Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.03.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-03-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000329018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900032901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900032901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-03
- Tag1900-03-29
- Monat1900-03
- Jahr1900
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis Ur Haupterpedition oder den im Gtadt- dnttk und den Bororten errichteten Au«, aabrstellen abgeholt: vier1tl,ährIich^l4.S0. bei uvetmaliger täglicher Zustellung ins Haut -.SO. Durch die Post bezogen stir Deutschland nnd Oesterreich: vierteliädrlich ^l g.—. Direkte tägliche Kreuzbandsendung int Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,7 Uhr, di» Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Re-actiou vud Erpeditt-n: Äohannitgaffe 8. LieEz-chttiou ist Wochentag- ununterbrochea geöffnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. / Filialen: Alfred Hahn vorm. v. Klemm'» Gorti«. UmversitätSstraßr 3 (Paulinum), konit Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und König-Platz 7. Morgen-Ausgabe. ripMerT Geb lall Anzeiger. Huttsvlatt des ÄöttigNchen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Notizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. Attzeigen-Prei- die figespaltenc Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter Sem RedaktionSstrich s4g» spalten) SO^z, vor den Aamiliennachrtchteu (ögespalleu) 40,^. Größere Schriften taut unserem Preis- vcrzeichniß. Tabellarischer und Zlfiernsatz nach höherem Taris. — t-ptra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbesördekung .eil 60.—, mrt Postbeförderung .ät 70.—. Anrrlchmeschluß für Anzeizrn: Abeud-Au-gabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen» Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je rin« — halbe Stunde früher. Anzeigen find stet- an dir Ggtzedttian zu richten. Druck und Perlag von E. Polz in Leipzig. 94. Jahrgang. M Donnerstag den 29. März 1900. Die bedingte Legnadigung im Jahre 1899. Dem Reichstag ist, wie schon gemeldet, eine Denkschrift über die Anwendung der in den Bundesstaaten für di« bedingte Be gnadigung geltenden Vorschriften im Jahre 1899 zugegangen. Den sämmtlichen in Betracht kommenden Gesetzen des Aus landes »ist der Gedanke gemeinsam, daß unter Umständen, namentlich gegenüber einem noch nicht bestraften Verurteilten, es dem Zwecke der Strafe bester entspricht, wenn auf deren Voll zug unter der Bedingung verzichtet wird, daß der Verurtheilte sich während einer ihm bewilligten Probezeit gut führt. Diese Erwägung liegt auch der bedingten Begnadigung zu Grunde, wie sie in den Bundesstaaten neuerdings sich Geltung verschafft hat. Die Einrichtung geht davon aus, daß die Bewilligung eines Strafaufschubs, die dem Verurtheilten Gelegenheit geben soll, sich den Erlaß der Strafe zu verdienen, besonders aber dieser Erlaß selbst, Sache der Gnade sei. Demgemäß sind durch landesherrliche Anordnung die obersten Justizverwaltungs behörden zur Bewilligung von Strafaufschub mit der Maßgabe ermächtigt worden, daß bei guter Führung des Verurtheilten die endgiltige Begnadigung in die Wege zu leiten, anderenfalls die Strafe zu vollstrecken ist. Der Anwendung der bedingten Begnadigung sind in meh reren Richtungen engere Grenzen gezogen, als sie nach den aus ländischen Gesetzen, insbesondere in Belgien und Frankreich, für die bedingte Verurtheilung vorgesehen sind. Die bedingte Ver- uriheilung wird vielfach auch bei Geldstrafen angewendet, die bedingte Begnadigung beschränkt sich auf Freiheitsstrafen, übrigens mit Einschluß derjenigen, die an die Stelle einer nicht beizutreibenden Geldstrafe treten. Ebenso stellt die bedingte Be gnadigung strengere Anforderungen hinsichtlich der hier zulästigen Höhe der Strafe. Die bedingte Verurtheilung macht regel mäßig keinen Unterschied zwischen Erwachsenen und Jugend lichen, die bedingte Begnadigung wird überwiegend nur Jugend lichen zu theil. Was die Dauer der Probezeit anlangt, so ist sie nicht, wie in Frankreich und Norwegen, von vornherein für alle Fälle gleichmäßig bestimmt, vielmehr wird sie jeweils nach den Um ständen des einzelnen Falles festgesetzt. Während oer Probezeit findet, abweichend namentlich von der amerikanischen Gesetz gebung, keine besondere Ueberwachung des Verurtheilten statt; nur ist 'dieser bei Gefahr deS Verlustes der ihm bewilligten Ver günstigung zur Anzeige eines etwaigen Wohnungswechsels ver pflichtet. Für die Frage der Bewährung innerhalb der Probe zeit kommt es nicht einfach darauf an, ob der Bedingt-Be- gnaoigte eine neue Verurteilung erlitten hat oder nicht; viel mehr wird sein gesammtes Verhalten in Betracht gezogen. Die Vermeidung einer weiteren Strafe giebt ihm daher noch keine Anwartschaft auf Begnadigung, und andererseits ist auch bei dem Vorliegen einer solchen Strafe, beispielsweise im Falle einer geringen Uebertretung, dir Möglichkeit gegeben, daß gleichwohl die gute Führung bejaht wird. Auf solcher Grundlage sind in den meisten Bundesstaaten eigene Anordnungon über die bedingte Begnadigung ergangen. Eine Ausnahme bilden zur Zeit nur noch Sach'sen- Aeimar, Mecklenburg - Strelitz, Braun schweig und die beiden Neuß. Jedoch wird auch hier von dem landesherrlichen Begnadigungsrechte häufig in der Weise Ge brauch gemacht, daß die Strafe dem Devurtheilten unter der Bedingung, sich während einer ihm bewilligten Probezeit gut zu führen, ertasten wird. Die Vorschriften der Bundesftaaten über di« bedingte Begnadigung zeigen Verschiedenheiten nur in einigen weniger erheblichen Punkten, so bezüglich des Alters der Verurtheilten und der Höhe der in Betracht kommenden Strafe. Die Gefammtzahl der Fälle, in denen bis zum 31. De- comber 1899 der Strafaufschub mit Aussicht auf Begnadigung bewilligt worden ist, beträgt 25 295. Hiervon gehören der Zeit bis zum 31. Dec«mber 1898 18295, «dem Jahre 1899 7000 Fälle an. Von den letzteren Fällen kamen 4168 auf Preußen, 697 auf Bayern, 295 auf Sachsen, 149 auf Württemberg, 202 auf Baden, 103 auf Mecklenburg-Schwerin, 791 auf Ham burg und 196 aüf Elsaß-Lothringen. Bi» zum 31. December 1898 ergeben sich durchschnittlich für das Jahr 6041 Fälle. Das Jahr 1899 weist demgegenüber eine Zunahme um 959 Fälle oder 16 Proc. auf. Was die in den einzelnen Bundesstaaten ermittelten Zählen betrifft, so haben für Preußen di« Fälle, in denen da» Begnadigungsrecht dem Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten zustrht, keine Aufnahme gefunden. Wird Visser Umstand in Betracht gezogen, so stellt sich heraus, daß die hinsichtlich 'der Häufigkeit des Vorkommens oer be dingten Begnadigung zwischen den einzelnen Bundesstaaten ob waltenden Verschiedenheiten verhältnißmäßig nicht erheblich find. Eine Ausnahme bildet Hamburg, wo von der Einrichtung ein bedeutend stärkerer Gebrauch als in allen übrigen Bundes staaten gemacht wird. Dies beruht vornehmlich darauf, daß .Hamburg Vie Erwachsenen in weiterem Umfang« an der Ver günstigung thoilnchmen läßt. Wir für die Gesammtheit, so zeigt auch für di« überwiegende Mehrheit der einzelnen Bundes staaten das Jahr 1899 gegenüber dem Jahresdurchschnitt de» vorhergehenden Zeitraums ein« Zunahme. Besonders groß ist diese in Preußen (etwa um 31 Proc.). Eine Verminderung der Ziffern zeigen außer Hamburg hauptsächlich einige süddeutsche Staaten (Württemberg, Bälden, Elsaß-Lothringen und von Bayern die Oberkande-gericht-bezirke