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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.03.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-03-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190003186
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19000318
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19000318
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-03
- Tag1900-03-18
- Monat1900-03
- Jahr1900
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.03.1900
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Einstweilen ist man in England sehr üppig und nicht nur gegen die Boeren, sondern auch in den meistgelesenen Zeitungen gegen Deutschland; so üppig, daß diejenigen Recht behalten, die dem ohnehin fest gegründeten Ruhme des Grafen von Bülow keinen Abbruch zu thun glaubten, als sie den in der samoanischen Angelegenheit schließlich von den Briten geleisteten Verzicht aus weitere Nichtachtung deutschen Rechtes und deutscher Interessen nicht der englischen Ge- rcchtigkeitsliebe, sondern den Boeren zuschrieben. Dem Grasen v. Bülow aber bleibt das Verdienst, den rechten Augenblick ergriffen zu haben. Heute, wo General Roberts in Bloemfontein im Hause des, wie er schrieb, „ehemaligen" Präsidenten des Oranje-Freistaates sein Hauptquartier auf- geschlaaen hat, würde nichts mehr zu erreichen sein. Für Deutschland; Rußland, das, wie die „Nationalztg." eS treffend ausbrückt, d'aS afrikanische Engagement Groß britanniens in Afrika benutzt hat, um „den englischen Einfluß aus Persien hinaus zu manövriren", Rußland wiro von der Entschlossenheit, die aus dem Telegramm Krüger's und der Proklamation des vr. Reitz spricht, auch weiter hin Gewinn zu schlagen versieben,und überdies ist ihm die Gestalt der Dinge in Südafrika „Hekuba". Deutschland aber ist an ihr aufs Stärkste interessirl; wirthschaftlich wegen der bis herigen bedeutenden Ausfuhr nach Transvaal und dem Oranjefreistaate, die gefährtet ist, wenn die beiden Republiken englische Colonien werden und England, wie wahrscheinlich, ihnen auferlegt, was es sich — als Vorspeise zum großen Schutzzollmahl — von Canada hat „anbieten" lassen: Differentialzölle zu Gunsten der britischen Erzeugnisse. Das politische Interesse Deutschlands an dem künftigen Schicksal der Boerenfreistaaten ergiebt sich auS seinen afrikanischen Colonialdesitzungen. Wenn England dort thalsächlich souverän wird, so verliert unser südwest- asiikanisches Gebiet unmittelbar, verlieren die übrigen Colonien mittelbar an Werth. Kommt dann noch die Er werbung der Delagoabai' hinzu, dann wäre mit Ausnahme der Nordwestküstc Afrika englisch geworden und wir würden am Klügsten thun, uns nach einem Hannibal Fischer für die Colonien im schwarzen Erbtbeil umzusehen. Durch das deutsch englische Abkommen, das Großbritannien die Delagoabai über läßt, hat auch die kriegerische Wendung in Südafrika jeden falls an Bedeutung gewonnen. Die Kunstparagraphen der lex Heinze sind also, wie auch gar nicht anders zu erwarten stand, im Reichstag an genommen worden. ES ist hübsch, daß gerade ein Mit- glied einer der MchrheitSparteien, ein isolirt gebliebener Maler, der Coalition, der seine politischen Freunde an- gebörten, Worte zuwarf, deren Sinn auf einen von dem bayerischen Dialektbichter Karl Stieler einem centrumS- gläubigcn Bauern in den Mund gelegten, berühmt gewordenen Ausspruch hinausläuft. Die erste Hälfte wollen wir nicht citlren, die zweite lautet: „Ader die Mcbrern fan' m'r