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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.04.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010401027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901040102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901040102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-04
- Tag1901-04-01
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Der Wartlaut de« russisch-chinesischen Abkommen«, betreffend die mandschurische Provinz Schengking (Aciigtien). 1) Der Militärgouverneur (von Schengking) Tseng wird nach Rückkehr in sein Amt pflichtgemäß die Ruhe im Lande sicherstellen und dafür Sorge tragen, daß bei der Wieder aufnahme der Eisenbabnarbeiten nicht die geringste Störung vorkommt oder Schaden angerichtet wird. 2) In der Hauptstadt Mulden und andern Plätzen werden jetzt russische Truppengarnisonen verbleiben, die einerseits zum Schutz der Eisenbahnen, ander seits zur Aufrechterhaltung der Ruhe im Lande dienen sollen. Der Generalgouverneur uud die Localbeamten haben mit den russischen Beamten auf höflichem Fuße zu verkehren und sie nöthigenfall« nach Kräften zu unterstützen, zum Beispiel bei der Unterkunft und beim Getreidekauf. 3) Nachdem in der Provinz Schengking durch chinesische Truppen im Verein mit Aufständischen Eisenbahnen zer stört worden sind, wird der Generalgouverneur in Mukvea die ihm unterstellten Truppentheile samml und sonders auf lösen und sich die Waffen ausliefern lassen. Gebt die WaffenauSlieferung gutwillig von statten, so soll wegen deS früher» Verschuldens nickt weiter eingeschritten werden. Die KriegSvorräthe, Waffen und Geschütze, die sich in den von den NusseNynock nicht genommenen Arsenalen finden, sind sämmtlich an die russischen Officiere auszuliefern. 4) Die in der Provinz Schengking von den russischen Truppen noch nicht besetzten Befestigungen und Lager müssen in Anwesenheit von russischen Beamten, die sich in Begleitung von chinesischen Beamten an Ort und Stelle zu begeben haben, niedergelegt werden. DasGleiche soll mit den Pulvermagazinen geschehen, soweit die Beamten ihrer nicht bedürfen. 5) Uingkou (Niutschwang) und benachbarte Plätze bleiben vorläufig unter russischer Verwaltung. Erst wenn die russische Regierung die Rübe für vollkommen wiederhergestelll ansehen kann, sollen diese Plätze den chinesischen Beamten unterstellt werden. 6) In allen Städten und Märkten der Provinz Scheng king werden auf Anordnung des Generalgouverneurs in Mukden Polizeitruppen, berittene und unberittene, eingerichtet werben zum Schutze der handeltreibenden Be völkerung. Neber die Zahl der Mannschaften und da« Tragen von Waffen werden noch besondere Bestimmungen getroffen werden. 7) In Mukden wird ein besonderer russischer Statt halter eingesetzt werden behufs Vermittlung deS amtlichen Verkehrs zwischen dem russischen Gouverneur von Liaotung und dem Generalgouverneur in Mukden. Der Statthalter muß von allen wichtigen Maßnahmen deS GeneralgouvrrnrurS unterrichtet werden. 8) Falls die vom Generalgouvernrur demnächst in« Leben zu rufenden Polizeitruppen zu Fuß und zu Pferde sich gelegentlichen Aufgaben nicht gewachsen zeigen sollten, so kann, einerlei, ob eS sich um einen Ort im Innern oder der Grenze oder um einen Weg zu Wasser ober zu Lande handelt, durch den Generalgouverneur sofort Mittheilung an den russischen Statthalter erfolgen, der dann beim russischen Truppenfübrer Hilfe besorgen wird. d) Im Falle von Meinungsverschiedenheiten über die vor stehenden Bestimmungen soll der russische Wortlaut maß gebend sein. Die vorstehenden vorläufigen Vereinbarungen wird der Generalgouvernrur Tseng bei seiner Rückkehr nach Mukden sogleich ausfübren. Sollten später im Interesse beiderseitigen Vortheil« sich Zusätze erforderlich zeigen, so werden darüber der Gouverneur von Liaotung und der Generalgouvernrur von Schengking in weitere Verhandlungen treten. * London, I. April. „Standard" meldet aus Shanghai vom 31. März: Wie au« Tokio berichtet wird, gab die russische Regierung der japanischen die Versicherung, das Mandschurei- Abkommen könne nicht zum Schaben Chinas wirken. Es enthalte nichts, was daraus berechnet sei, die Interessen LeS Kaisers von Japan wesentlich zu beeinflussen. Der Krieg in Südafrika. Nochmal- der „Sieg" vabingtonS Man schreibt unS aus London unterm 30. März ganz unserer bereits zum Ausdruck gebrachten Annahme entsprechend: „Ueber den „großen Sieg" des Generals Babington, den dieser nach Kitchener'S Meldung bei VeuterStorp über De la Rey mit den minimalsten Verlusten auf englischer Seile davongetragen haben soll,werden jetzt nachträglich wie gewöhnlich nähere Einzelheiten laut, welche, wie ja übrigens auch gar nicht anders zu erwarten stand, die schön gefärbten Kitckener'schen Meldungen in mancher Hinsicht dirttt Lügen strafen. — Bevor Vie oificielle Meldung von dein Siege kam, lagen bereits andere Nachrichten vor, welche von einem Engagement De la Rey'S bei Hartebestefontein sprachen und nicht un beträchtliche Verluste der Engländer constatirten. Heule haben wir hierfür die officielle Bestätigung, indem die Verlustliste für dieses Gefecht einen Abgang von 2 Ossicieren und 7 Mann an Tobten und von 3 Öfficieren und 17 Mann an Ver wundeten, sowie 7 Mann an Vermißten scststellk. Kitchener wußte hierüber in seiner vsficiellen Depesche nicht« zu sagen und sprach nur von 1 Tovten und 2 Ve.- wundeten, wobei er sich jedoch schlauer Weise nur auf das Gefecht von VenterSdorp bezog, welches aber in Wnk.ichkcil nickt« Anderes war, als die Fortsetzung der eben erwähnten Action. Wir haben hier wieder einen recht schlagenden Be weis von der Art und Weise, in welcher die officielle englische Berichterstattung künstlich zureckt gestutzt wirb, und man muß sich dabei nur fragen, ob denn die Leichtgläubigkeit und VertrauenSbuselei de- britischen Volkes immer noch so groß ist, daß das Kriegsamt sich erlauben darf, derartige Mel dungen oder Keffer gesagt Schwindeleien zu publiciren, wenn eS ganz genau weiß, daß die unausbleiblichen Verlustlisten nach eia paar Tagen daS direkte Gegeniheil der officiellen Lügen an den Tag bringen müssen. In Wirklichkeit ging der erste Angriff von De la Rey auS, welcher am 22. d. M. die englische Avantgarde mii schweren Verlusten auf das HauptcorpS zurückwarf, worauf dann General Badington, der inzwischen durch die B'igade Shekleton verstärkt worden war, mit dreifacher Uebrrmackt die neue noch unbefestigte Stellung De la Rey's attackirten und umfassen konnte, wodurch das BoerencorpS zu schleunigem Rückzüge und leider auch zur Aufgabe eines TheileS seiner Artillerie und seines Transportes gezwungen wurde. Daß hierbei die Engländer als Angreifer sicherlich mehr als einen Tobten und zwei Verwundete verlieren mußten, liegt wohl auf der Hand, und die nächsten Verlust listen werden zweifellos auch hierüber wieder die nöthige Aufklärung geben. * CapstaVt, 31. März. („Reuter's Bureau".) General French setzt seine Operationen im Osten von Transvaal fort. In verschie- denen Scharmützeln wurden 17 Boeren getödtet und verwundet, 57 gefangen genommen und 93 ergaben sich. Die Boeren brachten zwei Eisenbahnzüge zum Entgleisen, wurden