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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.04.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010411028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901041102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901041102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-04
- Tag1901-04-11
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Zur Frage der ReichSfinanzreform äußert sich heute die „Nationalliberale Correspondenz". Nachdem sie darauf hiugewiesen, daß seit dem im Reichstage von frei sinniger und von klerikaler Seite unternommenen Versuche, die Bundesstaaten nicht nur mit Matricularbciträgen zur Deckung von etwaigen Fehlbeträgen im Etat, sondern auch zur Tilgung der Reichsschuld weiter heranzuziehen, auch in den einer NeickSsinanzresorm bisher abgeneigten Einzelstaaten die Nothwendigkcit einer solchen Reform erkannt werde, fährt sie fort: „Es ist bekannt, daß die sogenannten Matrikularbeiträge, obgleich sie in der Reichsversassung nur provisorisch vorgesehen und von jeher als ein unzulänglicher Nothbehelf charakterisirt wurden, noch heute bestehen. Das erklärt sich aus zwei Gründen; einmal darau-, daß im Reichstag von jeher das Bestreben vorgewaltet hat, dem Reiche nicht mehr eigene Einnahmen zu gönnen, als durch das jährliche Ausgabe - Bedürfnis und durch daS Verlangen nach parlamentarischer Controle gerechtfertigt erschien, und ebenso aus einer gewisse» partikularistischen Sorge der Einzelstaate», daß, wenn das Reich finanziell auf eigene Füße gestellt würde, jein UnabhängigkeitSbewußtsein von den Einzelstaaten vielleicht auch sonst niehr zur Geltung kommen möchte. Die olausul» Franckenstein und die lex Huene verdankten ihre Entstehung derartigen Bedenken. Der im Jahre 1893 gemachte Versuch, das Finanzwesen des Reiches der gestalt aufzubauen, Laß unter Beseitigung der bisherigen Schwankungen die Anforderungen desselben an die Einzelstaaten in ein festes Verhältnis zu den Ueberweisungen gestellt würden, trug zwar der föderativen Ge staltung unseres Reichswesens Rechnung, wurde aber so aufgefaß», wie es nicht gerade brennenden Fragen leicht widerfährt. Es kam hinzu, daß die Abneigung, neue Steuervorschläge zu machen, bei den verbündeten Regierungen ebenso groß war, wie die Unlust des Reichstags, seinerseits auf solche einzugehen. In zwischen hat aber der Reichstag, ans die Initiative des Centrums hin, den früher ängstlich vermiedenen Weg betreten und durch Bewilligung neuer Reichssteuern den cireulus vitiosun durch- krochen. Natürlicher Weise genügen diese neuen Steuern schlechterdings nicht, um eine Ncichsfiiianzreform, mag dieselbe nur im Sinne der i.J. 1893 vorgeschlagenen von Neuem in den Vordergrund Les Interesses treten oder in einer anderen Form vorgeschlagen werden, jo in Angriff zu nehmen, daß das Reich mehr auf eigene Füße gestellt wird und die berechtigten Ansprüche der Einzelstaaten nicht zu kurz kommen. Bevor aber mit bezüglichen Vorichlägen hervorgetreten werden kann, wird es sich empfehlen, die Verabschiedung des Zolltarifs abzuwarten. Erst wenn sich dessen Wirkungen auf die Entwickelung des RcichsfinanzwescnS übersehen lassen, dürfte es an der Zeit sein, der Frage der Neichsfinanzreform mit der Praktischen Entschlossenheit näher zu treten, sie auch wirklich ihrer Lösung eutgegenzusühren." Wir können uns diesem Vorschläge nicht anschließen. Der Zolltarif liegt »och nicht einmal vor, seine Verabschiedung kann noch eine gute Weile auf sich warten lassen, seine Wirkungen auf die Entwickelung deS ReichSsinanzwesens werden sich erst nach Jahren übersehen lassen. Und so lange soll man den ernstlichen Versuch, einem unerträglichen Zu stande abzuhelfen, hinausschieben? Vielleicht würde eine solche Hinausschiebung nur noch eine weitere bedeuten. Denn wäre die Einwirkung deS Zolltarifs auf die Entwickelung deS ReichSsinanzwesens eine so günstige, daß daS Reich wieder in die Lage käme, erhebliche Ueberschüfse an die Einzel staaten zu vertheilen, so fiele der Zwang zu einer schleunigen principiellen Regelung des Verhältnisses der Reicksfinanzen zu den Finanzen der Einzelstaaten fort und es würde auf die bisherige Weise fortgewirthschaftet werden, bis infolge wachsender Reichsbedürfnisse eine neue Nothlage der Bundesstaaten sich herauSbildete. Und hätte der neue Zolltarif keine günstige Wirkung auf die Entwickelung des Reichsfinanzwesens — was allerdings kaum anzunehmen ist —, so würde wenigstens das Reichsschatzamt, wahrscheinlich aber auch der Reichstag finden, daß der Zeitpunkt für eine Reichsfinanzreform nicht günstig gewählt wäre. UebrigenS hat, streng genommen, der Effect des Zolltarifs mit einer principiellen Regelung des Verhältnisses der Reichs- und der cinzelstaatlichen Finanzen gar nichts zu schaffen. Eine solche principiell« Regelung soll eben erfolgen, um die Einzelstaaten von der jeweiligen Finanzlage de« Reiches unabhängig zu machen; sie soll für alle Fälle gelten, sowohl für den Fall günstiger, wie für den Fall ungünstiger Ein wirkung des Zolltarifs auf die Entwickelung des ReichS- finauzwesenS. Ist eine solche principielle Regelung erfolgt, so muß eben das Reich dafür sorgen, daß ihm Einnahme quellen fließen, die zur Deckung seines Bedürfnisses auS- reichcn. Wir hoffen daher, daß die Negierungen der Einzel staaten und speciell die königl. sächsische Regierung mit ihrem Drängen nach einer Reichsfinanzreform sich nicht auf die Wirkungen des Zolltarifs vertrösten lassen. Der jetzige Zustand ihrer Finanzen, auf den die meisten dieser Regie- rungen blicken, ist wahrlich nicht dazu angelhan, die Herbei führung einer schon längst gewünschten Reform als aufschieb- lich erscheinen zu lassen. Neun Spalten widmet die „Köln. VolkSztg." der Bericht erstattung über eine „Katholikeuversammluug", die am Oster montag „zur Abwehr der neuesten kirchcnfeindlichen Angriffe" in Köln stattgefunden hat. Tritt schon durch den Umfang deS Berichts zu Tage, welche Bedeutung daS führende Centrumsorgan der Versammlung beimißt, so geht aus seinem Wunsche, daß die Kölner Versammlung „vor bildlich" wirken möge, die Absicht hervor, systematisch die katholische Bevölkerung Deutschlands zur „Abwehr" mobil zu machen. Sind eS nun in der Thal die Graßmann'sche Liguori-Broschüre und der Gedanke „deutscher Evan gelisation", die daS klerikale Vorgehen hervorgerufen haben? Die in Köln gehaltenen Reden und Kundgebungen verschiedener Bischöfe verrathen deutlich, daß es in unver gleichlich höherem Grave Vorgänge im Auslande sind, die, weil sie in katholischen Ländern sich abspielen, den leitenden Geistern deS Klerikalismus eine Action auch iu Deutschland nothwendig erscheinen lassen. Gerade weil in katholischen Ländern, wie Oesterreich, Frankreich, Spanien und Portugal, eine leidenschaftliche Bewegung gegen die römische Kirche um sich greift, gerade deshalb ist der Klerikalismus allerwärtS mit Besorgniß erfüllt und glaubt, sich zu einem Gegenstöße rüsten zu müssen. Haben aber aus ländische Vorkommnisse, denen gegenüber die vor Jahr und Tag erschienene Broschüre Graßmanu'S und der Gedanke 183. Die Wirren in China. Ein deutscher Hauptmann in Peking ermordet. Wieder ist die Hauptstadt deS chinesischen Reiches der Schauplatz eine- furchtbaren Verbrechens geworden, diesmal ein deutscher Officier deS Expeditionscorps zum Opfer fiel. Urheber und nähere Umstände der Blutthat sind noch unbekannt; über die Auffindung der Leiche berichtet dem „Berl. Loc.-Anz." folgende» Privat-Kabeltelegramm: * Peking, 10. April. Hanptmann Bartsch, Lompagniechef im zweiten oftafiatischen Jnsautcrie- Aegiment, ist soeben in der Nähe des SommcrpalafteS todt aufgefunden worden. Si» Schuf; in den Rücken hat den verdienten Officier umS Leben gebracht. Sei» Reitpferd war verschwunden. Der ermordete Hauptmann Bartsch war am 16. Juni v. I. bei seinem Uebertritt in daS Expeditionskorps in seine letzte Charge befördert worden. Graf Waldersec. Prinz Tschiug sandte dem Feldmarschall Grafen Walder- see zum Geburtstag ein Glückwunschschreiben, sowie kostbare Seidenstoffe; Prinz Tschun, der Bruder des Kaisers von China, machte dem Grafen gleichfalls prächtige Geschenke, darunter eine prächtige Tabakvose. Prinz Tschun äußerle auch den Wunsch, mit seinen jüngeren Brüdern dem Grafen persönlich zu gratuliren, und wird heute vom Feldmarschall empfangen werden. Der Krieg in Südafrika. Reue AriedeuSverhandlungcn? „Daily Telegraph" berichtet unter dem 10. April aus C a p- stadt: Nach einer halbamtlichen Meldung hatte Botha neuerdings eine Zusammenkunft mit Lord Kit- ch « n e r. „Reuter's Bureau" meldet unter dem gleichen Datum aus Capstadt: Nach dm letzten Nachrichten ist Botha bereit, als Vertreter sämmtlicher Streitkräfte der Boeren über den Frieden zu verhandeln. Während seiner kürzlichen Verhandlung mit De Wet ist es Botha klar geworden, daß De Wet sich weigere, sich zu ergeben. Allein Botha soll über zeugt sein, daß De Wet moralisch unzurechnungs fähig ist, und, da er das einzige Hinderniß des Abschlusses des Friedens bisher gebildet habe, wünsche Botha, die Verhand lungen wieder aufzunehmen. Man ist der Ansicht, wenn Botha sich ergebe, werde man mit De Wet rasch fertig werden, weil seine Streitmacht immer mehr abnimmt. England muß es sehr nothwendig haben mit der Aufnahme der Friedensverhandlnngen! Verschärfte Strafandrohungen gegen die anfstän-ischcn Eapholliinbcr. Wie wenig di« Versicherungen der Londoner Blätter, daß die aufständisch« Bewegung unter den Capholländrrn niedergeworfen sei, der Wahrheit entsprechen, beweisen die neuesten verschärften Strafbestimmungen gegen alle Theilnehmer an aufrührerischen Handlungen. Es handelt sich dabei um sehr veraltete Strafmaß regeln, die der Gouverneur Alfred Milner wieder in Kraft gesetzt hat, und nach denen jeder mit den Waffen in der Hand ergriffene Capholländer einfach gehängt werden kann. Diese Strafe darf sogar jeder Unterofficier verhängen, falls zwei ge F-ttilletsn. A Der Oger. Roman von Hermann Birkenfeld. , Nachdruck vttdotell. S-ie führte ihn vor das vorzüglich gearbeitete Modell eines Motor» und, als er «den den Schaden.daran untersuchen will, vor einen Induktionsapparat, zeigt ihm dann «in paar angefangene Aquarelle und tippt im Vorbeigehen auf einen, wie sie erklärt, erst gestern angekommenen photographisch«» Apparat. Dann bleibt sie mitten im Zimmer stehen, schlingt die weißen Finger in einander und ruft: „Sehen Sie, das bin ich. Alles und nichts. Denn Spielerei ist doch schließlich der ganze Firlefanz. Kennen Sie meine Haus musik? Aber natürlich; was brauche ich Sie zu fragen! Passen Sie auf; die Leute sagen, sie wäre bester allein Gesang, was freilich auch nichts heißen will." d Sc« sitzt sich an den offenen Flügel, präludirt und beginnt das sehnsuchtsvolle MendelSsohn'sche „Ach um Deine feuchten Schwingen" zu pfeifen. Aber es ist wirklich «in Genuß, dem merkwürdigen Vortrag zu lauschen. Die Lippen hält sie nur so wenig gespitzt, daß ihr Gesicht nicht wesentlich entstellt wird, im Gegrntheil: der Anflug des Knabenhaften, den ihre Züge annchmen, verleiht ihr einen pikan ten Reiz mehr. So wendet der seitlich stehende Hörer den Blick nicht von ihr, Lis ein 'Geräusch ihn veranlaßt, sich plötzlich um zudrehen. Der Lehrer ist aus dem Garten zurückgekehrt und hat die von Helene nachlässig zu Boden geworfen« Hüls« seine» Telephons behutsam aufgehoben. Dom Bücken ist ihm das Blut ins Gesich: gestiegen; denn während er jetzt, den Leitungsfaden geschäftig aufwickelnd, vor der Clavierspielerin steht, färbt tiefes Roth sein« wohlgenährten Wangen. Älene bricht ihr Spiel ab. „Oh!" seufzt er, blinzelt sie verstohlen an ui»o spricht: „Zu ollen andern Vollkmmnenheiten werfen sich nun gnädige» Fräu lein auch noch aus di« Dichtkunst." Sie lacht Wieder. „Man zeigt sich einem neuen Gast gern im besten Lichte. Also pure Eitelkeit, Herr Wirsch." „Oh — nur dal?" fragt er, sendet ihr einen sehnsüchtigen, langen Blick -u und wirft seinen fetten kleinen Körper in die Umarmung eine» «w? odmr. Rudolf Lammert studirt während dessen das defecte Maschinenmodell. „Sollte man dem Fehler nicht doch hier abhelfen können?" fragt er nach einiger Zeit. „Es ist ja nur eine neue Achse in ein Rädchen einzusetzen, und da Sie sagen, das nothwendige Geräth sei vorhanden " „So wollen Sic's versuchen? Sie können gleich anfangen — die Drehbank steht dort in der Ecke. Als Vorschuß auf Ihre Arbeit aber sollen Sie eine Tasse Kaffee bei mir trinken." Sie lädt die Herren ein, ihr durch die Glasthür ins Freie zu folgen. Draußen ist iw einer Laube ein einfacher Tisch gedeckt. In einem Rollstuhl davor sitzt ein Greis. „Großpapa!" ruft Helene, und Baron Rheinern heißt Rudolf willkommen, nicht ohne ihm mit einem scharfen Blick in die Augen zu sehen und zu murmeln: „Sonderbar! Christian hat Recht. — Mein lieber Flügge hat mir schon von Ihnen erzählt, junger Mann", sagt er dann laut; „ob Sic seine Güte verdienen, muß di« Zukunft lehren, einstweilen wollen wir's hoffen " „Er will meine Apparate in Ordnung bringen helfen", sagt Hekne eifrig, sich über den alten Herrn hinabbeugenv unv die verblüffte Miene, die Herr Wirsch bei ihres Großvaters Worten macht, ignorirend. Rudolf hat sich nur stumm verneigt. Ueber seinem Gesicht liegt wieder der Schatten des Visirs, von dem Hel«ne neulich ge sprochen. 'Die vornehme Erscheinung des alten Herrn, seine immer wieder in den Zügen des Oger's forschenden strengen Augen, scheuchen jeden Annäherungsversuch zurück, und der Neu ling fühlt, daß er Zeit braucht, sich hier heimisch zu wissen —> etwa so wie Herr Wirsch, dessen Unbefangenheit trotz des senti mentalen Tones, den er Helenen gegenüber anschlägt, dem Un erfahrenen imponirt. Schließlich ist er froh, an seine Arbeit gehen zu können, um «in« Dankesschuld für die unverdient freundschaftliche Aufnahme auf dem Schlosse abzutragen, und glücklich, überhaupt einmal einem bestimmten Zweck zu dienen. Wäkrenddem erklingt vom Hofe her froher Gesang: „Der Mai ist gekommen" aus ein paar Dutzend kindheitsfroher Mäulchen. Helen« schreitet mit den Spraken-ser Schulmädchen den Reigen. Auch das ist eine ihrer vielen Liebhabereien. Als er sie nach anderthalb Stunden mit der wiederhergestellten Maschine auf sucht, findet er sie in einer Laube sitzend, um sie herum eine Schaar lauschender, dabei aber emsig arbeitender Flachsköpfchen, denen sie ein höchst abenteuerliches Märchen erzählt. Er merkt, auch die» ist Improvisation, wie vorhin der Gesang. „Meine Schule!' erklärt fi«, ohne sich von dhrrm Sitz zu er heben, als nach Beendigung der Geschichte die Kinder hoch- aufathmen. „Es ist der nützlichste Thcil meines sogenannten Tagewerks." Dann unterweist sie ein achtjähriges Mädchen in der Kunst, einen Strumpf anzustrick«n, ehe sie mit lebhaftem Interesse sein Werk in Augenschein nimmt. „Sie sind ein Künstler!" ruft sie zuletzt bewundernd aus. „Sie müssen sehr oft herüberkommen." Jodocus Wirsch, der dabei ficht, kneift die Lippen zusammen. Ihrem Wunsch kommt Rudolf Lammert in der Folge nur zu gern nach. Niemals ist ihm ja solche Fülle von Gelegenheit geboten, seiner Neigung zu folgen, seine Anlagen zu entwickeln, wie in Fräulein von Rheinern's wunderlichem Arbeitszimmer. Zwar wird nicht immer experimentirt oder musicirt. Er muß auch erzählen, von sich, von seiner Schwester. Und er thut es — ach — so gern! Nur des Herrn Jodocus häufig« Gegenwart pflegt ihn einsilbig zu machen, und von Lisa Flügge spricht er nie, trotz mancher scherzhaften Anspielung. Nach acht Tagen etwa hat auch der Baron für ihn an Un nahbarkeit verloren, und wohl nicht mit Unrecht vermuthet er Helenen s Fürsprache als Grund des Wohlwollens, mit vem jetzt der Blick des Veteranen auf ihm ruht. Einmal hat er sogar den alten Christian Flügge nach Sprakensen begleiten dürfen und ist Zeuge einer merkwürdigen Unterhaltung zwischen den Alten ge wesen. Eine Zwiesprache im Lapidarstil, die sich meist um ferne, ganz abgelegene Ereignisse und Personen droht, ihm aber so tiefe Einblicke in Mcnschenherzen gewährt, daß er mit wahrer Ehrfurcht zu den beiden Waffenbrüdern «mporschaut. Oft macht er den Weg nach dem Dorfe zwei Mal an einem Tage, und lebt schließlich mehr auf dem Schlosse als bei Christian Flügge auf dem Buchberg. Die Gange werden ihm zur Ge wohnheit. Heute — der Monat naht seinem Ende —, er ist alt ge worden, drum macht er ein grämlich Gesicht wie unsereins, sägt Susa — hat selbst der rieselnde Landregen ihn nicht zurück gehalten, nur daß »c auf das Verlangen der Alten seinen Ueber- zieher angezogen hat. Den Kragen in die Höhe geschlagen, die Hände in den Taschen, stapft «r neben dem Pflaster der breiten, noch aus der Zeit deS ersten Napoleon stammenden Landstraße dahin. Nahe dem Dorfe kommt Hinnerk Sevelcch auf ihn zu. Er scheint's eilig zu haben. „Das ist doch mal gut, daß ich Ihnen hier treffe und mir den Abweg nach dem Buchberg sparen kann!" „Was giebt's, Hinnerk?" „Ja, das is mit Mutter man schlecht. Sie hat's wieder so auf der Bvust mit da» Athmen." „Und Du List nun auf dem Wege nach HanSLilttel?" 95. Jahrgang. deutscher Evangelisation nicht in» Gewicht fallen, den Anstoß zu dem klerikalen Vorgehen gegeben, dann ist die auf reizende Tonart doppelt zu beklagen, die in Kölu an geschlagen wurde und die nach dem Wunsche deS führeuven CentrumSblatteS vorbildlich wirken soll. Zwar versicherte der Kölner Hauptredner, Herr Nikola Racke, daß die Katholiken Alles geduldig über sich ergehe» ließen und sich höchstens einmal zu einer zahmen Entrüstung und einer Resolution aufrafften. "Aber eine derartige Versicherung hinderte ihn nicht, unverblümt denjenigen Katholiken für verrückt zu erklären, der etwa Protestant wird. „Ist das", so rief Herr Racke aus, „wa» man und an Stelle unseres katholischen Glaubens bieten will, denn gar so verführerisch? Den rheinischen Katholiken möchte ich kennen lernen, der seiner fünf Sinne noch mächtig ist und Verlange» danach trüge, Gesinnungsgenosse eine- Thümmel, eine» Nipp old zu werden. . . .!" — Die gleiche Maßlosigkeit athmet die weitere Frage des Herrn Racke, ob Wohl stimmt- liche Gefängnisse Deutschlands auSreichen würden, „wenn man gegenüber den Schimpfworten der evangelischen Bundesbrüder, wie sie nun seit Jahren... gegen die katholische Kirche und ihre Einrichtungen, ihre Dogmen und ihre Sakramente loSgelass«» werden", den Strafrichter anriese. Auf der Höhe dieser Verdächtigung, die mit dem Schicksal gewisser Denunciationea herzlich schlecht übereinstimmt, steht die Behauptung des Herrn Racke, daß es sich gegenwärtig um einen concentrischen Angriff wider die katholische Kirche handle: im September vorigen Jahres sei zu Paris auf dem internationalen Frei- maurercongreß der internationale Angriff gegen die Kirch« proclamirt worden!! Fast noch weiter als die Redner der Kölner Versammlung geht die einstimmig angenommene Resolution. Sie lautet im Wesentliche»: „Die . . Katholiken Kölns weisen die Angriffe, welche wie (l) auf Verabredung in den verschiedensten Ländern, neuerdings mit wachsender Gehässigkeit auch in Deutschland, gegen die katholische Kirche, ihre Diener und Einrichtungen mit allen Mittel» der Lüge und Verleumdung gerichtet werden, auf daS entschiedenste rorück. Sie verurtheilen diese Angriffe als «ine planmäßige, gewissenlose Störung des confesfiouellen Friedens, al- die wohlüberlegte Vor bereitung, um den in den 70er Jahren abgeschlagenen Versuch der völligen Knechtung und Entrechtung der katholischen Kirch« ^t» Deutschland zu erneuern. . ." Wenn eS je eine frivole Aufreizung der konfessionelle» Leidenschaft gegeben hat, so liegt sie in derartigen Behaup tungen vor, die mit den Thatsachen absolut nicht in Einklang zu bringen ist. Dir Register, die hier gezogen werde», dürften zweifellos als das Vorspiel zum nächste» Katholikentage zu betrachten sein. Mit welchem Rechte ein solches Verfahren sich den Namen der „Abwehr" beilegt, darüber braucht kein Wort verloren zu werden. Tief be- klagenswerth aber ist es, daß vie durch ausländische Vor gänge erzeugte Beunruhigung der römischen Hierarchie den consessionellen Frieden Deutschlands sich zum Opfer auS- ersehen hat. Die langsame Besserung der parlamenta rischen Verhältnisse in Oesterreich, welche sich in dem Sessionsabschnitte vor Ostern zu erkennen gab, ist in erster Linie auf Vie Macht der wirtschaftlichen Interessen zurückzuführen. Die Parteien wurden zur Anerkennung der Thatsache genöthigt, daß die Wähler aller Nationalitäten den Ausbau der von der Re gierung geplanten Eisenbahnen und Canäle wünschen. Dies zeigte sich bei der Berathung des Gesetzes, welches die Ge- Der Jung« nickt. „Nah de Aptheik. Und vorher wollt« ich zu Ihnen. Den Recept habe ich ja noch, aber in de Aptheik kos?t dat immer an die föfteihn Groschen, und da füllten Sie mir doch das Andere däbeithun." Hinnerk zeigt in seiner flachen Hand ein« Anzahl Nickelmünzen. Er ist sich offenbar bewußt, «twa»' ganz Selbst verständliches zu fordern. Nicht zu bitten. „Wieviel Geld fehlt Dir denn noch?" fragt Rudolf Lammert. „Oh, Herr Rudolf —" der Junge hat ihn nie anders genannt — man acht Gröschen. Aber uns' Fraulein wollt« ich doch nich^ damit kommen, denn die hat mir 's letzte Mal 'ne Marl ge« geben." „Also ist nun die Reihe an mir." Hinnerk njckt wieder. Rudolf nickt auch, macht aber doch ein bedenkliches Gesicht; denn Schwester Gabrielen's Spavbüchsenthaller find während seiner Flucht bis auf fünfzig Pfennig draufgegangen, und über Erna Hansen's Portemonnaie zu verfugen, ist ihm noch nicht in den Sinn gekommen. Er hätte es auch jetzt nicht gethan, wenn seine Finger es nicht eben in derselben Tafche gefühlt hätten, i» die Gabriele es vor Wochen hineinsteckte. Und als er es nun hervorzieht/blickterso finster drein, daßHinnerk förmlich erschrickt. Sollte er sich in seinem Herrn Mdolf getäuscht haben? Dann aber starrt er offenen Mundes auf das Goldstück, das Rudolf Lammert ihm in die Hand gedrückt hat. „Ich hab's nicht kleiner, Hinnerk", hat er dckbei gesagt; „den Rest magst Du mir heute Abend zurückgeLen. Berlier'S nur nicht. Hinnerk schüttelt den Kopf. Er hat ein ziemlich schmutziges Tuch auS der Tasche gezogen, in das knüpft er den Schatz hinein. „Wer ist denn nun bei Deiner Mutter?" „Bei meiner Mutter? — Je, Kaspar Heine sein Annemariek paßt da ja nu fürerst aus, aber da» muß in 'ner halben Stund« nah Schulen." „Hm! — Na, lauf nur zu! Will wohl auf Deine Mutter achten." „Velen Dank ok!" ruft Hinnerk und trabt durch den Weg schmutz. Auch diese Hilfe hatte er eigentlich gleich von Rudolf erwartet. Rudolf hält im Weitergehen das winzige Portemonnaie auS hellgrünem Saffianleder mit dem silbernen Monogramm in der Hand. Er hat es nie zuvor geöffnet; er wollte sich der Be sitzerin, dem hochmüthigen, kleinen Ding, nicht verpflichten, nun ist er geradezu erschrocken. Ueber fünfzig Thalrr in Goldstücken in der Börse deS Backfisches? Ihm stockt der Athem. Wen» e» nicht ihr eigenes G«kd gewesen wäre? — Endlich fällt ihm ein, von Gabriele einmal gehört zu haben, daß Sena all« vterteljch«
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