a." Literarisch und ästhetisch haben die Herren wirklich schockt abgeschnitten, und was sehr bezeichnend ist: die Unfläthigkeiten, von denen die Debatte nicht frei war, kamen von der Seile, wo man das Schamgefühl vor jeder Verletzung schützen zu wollen theils vorgab, theils sich einbildete. Dabei soll aber nicht außer Acht gelassen werden, daß der Reichstag eine Versammlung von Männern ist und wenn ein freisinniger cs einem conservativen Redner zum Vorwurf machte, daß er durch den Gebrauch eines mehr als starken Ausdrucks Damen von der Zubörertribüne Vertrieben habe, so können wir nur den Gebrauch des Wortes, nicht aber die von dem Freisinnigen beklagte Wirkung beklagen. Jeder Mann und jede Frau wußte, waS auf der Tagesordnung stand und um welch heikles Thema es sich handelte; wer bei dem Anhören ungewöhnlicher Worte nicht betroffen sein wollte, konnte wegbleiben. DaS Reckt der Frauen, sich über die Beurtheilung der Gegenstände im Reichstag zu informiren, wird man um so weniger bestreiten können, als der Gesetzentwurf und namentlich die CommissionSanträge Interessen gerade des weiblichen Geschlechts berühren. Aber jede Frau in Berlin, die in der Beschäftigung mit solchen Dingen mehr als einen Zeitvertreib steht, weiß, daß sie im stillen Kämmerlein oder Boudoir in den stenographischen Berichten Alles lesen kann, was gesagt worden ist. Mit dieser Bemerkung hoffen wir von. der lex Heinze Abschied nehmen zu können; ihre Hand habung wird voraussichtlich länger von sich reden machen, als den Vätern deS Gesetzes lieb sein kann. Tie Unterstützung, welche die auch gestern wieder fort gesetzten Versuche der Socialdcmokraten, die Durckberathung der lox Heinze zu verzögern oder gar zu Hintertreiben, von demokratischer Seite gefunden haben, wird übrigen- dem Anscheine nach noch rin politische- Nachspiel haben. Die „Germania" schreibt nämlich in ihrer letzten Ausgabe in auffälliger Form- „Bei Berathung der lex Heinze wird seitens der vereinigten Social demokratie und freisinnigen Volk-Partei unau-gesetzt eine bis dahin im Reichstage nock nicht dagewesene Obsiruction bereitet, welche jede Erledi gung deS Gesetzes unmöglich machen soll. Der Socialdemokraiie allein würde diese Obstructiv» nicht möglich sei», wenn ihnen nicht der bereitwillige Beistand de» Herrn Richter und seiner Parteifreund» zn Theil würde. E» wird seitens der Eentrumswäbler, mit deren Hilfe ein beträchtlicher Theil der Freisinnigen, insbesondere die Abgg. Kopsch, Müller-Sagan, Eickhoff, Casfrlmann u. A. gewählt sind, die Frage zu erwäge» sein, ob sie unter diesen Um- ständen bei demnächstigen Wahlen den genannten Abgeordneten wiederum ihr« Stimmen geben können, oder ob sie denselben den Rückzug ins Privatleben bereiten wollen. Vielleicht würde rS zweckmäßig fein, wenn die betreffenden EentrumSwahlcomilS» schon jetzt ihren Abgeordneten hierüber eia« WarnungSäußerung zukommrn ließen, damit dieselben erführen, wie man in den Wählerkreisen über ihr Verfahren denkt." Der letzte Satz ist ein Fehler, den Windthorst nickt ge macht hätte. Er erschwert den freisinnigen Lehnsmannen des Centrums die Beachtung des vorausgeschickten Winke- mit dem Zaunvfabl. Zu den Abgeordneten, die ohne Centrumshilfe niemals gewählt werden könnten, gehurt übrigens vor Allem Herr Eugen Richter. Der Beginn der Berathung der Flottenvorlage in der Budgetcommission erleidet, wie gemeldet, eine abermalige Verzögerung, weil die Mitglieder dieser Ausschüsse er holungsbedürftig sind. Den Grund muß man