Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.03.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-03-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000331029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900033102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900033102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-03
- Tag1900-03-31
- Monat1900-03
- Jahr1900
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VezirgS-Prei- > d« tzoptqx-editto« od« d« i» Stadt» tezirk »ud d« Vororten errichtet« Aut- «westell« ab geholt: vierteljährlich^ 4.50, »ei zweimaliaer täglicher Zustellung iuS Hau» ^l SckO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliädrlich >l S.—. Direkte tägliche Kreuzbandsenduug in» Au-land: mouatlich 7.50. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abeud-Au-gabe Woch«tagS um 5 Uhr. Le-artton und Expedition: JohauuiSgafsc 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: Alfred Hahn vorm. v. Klemm'» Sartin«. Universitätsstraße 3 (Pauliuum,, Lo»i» Lösche, AlHmtninit». In. part. und König-Platz 7. Abend-Ausgabe. Anzeigen.PreiS die 6 gespaltene Petitzeile SV Pfg. MpMer TagMati Anzeiger. Attttsvkatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes nnd Nokizei-Ärntes der Ltadt Leipzig. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4g«» spalten) 50-H, vor den Familien Nachricht« (6gejpalteu) 40^. Größere Schriften laut unserem PrriS- vrrzeichnib. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung -/i 60.—, mct Postbeförderung 70.—. ^nahmeschluß für Anzeigen: Abeud-AuSgade: Bormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ei» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die SxpedlNo» zu richt«. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzt» Z 165. SS»—-——»-» Sonnabend den 31. März 1900. 8i. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 31. März. Die Herrschaft des KlerikattSmuS in der zweiten bayerischen Kammer hat eine eigenartige Blülbe gezeitigt. Daul dieser Mehrbeit hat das Centrum auch im Finanz ausschüsse die Mehrheit; Vorsitzender ist vr. Dal ler, der in früheren Jahren, a>S das Centrum nur mit Hilfe der Socialdemokratcn eine Mehrheit aufzubringen vermochte, den Finanzausschuß der bayerischen Kammer als Forum für die Erörterung aller möglichen klerikalen Beschwerden be nutzte. Wie die Münchener „Allg. Ztg." in Erinnerung bringt, sind selbst reine Reichsangelegenheite», die die bayerische Kammer gar nichts angehen, wie der elsaß-lothringische Dictaturparagraph, im Finanzausschuß erörtert worden; als die Reform des Militärstrafver- fahren» und die Einrichtung eines obersten NeickSuiililär- gericktShofeS zur Sprache kam, bat man .Reichsangelegen heilen" dort weidlich traklirt. Tempora mutantur; jetzt, wo die schwarzen Säulen des ConstitutionaliSmuS und Föderalis mus die Mehrheit haben, was fragen sie da nach den Gepflogen heiten, die sie früher geübt? Jetzt wird lustig uach dem klerikalen Grundsätze verfahren: sind wir in der Minderheit, dann verlangen wir die Toleranz nach Euren Grundsätzen, und haben wir die Macht, dann verweigern wir sie Euch nach unser« Grundsätzen. Im Finanzausschüsse standen zurErörterung die Aufwendungen für die Münchener Akademie der bildenden Künste, und der liberale Abg. vr. Casselmann wollte dabei die Stellung der bayrischen Regierung in Sachen der lex Heinze zur Sprache bringen. Aber der klerikale Vorsitzende vr. Daller verweigerte ibm nicht nur daS Wort, sondern schnitt ihm auch jede Möglichkeit, diese Frage in einer späteren Sitzung zur Sprache zu bringen, dadurch ab, daß er die Bedingung stellte, an die