Augsburg und München). Bei der Kürz« des Zeiträume», auf den die Beobachtungen sich erstrecken, ist «» nicht thunkich, die Ergebnisse in den einzelnen Bundesstaaten mit einander zu vergleich«. Wohl aber läßt sich an der Hand der für die Gesammtheit der betheiligten Bundesstaaten ermittelten Zahlen prüfen, inwieweit die Maß gaben, unter denen der Aufschub der Strafvollstreckung mit Aussicht aus Begnadigung bewilligt wurde, für die Art der schließlichen Erledigung der Sache von Bedeutung find. I« nachdem Vie Berhältnißzckhl der «ndgkltigen Begnadigungen bet einer Gruppe von Fällen, denen bestimmte Umstände gemeinsam sind, den für dke Gesammtheit der Fäll« festgrstellt«, Satz übersteigt ober hinter ihm zurückbleibt, darf davon «»gegangen werden, daß die in Frag« stchevde» Umstände den Erfolg der Einrichtung steigern oder mindern. Die Drrhältnißzahl der endgiltigrn Begnadigungen für dre im Jahre 1899 erledigten Fälle beträgt 77,7. Die Zahl ist bei den weiblichen Personen günstiger, al- bei den männlichen Per sonen; sie beträgt dort 85 Proc., hier nur 75 Proc. Anverer- seits stellt sich 'vas Verhältniß für erwachsene Personen besser (85 Proc.), als für jugendliche (75 Proc.). Nach den Vor schriften aller betheiligten Bundesstaaten wird aber Erwachsenen Vie bedingte Begnadigung nur auf Grund einer erheblich schär feren Vorprüfung zu Theil. Der Erfolg der Maßregel bei den Erwachsenen rechtfertigt daher keinesfalls die Vermuthung, daß sie sich für diese mehr eigne, als für Jugendliche, sondern be stätigt nur die Annahme, daß rm Allgemeinen die Wahrschein lichkeit eines günstigen AuSgangS sich erhöht, wenn der Be willigung des Aufschubs eine strenge Prüfung des einzelnen Falles vorangeht. Wesentkich anders gestaltet sich das Verhältniß, wenn die Ergebnisse der 'bedingten Begnadigung bei den bereits vor bestraften und bei den noch unbestraften Personen verglichen werden. Wer schon eine Freiheitsstrafe verbüßt hat, wird überall nur ausnahmsweise und demgemäß nach eingehender Würdigung aller Umstände berücksichtigt. Gleichwohl ist es für mehr als die Hälfte (57 Proc.) der Fälle, in denen der Strafaufschub einer bereits mit Freiheitsstrafe belegten Person bewilligt worden war, nachträglich zur Vollstreckung der Strafe gekommen, wäh rend von den noch nicht in dieser Werse bestraften Personen sich über drei Viertel (78 Proc.) bewährt haben. Werden die Ergebnisse mit Rücksicht auf die Art der straf baren Handlungen zusammengestellt, so zeigen sich nur geringe Unterschiede. Der Hauptsache nach ist die Derhältnißzahl der endgiltigen Begnadigungen bei den schwereren Strafthaten etwas niedriger, als bei den leichteren (bei Verbrechen 70 Proc., bei Vergehen 78 Proc., bei Uebertretungen 83 Proc.). Hier darf indessen nicht außer Betracht bleiben, daß für die leichteren Handlungen die Bewährungsfrist kürzer bemessen zu werden pflegt, als für die schwereren, und daß die verminderte Dauer der Probezeit Vie Aussichten deS Verurtheilten, zu Begnadigung zu gelangen, erhöht. Bei den Fällen, in denen das Urtheil von einem Amts gericht oder einem Schöffengericht erlassen ist, und bei denjenigen, in denen eine Strafkammer oder ein Schwurgericht ir, erster Instanz erkannt hat, sind di« Ergebnisse ziemlich gleich. Für die zu Haft Verurtheilten ist die Verhältnißzahl (83 Proc.) höher, al» für die zu Gefängnißstrafe Verurtheilten (77 Proc.). Werden Vie Strafen, auf di« in den erledigten Fällen erkannt war, hinsichtlich ihrer Dauer miteinander ver glichen, so zeigt sich, daß der Erfolg der bedingten Begnadigung bei Gefängnißstrafen von einer Woche und weniger am größten ist. Hier beträgt die Verhältnißzahl der «ndgiltigen Begnadi gungen 79 Proc., bei Gefängnißstrafen von längerer Dauer da gegen