gelten lassen, denn diese Herren waren in der Tbat außerordentlich angestrengt. Auf eine Woche früher oder später kommt eS ohnehin nicht mehr an, nachdem durch daS verfrühte Ab geben des Signalschusses die Erörterung der Sache sowieso in zweckwidriger Weise ausgedehnt wurde, lieber dieses Thema schreiben die „Mecklenburger Nachrichten", die als Haus zeitung des bekanntlich sehr flottenfreundlichen Schweriner Hofes gelten, unter Anderem da- Folgende: „Besonders aber wird es sich empfehlen, um ein triviales Bild zu gebrauchen, nicht lange vor, sondern erst nach dem Legen Les EieS zu gackern. Die vorzeitige Discussion hat in der neuern Zeit so manchem Gesetzentwürfe rin ungeahntes Grab gegraben — und das allzuviele Reden über einen Gegenstand — und sei er noch so wichtig — ist nicht geeignet, das Interesse dafür zu verstärken, sondern weit eher Langeweile hervorzurufen." Neuerdings wird mehrfach versichert, das Referat über die Flottenvorlage werde der Abg. Frhr. v. Hertling über nehmen, bekanntlich das einzig bayerische Centrumsmitglied, daS für das geltende Flottengesetz gestimmt hat. Vor der Flottcnfrage wird die Angelegenheit des Fleisch beschaugesetzes in den Mittelpunkt der innern Politik treten, allerdings leider nicht außer Zusammenhang mit jener großen nationalen Sache. Der Reichstagsbeschluß zweiter Lesung, hie Fleischeinfubr vom 31. December l903 an zu verbieten, hat, das läßt sich nicht verkennen, tiefgehende <Lr. regung in den Kreisen der Industrie und des Ausfuhrhandei hervorgebracht. Die Agrarier batten dies nicht er wartet, und als „sogar" der Centralvcrband deutscher Industriellen Einspruch erhob, verlor die „Kreuzzeitung" den Kopf und stieß die Drohung aus, die Lanvwirlhschaft werde sich die Rückkehr zum reinen Schutzzoll, den wir nie gekabt, überlegen. DaS war sckon aus dem Grunde sehr tböricht, weil nach der Darstellung der agrari schen Agitatoren in Parlament, Presse und WirthshauS die Industrie übermächtig, die Landwirthschaft aber im Er löschen ist. Danach würde die Industrie den Fall der Zoll schranken jedenfalls leichter überstehen können als die Land- wirthsckaft. Diese mag sich aber zur Beruhigung dienen lassen, daß man ihren extremen Wortführern keinen Glauben schenkt. Die „Kreuzztg." bat sich übrigens auch besonnen und fängt eS jetzt anders an. Sic schreibt, gegenwärtig drehe sich der Streit um einen Gegenstand von vergleichsweise geringer Bedeutung, um eine amerikanische Fleischeinfuhr von etwa 18 Millionen Mark. Aber: „Wenn schon darüber ein Lärm erhoben wird, als ob die Welt untergeben sollte, wie kann man sich da der Hoffnung hingeben, baß die Wortführer der Gcwerbetbätigkeit jemals für die ungleich wichtigere Erhöhung der Getreidezölle zu haben wären?" Wenn der „Kreuzztg." aus keinem andern Grunde an dem Fleischeinfuhrverbot etwas gelegen ist, dann mag sie eS ruhig fallen lassen; die Erhöhung der Getreidezölle ist sicher, ausgenommen den Fall, daß da- Gebühren der Agrarier, als ob „sie allein auf der Welt wären", die nicht Landwirthschaft treibende Bevölkerung, also die Mehrzahl, so erbittert, daß ein Abgeordneter, der für eine Getreidezollerböbunz gestimmt hat, sich nicht mehr vor seinen nichtlandwirthschaftlichen Wähler» sehen lassen kann. Das Evangelium im Eiskeller. In einer Zeit, wo der politisch« Katholicismus als unent wegter Ultramonkaniümus mit einer wahrhaft erschreckenden Dreistigkeit sich breit macht, thut cs doppelt wohl, dir still«, aber starke Macht evangelischen Bewußtseins verspüren und würdigen zu dürfen. Das Suchen und Sehnen jener Tausende in Oester reich, die heiß verlangen nach „Gottes Wort und Luther's Lehr'", ist schon längst als «ine ihrem Wesen nach in der Hauptsache religiöse Bewegung erkannt worden. Daran können weder ultramontane Preßstimmen, die von einer „thörichten Abfall bewegung" reden, noch die vielen kleinen und großen Chikanire- reien etwas ändern, die jene Sache immer noch mit politischen Schlagworten verquicken. Ein neuer Beleg für den reli giösen Charakter der Los-von-Rom-Bewegung ist das Werden und Wachsen der an der steirisch-ungarischen Grenze gelegenen evangelischen Gemeinde zu Fürst enfeld. Vicar Ilgen- stein, s«it Mai vorigen Jahres der berufene treue Seelsorger dieser armen Fabrikarbeitergemeinde, giebt in zwei ausführlichen Berichten ein anschauliches Bild der dortigen Verhältnisse. Um dst Mitte des 16. Jahrhunderts waren die Fürstenfelder zum größten Theil evangelisch; aber auch hier waltete bald di« rohe Gewalt der Gegenreformation, und 300 Jahre mußten vergehen, bis der Ort wieder regelmäßigen evangelischen Gottesdienst und einen evangelischen Prediger erhielt. Ein« Kirche haben die mehr denn 400 evangelischen Christen von Fürstenfeld und Umgegend freilich noch nicht; ein Betsaal, über einem Eiskeller gelegen, bildet die dürftige und primitiv« Stätte der Andacht. Aber die Hauptsache war doch, daß di« verwaisten Leute endlich eine ge ordnete Pastorirung bekamen. Unbeschreiblicher Jubel, als der neue Vicar seine Antrittspredigt hielt. Von der dankbar freudigen Stimmung der Gemeinde zeugte u. A. ein kleines Ge dicht, das ein zehnjähriger Knabe vor dem Altar aufsagte: „Ehrcnwürdiger Herr Vicar! Grüß Gott! Grüß Gott! so ruf' ich aus, Daß es widerhallt im Gotteshaus, Und bringe vor dem heiligen Altar Dir unsere besten Grüße dar. Gott geb' uns Kraft und guten Willen, Um uns're Pflicht treu zu erfüllen. Sei unser Lehrer, guter Hirte, edler Mann, Wir bieten Dir uns're Herzen an. Gieb uns Unterricht und guten Rath, Wenn sich bittend Dir ein Schäflein naht." Die schlichte, herzliche Begeisterung fürs Evangelium hat unterdessen nicht nachgelassen. Die Gottesdienste sind nach wie vor überaus zahlreich besucht; oft finden sich auch Katholiken ein. Mit Eifer stüdiren Kinder und Erwachsene die ihnen zumeist noch gänzlich unbekannt gewesenen Choralmelodien. Noch wich tiger ist es, daß jetzt ein regelrechter evangelischer Religions unterricht ertheilt werden kann, während man die Kinder vorher, damit sie überhaupt einen Religionsunterricht erhielten, wohl oder übebdem katholischen Katecheten überlassen mußte. Eine aufrichtige Freude strahlt allemal aus den Augen, wenn Kranken oder Gesunden ein seelsorgerischer Besuch' gemacht wird, ebenfalls eine Einrichtung, die bisher in Fürstenfeld gänzlich unbekannt war. Bibeln, Gesangs- und Andachtsbücher finden sich allent halben in den Häusern und tverden fleißig benutzt. Die in mehr als hundert Exemplaren verbreitete „Kleine Missionsharfe" ist das beliebteste Liederbuch bei den Großen, wie bei den Kleinen. Schr hoch schätzt man auch das Starck'sche Gebetbuch, das sich bei nahezu einem Viertel der Fllrstenfelder evangelischen Ge meinde eingebürgert hat und in Folge eines den armen Fabrik arbeitern gewährten Vorzugspreises immer mehr Eingang findet. Viele Bibeln, neue Testamente, sind g«schenkweis« eingegangen, zumal aus Sachsen und W L r t t e m b e r g, wo der Central vorstand des Gustab-Adolf-Vereins «in lvarmes Wort für die Fürstenfelder eingelegt hat. Rechten Anklang findet eine Ge- meindebücherci, von der innerhalb vier Monaten 200 Bücher aus geliehen bezw. gewechselt werden konnten. Die in der Umgegend zerstreut wohnenden Evangelischen zeigen nicht minder herzliche Begeisterung, als di« Fürstenfelder selber. Vicar Jlgenstein erzählt: „In einem drei Stunden ent fernten Städtchen traf ich einen achtzigjährigen Schuhmacher mit silberweißem Haar, der Jahrzehnte hindurch der einzige Evangelische daselbst gewesen war und jahrelang keinen evange lischen Geistlichen zu Gesicht bekommen hatte. Daß auch in seiner Vereinsamung sei.- evangelisches Bewußtsein nicht geschwunden war, bestätigte mir «in Blick auf ein abgegriffenes Haber- mann'sches Gebetbuch." Gern härm es die Evangelischen, wenn ihnen ihr Pastor ausführlich von Luther und seinem Reformationswerke erzählt. Bei Familienabendcn und Katechismusuntcrredungen war dazu bereits reichliche Gelegenheit. Man sieht, welch «in weites Ar beitsfeld hier der Geistliche hat, der ein Prediger, Seelsorger, Schulmeister, Organist und Chordirigent zugleich sein muß. Das herzliche Einvernehmen zwischen Pastor und Genreinde macht Vieles leicht; geradezu rührend ist es, wie die an irdischen Glücks gütern keineswegs gesegneten Gemeindeglioder bei jeder Gelegen heit eifrigst sammeln, damit recht bald an Stelle des Eisteller- Betsaales ein würdiges Gotteshaus die andächtigen Schaaren fasse. Trotz aller Opferwilligkeit fohlen zum Kirchbau aber noch 23 000—30 000 Gulden. Auch der Pfarrdotationsfonds ist in recht mißlicher Lage. Aber in echt deutsch-evangelischem Gott vertrauen verzagt die Gemeinde nicht, sondern denkt: es muß vorwärts gehen, und darum geht es vorwärts! Evangelische Bruderliebe wird und soll auch hier das Ihre thun, und eine all seitig thatkräftige Unterstützung wünschen auch wir dieser „strammen, wackeren Grenzwacht deutscher Cultur und Sitte". — ü— Der Krieg in Südafrika. Obgleich die Engländer nicht genug Rühmens davon machen können, daß die Burgbers ihre Flinten niederlegen und zu ihren Farmen zurückkehren — heute lassen sie Schalk Burger nnd Lucas Meyer nach Hause gehen —, so scheint doch die Zuversicht der Freistaatler in Europa und die Hoff nung auf den Kampf ihrer Landsleute noch nicht erloschen zu sein. So tbeilt die Brüsseler Transvaalgesaudtschaft der „Rbeinisck-Westfälischen Zeitung" mit, daß nach den Erklärungen Salisbury'-, sowie der Abweisung der FriedenSeroffnungen der Krieg bis auf« Messer durckgefübrt werden solle. Bis jetzt habe die Entscheidung durch Waffengewalt in großer Feldschlacht nicht staltgefunden, erst wenn diese erfolgt sei, was nächster Tage zu erwarten stehe, könne im Falle eines Sieges der Engländer von ihrem Uebergewicht gesprochen werden. Je länger die Entscheidung sich hmziebe, desto gewaltiger werde die Wirkung sein. Bisher hätten größere HeereSkörper der Boeren nicht geschlossen unter einheitlichem Oberbefehl gestanden. Durch die eng lischen militärisch-politischen Berichte lasse man sich nicht täuschen, vr. LeydS hat sich nach Amsterdam begeben. Inzwischen verfehlen die Engländer nickt, ibre detaillirte KriegSberichterstatlung fortzusetzen und jede Bewegung ihrer Truppenkörper, und wenn die Anzahl der Mannschaften noch so gering ist, zu verkünden. Die Meldungen über Be wegungen der Boeren sind natürlich dürftig. Die Boeren wurden, wie auS Ladysmith vom 16. d. M. telcgraphirt wird, in beträchtlicher Stärke an dem VanreenenS-, dem Tintua- und dem DebeerS-Paß gesehen. In einem Gefechte am DebeerS-Patz hatten die Engländer zwei Verwundete. Die Boeren zogen sich zurück. Die Eisenbahn nach Harry- smith vurch den VanreenenS-Paß wird rasch wiederhergestellt. AuS Burgher-dorp wird berichtet, daß die Boeren unter dem Commando deS Commandantcn Olivier ibre Stellung geräumt haben. Mehrere Boeren ergaben sich. — DaS Mitglied der Gesetzgebenden Versammlung der Capcolonie Dewet und sein Bruder wurden verhaftet. — Aus Carnarvon liegt vom 15. März folgende Meldung vor: „Bon weiteren Bewegungen der Rebellen verlautet nur, daß sie in BlaauwpietS, an der Grenze zwischen den Distrikten Carnarvon und Kenhardt, eine Truppe aufgestellt haben." Ueber die Aufnahme Lord Robert-' in Bloemfon tein liegen zwei Nachrichten vor. Sie lauten: "London, 16. März. Lord Roberts meldet unterm 16. März auS Bloemfontein: Die Proklamation hat bereit» eine auS- gezeichnete Wirkung; verschiedene Hundert Bürger haben bereit« die Absicht ausgedrückt, die Waffen auSznliefern und zur ge- wohatea B«schästtguag znrückzukehren! D«r Resident und Lom- missar des Basutolandes meldet, VOO Boeren seien kürzlich von Bloemfontein und ein anderes Contingent von Allval North rin- gerroffen, die nur darauf wartete», die Bedingungen der Prokla mation kennen zu lernen, um sich zu übergeben, und sich ge weigert hätten, einer Rathversammlung in Kroonstad beizu- wohnen, zu der sie von dein Präsidenten Steijn berufen worden feien. (Wiederholt.) - Bloemfontein, 16. März. «Meldung des „Reuter'fchen Bureaus".) In Erwiderung auf die Proklamation des Feld marschall Roberts haben sich bisher 400 Freistaatboerrn ergeben. — Der Gouverneur Prelyman erließ eine Proklamation, in welcher er die Farmer auffordert, ihre Producte auf den Markt zu bringen, um sie der Heeresverwaltung anzubieten; außerdem habe er Vor sorge getroffen, daß der bürgerliche Markt nach wie vor abgehalten werde. Die große Mehrheit der Freistaatboercn kehrt in ihre Wohnungen zurück. Nach einer Meldung des „Daily Telegraph" auS Cap stadt bleiben die gefangenen Boereu bis aus Weiteres an Bord der Transportschiffe, sie werden nicht nach St. Helena gebracht. Das erweckt Hoffnung auf Frieden. Und Frieden ist wohl beiden Theilen nöthig. AuS Pretoria, 16. März, wird die Antwort bekannt, die die deutsche Regierung auf freundschaftliche Vermittelung ertheilt hat. Sie lautet: * Pretoria, 16. März. (Telegramm.) Die Antwort der deutschen Regierung auf das von den Regierungen der süd afrikanischen Republiken ausgesprochene Ersuchen um freund schaftliche Vermittelung zur Herstellung des Friedens hat folgenden Wortlaut: „Die Regierung Sr. Majestät des Deutschen Kaisers wird gern bereit sein, bei freundschaftlicher Vermittelung mitzuwirken, sobald die Grundbedingungen einer solchen vorhanden sind d. h. sobald sestgestellt ist, daß beide Gegner dieselbe wünschen. Darüber, ob ans englischer Seite dieser Wunsch gegenwärtig vorhanden ist, werden die beiden südafrikanischen Regierungen sich entweder direkt in London oder durch die guten Dienste einer dritten Regierung Auskunft verschaffen können, welchekeine eigenen, wichtigen Interesse» inSüdafrika wahrzunehmen hat. Letztere Voraussetzung trifft bei einer Anzahl von Staaten in Europa und außerhalb Europas zu, jedoch nicht bei Deutschland. Jeder derartige Schritt der deutschen Re gierung würde daher den Verdacht erwecken, daß wir andere al» humanitäre Zwecke verfolge», und das dadurch vermehrte Mißtrauen würde der Sache de» Frieden- nicht förderlich sein. Dem Wunsche der südafrikanischen Regierungen ihre Bitte um Vermittelung auch an die österreichisch-nngarische und die schweizerische Regierung, deren Interessen durch das deutsche Consulat in Pretoria wahrgenommen werden, gelangen zu lassen, ist selbstredend sofort en sprachen worden. * London, 17. März. Der „Standard" berichtet auS Lissabon vom 16. d. M.: Eine portugiesischeTruppen- abtheilung von 70 Officiereu und 712 Mann geht am 20. März von Lissabon nach Louren^o MarqueS ab. Ter Aufstand iui Lüdweste« des Lranjcftuffc» trägt alle Merkmale des Guerillakrieges. Die Holländer besetzen Plötzlich eine Ortschaft, „commandiren" die vor handenen Pferde und Zugthiere, um beim Nahen einer größeren Truppenabtheiluug zu verschwinden, und sobald diese abgezogen, wieder zu erscheinen. Das gilt selbst von den „Hauptstädten der einzelnen Distrikte". So haben sie PrieSka am Oranjeflusse bereits vier Mal besetzt und geräumt, bis sich der Commandirende, General Settle, dort selbst ein quartierte und sein Hauptquartier aufschlug. BoSboroug wurde von ihnen ebenso besetzt, geräumt und wieder ge nommen, nachdem sie die dort hingesaudten australischen Freiwilligen vertrieben hatten. Aber eS scheint nicht, als wenn dieser Aufstand von directem größeren Einflüsse auf die Gesammtoperatiouen des Kriege- werden könnte, zumal da die Aufständischen in ganz kleinen Trupps operiren und schleckt bewaffnet sind. Ob die Ablehnung des Friedensgesuches der beiden Re publiken durch Lord Salisbury daran viel ändern wird, dürfte man weise thun, ruhig abzuwarten, trotz der heute von allen Seiten und zwar besonders auS englischen Quellen kommenden Meldungen, nach denen die Antwort der eng lischen Regierung unter der gesammten Afrikander-Bevölkerung einen wilden Ausbruch der Erbitterung hervorgerufen hätte ES ist gar nickt abzusehen, wie sich diese Erbitterung, so natürlich sie auch erscheint, in Thaten umsetzen könnte. .. . Ter Heldentod eine» Deutsche«. Ueber den Tod des aus Friedrichroda gebürtigen Arno Senf in einem Gefecht vor Ladysmith entnehmen wir einem Privatbriefe folgende Schilderung. Es heißt darin: „Etwa 15 Meilen westlich von Ladysmith wurden am 13. Januar 100 Mann zum RecognoSciren auSgesandt, bei welchen Herr Senf sick befand. Sie stießen hierbei auf etwa 1500 Mann englische Cavallerie, und in der Annahme, daß ei» Berg noch unbesetzt war, stürmten sie diesen, a!S sie plötzlich heftiges Gewehr- und Mapimfeuer bekamen. Nachdem sie nun etwaeineStundeGewehrfeurr mildem Feindeuoterbalten hatten, sahen sie ein, daß die Uebermacht zu groß war, und sie beschlossen, sich zurückzuziehen. Die« führten sie einzeln au», nach einem anderen Berg, bi- zu welchem sie jedoch über offene« Feld mußten, ohne jede Deckung den mörderischen Kugeln aus gesetzt. Herr Senf nahm an, da er da- Pferd seines Kameraden BegemannS nicht mehr sah und daß dieser sich schon zurückgezogen habe, und that begleichen. Hier angekommen, fand er wohl das Pferd, aber nickt de» Reiter, und vernahm von anderen Mannen, daß da« Pferd fortgelaufrn sei, Herr Begemann aber noch drüben und unfähiZ sei, zu Fuß zurück zu können. Unerschrocken und ohne Säumen schwang er sich wieder auf sein Pferd, da« seine« Kameraden am Zügel mit sich führend, und ritt in rasender Carriöre wieder den gefährlichen Weg zurück, den er soeben glücklich zuriickgelegt hatte. Er kam auch glücklich bei seinem verzweifelten Kameraden, Rettung dringend an.
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