Antwort des Ministers dürfe keine Erörterung geknüpft werden. DaS ist der reine Hohn auf eine parlamentarische Geschäftsführung, der parlamentarische Absolutismus in bester Form, nicht einmal gemildert durch das VerantwortlichkeitSgefübl, daS in autokratisch regierten Staaten die Negierungen beseelt. Daß zu der also behandelten Minderheit auch die Socialdemokrateu ge hören, die dem Centrum bei den letzten Wahlen die Mehrheit verschafft haben, ist der Humor davon. Im klebrigen gebietet die Gerechtigkeit, sestzustellen, daß derartige Fälle nicht nur da vorkommen, wo das Centrum seiner Macht so sicher rst, wie im Finanzausschüsse der bayerischen Kammer; ähnliche Vergewaltigungen der Minderheit werden auch dort versucht, wo man bereitwillige Helfershelfer findet. Beweis: die gestrige Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses. Auf der Tagesordnung stand die zweite Lesung der sozusagen rein technischen, jedenfalls absolut neutralen Vorlage über die Erweiterung des Stadtkreises Frankfurt a. M. In der Commission hatte bereits die klerikal-conservative Mehrheit dem Entwürfe die Bestimmung binzugefüzt, „daß in den einzuzcmeindenden Landkreisen Oberrad, Niederrad und Seckbach die bestehenden öffentlichen Volksschulen als konfessionell anzuerkenuen und als solche zu erhallen sind." Vorausgeschickt sei, daß die Stadt Frank furt a. M. nur Simultanschulen hat, für die reiche Auf wendungen von der Gemeinde gemacht werden, und daßfür die neu zu übernehmenden Schulen in den angeführten Gemeinden entsprechend hohe Zuwendungen aus Gemeindemilteln be stimmt waren. Die Debatte darüber eröffnete der freiconser- vative Abgeordnete Freiherr v. Zedlitz, der gegen diesen CommissionSzusatz daS Bedenken battc.daß er in die Rechte des ProvinzialratheS eingreife. Desgleichen mahnte der Minister deS Innern v. Rbeinbaben, i» die freie Entschließung der Gemeinde doch nicht in solcher Weise einzugreifcn. Der nationalliberale Abg. Göschen, der der Stadt Frank furt als Mitbürger angebört, bat dringend, doch nicht die Zwangslage der Stadt Frankfurt dazu zu benutzen, nur, eine Bestimmung in diese Vorlage bineinzubringen, die nut der Eingemeindung gar nickt zusammenhängt; allenfalls möge man im Wege einer Resolution den Wunsch ter Com mission zum Ausdruck bringen: — cS half Alles nichts, die Herren vom Centrum wurden, der konser vativen Flankendeckung sicher, einfach aggressiv gegen die matioualliberale Fraktion. Inzwischen lief ein Telegramm dcS Frankfurter Magistrats mit der Bitte ein, die Angelegen heit zu vertagen und in eine erneute Rücksprache einzutreten. Dieser Bitte mußte man nachgebcn, aber man benutzte diese Willfährigkeit dazu, dem Abg. vr. Sattler, der auf die klerikalen Anzapfungen gebührend antworten wollte, daS Wort abzuschneiden. Er protestirte zwar gegen diese Ver gewaltigung der Minorität, daS störte aber daS Centrum nickt; eS machte einfach mit Hilfe seiner konservativen Hinter sassen — Schluß und „vertagte" die Weiterberathung. Wesentlich anders als in der bayerischen Kammer ist eS also zur Zeit im preußischen Abgeordnetenbause auch nicht. Und daß und wie in beiden Fällen der Liberalismus die Zeche zu zahlen hat, ist in beiden Fällen gleich lehrreich. Ueber den Grase» Lerchcnfcld, den bayerischen Bevoll mächtigten zum Bundesrathe, war dieser Tage von einigen Blättern berichtet worden, er werde auf Urlaub gehen und von diesem nicht in sein Amt zurückkehren, da seine ReichS- tagSrede zu der lex Heinzo das bayerische Ministerium höchst unliebsam überrascht habe. Nun hat zwar die Münchener „Allg. Ztg." sofort, und zwar in bestimmtester Weise, erwidert, zu einer