nur etwa 72 Proc. Wa» endlich den Einfluß der Länge der Bewährungsfristen betrifft, so ist es unverkennbar, daß sich die Ergebnisse um so weniger günstig gestalten, je weiter 'die Probezeit ausgedehnt wird. Bei einer Bewährungsfrist von drei Jahren und darüber ist nur in wenig mehr als der Hälfte aller erledigten Fälle (58 Proc.) Begnadigung erfolgt; dagegen beträgt di« Berhältniß- zahl bot einer Frist von zwei bi» drei Jahren 77 Proc. und bei einer Frist von weniger als zwei Jahren 83 Proc. Der Krieg in Südafrika. * Lsureago Marque», 28. Mürz. General Äantzert Ist »eftsrde«. Diese Tranernachricht wird auf dem ganzen Con- tinent nur mit Wehmuth entgegenzenommea wer den. Sie wirkt in ihrer Unmittelbarkeit so ver blüffend, wie die Uebergabe Cronje'-, des Siegers vom Modderriver. Soll der Stern der Boerrn verbleichen, ehe noch die Kräfte sich im entscheidenden Kampfe gemessen haben? Vielleicht kein Anderer al- Joubert war geeigneter, di« gelammte Streitmacht der Ver bündeten gegen die Engländer zu führen und nun liegt dieser Mann, der im mörderischen Kugelregen ausgehalten, tobt und starr, nnd sein kluger Geist und seine starke Hand sind dem tapferen Boerenvolke verloren gegangen. Woran Joubert gestorben ist, da- meldet der Telegraph nicht. Wir gehen aber wohl nicht fehl, wenn wir anuehmrn, daß e< sein alte- Leiden war, eine Magenkrankheit, da- ihn, die starke Eiche, fällte. Wen» aber auch Joubert'- klarer Blick und seine zwingende Persönlichkeit den Boeren den Weg nicht mehr weist, so werden sie doch nicht verzagen. Schon einmal bat ihn Schalk Burger vertreten und Commandanten wie Luca- Meyer, Botha, Deliray, Ollivirr rc. haben sich in dem Kriege an-gereichnet. In einem Volke, daS für sein Vater land, für seine» Herd kämpft, erstehen Hunderte von Führern, die Notb giebt ihnen einen höheren Flug, die Gefahr macht sie scharfsichtig. Weou auch Joubert di« Augen schloß, da- Boerenvolk und die Freiftaatler haben sie noch auf und auf den Wällen uud Schanzen vor Kroonstadt werden die Freiheit-Helden stehen, tapfer uud unerschütterlich, jeder ein rechter Nachfolger Joubert'». An «euere« Nachrichten liegt noch folgende Depesche vor: * L-«»««, 28. März. (Telegramm.) .«enter « Bureau" meldet an» »loemfoutet, vom 27. d. Der Gouverneur der «apeolonte «itner ist hier nogekommeu. „Reuter'- Bureau" meldet au- van Wyk» Blei (im Nordwesteu der Tapcolonie) vom 27. d. M.: General Parsou- ist gestern hier von der Avantgarde zuriickgekehrt, die di« «ufstdudifcheu -«Vlmpft. Er gab der Haupt- colo»« Befehl, heute autzubrechen. Der Vermorsch wird durch heftige Regengüsse verzögert, die die Wege ungangbar machte», «ach Meldungen, di« hier au- Upingtv» ringetroffeo find, ist d«, Führer der «nfstäudifchen Steenkamp mit «ichlich 800 bewaffnet» «iwnern in llpwgion. Die Aufständischen sind zum große» Theil »st Martini-Gewehre» bewaffnet nnd hab«, genügend Muaitio». Die «eg» find noch immer schm»- passtrbar. Mm, glaubt, dech amh da» UeberschmAen dm YWss« «je großen Schwierig ketten verknüpft sei. Lord Robert - ActionS-Unfähigkeit X.-L. London, 27. Mär), früh. Die Unfähigkeit Lord Robert'-, seine Action fortzusetzen, bis eS ihm gelungen, seine Verbindungslinien zu sichern, wird heute auch osficiös zu gegeben. Bis dabin halte man sich den Anschein gegeben, als wäre die Unthätigkeit des Feldmarschalls eine plan mäßige, bedingt lediglich durch die weiteren Vorberei tungen für einen umfassenderen Angriff und höchstens noch durch die Notbwendigkeit, die Nachsenduug von Cavalleriepferden und Zugthieren zu erwarten. Je länger dieser Zustand der ActionSlosigkeit andauerte und je weniger es seinen Untergenerälen am Oranjefluß gelang, irgendwelche nennenswerthe Erfolge zu erzielen, je spärlicher wurden die Nachrichten, bis man deren fehlen dadurch zu erklären suchte, daß Roberts stets schweige, wenn er einen großen Schlag vorbereite und man tröstete sich damit, daß setzt stündlich eine neue große Siegesbotschaft eintreffen werde. Jetzt, wo die Mär von der Unterwerfung der Freiftaaten- docren sich als Fata Morgana erwiesen bat und unleugbare Tbatsachen zur Evidenz festgestellt haben, daß zahlreiche Boeren bereits wieder die einzelnen englischen Lager in dichten Schaaren umschwärmen und deren Verbindungen bedrohen, wird auch daS nicht mehr versucht. Ein Kommunique des Kriegs- Ministeriums an die Presse giebt beute ausdrücklich zu, daß LordRoberts vorläufig seine ganze Aufmerksam keit der Durchführung oer Neuorganisation und der Unterwerfung in den besetzten Distrikten des Freistaates schenken müsse, da, bis diese Pacificirung durchgeführt, seine Verbindungslinien zu sehr bedroht erschienen, um eine weitere Vorwärts-Äction ratbsam erscheinen zu lassen. Auch die „Times" constatirt beute wieder, daß die angebliche Loyalität derjenigen Oranjeboeren, welche alte, ausrangirte Gewehre abgeliefert und sich scheinbar unterworfen hätten, sich als immer verdächtiger erwiese. Der Specialcorrespondent des „Standard" meldet seinerseits aus Bloemfontein, den 25. März, daß sogar der Telegraphendraht zwischen der Hauptstadt deS Freistaates und dem nahen Kimberley abzeschnitten worden ist und daß selbst auf dieser kurzen, von der britischen Hauptmacht vollständig be setzt ' Strecke die Lage so prekär sei, daß der in Kimberley remu an^rende Ofsicirr, Oberst Barcer, ihn dringend gewarnt yab nicht nach Bloemfontein zu gehen. Man kann darnach am besten die Sicherheit der übrige» Verbindungslinien bcurtheilen. Der Correspondent ritt trotzdem mit einigen Begleitern aus und stieß auch nirgends auf den Feind, traf dagegen aber zahlreiche fliehend« Kaffern, welche um Schutz, wie er behauptet, den englischen Lagern zueilten und stellte fest, daß der ganze umliegende Distrikt voller bewaffneter Boeren sei. Die wenigen Freiftaatler, welche er auf ihren Farmen fand, die meisten hatten dieselben wieder verlassen, zeigten nur zum kleinsten Theile ein freundliches Gesicht, die Uebrigen waren verbittert und sagten vorder, daß Bloemfontein wie Kimberley sehr bald wieder genommen werden würde. Nach einem ermüdenden Nachtritte traf der Correspondent um drei Uhr früh an der Modder ein, wo er plötzlich auf ein Boerenlager stieß. Ein Boeren- lager an den Ufern der Modver, dicht vor Bloemfontein und direct auf der Straße nach Kimberley war Wohl das Letzte, was er erwartet hatte. Der Correspondent machte aber noch eine andere, für die Lage deS englischen Heeres charakteristische Erfahrung: Trotz dem er und seine Begleiter des Nacht» geritten waren und bereit- um 10 Uhr früh nach einem zweistündigen Halte in Bloemfontein eintrafen, waren ihre Pferde vollständig ge brochen und sein eigene- Thier bereit» mehrere Stunden vorher todt umgefallen. Die zurvckgelegte Entfernung be trug etwa 40 üm. Wenn also wenige Reiter, die über dies ihren Pferden noch eine relativ besondere Pflege angedeiben lassen können, mit diesen nicht einmal in der Kühle der Nacht einen Ritt von 40 üm zu macken im Stande sind, ohne daß ihre Tbiere Vormittags zusammen brechen, so liegt eS auf der Hand, daß größere Cavallerie- aeichwader noch viel weniger leisten muffen und tagsüber kaum in Betracht kommen können. Alle diese Erfahrungen setzen erst die Lage der Engländer in das richtige Lickt: Man versteht jetzt, weshalb die Boeren darauf verzichten konnten, die Bahnlinien vollständig zu zerstören — die geoaue Kenntniß ihres Landes und der KriegSsührung in demselben gaben ihnen die Ueberzeuguna, daß der Feind selbst mit Hilfe der Eisenbahnen