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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.04.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010406024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901040602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901040602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
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„Wohin? — Er kann hier nicht liegen bleiben." Doch läßt er es willenlos geschehen, daß sie ibn mit sich zieht, vom Wege ab ins Dunkel des Gehölzes hinein. „Dort!" Sie deutet vor sich. „Der Schutz —" „Welcher Schutz?" fragte er. „Der Knall — soeben in dem Augenblick, als er fiel", antwortete sie beklommen. „Da müssen Leut« sein." Er hat in der Erregung des Kampfes keinen Knall ver nommen. Jetzt gebraucht sie zwei Finger der linken Hand zu einem leisen Pfiff und gleich darauf zu einem zweiten, längeren. Solche Künste wundern ihn bei ihr nicht. Bald antwortet in ziemlicher Nähe ein ähnliches Signal. „Sie sind'-", haucht sie und reißt ihn mit sich. Vorwärts! Er ohne Willen, sie athemloS keuchend. Nun hemmt sie den Fuß. Still flüstert sie unwillkürlich. Im nächsten Augenblick steht eine vierschrötige Gestalt vor ihnen; ihr Vater, dessen kleine Augen unter einem Wust über dir Stirn fallenden Haare» hervor, die Beiden verdrossen onstieren. Wie auS der Erde gewachsen erschien er. Umsonst fragt Rudolf Lammert sich, woher. „Du! — WaS willst Du? Und wa» soll der?" fragt Flügge heiser, auf ihn zeigend. „Was ich will? Euch angeben, alle Drei, wenn Ihr ihm nicht helft", stößt Lisa hervor, und in ebensolcher Hast erzählt sie, waS geschehen. Nur über di« Ursache dei Streites schweigt sie. Karl Flügge sieht erst finster vor sich hin, dann auf seiner Tochter Freund, und ein grimmiges Lächeln verzerrt seine Züge. „Kommt mit!" brummt er endlich. Keine Zeit zum Schwatzen. — „Kahenzeug, Einem nachzuschleichen!" Eiligst, bisweilen sprungweise, geht es bergab, bi» auf den Boden einer Schlucht, die sich zwischen den buchenbestandenen Hügeln hinzieht. Bei einem Granitblock, wie sie zu Hunderten auf dem Felde umherlirgen. bleibt der Alte stehen, stemmt die Schulter an und wälzt den Stein herum. Eine Oeffnung zeigt sich, weit genug, einen Menschen kriechend durchzulassen. Karl Flügge voran, passtren sie Drei die enge Pforte und stehen n in in einem Kessel. RingSumher moosbewachsenes Gestein, Geröll, erratische Blöcke, dazwischen ein paar Baumstämme und Gesträuch. E» ist wie in einer Höhle, Saum daß von oben verschwimmende» Abendlicht hineinfWt. Im Hintergrund lösen sich zwei dunkle Gestalten langsam von einer Wand. Ter Alte tuschelt eine Minute lang mit ihnen, dann ziehen sie ab, ohne ein Wort, aber nicht, ohne im Vorbeigehen halb neu gierige, halb boshafte Blicke auf Lisa und ihren Schützling zu werfen. Nun erst erkennt Rudolf sie: ein paar verlodderte Tage löhner, die von stadtwegen bald zum Stratzenreinigen, bald zu allerband Waldarbeiten verwendet werden. „Du" — Karl Flügge dreht sich wieder nach seiner Tochter um — „Du gehst nach Hause und auf dem kürzesten Wege. Wir kommen in einer halben Stunde oder so nach, derweile kannst Du für'» Abendbrod sorgen. — Hier geblieben, junger Mann!" befiehlt er, als Rudolf sich anschließen will. „Der leuchten im Dunklen die Augen wie anderen Katzen, und wüßte sie im Walde nicht Bescheid, so hätte sie mich nicht ausspionirt. Für Euch aber dürft's wohl noch ein bischen zu bell sein. Wenn man Einen kalt gemacht hat — braucht mich nicht so käsegrau anzu gaffen, ich gönne Euch die That, und — weiß ver Teufel — Fritz Fetthenne den todten Jungen! Er :st doch wohl so weit?" Rudolf fühlt, wie's ihm eiskalt den Rücken hinabläuft. Keines Wortes mächtig, lehnt er an einem Stamm. Lisa ist verschwunden. Der Alte hat sein Messer gezogen, holt aus einem Winkel den Rehbock, 'den er vor zehn Minuten geschossen hat, und seht das von seinen Kumpanen begonnene Zerstörungswerk fort. „Er hat's verdient, doppelt und dreifach, der Herr Senator: und Sie, junger Mann, Sie — Sie gefallen mir. — Einen Schluck auf den Schreck?" Er zieht eine Flasche aus seinem Rock und hält sie Rudolf hin. „Richtenberger, junger Mensch. — Nein? — Na, dann nicht. Besseres habe ich meinen Gästen hier nicht zu bieten." Gleichgiltig setzt er selbst die Flasche an 'den Mund. Rudolf Lammert schüttelt sich. „Um des Himmels willen meint Ihr wirklich ?" Karl Flügge zuckt mit den Achseln. „Müßt's besser wissen, als ich. Und wenn er noch nicht so weit ist, na, dann ist er gut aufgehoben. Dann haben Wilhelm Surrbeck und der lange Krüger ihn auf dem Nachhausewege von ihrer Waldarbeit — hahaha, Waldarbeit! — gefunden und werden schon wissen, daß sie ihren Samariterdienst für die Firma Fetthenne nicht umsonst leisten, 's ist ja meinem lieben Schwager sein Einziger, der dicke Ulrich. Also, darum keine Sorg«! Setzt Euch gemächlich da auf so'n Steindkny»; di klugen Herren, die vor Zeiten das Hünengrab ausbuddelten und für mein« kleinen Liebhabereien die» Refugium bauten, haben Sitzgelegenheit genug geschaffen." Die Redeweise des Alten zeigte gewisse Bildungsspuren, in wunderlichem Gemisch mit gemeinster Rohheit, aber Rudolf Lammert setzt das nicht in Erstaunen. Er weiß, daß Karl Flügge einst bessere Tage gesehen hat, auch daß seine Frau des Senators Fetthenne leiblich- Schwester gewesen ist. Der Auf forderung des Alten kommt er nach, wie einem Befehl. So sitzt er, vor sich hinstierend, geraume Zeit, bis die Dunlelheit vollständig und Flügge mit seiner Arbeit fertig ist. Er hat den Rehbock zerlegt, das Wildpret in «in paar Lappen eingeschlagen und in einen Sack gesteckt, den er in einem keller artigen Loch birgt, dessen Wände ein paar Granitblöcke bilden. „Der Lange und Wilhelm werden's da schon finden", brummt er, tilgt, so gut das in der Dunkelheit möglich, die Spuren seines Thuns und wendet sich wieder dem Gaste zu. „Könnt jetzt mitkommen." Rudolf zaudert. Er denkt an sein Elternhaus, an Schwester Gabriele, die ihn sicherlich längst erwartet „Ich muß heim gleichviel die Folgen", preßt er hervor. Flügge stellt sich spreizbeinig vor ihn hin. „So? — Wird ein Gaudium abgeben für die Karniner, wenn Hans Scharff dem Oger seine Handschellen anlegt. Meinethalben! Blos, daß ich Euch für den Triumph meine» Herrn Schwagers für ein bischen zu gut balte." Verzweifelt faßt der Oger sich an die heiße Stirn. Die bunte Schülermütze, die ihm dabei abfällt, drückt der Alte zusammen und steckt sie unter seinen Rock. „Könnt' sie Lisa als Andenken lassen; für Euch möchte daS D'ng wen'g mehr taugen. Und nun marsch! Kein Geflenne! Und das Nachhausegehen verkneift Euch lieber ernstlich, wenn Euch Leben und Freiheit was gilt. Donnerwetter!" So schiebt er Rudolf aus der Höhle, vor sich her, durch Buschwerk und Dorn. Auf allerlei Umwegen, zum Theil selbst Rudi, dem Landstreicher, unbekannt, geht es der Stadt zu. Karl Flllgge'S andcrthalbstöckiges Gebäude steht ziemlich weit von den alten Stadtmauerresten Karnins entfernt. Rudolf kennt es hin reichend: ein seltsam windschiefes Gestell, das aussieht, als müsse es an dem hinterwärts ragenden Sandhügel «ine Stütze suchen. Don Weitem schon sehen die Beiden Licht. „Das Katzenauge!" knurrt Flügg«. Dennoch gebraucht er die Vorsicht, erst von außen durch die kleinen Scheiben zu spähen, ehe er dir wacklige Hausthür öffnet und mit Rudolf eintritt. Lisa kommt ihnen entgegen. Auf dem blanken Tisch der kleinen Wohnstube harrt ihrer ein frugales Mahl: «in halber Laib dunklen Brodes, rin Stück Käse, al» Beste» rin halbe» Dutzend gekochte Eier. 2ÜSS Drotdund thaMchltch »ich» «ngtretru, wohl aber bei der Verlängerung Borthelle «klangen will, die, wenn sie in Berlin gewährt wird««, di« Beziehungen ItalieuS zu Deutschland noch viel «ga knüpfen würden al» in drr Vergangenheit. Frankreich hat ober keinen Grund, eine» Vorwand zu liefern, den Italien in Berlin benutzen könnte, um Bedingungen zu erlangen, die da» deutsch- italienische Verhältaiß wärmer und inniger gestalte« würden. Die» wurde hier schon vor zehn Tagen ouseinandrrgejetzt und kann heute nur bestätigt werden. Hierzu bemerken die „Brrl. Neuesten Nackr": „Ob diese Erklärung zutreffend ist, mag dahin gestellt bleiben. UnS scheint eS näher zu liegen, die russische Maßregel auf italienische und ihnen entgegen kommende russische Wünsche zurückzu führen. Hier und dort mag man es unbequem empfunden haben, daß eS in Frankreich nicht an Bestrebungen gesehlt hat, den Charakter der Touloner Feste zu entstellen. Bezeichnend hierfür ist ein Aufruf des Bürgermeister» von Toulon, der nicht sehr taktvoll an die rauschenden Festlichkeiten vom Oktober 1833 erinnerte, al» die Russen in Toulon den französischen Besuch in Kronstadt erwiderten." — Auch wir haben unö in ähn licher Weise geäußert. Rußland will franko-russische Sym pathiekundgebungen vermeiden, die bei gleichzeitiger Anwesen beit de» italienischen Geschwader», dem doch während der Empfangsfeierlichkeiten die Ovationen allein zu gelten haben, notbwendig den Beigeschmack dreibundfeindlicker Demon strationen annehmen würden. Rußland hat jetzt das chinesische Eisen — weißglübend — im Feuer und so laug« seine Diplo maten noch alle Hände voll zu thun haben, es zu schmieden, weil e» noch heiß ist, muß es durchaus Alle» zu verhüten suchen, wa« seinen Reichsschmieden anderwärts Arbeit ver ursachen könnte. Deutsches Reich. Berlin, 5. April. (ErwerbSverhältnisse der GastwirtbSgehilfea. Für die Beurtbeilung des wockus proceckeucki bei der Socialreform für die Angestellten im Gast- WirthSgewerbe ist von wesentlicher Bedeutung, welche Bezüge da» Kellnerpersonal vom Wirtbe erhält und welche eS auS Trink geldern hat. Nach den statistischen Erhebungen wird nur in 82Proc. derGastwirthsbetriebe Baargebalt gewährt; 17,5Proc. drr Kellner haben keiu Gehalt, 17,9 Proc. beziehen ein Monats gehalt von weniger als 10 54,7 Proc. haben ein solches von 10 bis 30 und 9,9 Proc. von mehr als 30 -L 25^ Proc. drr Oberkellner haben kein Gebalt, 5 Proc. haben ein solches von weniger als 10 -ck, 50,4 Proc. beziehen 10 bi» 30 und 19,4 Proc. mehr als 30 monat lich. Von den Kellnerinnen haben 21 Proc. kein Gehalt, 55,6 Proc. ein solches von weniger als 10 und 23,3 Proc. von 10 bis 30 im Monat. Kost und Wohnung wird in 86,3 Proc. der Betriebe an 64 Proc. der Kellner, an 87,9 Proc. der Kellnerinnen und an 78,5 Proc. der Oberkellner gewährt; außerdem haben volle Beköstigung ohne Wohuung 25,3 Proc. der Kellner, 9,7 Proc. der Kellnerinnen und 14,2 Proc. der Oberkellner. 19 von den befragten 27 Wirthe- und sämmtliche Kellner-Vereinigungen haben die Frage, ob die Mehrzahl der Kellner, Kellnerinnen und Oberkellner im VereinSbczirke mit den ihnen vom Principal« gewährten Bezügen ihren bezw. ihrer Familie Unterhalt bestreiten können, verneint und binzugesügt, daß daS Personal aus die Trinkgelder angewiesen sei. Berlin, 5. April. (Süddeutsches Centrum und Socialdemokratie.) Unter der Ueberschrift „Social- demokratiiche Wahrhaftigkeit" liest das führende bayerische Centrumsorgan verschiedenen sccialistischen Parteiführern gründlich den Text. Es sagt sehr richtig, daß, wenn parla mentarischen Führern nachgewiesen würde, sie hätten sich zu der Wahrheit in Widerspruch gesetzt und trotzdem noch ver- sucht, die irrigen Lebaupkungen aufrecht zu erhalten, dies so ziemlich da» Schlimmste wäre, wa» einem Partei führer widerfahren könnte. DaS Blatt weist dann ins besondere dem norddeutschen Neichstagsabg. Bebel eine Reihe solcher Unwahrbastigkeiten nach. Es bleibt aber nicht bei Bebel stehen, sondern brandmarkt auch den Fübrer der bayerischen Eocialdemokratie, den Abgeordneten von Vellmar, wegen einer wahrheilSwidrigen Be hauptung. Gerade dadurch, daß das bayerische Cen- trumSblatt seine Philippica auch auf den Fübrer der bayerischen Socialdemokratie auSbehnt, wird man daran erinnert, daß daS bayerische Centrum im vergangenen Jahre mit der Socialdemokratie ein enges Wahlbündnis schloß, daS dem Centrum die Mehrheit im bayerischen Landtage ver schaffte. Oder sollte daS Centrum vielleicht gerade darum daS Wahlbündniß mit der Socialdemokratie abgeschlossen Haden, weil ibm die mangelnde Wahrheitsliebe als etwa» Wahlverwandtes erschien'? * Berlin, 5. April. Ueber das beißumstrittene EigentbumSrecht an der Kieler Föhrde giebt die halbamtliche „Bcrl. Corresp." folgendes Expose, daS also die Ansichten der Marine- und anderen Reicks- und Staats ämter darlegt: Durch die Presse geht eine dem „Rostocker Anzeiger" entstammende Miltheilung über den zur Zeit zwischen dem preußischen Staate und dem deutschen Reiche einerseits und der Stadt Kiel andererseits schwebenden Rechts streit über da» Eigentbum au der Kieler Föbrde und ihrem Strande, die in mehrfacher Beziehung drr Richtigstellung be darf. Danach soll bi» zur Annexion Schleswig-Holsteins durch Preußen niemals in Zweifel gezogen worden sein, daß da» EigentbumSrecht am Kieler Hafen und am Strande der Stadt Kiel gehöre. Neuerdings babe jedoch die preußische Regierung die Anerkennung dieses RcchlS ver weigert und auch da» Reich erhebe Anspruch aus die beim Bau de« Kaiser Wilhelm-Canals zwischen FriedrickSort und Wik aufgeschütteten Userftreifen. Obwohl die Stadt Kiel seit Jahrhunderten ein EigenthumSrecht am Kieler Hafen besitze, wolle die Marine, so wird behauptet, den ganzen Hafen bis aus einen winzigen, unmittel bar an der Altstadt liegenden Tbeil allein für ihre Zwecke in Anspruch nehmen. AuS diesem Grunde habe die Stadt den Rechtsweg beschritten. — Diese Angaben sind unzutreffend. DaS Eigentbum der Stadt am Hasen und am Strande ist auch schon vor dem Jabre 1866 bäufig in Zweifel gezogen worben und eS haben wiederholt Processe darüber geschwebt, welche zu einem günstigen Ergebnisse für die Stadt nicht geführt haben. Die preußische Regierung war somit gar nickt in der Lage, das Eigentbum der Stadt anzuerkennen. DaS Berbältniß der Reichs-Marine-Verwaltung zum Kieler Hafen hat im ReickS-Kriegshafenzesetze vom 19. Juni 1883 seine gesetzliche Basis. Wenn eS die Stadt für zweckmäßig erachtet bat, neuerdings Klage zu erbeben, so dürften weniger die angeblichen Ansprüche der Marine aus den Hafen dazu geführt haben, da für den AuStraq von Meinungsverschieden heiten auf diesem Gebiete daS Privateigenthum ziemlich be langlos ist. Vielmehr wird die Veranlassung in dem erhöhten Interesse zu suchen sein, daS die Stabt tbeilS infolge des Steigens de» WertheS gewisser Tbeile deö Strandes, tbeilS durch die Aussicht, aus dem Besitze der erwähnten AuS- scküttuiigSflächen Vortheile zu zieben, an der Lösung der von ihr früher nicht eben mit besonderem Eifer verfochtenen Cigenthumsfrage gewonnen bat. — Gestern Vormittag arbeitete der Kaiser allein. Nach mittags unternahm das Kaiserpaar eine gemeinsame Spazier fahrt und wohnte später der liturgischen Andacht in der Tom-Jnterimekircke bei. Zur Abendtasel war Geh. Natb Prof. Sla by geladen.— Heule Morgen besuchten der Kaiser und die Kaiserin den Gottesdienst in der alten Garnisonkirche. — Die Leibgendarmen deS Kaisers werden jetzt auch mit Lanzen ausgebildet und sollen in Zukunft, mit dieser Waffe versehen, den Monarchen zu Pferde begleiten, wenn er auSreitet. — DaS Reichs-VersickeruugSamt hat bekanntlich, nachdem im Jabre 1887 ein entsprechender erster Sckritt gctban war, für daS Jahr 1897 eine neue Gewerbeunsallstatistik veranstaltet. Ein Tbeil der Ergebnisse dieser Statistik, welcher die Veranlassung und den Hergang der Unfälle, und zwar zugleich nach technischen GesichiSpuncten in Rücksicht auf die Unfallverhütung bebanvelt, ist bereits veröffentlicht. Ter zweite Tbeil, welcher den Nell der Ergebnisse der Unfall statistik für daS Jahr 1897 enthält, ist im Drucke begriffen und wird in kurzer Zeit erscheinen. — Nachdem in dem bekannten Massenproceß gegen den PostfiscuS, dem Rechtsstreit der ehemaligen Militär anwärter Albreckt und Genossen gegen den PostfiscuS, die Revision des FiScus vom Reichsgericht unterm 26. März verworfen ist, tritt die Frage in den Vordergrund, ob durch diese höchstrickterliche Entscheidung zugleich die Rechts frage bezüglich sämmtlicker verschieden gearteter Fälle, in denen Ansprüche aus Nachzahlung des Unter schiedsbetrages zwischen des Einkommens einer diälarischen und einer etatsmäßigen Assistenten - oder Postverwalterstelle erboben werden, endgiltig geklärt ist. Dre „Deutsche DerkcbrSztg." verweist darauf, daß die Beant wortung dieser Frage obne Kenntniß der UrtbcilSbegründung in dem erwähnten Processe nicht möglich sei. Da bis jetzt die UrtheilSauSfertigung zu dem reichsgerichtlichen Erkenntniß noch nicht vorliegk, die Bekanntgabe vielmehr erst in einigen Wochen zu erwarten steht, so ist anzunehmen, baß die env- giltige Entschließung der ReickSvertvaltunz in dieser Sache kaum vor Ablauf von zwei Monaten wird erfolgen können. — Eine Revision unserer Dogelschutzgesetzgebung sol demnächst in Angriff genommen werden. Im Anschluß an die bevorstehende Ratification der Pariser Vogelschutzconvention müßte ohnehin das Reichsgesetz, betr^ffenv den Schutz von Vögeln vom 22. März 1888, in einzelnen Puncten abgeändert ober ergänzt werden, um es mit den Bestimmungen der Convention in Einklang zu bringen. Dieser Erlaß wird aber zweckmäßig zugleich zu einer allgemeinen Revision unserer Vogelschutzgesetzgebung zu benutzen sein. Jo den letzten Jahren sind von einzelnen Personen und von Vereinen fort gesetzt Klagen über bas Vogelschutzgesetz und Wünsche für seine Abänderung ausgesprochen. Diese Aeußerungen werden bei der in Aussicht geuvmmenen Revision unserer Vogelschutz gesetzgebung in nähere Erwägung gezogen werden. — Der General-Oberst von Hahnke soll nach dem „B. L.-A." anläßlich seines bevorstehenden snnfziqjährigen Dieiisljubi- läumS durch die Verleidung des neugegriinbeten Verdienst ordens drr Preußijchen Krone ausgezeichnet werden. Wenn Herr von Hahnke auch schon de» höchsten preußische« Orden besitzt, so würde diese Verleihung doch eine große Auszeichnung bedeuten, da der neue Orden außer au Prinzen deS königlichen Hause» über haupt noch uicht verliehen worden ist. — Der Cultusminister Studt ist »ach Baden-Baden obgereist. — Der ouhaltische Staat-Minister von Kose ritz ist hier ein getroffen. * Vosen, 5. April. DaS „Pos. Tagebl." schreibt: Herr Professor Nußbaum-Hannover, eine der ersten Autoritäten auf dem Gebiete deS Städtebaues, trifft, wie wir erfahren, in einiger Zeit bier ein. Er wird die Bebauungs pläne der früheren Vorortsgemeinden an Ort und Stelle einer Prüfung unterwerfen und auch Vorschläge zur Abänderung ver Bauordnung für die Vorstädte den städtischen Behörden unterbreiten. Da die Entfestigungsfrage jetzt als gelöst angesehen werden kann, so erscheint eS in der Thal als wüasckenSwerth, daß durch Erlaß einer neuen Bau ordnung und Umgestaltung der Bebauungspläne der Ent Wickelung der Stadt unter großen Gesichtspunkten eine mög lichst einheitliche, den neuzeitlichen Anforderungen entsprechende Bahn gewiesen wird, weil sonst die bisherigen, oft und leb haft beklagten Unzuträglichkeiten zu einem dauernden Uebel- stande führen müssen. Altenburg, 4. April. Um die Wob nungS Verhält nisse unter ver Ardeiterbevölkerung möglichst günstig zu gestalten, ist die altenburgische Regierung zur Zeit eifrig bemüht. Bereits sind m verschiedenen Ortschaften Commissionen zu diesem Zwecke ernannt worden, welche die WohnungSverbällnisse genau untersuchen sollen. Nunmehr ist die Regierung auch mit dem Vor stände der Thüringischen Landesversicherungsanstalt zu Weimar in Verbindung getreten und hat diesen bereit ge funden, zur Errichtung von Arbeiterwohnungen Gelder zur Verfügung zu stellen, welche mit 3 Procent verzinst und mit 1 Procent getilgt werden sollen. Allerdings erfolgt die Her gabe nur dann, wenn genügende Sicherheit geboten wird, d. h. wenn Gemeinden oder Genossenschaften die Bauten auS- sübrcn lassen. Tie StaatSregieruog will nun mit den be- theiligten Gemeinden und einigen besonders an der Sache interessirten Fabrikctablissements direct verhandeln, ist aber auch bereit, bei der Organisation von Genossenschaften und in allen sonstigen Fällen vermittelnd eiozutreten. v. Weimar, 4. April. Es ist bedauerlich, daß im weima- rischen Landtag der socialdrmokratische Abgeordnete Baudert mit anderem Maß gemessen und gewissermaßen nicht als gleichberech tigt angesehen wird. Daß der Abgeordnete Baudert durch sein Auftreten im Landtag sich wenig Sympathie erworben hat, ist richtig; immerhin ist er «in rite gewählter Abgeordneter, hat dasselbe Recht, wie jeder andere Abgeordnete und hat denselben Anspruch, gegen persönliche Angriffe geschützt zu werden, auch wenn diese vom Ministertische fallen. Leider ist dieser Schutz dem Abgeordneten Baudert nicht zu Theil geworden. In der Sitzung vom 27. vor. Mts. sagte Minister v. Wurmb, laut der amtlichen „Weim. Ztg.": „Wer dagegen das Auftreten des Abgeordneten Baudert hier in den 6 oder 9 Jahren im Landtag beobachtet hat, die maßlose Art, wie er den Landtag unter seinen Terrorismus, ich erinnere nur beispielsweise an die Cigarrenkiste, zwingen wollte, wer beobachtet hat, wie er bei Verlesung einer höchsten Botschaft erst ostentativ sitzen blieb und dann doch nicht die Courage hatte, ganz sitzen zu bleiben und sich nun allmählich in die Höhe räkelte, der wird zugeben, daß man einen solchen Hetzer, einen solchen Menschen nicht reden lassen wird." (Beifall rechts.) Der Präsident v. Rotenhan schwieg dazu. In der gestrigen Sitzung kam Abgeordneter Baudert auf diese Aeuße- rung des Ministers zurück, verwahrte sich dagegen, bedauerte das Verhalten des Präsidenten und sagte schließlich, die Hetzer säßen auf einer ganz anderen Seite. Präsident v. Rotenhan, in der Annahme, Abgeordneter Baudert habe damit Minister v. Wurmb treffen wollen, rief Baudert zur Ordnung, der die Entscheidung des Landtages anrief und erklärte, daß er nicht Herrn v. Wurmb, sondern den Abgeordneten Collen busch gemeint habe. Gegen 6 Stimmen stimmte der Landtag dem Präsidenten v. Rotenhan zu. Die Socialdemokratie wird diese zweierlei Handhabung der Geschäftsleitung sicher aus nutzen. Daß die Wähler des Abgeordneten Baudert erbittert werden, kann nicht befremden. * Essen, 5. April. In derKrupp'sch en Fabrik haben größere Arbeiterentlassungen stattgefunden. Die Kün digung mehrerer tausend Mann steht bevor, falls nicht bald größere Bestellungen eintreffen. (Frkf. Ztg.) * Elberfeld, 5. April. Die Militäreffectensattler sind in eine Lohnbewegung einzetreten. Sie verlangen für Zuschneide- und HiliSarbeiter, die zur Zeit weniger als 20 wöchentlich verdienen, eine Lohnerhöhung von 20, für diejenigen, die 20—22 .L verdienen, von 15, und für die übrigen von 10 Procent. Auch fordern sie die Einführung einer 9Hzstündigen Arbeitszeit. Die Accordarbeiter fordern die im September zwischen ihnen und den Fabrikanten ver einbarten Sätze, die eine Erhöhung der Preise für sämmtliche Artikel bedeuten. Die Forderungen sollen den Fabrikanten schriftlich übersandt werden und am Sonnabend soll eine Lohncommissiou mit den Fabrikanten unterhandeln. * AuS Bayer». Die „Münch. N. N." schreiben: An läßlich des Todes d«S Bischofs Rampf von Passau rollt die ultramontane Presse die Frage der BischosSwahl auf. Die „Ernennung" der Bischöfe durch die Krone ist den Ultramontanen ein Dorn im Auge, und e» ist bezeichnend, daß man zu der Erörterung von Toleranzanträgen, die in da» Verhältniß von Krone, Staat und Kirche lief ein greifen, nunmehr auch noch die Frage der Bischofs ernennung gesellt. Die immer mehr sich steigernde Begehr lichkeit deS UltramontaniSmuS tritt hierin zu Tage. Die „Amberger Volkszeitung" macht sich zum Sprachrohr dieser neuesten Wünsche. Praktisch ist der neue Vorstoß Aanz be deutungslos, denn die Wittelsbacher werden niemals ein ihnen durch das Concordat gewährleistetes Recht preiSgebea. Sie werden ebensowenig auf daS Recht der BischofSernennung verzichten, wie aus da» xlaeetum regiuw. München, 5. April. Am Ostermontag wird in den katholischen Kirchen Münchens ein Hirtenbrief de» Erz bischofs verlesen werden, der sich gegen die Anfeindungen der Morallehre LiguoriS ricktet. Die frühere Bekämpfung der christlichen Wahrheit sei millionenfach gesteigert durch die endlose Vermehrung der Presse und verwirrender Bücher. Schweiz. Anarchistisch-nihilistische Kundgebung * Teuf, 6. April. Nach einer am Freitag Abend abgehaltenen Protestversammlung gegen die Auslieferung des Anarchisten JaffLe durch die Schweiz an Italien, in der anarchistische und socialistilche Redner auftraten, zogen einige Hundert Studenten, meist Russen, vor das russische Consulat, rissen das Wappen schild herunter, zertraten eS unter Pereatrufen und Pfeisen und begaben sich dann vor das ita lienische Consulat, wo die inzwischen benachrichtigte Gendarmerie weitere Ausschreitungen verhinderte. Vor drr Privatwohnung de! italienischen Consuls wurden ebenfalls Perratrufe aoSgestoßeu und gepfiffen. Um Mitternacht war Alles ruhig. Bisher winden keine Verhastungea vorgenommeo. Die Haupturheber der Kund gebungen waren Russen. Italien. Die Begegnung in Verona. * Ueber die Begegnung des Grafen Bülow mit dem Ministerpräsidenten Zanardelli wird dem „Corrirre della Sera" aus Verona vom 2. April folgendes Nähere ge meldet: Heute Nachmittag um 3 Uhr kam Herr Zanar delli hier an, von den Spitzen der Behörden erwartet und begrüßt. Da er von der baldigen Ankunft des deutschen Reichskanzlers Grafen Bülow erfuhr, der von Tirol kommend, nach Venedig fuhr, sprach er den Wunsch aus, mit ihm zusammenzukommen, und er er wartete im Königszimmer des Bahnhofs den Zug von Ala. Als der Zug angekommen war, stieg Cavaliere Carusi in den Wagen, um dem Grafen Bülow mitzuthcilen, daß der italienische Ministerpräsident anwesenv sei und ihn zu be grüßen wünsche. Graf Bülow schlief eben; er sprang sofort auf, sprach den gleichen Wunsch au» und die Zusammenkunft fand unter der offenen Halle deS Bahnhofs statt. Beide Staatsmänner begrüßten sich herzlich und drückten sich die Hand. Dann entspann sich folgendes Gespräch: Zanardelli: Ich babe meine Weiterfahrt verzögert, weil ich den lebhaften Wunsch hegte, Sie zu sehen und zu begrüßen. Ich babe erst hier in Verona von Ihrer Durchreise erfahren und babe mich sehr gefreut. Ich erinnere mich, daß ick Sie in Neapel gesehen habe, bei der Enthüllung deS Denkmal- Victor Emanuel's II. Graf Bülow: Auch ich freue mich sehr. Sie zu sehen und zu begrüßen. Ich erinnere mich Ihrer ganz gut. Und in liebenswürdiger Weise umarmte er Zanardelli. Dieser erwiderte: Ich bin sehr erfreut. Ihnen meine leb haftesten Gefühle der Sympathie aussprechen zu können. Dann bestiegen beide Staatsmänner den Wagen Bülow'S, wo sie etwa süns Minuten ohne Zeugen sich unterhielten. Um 4h'r Uhr fuhren beide Staatsmänner ab. Graf Bülow nach Venedig, Zanardelli über PeSchiera nach Maderno. Ruhland. Das geistige Leben. In West-Europa ist allgemein die Ansicht verbreitet, 'daß das geistige Leben Rußlands unter der Herrschaft der RegierungS-Knut« sehr im Argen liegt, und deshalb bewundert man zumeist den Muth Tolstoi'«, der scheinbar allein das Wagniß unternimmt, sich in Opposition zu stellen. Diese Anschauung ist jedoch irrig. Es bat sich in den letzien Jahrzehnten in zahlreichen Orten eine größere literarische und wisjenichastliche Bewegung geltend gemacht, die in West-Eurova leider nur zu wenig bekannt und gewürdigt ist, und die in hohem Maße neue Cnlturwerthe schafft. So hat der in Odessa lebende, bekannte Sociologe I. Novicow ein überaus bedeutendes Werk über die Föderation Europas verfaßt. DaS umfangreiche Buch, daS vor einigen Monaten in französischer Sprache veröffentlicht wurde und in der gelehrten Presse Frankreich» eine große Anerkennung gefunden hat, erscheint jetzt im Akademischen Verlag für sociale Wissen- Rudolf weigert sich, irgend etwas anzurühren. Er kann nicht, meint er. Lisa dagegen, wie ihr Vater, reden ihm eifrig zu. „Sie müssen!" sagte der Alte. „Werden's nöthig genug haben; denn unter 'n Meilen» drei geht's diese Nacht nicht ab. Und in einer Stunde müssen Sie fort." Rudolf starrt ihn an. „Wohin?" Flügge grinst. „In Sicherheit. Weiß einen Fleck Erde, wo sie Euch nicht suchen sollen. Nachher kommt Zeit, kommt Rath. Zum Kuckuk, so nehmt doch Vernunft an! So'n junger frischer Kerl! Und das klappt zusammen wie'n Taschenmesser, weil's 'nem Lumpen dir Faust gezeigt hat!" Unwirsch Dreht er sich um und poltert im Nebenzimmer zwischen allerhand Sachen. Rudolf und Lisa sehen sich starr an. Ihm ist bei ihres Vaters Worten das Blut in die Wangen gestiegen. Flügge hat Recht, denkt or, und giebt sich ordentlich einen Ruck, aufrecht zu sitzen. Sie eilt hinaus und kehrt bald mit einer Schüssel Wasser und einem ziemlich defecten Handtuche zurück. „Was soll's?" fragt er, auffahrend, besinnt sich aber seiner zerschvndenen Wangen, taucht die Hand in die Flüssigkeit und säubert sein Gesicht. Lisa streichelt ihm leise die Haare von der Stirn. „Armer Rudi!" flüstert sie. Ihre Augen find feucht ge worden. Er greift nach ihrer Hand. „Ist er ? Du hast ?" Sie schüttelt den Kopf. „Nicht ich, Rudi. — Heini, der vor einer halben Stunde zurückkam, hat die Leut« in der Stadt ausgeholt und ist eben gegangen, Genaueres zu hören. Schlimm freilich solls stehen. Denn wenn er auch noch nicht hat reden können, die Leute nennen alle Dich . Don Dir spricht ja Keiner 'waS Gute»." Er seufzt. Und dann durchschrillt es ihn, daß er kaum einen Freudenruf unterdrückt: „Er ist nicht todt? Laß mich " Er macht sich von ihr los. ' „Wo willst Du hin?" Sie eilt ihm nach — entsetzt — umklammert draußen seine Schultern. Er läßt sich nicht halten. „Ich komme wieder", raunt er. (Fortsetzung folgt.)
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