Abberufung ober einem freiwilligen Rücktritte deö Gesandten liege nicht der mindeste Grund vor, allein trotzdem wollen die Gerüchte nicht verstummen, daß die diplomatischen Tage deS Grafen gezählt feien. So wird der „N. Fr. Pr." in Wien auS Minchcn geschrieben: „Graf Lerchenscld's Stellung gitt für erschüttert wegen deS KlaggeuerlasseS der bayerischen Regierung, der zur Folge batte, daß die vfficicllen Gebäude in Bayern am Geburtstage dcü deutschen Kaisers ohne Fahnenschmuck blieben. Nun hat Graf Lerckenfeld direkt gewiß keine Schuld an diesem Flaggeuerlafse. Aber als ofsiciellcr Vertreter Bayerns in Berlin ist er jedenfalls der Erste, Lcr die Mißstimmung des preußischen Hofes zu spüren bekommt. Die Spannung, die gegenwärtig zwischen den Höfen von Berlin und München herrscht, giebt sich auch noch in anderen Symptomen kund. So ist beispielsweise den Eingeweihten sehr ausgefallen, daß Kaiser Wilhelm dieses Jahr nicht, wie er stets zu tbuu pflegte, am Geburtslage des Prinzregenten von Bayern ein Mahl gegeben, sondern daß er von diesem Feste keinerlei Notiz genommen und nach Wilhelmshaven ge reist ist." Auch die „Allg. Ztg." hält eS für wichtig genug, sich aus Berlin telegraphisch melden zu lassen, daß Graf Lerchcnfcld in den letzten Tagen vor den ReichSlagsferien am Tische des BundesrathS nicht gesehen worden sei. Dieses Fernbleiben des Grafen vom BundcsralhStischc I kann nun freilich ebensowohl auf einen Schnupfen, I wie auf eine politische Ursache zurückzufübren fein, und «wenn mau wirklich am Münchener Hofe Ursache hätte, lliks gebe, den Berliner verstimmt zu sein, oder umgekehrt, so würde der freiwillige oder unfreiwillige Rücktritt des Ge sandten daS ungeeignetste Mittel zur Befestigung dieser Ver stimmung sein. Jedenfalls aber beweist der Eifer, mit dem die politischen Zeichendeuter die Schrille des Grasen Lercken- fcld verfolgen und commentiren, daß die „Lage" wieder jene SpannHig erreicht hat, in der irgend eine Entladung nicht überraschen kann. Die Einstellung der Rekruten in das fraiizöfifchc Heer giebt alljährlich dem Kriegsminifterium Anlaß zu der Be fürchtung, daß cS in naher Zukunft nicht mehr in der Lage sein wird, an der heutigen Ziffer deS Contingents fest zuhalten, denn diese Zahl wird iu dem Maße herab gesetzt werden müssen, in dem die Geburtenziffer jinit Und diese geht derart zurück, daß die Besorgniß der französtswen Patrioten vollauf gerechtfertigt erscheint. Die Zahl der männlichen Geburten betrug 1803 noch 146 957, 1894 nur 436 663 und 1895 gar nur 425 889. Es war also im Verlauf von drei Jahren eine Verminderung um 21 086 eingetreten. Die Heeresverwaltung vermag diesen Ausfall nicht zu ersetzen. Sie rechnet auf ein Contingent von im Mittel 233 000 Mann. Aber auch diese Ziffer steht nur noch im Budget. Sie ist den kantonalen Listen ent nommen, in denen Jedermann eingezeichnet ist, und trägt den verschiedentlich« Ausfällen durch Tod, Krank heit, durch Zurückweisung nach der ärztlichen Untersuchung bei der Gestellung u. s. w. keine Rechnung. Diese Ausfälle sind aber sehr bedeutend. Im Jahre 1897 mußte von der angenommenen Ziffer von 233 000 so viel abgcstrichen werben, daß in Wirklichkeit nur 213 000 Mann in daS Heer eintratcn. Die Classe von 1894 entspricht dabei den männ lichen Geburten auS dem Jahre 1876, welche die seitdem nie mehr erreichte hohe Ziffer von 494 318 auswieS, die seit dem um mehr als 60 000 gesunken ist. DaS definitiv in die Armee eingetretene Contingent von 1899 betrug denn auch nur noch 19l 000 Mann! Und dabei ist daS auch noch ein sehr guceS Jahr, denn die Classe entspricht den Geburten von 1878 mit 479 527 