keine raschen entscheidenden Schläge würde führen können. Offenbar be- urtheill man in Europa immer noch die militärische Lage zu sehr vom reinen militär-wissenschaftlichen Standpunkte und kommt dabei zu irrigen Schlüffen, weil die Prämissen andere sind. ES gehört offenbar eine sehr gründliche Kenntniß von Laad und Leuten, ein vertrautes Verständniß für die An schauungen, daS Denken und Fühlen der Boeren uud ihrer ganzen Art und Weise dazu, um sich selbst bei einer guten Kenntniß de» Gelände- und ungetrübtem militärischen Urtheil eia richtige- Bild der,Lage zu machen und an der Hand desselben eine sachgemäße Kritik üben zu können. Am Oraniefluß illustrirt sich die Lage durch daS plötzliche Eintreffen General- Walker- mit allen noch in Capstadt verfügbaren, resp. in den letzten Tagen gelandeten Verstärkungen vei Norwal- Pont. Sir Frederick Forestier Walker ist nächst Sir Charles Darren und Lord Methuen der drittälteste Officier in Südafrika und müßte danach ein größere- Commando erhalten. Im Range steht er eigen- thümlicher Weise weit über Lord Kitchener, obwohl er dessen Befehlen unterstellt ist, und theilt dieses Schicksal mit noch sechs anderen Offieieren, denn der Sieger von Karthum kommt der Rangliste nach unter den in Südafrika stehenden Generalen erst an neunter Stelle. So stehen z. Zt. 2 General-Majore in der Front »ft höherem Rang« al- Kitchener, welche früher selbst unter ihm in Egypten gedient haben. In militärischen Kreisen heißt e-, dast diese Lage zu allerhand Frictionen geführt habe, wa« bei der bekannten Rückstckt-losigkeit Kitchener'« besonders gegen di« ihm «nterstellten Officiere nicht verwunderlich ist. E- scheint, daß die südafrikanische Armee jetzt endlich in Armeecorp» organifirt wird und daß man die einzelnen Commando» den thatsächlichen Verhältnissen entsprechend ver- theilea will. Bis dahin herrschte bekanntlich ein wildes Durcheinander in der Verwendung der einzelnen Truppen- theile, die bis zu den Compagnien hinab auSeinandergerissen und in den verschiedensten Theilen de» Landes verwandt wurden. Die peinliche Frage. . Zwei recht peinliche Fragen legte Mr. Mac Neill, der sick schon durch seine Anfrage über die Autorität de- Ober befehlshabers in Kimberley, sowie über die Holländer der Dum-Dum-BulletS der Rhodes-Clique im höchsten Grade unangenehm gemacht hat, wieder dem Ministerium vor. Die erste Frage war, ob während der Belagerung von Kimberley Colonel Kekewich als militärischer Commandeur eine unter der Controle des Herrn Rhodes stehende Zeitung unterdrückt habe und wenn, welche Gründe er dafür gehabt habe. Natürlich bekam er keine Information. Der Unterslaats- sekretär des Krieges, Mr. Wyndham, erwiderte leichthin: „Das Kriegsminislerium hat über die Angelegenheit keinerlei vsficielle Berichte erhalten". Man sieht, Herr RhodeS wird sehr zart behandelt und der Kriegsminister denkt gar nicht daran, sich um etwas zu kümmern, von dem er keine officielle Mittheilung erhält, so lange Herr Rhodes in Betracht kommt. DaS wollte die Opposition, deren rührige- Mitglied Mac Nkill ist, nur constatirt haben. Die zweite Frage Mac Neills war indessen bedeutend interessanter und ist vermuthlich für Herrn Chamberlain die unangenehmste Erinnerung an seine kleinen südafrikanischen Geschäfte gewesen, die er seit der Erwähnung deS Hawksley- Dossiers im Parlament zu hören bekam. Mr. Chamberlain batte als Antwort auf eine von Ealonel Lockwood gewünschte Aufklärung darüber, ob „eine Bank firma, deren HauptbureauS sich in Capstadt und Johannisbura befinden, für vie TranSvaal- regierung Münzgeschäfte auSgeführt hätte, während wir im Kriege mit derselben Re gierung sind", eine gewundene und in epischer Breite wie immer gehaltene Erwiderung. Mr. Cham berlain erwiderte, daß allerdings „eine südafrikanische Bank" derartige Geschäfte gemacht habe. Den Namen dieser Bank nannte Herr Chamberlain nicht und zwar, wie wir gleich sehen werden, auS einem sehr einfachen Grunde. Mac Neill, der so leicht nicht nachläßt, fragte kurz und bündig, ob der Colonial-Sekretär den Namen der Bank wisse, worauf Chamberlain natürlich nicht gut umhin konnte, denselben zu nennen. „Die Bank-of-Southafrica" er widerte er also, und zwar nicht gerade in sehr liebenswürdigem Tone. Die „Bank-of-Southafrica" ist bekanntlich dasselbe Institut, an dem der Colonial-Sekretär mit ganz erheblichen Summen betheiligt ist, während sein Bruder, Mr. Austen Cbamberlarn und Mr. Rochfort Maguire, Directoren derselben sind. (!) Der unverwüstliche Mac Neill fragte daraufhin weiter in aller Harmlosigkeit: „Ist das dieselbe Bank, mit der gewisse ebrenwerthe Herren in Verbindung stehen?" er hielt natürlich aber keine Antwort. So sehen wir die amüsante Thatsache, daß Herr Chamber lain und seine Freunde und Vettern, natürlich ganz ohoe eS zu wissen, oder zu wollen, .,Pro-Boer-Geschäfte" aus- gesührt Haden: der Bruder Chamberlain s war cs bekanntlich auch, der als Direktor und Hauptactionär der Waffenfabrik Kynoch L Co. den Boeren bis in die letzte Zeit hinein Waffen und Munition lieferte. Ist es auffallend, daß die „Times", deren ausführlicher Parlamentsbericht stets wegen seiner Wörtlichkeit und abso luten Unparteilichkeit bekannt war, von dieser Antwort Chamberlain'- ebensowenig etwa- weiß, al- von der An frage Mac Neills ? Die Behandlung -er Engländer in Dresden. Die „Times" hat wieder zwei Zuschriften über die Behandlung der Engländer in Dresden. In der einen heißt es: „Kürzliche Vorkommnisse in der Stadt Dresden und die Commentarc, welche sie in der englischen Presse hervorgerufen haben, sind, wie ich höre, in England von übertriebener Wirkung gewesen. Wenn wir hier, wie gesagt wurde, unter einer Schreckensherrschaft leben, so ist eS eine ziemlich milde Herr schaft. Dresden ist wie andere deutsche Städte augenblicklich in der Besserung begriffen, die krampfhaften Angriffe und die hysterische Freude über die britischen Niederlagen, die sonderbare Halluncination, daß das britische Kaiserreich zu einem plötzlichen Ende mit Schrecken gekommen sei und daß jetzt ein neues deutsches Millenium flämmere, sind sichtlich versckwundenHGeblirben ist nur da- Gemurre einiger wenigen verlogenen Reptilienblätter, die überhaupt wesentlich für die ursprüngliche Zügellosigkeit verantwortlich sind. Englische Reisende werden, wie früher» Höflichkeit und Gastfreundlichkeit finden und können viel thun, um da- gute Einvernehmen, das niemals hätte unterbrochen werden müssen, wieder berzustellen." Unterzeichnet ist der, Dresden, 24. März, datirte Brief, von Charles Copland Perry. Etwa« weniger arozant und sachlicher klingt die zweite Zuschrift, die R. H. Hodgkin an dir „Times" richtet. E« heißt in dem Schreiben: „Erlauben Sie mir, gegen eine Behauptung, die kürzlich in Ihrer Zeitung erschien, nämlich daß Engländer in Dresden „thatsächlich unter einer Schreckensherrschaft leben", zu prv- testiren, da dieselbe sowohl verletzend, als auch im dirrcten Widerspruch mit den Tbatsachen ist. Die vereinzelten Fälle von Jnsultirung, die erwähnt wurden, scheinen von einem oder zwei RowdieS begangen zu sein und verdienen lediglich Mißachtung. Erlauben Sie mir, hinzuzufügen, daß ich selbst in Erfahrung brachte, daß da- einzige Mal, wo englische Damen mit Schneeballen geworfen wurden, fick in der Weis« abspielte, daß drei junge Damen von zehn deutschen kleinen Jungen- angegriffen wurden und sie in die Flucht schlugen. Es kann nur dazu dienen, Mißstimmung
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite