Mittagessen warten muß." „Hütt' ich eine Ahnung gehabt, Tante Wally — es thui mir so leid —" „Na, keine Redensarten, Kind! Leg' ab und seh' Dich, wir wollen noch ein paar Minuten plaudern." Auch Frau Henning hatte sich verändert. Zwar ihr krauses Nothhaar strebte noch immer, mit den hochstehenden Blumen uns Bandschlekfen ihres Hutes -wetteifernd, keck und lustig empor. Allein um Augen u-nd Wangen hatten sich feine Fältchen ge graben und ein verkniffener, eigensinniger uvs launischer Zug um die Lippen. „Ich wollte Dich bloS fragen, Trude — Du bist wohl sehr mit Stunden und Aufträgen überhäuft? .Hast wohl gar keine Zeit übrig?" Gertrud lachte — nicht ohn« Galgenhumor. „Willst Du -mir Aufträge geben, Tante Wally? Für Dich hab' -ich -imnn-er Zeit." „Ich hab' mir 'was auSge-dacht, weil Du neulich so bitter klagtest —" „Hab' ich geklagt?" fiel Gertrud erröthend ein. „Ich wüßte wahrlich nicht —" „Na, -warum solltest Du nicht? Ander« Leute sind auch n-icht in der Lage, Hosiannah zu singen. Geht -da» so weiter, dann bringt Philipp uns auch an -den Bettelstab. Ich hab'» -chm oorausgesagt, daß die Pferdebahn in unserer geliebten Hei-mvth nicht» eintragen würde — wer soll denn dort Pferdebahn fahren? — Jetzt stehen sie groß da, mein« braven -litthwuischen Vettern und Basen mit ihrer Weisheit. „Gied ihm nur Dein Geld und lern« darben auf Dem« alten T-agel" Na — sie mögen sich begraben lassen — hätten sir'it mir verbrieft und versiegelt gegeben, daß Alles so etntrefftn würde nach ihrem Programm, so häit' ich vielleicht gevade erst recht nach meinem Kopf ge handelt — oder nach meinem verliebten Herzen. Sei Du klug, Gertrud, verlaß Dich auf Deine fleißigen zehn Finger, aber nicht auf die Gewissenhaftigkeit «in«» Manne». Beiläufig, ist Vinn
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