jedoch bei dem Versuch, die Züge zu plündern, mit einem Verlust von 6 Tobten und einem Verwundeten zurückgeschlagcn. (Wenn's wahr ist. D. Red,) * Kapstadt, 3l. März. („Ncuter's Bureau".) Weitere 12 Personen, darunter vier Europäer, find an der Pest ertrankt. Politische Tagesschau. * Leipzig, 1. April. Wieder einmal wird über eine Acustcrung -es Kaisers Verschiedenes berichtet. Nach einer in unserer heutigen Morgenausgabe mitgetbeillen telegraphischen Meldung aus Berlin soll auf die Glückwünsche des Präsidiums des preußischen Herrenhauses zur Errettung deS Kaisers aus Lebensgefahr dieser ungefähr Folgendes cn'gegnct haben: Er habe seine Sinnesart in Folge des „Bremer Vorfalls" nickt geändert, er stehe in GotteS Hand und werbe für das Wohl deS Vaterlandes nach seinen Kräften weiter wirken. Nach einer uns zugebenden Privatdepesche soll der Kaiser gesagt haben: Er sei zwar betrübt darüber, daß ein deutscher Arbeiter ein Eisenstück gegen ihn geschleudert habe, er werde aber dadurch in seiner Stimmung, in seiner Gesinnung und in der Ver folgung seiner Ziele keineswegs beeinflußt. Er stehe in Gottes Hand und werde seine Wege so geben, wie er glaube, daß cs zum Besten deS deutschen Volkes gereiche. — Der Unterschied zwischen diesen beiden Lesarten ist zwar nicht aroß, aber doch bedeutsam insofern, als die zweit? Version den Kaiser ausdrücklich in Abrede stellen läßt, baß der Bremer Vorfall seine Stimmung be einflußt babe. Da nun vielfach angenommen und gesagt worden ist, nicht nur die Antwort des Kaisers auf die Glück wünsche deö Abgeordnetenhaus-Präsidiums, sondern auch seine Ansprachen an die Mannschaften und die Ofsici.re deS Alexander-Regiments seien durch seine Stimmung beeinflußt gewesen, so würde man, wenn die zweite Version die richtige wäre, schließen wüssen, daß der Kaiser diese Annahme bestreite und seine bei beiden Gelegenheiten gesprochenen Worte so betrachtet und beachtet sehen wolle, als ob sie ebenso gesprochen sein würden, wenn er in Bremen Nicht ver letzt worden wäre. Gerade deshalb wäre es höchst wünscbenS- werth, wenn der Vicepräsident des preußischen Herrenhauses von Manteuffel, der an Stelle des erkrankten Präsidenten die Glückwünsche der Ersten Kammer überbrachte, die kaiser lichen Worte bald in vollem Wortlaute mitlbeilte. Aber wahr scheinlich wird man daraus ebenso vergebens warten, wie aus den Wortlaut der kaiserlichen Aeußcrungen beim Empfange deS Abgeordnetenhaus-Präsidiums und in der neuen Easerne deS Alexander-Regiments. Wie es dann möglich sein soll, die kaiserlichen Kundgebungen genau zu beachten, daS sagt viel leicht einmal der Reichskanzler auf eine Anfrage im ReickS- lage. Vorläufig wird man annehmen dürfen, daß die zweite Version, wenn auch nicht ganz wortgetreu, so doch die richtigere sei; denn die Officiösen haben Auftrag, darzulegen, daß eS höchste Zeit sei, die Quellen der Verhetzung ru verstopfen. Die „Berl. Poliit. Nachr." entledigen sich dieses Auftrags folgendermaßen: Man wird zugeben können, daß nach dem Ergebniß der bisherigen Erhebungen das Bremer Attentat wahrscheinlich das Werk eines geisttk- schwachen und der vollen Herrschaft über seinen Wille« entbehrenden Menschen ist, Gleichwohl muß r« auffallen, daß auch dieser Epileptiker, genau so wie die unzurechnungsfähige Breslauer Attentäterin, seinen Drang, die Mordwaffe gegen einen Menschen zo schendern, gerade gegenüber Seiner Majestät dem Kaiser gefolgt und sie nicht vielmehr gegen Zuschauer oder andere Thellnehmer oder Begleiter der Fahrt gerichtet hat, wie e« denn noch niemals einem gcistrs- und willensgrstörteu Menschen eingefallen ist, Herrn Bebel oder Herrn Singer mörderisch anzufallen. Man wird, nachdem der Vorgang sich wiederholt hat, nicht mehr von einem unglücklichen Zufall« reden können, vielmehr »inen ur sächlichen Zusammenhang zwischen der Person Les Laodesherrn und den: Attentäter als vorhanden annehmen müssen. Fragt man sich nun, weshalb gerade auf den Kaiser die mörderischen Ab sichten ganz oder halb unzurechauugsfähiger Personen sich richten, jo wird man sich erinnern müssen, in wie steigendem Maße gerade die Person des Herrschers Gegenstand nicht blos der schärfsten Kritik, sondern auch der heftigsten Anfeindung gewesen ist. Selbst Kreise, welche eS al- eine schwere Beleidigung ansehen würden, wenn man an ihrer unerschütterlichen monarchischen Gesinnung und Königstrrue nur im Geringsten zweifeln wollte, haben sich vou solcher Kritik mit scharfer persönlicher Zuspitzung nicht zurückgehalten und mitunter selbst einen Ton on- geichlagen, der nur wenig von der planmäßigen Verhetzung der Socialdemokraten gegen die Person d«S Monarchen sich unterschied. Kann cs Wunder nehmen, Laß, wenn so von den verschiedensten Seiten immerwährend Angriff« gegen diesen von bewußt oder unbewußt verhetzender Natur gerichtet werden, urtheilSschwachen und ausreichender Willenskraft entbehrenden Menschen dir Richtung ihrer verbrecherischen Absicht gegen die Person de« Monarchen gleichsam suggerirt wird? Kann man sich wundern, wenn au« dem Sumpfe solcher planmäßigen Verhetzungen in schwache Seelen da« Gift ver brecherischer Anschläge gegen da- Staatsoberhaupt aufsteigt? Will man daher für die Zukunft der Wiederholung solcher unglückseligen Thaten Vorbeugen, so wird man vor Allem die Quelle der Ver- hctzung schließen müssen. Die« sollten sich vor Allem Diejenigen gesagt sein lassen, welche trotz patriotischer Gesinnung, wenn auch wider Willen, an jenem hetzerischen Treiben theilgenommen habeu. Jedenfalls ist zuzugeben, daß die an der Person deS Kaisers geübte Kritik zuweilen daS Maß de« Zulässigen überschreitet. Aber unseres Erinnerns waren eS gerade die „Berl. Polit. Nachr., die in Uebereinstimmung mit Staatssekretären und Ministern noch kürzlich erklärten, die Zahl der MajestätS- beleidigungSprocesse habe seit «ner Reihe von Jahren nickt zu-, sondern abgenommen. Die Staatsanwälte sind jedenfalls nicht lauer geworden. Au« der Abnahme der Majestätsbeleidigungsprocesse muß man also schließen, daß die unzulässige Kritik an der Person de« Kaiser- nicht zugenommen habe. Und wenn man sich der Sprache er innert, die in Preußen während der Confliclejahre und während de- CultuikampfeS, im Reiche vor der großen Wirlhschaflsreform gesprochen und geschrieben wurde, so muß man diesen Schluß al« den Thatsachen völlig ent- FeurHatsn. Der Oger. Roman von Hermann Birkenfeld. »iachtnick virSetm. „Hättest Du nicht Lust, Ruding, mitzuziehen?" fragt Heini Flügge und schiebt die verstaubte Mütze wieder unter seinen borstigen Flachrkopf. Rudolf Lammert antwortet eine Weile gar nicht«. Stark „unterm Berge hervor" lugen sein« trotzigen, braunen Knaben augen nach der zu den Füßen des Sandhügcl«, an dessen Abhang die beiden Jungen sich gelagert haben, dahinlaufendrn, weiß wolkigen Chaussee. Dichte Menschenmaflen stampfen daher, Männer, Frauen und Kinder. Boran die Karniner Stadtcapelle mit der „Wacht am Rhein". Die Chaussee führt nach dem Bahnhofe, wo die Lokomotive weißlich« Rauchpuffen in dir Julimorgenluft sendet. Sie harrt darauf, di« dienstfähige Mannschaft Karnin- in« Stabsquartier zu befördern, nach Anklam. Bon da nach Frankreich, dem Feind« entgegen. „Zum Rhein, zum Rhein, zum grünen Rhein!" schallt e» von unten herauf. Rudolf Lammert wälzt endlich mit einem Ruck seinen Körper herum. „Wär' ich ein paar Jahr' älter!" Sein Gefährte lacht. „Meinst, mit unseren vierzehn und fünfzehn Jahren wären wir noch zu nicht- nütze? Al- ob'« darauf ankäme! Ein Spatz würd'«, da« wäre für mich die Hauptsache. Ich bin'« hier leid, den ganzen Trödel: den Alten mit seinem Geschtmpf und Ge säuse und di« dämlichen Jungen in der Bürgerschule erst recht." Nun springt Rudolf auf. „Leid! Ich wohl nicht? Nicht längst? — Wer thut denn nur ein klein bi«chen, mir'» warm un« Herz zu machen? Wa« sollte mich hier halten — wa«? — Just gar nicht«, sage ich Dir —" „So — just nicht«; und ich?" Rudolf Lammert hat sich jäh umqedreht, aber ohne Er staunen oder gar Schreck über Li« plötzliche Erscheinung de« verwahrlost au«sehenden Dinge-, das barfuß, in zerzaustem Röckchen, da« fast schwarze Haar ziqeunermäßig um die Stirn flatternd, au« Erlenaestrilpp und Bromb-erdornen aufgetaucht ist. Hal- Trotz, halb Verachtung sprühen sein« Lugen. „Du! — Du bist 'ne Katze." Er hat so Unrecht nicht: Wie daS Mädchen, um einen ganzen Kopf kleiner als er, den geschmeidigen Körper leicht ge krümmt, ihn au« zusammengekniffenen Augen, unbeweglich lauernd anblinzelt — e« ist, al» wollte eine Katze ihm ins Gesicht springen. Er rührt sich nicht vom Flecke. Heini kaut phlegmatisch an einem Halm. „Wieder 'mal gelauscht, Lisa?" Lisa richtet sich auf. „Huching! 'S wär' der Mühe Werth, Eurem Gewäsch! Ich hatte wa« Gescheidtere« zu thun, und wenn Rudi mich nicht angebellt hätte, wie 'ne Bulldogge da! —" Sie hebt die Schürze und zeigt ein selbstgeflochtenes Binsen körbchen voll Walderdbeeren. „Al« ob ich die genommen hätte!" knurrt Rudi. „Hangen die Trauben zu hoch?" lacht sie, zeigt dabei zwei Reihen spitzer Zähne und hält die Früchte hoch über ihren Kopf. Rudolf schwippt mit der Weidengert« in seiner Hand veracht- sich nach ihr hin. „Gestohlen sind sie. Ja — sieh mich nur so an mit Deinen grünen Augen — meinst, ich wüßte nicht, daß Du di« Beeren au« Hansen'« Wäldchen gemopst hast? Wo giebt's denn sonst welche hier in der Nähe?" Senator Hansen ist einer der reichsten Leute in der Stadt und sein „Wäldchen" mit Graben und Hecke sorgsam um geben. Lisa zieht schnippisch die Oberlippe hoch. „Der spinnige Hansen hat die Beeren da wohl gepflanzt, h«? Al« ob'« nicht Unkraut wär«, so gut wie Löwenzahn und Vergißmeinnicht! Al« ob nur di« Reichen «in Recht auf das hätten, was —" „Was in ihrem Gehege wächst. Selbstverständlich. Ge stohlene« Gut —" „Huiho, wie stolz! Wir sind gewiß noch nie in den Verdacht gekommen, anderer Leute Obst —" Da krallen Rudi'« Finger sich in ihren Arm. „Hex<!" zischt er. Ein rascher Griff ihrerseit«, mehr ein Zuschlägen! Betroffen läßt er lo«. Seine Hand blutet. „Katzen kratzen, Prinz Oger!" Zugleich fühlt er einen harten, prasselnden Regen im Gesicht. Der Inhalt des Körbchen-, den sie ihm an den Kopf ge- > worfen. „Prinz Oger! Prinz Oger!" schallt es noch ein paar Mal zu ihm hinauf. Langst ist sie den Hügel hinabgestürmt. Seine Füße zerstampfen die Beeren am Boden. „Sie ist 'ne Bestie, Heini." Heini lachte. „Sagst es nicht zum ersten Mal und verträgst Dich doch immer wieder mit ihr. Sie ist auch nicht so schlimm, wie sic thut, und das mit dem Stehlen —" Rudolf Lammert reckt sich, seine Fäuste ballen sich. „Sie glaubt's ja nicht, Ruding. Sie nicht und ich nicht." Ruding kneift die Lippen zusammen. „Aber sie stiehlt selber." „Oha!" Der Einbruch in Hansen's Gehege gilt Heini Flügge offenbar nicht als vollwerthig. „Wenn Du das stehlen nennst, Ruding . Und für wen hat sie's denn gethan? — Sie wußte, daß sie uns hier oben fand, und meinethalben ist sie nicht heraufaeklettert." „Meinethalben braucht« fie'S nicht." „Und ist doch außer Eurer Gabriele und mir die Einzig«, die's ehrlich mit Dir meint. Und jetzt weiß ich's: ich laufe doch nicht hinter den Soldaten her. Sie hält mich. Sie, und allenfalls noch Du. Du hast doch wenigstens nichts von der Dicknäsigkeit der anderen Lateinschüler, die da meinen, unsereins wär« was Schlechteres als sie, weil sie 'ne besser« Jacke tragen und ein paar Brocken Latein lernen." Rudi that mit seiner Gerte einen pfeifenden Hieb durch die Luft. „Der Janhagel! — Weißt, warum ich gestern zwei Stunden bei Stadler brummen mußte?" „Bei Eurem Geschichtslehrer? — Das ist ja famoS, Ruding. Hat sie Dir nicht 'ne Tafle Kaffee angeboten?" „Wer?" „Linchen Lehmann, seine Frau. Ich meine, aus alter Freund schaft." Rudolf seufzt. „Das war's ja gerade, daß die auch noch dazu kam und mit so 'nem dröhnigen: ach so, den hast Du da sitzen: Reg' Dich nur nicht auf, Theo, der verdient's schwerlich, sich aus der Thür drehte. Und warum? — Um den vertrackten falschen Ulrich —" „Ulrich Fetthenne! — Dachte mir'« ungefähr, daß der mang war", murmelte Heini, während er mit seinem Taschenmesser ein Stück Kiefernborke zu einem Schiffchen höhlt. „Der ist wie sein Alter — «in fauler Apfel vom halbsaulen Stamm. Aber wie kam'- denn?" Rudolf fährt einmal mit den Fingern durch sein krauses Haar, daß ein paar welke Blättchen und Halme daran« auf den Boden rieseln. „Stadler ist ja kurzsichtig wie ein Maulwurf, und Respect haben nicht Biele vor ihm. Ich auch nicht, und erst recht nicht, seit er Lehmann'- Linchen um ihre- Vater« Geldsäcke freite. Aber darum hätte ich ihm doch nicht da« Katheder verschoben und auf ein paar Spänchen nothdürfttg hergestellt, so daß er, wie er gestern in die Clafle kommt, mitsammt dem klobigen Gestell am Boden liegt." „Hm!" macht Heini. „DaS war boshaft. „Und wer " „Wer'S gethan hat? Ulrich Fetthenne. Wir lassen oft vom Morgen auf den Nachmittag unsere Bücher in der Schule liegen, weißt Du, und daS —" „Macht der dicke Ulrich sich zu Nutze, die Nachmittags arbeiten aus dem ersten besten Heft abzuschmieren. Kenne ich." Rudi nickt. „Ich selbst hatte ihn bald nach Eins in« SchulhauS gehen sehen und so nach 'ner halben Stunde wieder 'rauSkommen. Für die Dreiuhrstunde hatten wir eine mathematische Aufgabe, weißt Du." „Und dann?" fragt Heini. „Und dann kam ich als Erster wickaer rn'« Classenzimmer, und Keiner hat's Katheder angerührt. Und dann kam der Krach. Und dann wollte Niemand «8 gewesen sein, und dann —" „Dann hieß es: iver ist zuerst hier gewesen? Und Du Schafs michel stecktest mal wieder für einen Ankern den Kopf in die Schlinge, und Ulrich Fetthenne ging frei au«?" Rudi schweigt. „Man batte mir die Wahrheit ja doch nicht geglaubt", sagte er düsteren Blickes nach einer Weile. „Und dann kam der Rector, und ich sollte noch denselben Nachmittag dem Doctor Stadler Abbitte leisten." Nun hebt Heini Flügge doch den Blick zu seinem Freunde empor, als er rasch fragt: „Und daS hast Du gethan?" „Bist verrückt? Ich, etwa» eingestehcn, was mir nie in den Sinn gekommen war, au«zuführen. Aber weil ich's nicht that, ließ Stadler mich zwei Stunden brummen. Er wollt« mich sogar onfassen, aber er wagt's nicht." „Nicht prahlen, Ruding!" Flammendes Roth färbt Rudi'« Gesicht. „Ich, mit dem nicht fertig werden. Heini?" t Er reckt sich, und Heini mutz sich gestehen, daß Doctor Ttad-
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