männlichen Kindern, eine Zahl, die schon 1895 auf 425 889 gesunken war! Wo soll da heute — oder gar in zehn Jahren — ein Contingent von 233 000 Manu Herkommen? Das deutsche Reich batte im Jahre >893^'ii' Geburtenziffer (Knaben und Mädckeo) von 1 928 270. Diese schon so bedeutende Zahl war im Jahre 1897 gestiegen auf 1 991 126. Man begreift, baß patriotische Franzosen, welche diese noch immer aufsteigenden Ziffern mit den stetig und schnell sinkenden der Bevölkerung Frankreichs vergleichen, Besorgnisse für ibr Land hegen, weil dieses nicht mehr im Stance ist, diejenige Zahl von jungen Männern zu liefern, welche heule für erforderlich erachtet wird, um daS Land militärisch zu schützen. Der Lrieg in Südafrika. -<>. Der „Birmingham Post" zufolge sind private Briefe von Lord Roberts eingetroffen, auS denen hervorgeht, daß er nickt vor Anfang oder Mitte Juni eine Beendigung deS Krieges erwartet. Nach Roberts' Ansicht sei es nicht so sehr der starke Widerstand Transvaals, der daS Vorrücken der englischen Truppen ver-1 zögern wird, als vielmehr die ungeheure Schwierig-! leit, die Infanterie durch solches Land zul befördern. So ist eS dem englischen Generallissimu» noch nicht gelungen, dem Feinde eine Schlackt anzubieten, er hat sich vielmehr bis jetzt darauf besckränken müssen, sich in Bloemfontein, der fortgesetzten Beunruhigung seines Haupt- lagerS durch boerische Plänkler zu erwehren, die ihm seine recognoScirenden Officiere wegschießen und durch ihr furcht loses und sicheres Auftreten etwa wankelmütbig ge wordene Freistaatler wieder zur Raison bringen. So be richtet man unS: "London, 30. März. LordR o b e r t S telegraphirt aus Bloem fontein vom 30. d. M.: „Infolge der Thätigkeit der Feinde an unserer unmittelbaren Front und ihrer feindlichen Haltung gegenüber den Burghers, die sich ergaben, fand ich es für »oth- wendig, sie von Len Kopjes zu vertreiben, die sie in der Nähe des Bahnhofes von Karee, drei Meilen südlich von Braudford, besetzt hielten. Die Operation wurde von der 17. Infanterie-Division und zwei Eavalleriebrigaden glücklich auSgeführt. Der Feind zog sich nach Brandford zurück. Unsere Truppen halten jetzt die KopjeS besetzt. Unsere Verluste sind: 1 Hauptmann todt, 2 Leutnants und 5 Hauptleute ver wundet, ungefähr lOOSoldateu getödtet oder verwundet/ Brandfort ist der nächste größere Ort nördlich von Bloemfontein westlich der Bahn. Von den Verlusten der Boeren wird nichts gesagt, sie können also nur ganz ver schwindend gewesen sein, während Lord Robert» fern erster Zusammenstoß mit der Vorhut der boerrscheu Defensiv- Armee immerhin beachtenswerthe Opfer gekostet hat. Die eigentliche VertheidigungSstellung der Förderirten beginnt erst bei und hinter Braudfort, von einem taktischen Erfolg Robert»' kann also noch nicht die Rede sein. venera! Jaubert. Deul General Joubert werden von de» englisch« Blättern warme Nachrufe gehalten, ohne daß fernem Tode besondere Bedeutung für die Stimmung unter den Boeren zuzeschrieben wird. Die „Daily Mail* sagt, Jouberl's Verlust wird die Boereu nicht sehr berühren. Die Jüngeren unter ihnen klagten beständig über seine Lang samkeit und Vorsicht, und in den letzten drei Monat« scheint er keinen hervorragenden Antheil an dem Kriege ge nommen zu haben. Wir werden gut thun, seinem Tode keine Be- deutuug für die weiteren KrlcgSoperatjoaen zuzuschreib«. Obgleich Joubert nominell Oberflcommandirender oer Boer« war, nahm er Loch an dem gegenwärtigen Kriege kein« führenden Antheil. Die meisterlichen Eröffnungszüge der Boeren in Natal sind auf seine Pläne zurückzuführen, aber später scheint er seine Macht verloren zu haben. Ja Natal trat schon vor einiger Zeit General Louis Botha förmlich an seine Stelle. Aus Pretoria wird gemeldet: Joubert war letzt« Sonnabend wie gewöhnlich auf seinem Bureau. Sonntag Vormittag erkrankte er und litt den ganzen Montag große Schmerzen. Dienstag gegen Abend legte sich der Schmerz, doch sah man deutlich, daß seine Kräfte schwan den, und nach 11 Uhr Abends gab er den Geist auf, nachdem er schon eine Zeit lang bewußtlos gewesen war. Seine Krankheit war acute UnterleibSentzüu- duug, und der Tod wurde durch Herzlähmuog beschleu nigt. Seine Leiche wurde feierlich aufgcbabrt, und nach einem Gottesdienst in der reformirt« Kircke erfolgte ihre Uebersührung nach dem Joubert'scheWAute Rnstfonteiu bei Wakterstrom, wo die Beisetzung stattfindet. Joubert'S Wunsch Ferrrlleton. L, Drei Theilhaber. Roman von Bret Harte. Nachdruck vervoten. „Das Hütt' ich wohl thun können", gab Jack lustig zur Ant wort; „nur mochte sich mein Pferd nicht entschließen, ob es lieber ein Vogel oder ein Eichhorn sein wollte: wenn es nicht davon flog, kletterte es die Bäum« hinaus. Für einen mexikanischen Klepper ist es gar kein schlechtes Pferd; aber sobald es merkt, daß irgend eine Teufelei im Werke ist, muß es allemal mit dabei sein, durch Dick und Dünn. Ich hatte mir vorgenommen, Sie und Ihr« Ladung vollends nach Boomville zu geleiten, und hab's auch gethan. Wenn ich ein paar Burschen finde, die durch und durch weiß und rein sind, wie Sie alle Drei, so zieht's mich unwiderstehlich zu ihnen hin, obgleich ich selbst etwas ans Bräun liche streife. Auch habe ich Ihnen noch 'was zu übergeben." Er zog aus den Falten seines rothen Gürtels ein kleines, sauber in weißes Papier cingeschlagenrs Päckchen heraus und fuhr fort, während er es in der Hand hielt: „Heute früh, ehe die Sonne ausging, kam ich zufällig nach dem Kieferberg. In der Dunkelheit stieß ich auf Ihre Hütte — und auf noch Jemand. Zuerst dachte ich, es wäre Einer von Ihnen, der dort auf den Knien lag, um sein Gebet zu sprechen; aber an der Art, wie der Kerl ausriß, als er mich kommen hörte, merkte ich, daß er nicht Betens und Fastens halber da war. Als ich sodann zur Hinterfeite der Hütte kam, glaubt« ich, irgend eine Ihnen be freundete Seel« hätte Holz und Reisig gesammelt, damit Sie zum Frühstück Feuer anmvchen könnten. Aber ich wollte mich dabei nicht beruhigen und warf mich auch auf die Kni«, wie cs jener Mensch gethan hatte, und da sah ich — nun, ich sah vermuthlich nichts Anderes, Herr Demorest, als was Sie auch gesehen haben. Aber daS genügte mir noch nicht. Der Kerl hatte in der Erd« herumgewühlt, als suche er etwas. So suchte ich denn eben falls — und ich habe es gefunden. Hier ist es; ich will es Ihnen geben; denn wer weiß, ob Sie es nicht noch eines schönen Tages brauchen können. Bei den Leuten, mit denen Sie künftig leben werden, finden Sie schwerlich etwas Aehnliches. Es ist „einzig In seiner Art", wie die Raritätensammker in Frisco sagen — vielleicht drängt cs Sie noch über kurz oder bang, zu erforschen, woher es stammt und wohin es paßt. Bitte, nracheN Sie das Papier Nicht eher auf, als bis ich Ihren Kameraden noch einmal glückliche Reife gewünscht habe. L^ben Sie wohl!" Er schüttelte Demorest die Hand, gab ihm das Päckchen und sprengte davon, um Stacy und Barier einzuholen. Bon Ersterem nahm der Spieler mit einem kräftigen Händedruck Ab schied, klopfte dann dem beglückten Barker freundschaftlich auf den Rücken, und schon im nächsten Augenblick sah man seinen rothen Gürtel und die blinkenden Silbersporen in der Ferne ver schwinden. Das seltsame Päckchen in der Hand, schaute ihm Demorest halb belustigt, halb verwundert nach. Dann schickte er sich lang sam an, seinen Kameraden zu folgen, öffnete das Papier im Gehen und stand plötzlich still. In dem Päckchen lag der welke, blutlose Mittelfinger einer menschlichen Hand, der beim ersten Glied abgeschmttcn war! Zuerst hielt er ihn auf Armeslänge von sich und wollte ihn wegschleudern. Dann aber wickelte er ihn mit grimmig«! Miene wieder in das Papier, das er sorgfältig in di« Tasche steckte, und schritt schweigend hinter seinen Gefährten drein. Erstes Eapitel. Drei Jahre später. Ein starker Südwestwind rüttelte an den Fenstern und Thüren von „Stacy's Bank" in San Francisco. Die fein gekleideten Angestellten hinter >den spiegelblanken Mahagoni- Zahltischen konnten die draußen vorübereilenden Fußgänger nur durch einen Regenschleier wahrnehmrn. Stacy's neues Bank haus wurde immer nur mit dsm Beinamen „Palastähnlich" in der Presse erwähnt, seitdem der begeisterte Berichterstatter von dem Banket heimgekehrt war, das bei der Eröffnung in den reich geschmückten Vorstandssälen stattgefunden hakte. Don einem schlichten Bergmann, der als Deponent gekommen war, erzählte man sich, er sei durch di« Pracht und Herrlichkeit der Einrichtung so überwältigt worden, daß ihn im letzten Augenblick d«r Muth verließ, sein Anliegen vorzubringen. Er hatte dem vornehmen Eassirer gegenüber rasch eine Entschuldigung gestammelt und war mit seiner alten gemsledernen Tasche voll Go!2staub nach der unscheinbaren Münze um die Ecke geflohen, wo er seinen Schatz in Verwahrung gab. Vielleicht war eS ein ähnliches Gefühl, in daS sich jedoch eine unverhohlene Bewunderung mischte, mit welchem «in Fremder von höherem Stande an jenem regnerischen Morgen das Bank haus betrat. Nach einigem ZLg«rn reichte er seine Visitenkarte dem wichtig dreinschauenden Eaffenboten, einem Neger. Die Karte wurde vor ihm her erst durch verschiedene Thüren ge tragen, die sich geräuschlos öffneten und schloffen, und dann durch die mit schweren Teppichen belegten Gänge, bis sie zuletzt in das Innerste H«iligkhum gelangt«, in das Privatbureau deS Herrn James Stacy, vor welchem der Diener sie ehrfurchtsvoll niederlegte. Der Bankier war nicht allein. Neben ihm stand er wartungsvoll, in gesucht höflicher Haltung, ein tadellos gekleideter junger Mann, während Stacy offenbar «ine Nota für ihn auf setzte. Mit einer Neugier, die man einem anscheinend so wohl erzogenen Herrn kaum zugetraut hätte, schielte der Fremde ver stohlen nach der Karte hin; Stacy dagegen warf keinen Blick da rauf, bis er mit Schreiben fertig war. „Hier", sagte er in kurzem Geschäftston, „Sie können Ihren Leuten zu wissen thun, daß, wenn wir bei ihren neuen Zahlungs anweisungen unser Limitum überschreiten, wir dafür auch größere Sicherheit verlangen. Das Goldwäschen ist nicht Mehr so ergiebig, wie vor drei Jahren, als die Bergleute noch mit Freuden bereit waren, der Gesellschaft ihr gutes Geld für Ab gaben zu zahlen. Jetzt ist ihnen diese Spekulation verleidet; das sollten sich die Herren klar machen, damit sie selbst nicht länger auf so ungewisse Einkünfte spcculiren." Stacy überreichte dem Fremden das Papier; dieser nahm es mit höflicher Dcrbeugung in Empfang und schickte sich an, das Zimmer zu verlassen. Jetzt erst griff der Bankier nach der Visitenkarte, las den Namen, befahl dem Boten, den Herrn hereivzuführen und wandte sich zugleich mit den Worten an seinen Besucher: „Sic kennen ihn ja auch, Van Loo; es ist Georg Barter." „Gewiß", erwiderte Van Loo unterwürfig und blieb zögernd an der Thür stehen. „So viel ich weiß — war er einer Ihrer An gestellten auf dem „Kieserberg"." „Unsinn! Er war mein Theilhaber. Und Sie müssen auch seither in Boomville mit ihm verkehrt haben. Freilich! Er hat ja vierzig Stück von Ihren Stammaktien zu 110 durch Sie er halten, die «twa 80 Werth waren. Bei diesem Geschäft muß ein gewisser Jemand Geld genug verdient haben, um den Käufer nicht so bald zu vergessen." „Ich sprach nur von seiner gesellschaftlichen Stellung", ver setzte Van Loo mit etwas verlegenem Lächeln. „Wie Sie wissen, hat er ein Mädchen geheirathet — des Gastwirths Tochter, die mit bei Tische aufwartete. Ms nun meine Mutter und meine Schwester zu mir zogen, um mir den Hausstand in Boomville zu führen, konnte ich unmöglich noch weiter mit ihm verkehren, weil er natürlich nur selten ohne seine Frau ausging." „Jawohl", versetzte Stacv in trockenem Tone, „ich glaube, Sie waren mit feiner Heirath nicht einverstanden. Es ist mir nur lieb, daß der bewußte Actienhandel nicht der Grund ist, weshalb Sie seinen Untgapg meiden." „Bewähre", sagte Van Loo. „Ich empfehle mich Ihnen." Aber unglücklicher Weise stieß er schon im ersten Hausgang auf Barker, der ihn mit einem Ausruf ungrhruchelter Freude be grüßte, welche um so aufrichiiger war, weil er sich in der glänzen-, den Umgebung etwas fremd und unbehaglich fühlte; auch Van Loo äußerte das größte Entzücken über die Begegnung; er schien ganz untröstlich, daß ihn eine andere Verabredung schleurügst fortrief. „Aber Ihr früherer Theilhaber wartet drinnen schon auf Sie", fügte er lächelnd hinzu. „Er hat soeben Ihre Karte erhalten, und ich will das Wiedersehen nicht verzögern. Habe mich sehr gefreut, Sie so gesund und munter zu sehen. Leben Sie wohl! Leben Sie wohl!" Durch diese Worte ermuthigt, zögerte Barker nicht länger, sondern eilte mit dem alten Ungestüm nach dem Zimmer des Freundes. Stacy, der bereits wieder in andere Geschäfte ver tieft war, faß mit denMücken nach der Thür, und Barker hatte ihm schon die Arme um den Hals geschlungen, bevor der überraschte und halb erzürnte Mann in die Höhe schaute. Als er jedoch in Bark-cr's lachende graue Augen sah, erwiderte er rasch die Lieb kosung, machte sich sanft von ihm los und stand auf, um die Thür des inneren Bureaus zu schließen. Sodann drückte ec Barker auf einen Lehnstuhl nieder, ganz wie in früheren Zeiten, wenn er seine Gefühlsaufwallung beschwichtigen wollte. Jawohl, es war noch der alte Stacy; nur hatte er es für wohlanständiger gehalten, sich den braunen Vollbart abzufcheeren und seine kräftigen Glieder in Kleider von streng modischem Schnitt zu zwängen, deren dunkle Farben ihm ein ernstes Ansehen ver liehen. „Höre 'mal, alter Hunge", begann er, und dabei funbeste es ganz wie damals in seinen scharfblickenden Augen, „während der Bank stunden gestatte ich meinen jungen Leuten keine Indianer tänze. Bitte, denke daran, daß wir hier nicht auf «dem Kisfer- bergc sind." „Wo nur das Black-Spur-Gebirge und die Schneelini« der Sierra uns zus-ahen", fiel Barker begeistert ein; „und wo dec nächste Mensch, dessen Stimme zu uns herauf drang in gerader Linie etwa eine Viertelmeile entfernt war, und wenn man den Bergpfaid ging, über eine Meile." „Und was man hörte, war gewöhnlich ein Fluch", sagte Stacy. „Aber jetzt bist Du in San Francisco. Wo äbyestiegen?" Er nahm einen Bleistift, hielt ihn über ein NotSzbkrtt untj wartete auf die Antwort. „Im Brook-Haus. Dort ist's —" „Halt! Brook-Haus", wiederholte er im Nieve-schreiben. „Unh auf wie lange?" „O, ein paar Tage. Weißt Du, Kitty —" Stacy hemmte seinen Redefluß durch eine Bewegung mit dem Bleistift in der Luft und nokirtc dann: „Ein paar Tage. — Deine Frau ist auch da?"
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite