01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.04.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010412011
- PURL
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- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901041201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
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- Tag1901-04-12
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Amtsblatt -es Königliche« Land- und Änrtsgerichtes Leipzig, -es Rathes nn- Polizei-Amtes -er Lta-1 Leipzig. 18L Freitag den 12. April 1901. Anzeige« «Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reclamen unter dem RedacnonSstrich («gespalten) 7b H, vor den Familiennach- richte» («gespalten) SO H. Tabellarischer und Zisfernsap entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme LS H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbesörderung «0.—, mrt Postbeförderung .4! 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen find stets an die Expedition zu richten. Die Expeditton ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. Druck Lud Verlag von T. Polz in Leipzig. 95. Jahrgang. Rußland, die Mandschurei und die Japaner. Die Preßabthcilungen der Auswärtigen Acmter ganz Europas werden in diesen Tagen mit stillem Neide nach Ruß land geblickt haben, wegen der wundervollen Disciplin, mit der die russische Presse das von dem amtlichen „Regierungs boten" in der Mandschurei-Frage ausgegebene Leitmotiv auf nahm. Ob „Rossija" oder „Journal de St. Petersbourg" oder „Birschewija Wjedomosti" oder sonst irgend ein Blatt, alle waren sie auf denselben Gedankengang abgestimmt, der sich kurz so skizziren läßt: „Weil China dem Drängen der Mächte, oder wenigstens einiger Mächte nachgebcnd, das Mandschurei-Ab kommen nicht unterzeichnet hat, muffen wir nun erst recht dort verbleiben. Denn nun ist es uns unmöglich gemacht, in Ge meinschaft mit den Chinesen geordnete Zustände wieder herzu stellen, folglich muffen wir allein für die Wiederkehr der Ord nung und des Friedens sorgen." Wohl ausgesonnen, Pater Lamormain! Mit dieser Argu mentation hat Rußland eine richtige „Zwickmühle" construirt. Hätten die Chinesen das Abkommen unterschrieben, so wäre Rußland in der Mandschurei geblieben, kraft vertraglicher Rechte; da aber die Chinesen den Vertrag nicht unterschrieben haben, so muß es bleiben, kraft seiner civilisatorischen Pflichten, die ihm zwar von keiner anderen Macht auf erlegt werden, die es aber in edler Opferwilligkeit sich selbst zudictirt. Wir stehen ganz auf dem Standpunkte des Grafen Bülow, daß Deutschland in der Mandschurei höchstens insofern Jnter- efse hat, als sie einen Theil der chinesischen VermögenSmaffe bildet, daß aber dirccte politische oder wirthschaftliche Interessen Deutschlands in der Mandschurei nicht existiren. Wir nehmen also in dieser Hinsicht die Stelle des objectiven Beobachters ein. Gerade darum aber müssen wir sagen, daß das amtliche russische Organ und die russische Presse die oben kurz skizzirte Kund gebung besser unterlassen hätten. Denn auf die Staaten, die an der Mandschurei aus guten Gründen ein lebhaftes Interesse nehmen, wird die Kundgebung nicht wie die ernsthafte Moti- virung einer für nothwendig gehaltenen Maßregel wirken, sondern wie eine Verhöhnung. Zu diesen Staaten gehört in allererster Reihe Japan. Wenn Rußland im Vollbesitze der Mandschurei ist, so muß ihm früher oder später nach dem Gesetze der Schwere auch Korea in den Schooß fallen, denn dieser Staat kann unmöglich einem so weit überlegenen Nachbar, der seine gesammte Nord- und Nordwest grenze umfaßt, gegenüber auch nur eine beschränkte Selbst ständigkeit auf die Dauer wahren. Dann aber wäre die ge sammte langgestreckte Westküste Japans, von Nagasaki im Süden bis zur Straße La Perouse im Norden, von Rußland um spannt. Jeder politische, und noch mehr jeder militärische Ein fluß Japans auf China wäre alsdann fast zur Unmöglichkeit gemacht. Es mag sein, daß Rußland diesen Effect wünscht, aber Japan kann ihn nicht wünschen. Es hat sich mit Opfern, wie sie außer ihm in der Geschichte nur noch Preußen gebracht hat, aus kleinen Anfängen zu der Stellung einer Großmacht empor geschwungen. Diese Großmachtstellung kann es seiner geogra phischen Lage nach nur China gegenüber ausnutzen. Daß es gewillt ist, diese Großmachtstellung zu wahren, geht schon daraus hervor, daß gerade jetzt, wo die japanischen finanziellen Verhältnisse sehr ungünstig liegen, Regierung und Volk sich zwar alles Mögliche absparen, aber am Heer und der Marine nicht die mindesten Erspar nisse machen und machen wollen. Das Bezeichnendste dafür ist, daß die japanische Marine, um von der Willkür der Privatindustrie völlig unabhängig zu sein, sich ein eigenes Nickelstahlwerk einrichtet, beiläufig ein für andere reichere Staaten recht lehrreicher Vorgang. Alle diese Opfer zu bringen, um militärische Paraden ab zuhalten, dazu sind die Japaner zu nüchtern und praktisch der« anlangt. Wie jedem vernünftigen Staatswesen, so ist auch ihnen die bewaffnete Macht nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Und deshalb kann man auch nicht annchmen, daß sie es sich auf die Dauer gefallen lassen werden, daß ihnen die Möglichkeit, ihre Einflußsphäre auszudehnen, einfach verschlossen wird. Schon meldet deshalb ein englisches Blatt, Rußland wolle Japan da durch begütigen, daß es ihm Korea zur freien Verfügung über läßt. Für die Richtigkeit dieser Meldung spricht es gerade nicht, daß Rußland speciell in den letzten Monaten verschiedene Versuche gemacht hat, seinen Einfluß in Korea zu befestigen. Wie dem auch sei, so viel steht fest, daß das Vorgehen Rußlands in der Mandschurei den Gegensatz zwischen ihm und Japan erheblich verschärft. Man könnte Japan etwa mit Frankreich vergleichen, das durch die englisch« Occupation Egyptens genasführt und gekränkt worden ist. Es ist aber ein Unterschied vorhanden, und zwar ein fundamentaler: Frankreich wird durch seine fixe Revanche-Idee behindert, der nordafrika- nischen Küste seine volle Kraft zuzuwenden, Japan aber hat nur dies eine große Interesse. Die Wirren in Lhina. Ref»rm»»rschlL«e. Aus Shanghai meldet das Kabel unter dem 9. April: Die Vicekönige und Gouverneure der chinesischen Provinzen, welche bereits vor längerer Zeit vom Kaiser aufgefordert wurden, ge meinsame Reformvorschläge zu unterbreiten, haben sich nach langen Beratungen und Hin- und Hersendungen von ausgedehnten Correspondenzen dahin geeinigt, dem Kaiser die folgenden Anträge in Singanfu vorlegen zu lassen: 1) All» Prinzen und höheren Mandarine sollen eine gewisse Zeit im Auslande fremd« Sitten, Gebräuche und Wissenschaften studiren, und Aspiranten für die höheren Regterungs- und Verwaltungsstellen müssen ebenfalls im Auslände gewesen sein und dort ihre Kenntnisse erweitert haben, bevor sie in ein Amt eingesetzt werden können. 3) Dai chinesisch« Unterrichtswesen bedarf einer durchgreifenden Revision; die Zahl der Schulen und Universitäten sollte vermehrt, sämmtliche Staats prüfungen auf ihre Notwendigkeit und ihren praktischen Werth geprüft und entsprechend geändert werden. 3) In der ganzen Arme« d«S chinesischen Reiche« ist da« Lpillsystem und tzje taktisch« Erziehung, wie sie p,n den hernrrgMdstm Militärmächten der Auslandes angcwanidt werden, einzuführen. 4) Es sollte ein Polizei-Corps geschaffen werden, welches nach dem Muster des fremden Corps in Shanghai zu organisiren und anzustellen wäre. 5) Die kaiserliche Post soll im ganzen chinesischen Reiche eingeführt werden und eine einheitlich- Organisation erhalten. 6) Der Silberdollar ist als die Einheitsmünze officiell einzu führen. 7) Minengesetzr und Stempelgebühren sind auSzu- arbeiten und einzufllhrrn, sobald das Lanv wieder vollständig pacificirt ist. — Im Uebrigen gehen die Vorschläge der höchsten Würdenträger des Reiches dahin, daß diese Puncte di« sofortige Erwägung und Berücksichtigung des Kaisers finden und ohne Verzug genehmigt und ausgrführt werden sollten, während fernere wichtige Reformen vorgebracht werden würden, sobald der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist. * Peking, 11. April. („Reuter's Bureau".) Dir viert« jüdisch« Jnfanteri«-Brigad« wird aufgelöst. Zwei Regt- meuter kehren nach Indira zurück, während die anderen zur Brigade gehörenden Truppentheilr dem Commando des Generals Campbell zugethcilt werden. Der commandirende General der vierten Brigade, Cummin«, kehrt mit dem Stabe nach Indien zurück. Der Krieg in Südafrika. Entschädigung >»»u aus dc« Transvaal »crtrirbeueu Ausländern. Man schreibt uns aus London, 10. April: Der britische Minister des Auswärtigen, Lord Lansdowne hat sich endlich bewogen gefunden, ein Comits zu schaffen, welches im Namen der englischen Regierung über die Entschädigungsan sprüche aburtheilen soll, welche von den Angehörigen befreundeter Nationen mit Bezug auf ihr« Ausweisung oder gewaltsame De portation aus Südafrika, entweder direct oder durch ihre Re gierungen dem britischen Gouvernement unterbreitet worden sind, oder noch zugehen tverd«n. In der gestrigen Ausgabe der offi- ciellen „London Gazette" werden die Namen der Mitglieder dieser Commission veröffentlicht, und eS heißt, daß diese Herren, fünf an der Zahl, sofort in London zusammenterten und dann sämmt- liche Ansprüche in Südafrika an Ort und Stelle invesiigiren werden, um darauf nach London zurückzukehren, und dem Mi nister des Auswärtigen eingehenden Bericht zu erstatten, damit derselbe über die einzelnen Fälle an die betreffenden fremden Regierungen entsprechenden Bescheid geben kann. Die Com mission besteht aus dem Kanzler des Durham-Districtes, zwei Generälen, einem Oberrichter und einem früheren Mitglied« des Volksrathes der südafrikanischen Republik, die mit ihrer schweren Arbeit sofort zu beginnen haben und hier in London in ihren täg lichen Sitzungen alle directen und inldirecten Forderungen ent gegennehmen oder auch persönlich anhören werden. Dieses Vorgehen der britischen Regierung kommt mit einer unter obwaltenden Verhältnissen gänzlich unerwarteten Prompt heit, und in eingeweihten Kreisen wird versichert, daß die An wesenheit des deutschen Colonialsekrrtärs I)r. Stübel mit dieser prompten Actton in enger Verbindung stehen soll, was um so glaubwürdiger erscheint, als noch bis vor Kurzem die großbritannische Regierung in ihren betreffenden Versprechungen sehr zurückhaltend war und wenig Aussicht auf «ine baldige Erledigung dieser schwebenden Frage darzubieten schien. Sngltsche Feldpost. Von der Thäkigkeit der englischen Feldpost und Feld telegraphie im Kriege weiß der neueste Verwaltungsbericht des englischen Generalpostmeisters Einiges zu berichten, was auch in Deutschland interessiren dürfte. Die englische Feldpost ist wesentlich anders organisirt als die deutsch«. Die englischen Beamten treten in die Reihen der mobilen Armee ein, haben'mili tärischen Rang, tragen die Militäruniform und nehmen unter Umständen auch am Kampfe Theil. Sie werden dem 24. Middlesex (Post Office) Rifle Volunteers-Regiment ent nommen, das sich ausschließlich aus Freiwilligen au« der Classe der Post- und Telegraphenbeamten zusammensetzt. — Das Per sonal der Feldpost bestand diesmal aus 10 Officieren (höheren Postbeamten) und 392 Mann, das der Telegraphie war 310 Köpfe stark. Daneben hatte Canada ein besonderes Contingent gestellt, ebenso war von der indischen Regierung ein eigener Feld- Postdienst für die indischen Truppen in Natal eingerichtet. Die Feldpost hatte den gesammten Postverkehr nach und von der Front zu vermitteln. Dir wöchentlichen Posten von England brachten oftmals über 300 000 Briefe und nahezu an 150 000 Zeitungs- packete. Auch der Packetverkehr nahm mit dem Fortschritten de» Kriege« schnell zu. Am 30. Januar betrug die Zahl der ein gegangenen Packrte 3745, am 31. März bereit« 10 783 und am 12. Mai 19 947. So bedeutend die Zahl der Briefe auf den ersten Blick auch erscheinen mag, so hält sie doch mit den Brief massen, die für unsere deutschen Truppen tn China eingehen, natürlich unter Berücksichtigung der beiderseitigen Armeestärke, den Vergleich nicht au». Der Grund liegt teilweise darin, daß der englische Soldat für seine Lorrespondenz keinerlei Porto vergünstigung genießt. Sowohl für di« Sendung«», di« an die Soldaten gerichtet« sind, al» auch für diejenigen, die von den Truppen au«g«hen, sind di« vollen Gebühren zu entrichten. Ein Entgegenkommen wurde nur insoweit grübt, al« für Soldaten brief« aus solchen Orten, an denen englisch« Postwerthzeichen nicht zu erhalten waren, da» Porto nicht von den Empfängern erhoben, sondern auf die Militärcass« übernommen wurde. Die großen Telegraphengesellschaften zeigten sich soldatenfreundlicher, indem sie die Gebühren für alle Soldatentelegramme um die Hälfte er mäßigten. Deutsche- Reich, -V- Verkitt, 11. April. (Ein Recht des preußischen König»,) Di, ,K«uzztg," kschäftigt sich in staatirechtlichen Ausführungen mit dem Nachweis, daß Grsuhl«- und Metnung»äuß«rung«n de» König« von Preußen der ministeriellen Gegenzeichnung nicht btdürsen, dem Könige vi«lm«hr da« Recht zusteh«, sein« individuelle Ansicht zu äußern, „zumal, wenn e« «in Monarch ist, der mit dem Dichterfürsten von sich sagt» kann: Mir gab ein Sott, zu sagen wi, ich l«id,." — W«e nicht auf dem politisch«,, Stand punkt« dkß K-dirali-mur steht, knn nicht ßefireistp daß kl preußische König staatsrechtlich zweifellos das Recht hat, seine individuelle Meinung so oft zu äußern, wie es ihm be liebt. Die Frage aber ist, ob es p o li t i s ch z w e ck m ä ß i g ist, daß er von diesem Rechte einen der jeweiligen Stimmung ent sprechenden Gebrauch macht. Hierauf muß nach allen geschicht lichen Erfahrungen die Antwort auch für den Monarchen ver neinend ausfallen,dem «in Gott gab,zu sagen, wie er leidet. Denn der Monarch ist eben kein Dichter, dessen Vorrecht auf individuelle Meinungsäußerung zu jeder Stunde und ohne Rücksicht auf irgend welche sonstige Erwägung unbestreitbar ist, sondern der Monarch ist in erster und letzter Reihe Herrscher, und hat als solcher Aufgaben besonderer und maßgebender Art. Wenn die „Kreuzztg." so thut, als ob Vas Recht zu beliebiger Kundgebung individueller Gefühle das Wesen des machtvollen preußischen Königthums ausmache, so müßte ein rascher Blick auf Preußens Geschichte sie davon abhalten. Friedrich Wilhelm IV. hat sehr häufig, WilhelmI. aber selten in dividuelle Gefühle öffentlich geäußert. Unter wessen Regierung aber die Autorität der Krone größer war, darüber besteht unter ehrlichen Leuten wohl nicht der geringste Zweifel. L. Berlin, 11. April. (Zu den WohnungS- erlassen.) Dem Grundsätze, jede neue Maßnahme auf dem Gebiete der Socialreform als vollkommen bedeutungslos auszu geben, bleibt der „Vorwärts" auch betreffs der preußi schen Ministerialerlasse zur Verbesserung der Wohnungsverhältniss« treu: Der Druck der Re gierungsorgane auf die Gemeinden würde keinen Erfolg haben, die Decernenten würden eine Verfügung nach der anderen er lassen, und „schließlich wird, im Großen und Ganzen, Alles beim Alten bleiben, weil theure, schlechte und ungesunde Behausung der Massen eine Nothw«ndigkeit für den Bestand der bürgerlich- capitalistischen Gesellschaft ist, und die Regierung der Brod- und Fleischoertheuerung selbstverständlich nicht gewillt und auch nicht im Stande ist, an den Grundlagen ihrer eigenen Existenz zu rütteln." — Dieser Ketzerischen Kritik verlohnt es sich, das Ur- theil des Organs der fortgeschrittenen Socialreformer, der „Socialen Praxis", gegenüber zu stellen. Sie nennt die Aufgaben, tvelche der Staat den Gemeinden in der Woh nungspolitik zuweist, „durchaus erprobte, vielfach schon in An wendung gebrachte Mittel, von deren planmäßiger Durchführung an sehr vielen Orten gewiß ein« Linderung der Wohnungsnoth zu erwarten ist, falls eS den Regierungspräsidenten gelingt, die Widerstände des in zahlreichen Stadtverwaltungen herrschenden Haus- und Grundbesitzcrthums zu brechend — In der Reihe der vorgeschlagenen Maßnahmen vermißt die »Sociale Praxis" zwei besonders wichtige: den Erlaß von Bauordnungen, die den Boden- und Miethswucher einschränken, und die Einrichtung von Wohnungsinfsxctionen, die dauernd für die Befolgung der hygieinischen Vorschriften in den Wohnungen sorgt. Aber mög licher Weise behalte sich der Staat diese beiden Aufgaben vor, und werde sie in das „umfassende gesetzliche Vorgehen", das in der Vorbereitung begriffen, aufnehm«n. „In durchaus zweck entsprechender W«ise" empfehle der Erlaß an die Oberpräsidenten sowohl die amtliche Unterstützung der Privatinitiative auf dem Gebiete des Wohnungswesens, als auch die Regelung der Unterbringung von Arbeitern in Massenquartieren der Unter nehmer. Indem die „Soc. Praxis" eine eingehende Würdigung dieses Complexes von Maßnahmen sich vorbehält, giebt sie heute ihrer „lebhaften Befriedigung" Ausdruck, daß in Preußen die Wohnungsfrage aus dem Stadium der Erwägungen in das Ge- bi«t der That gerückt ist, und spricht die Hoffnung aus, daß die gegebenen Anregungen überall verständnißvolle Aufnahme und energische Ausführung finden: „Mit gesteigertem Interesse wird man nunmehr den vom Staate in Aussicht genommenen gesetz lichen Maßnahmen in der Wohnungsfrage entgegensehen." * Verkitt, 11. April. (Darf eine Frau ihren Mädchennamen führen?) Für diese Frage ist das Urtheil lehrreich, das unterm 13. März d. I. vom Amtsgericht Hamburg gegen die socialdemokratische Agitatorin Frau Ür. Lübeck ergangen ist. Frau vr. L. führt ihren Mädchen namen Luxemburg, obwohl sie verheirathet ist und Lübeck heißt. Sie wurde in Hamburg dieserhalb unter Anklage gestellt, aber freigesprochen. Das Erkenntniß liegt jetzt im Wort laut vor. Es gelangt, wie wir dem „Vorw." entnehmen, au» zwei Gründen zur Freisprechung, die beide für weitere Kreise von grundsätzlichem Interesse sind. Der Grund, der zur Frei sprechung geführt hat, ist der: Nach dem Bürgerlichen Gesetz buch vcrliert eine Frau durch ihre Berheirathung nicht ihren Mädchennamen. Bedient sie sich desselben, so bedient sie sich eine» ihr zukommenden Namens. Denn sonst wäre es un erklärlich, weshalb eine geschiedene Frau nach ß 1577 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Wiederaufnahme ihres früheren Namen» befugt ist, weshalb ferner nach Z 1706 das außer eheliche Kind einer verheiratheten Frau den Mädchennamen der Mutter erhält, und daß eine Ehefrau nach 8 12 deS Bürgerlichen Gesetzbuchs der widerrechtlichen Annahme ihres Mädchennamens durch Andere entgegentreten kann. Selbst wenn man dieser Ansicht aber nicht veipslichten sollte, führt das Urtheil ferner au», mußte man deshalb — in diesem besonderen Falle — zur Freisprechung gelangen, weil eS „offenbar der Angeklagten gar nicht in den Sinn gekommen ist, die Polizeibehörde über ihre Person zu täuschen, zumal sie ihren vollständigen Namen in dem Hotel, wo sie abgcstiegen war, angegeben hatte, eine Thatsach«, die der Polizeibehörde kaum unbekannt sein kann." O Berkin, 1k. April. (Telegramm.) Der Kaiser unternahm gestern Nachmittag mit dem Kronprinzen unv dem Prinzen Adalbert einen Spazierritt im Thiergarten. Gestern Abend fand, wie schon gemeldet, eine Tafel im Tlisabetbsaal statt; vor derselben empfing der Kaiser eine Deputation der königlichen Akademie der Wissenschaften, be stehend aus den Geheimräthen Prof. Waldeyrr, Auwer« und Bahlen. Nach der Tafel behielt der Kaiser dir geladenen Herren in den Heinrich-Hallen einig, Heil bei sich. — Heute Bormittag hört» der Kaiser die Vorträge de« KrffaSminisler» v. G » tzler. de« Ches« de« Generalstabe» Graf ».Schliessen und de» Eves» de» Militärcabinet» v. Hahnke. 8. Berit«, 11. April. (Privattrlegramm.) Die „Bers. Börs.-Ztg." schreibt: Dir Unt«rstaat-sekretär Aschrnhorn hat sich im Reichsschatzamt verabschiedet und ist nach Italien abgereist. Er kebrt erst im Herbst nach Berlin zurück. Da »r bis August al» beurlaubt gilt, ist es fraglich, ob sein Nachfolger bald ernannt werden wird. Der Ttat ist geordnet und die Neuern,nnung daher nicht dringend. Asch»nb,rn ist «1 Jahr, alt und keineswegs durch irgend welches körperliches Leiden ge zwungen gewesen, den Abschied zu nehmen. Er gestand eS beim Abschiede selbst, daß er das Schöne im Leben mit der abgeklärten Beschaulichkeit deS Gealterten an seinem leiblichen und geistigen Auge vorüber ziehen lassen wolle, so lange er sich noch frisch und fähig dazu füble. In seiner Beamtealaufbahn, zumal in seiner letzten Stellung, zeigte er sich von überlegener Geistesschärfe in Bezug auf Kritik. Er war mit den Etatsfragen deS Reiches innig ver wachsen, galt als trefflicher Kenner aller einschlägigen Ver hältnisse und dürfte deshalb schwer zu ersetzen sein. — Die „Dtsch. TgSztg." erklärt heute: „Der Heraus geber der „Neuen Bahr. LandeSztg." Memminger, hat kürzlich in seinem Blatte mitgetheilt, der „Bunv der Land w irt he" habe ihm im Jahre 1893 für den Fall, daß er sich in den Dienst des Bundes stelle, für jeden Vortrag außer den Reisespesen 50 Honorar und für jedes Exemplar seiner Zeitung eine IahreSentschädigung von 70 geboten. Herr Memminger wird hiozufügen müssen, von wem ihm dieses Angebot gemacht worden ist. Der Bundesleitung ist von diesem oder einem ähnlichen An gebote durchaus nichts bekannt." — Zu der an die technischen Hochschulen gerichteten declarirenden Verfügung deS preußischen CultuSministerS in Betreff deS PromotionSrechteS, wonach die Ernennung zu Diplom-Ingenieuren auch schon vor Genehmigung der neuen DiplomprüfunqSordnungen erfolgen darf, bemerkt die „Nat.-Ztg.", daß diese Verfügung einem schon im Jahre 1899 von den technischen Hochschulen gestellten Anträge entspricht. — Die auf der Pariser Weltausstellung ausgestellt ge wesenen plastischen, bildlichen und statistisch graphischen Dar stellungen der Arbeiterversicherung des deutschen Reiches, die vom Reichs-Versicherungsamte geliefert wurden, sind theils der in Berlin von ReichSwezen gegründeten „Ständigen Ausstellung für Arbeiterwohlfahrt" überwiesen, theilS einer zu gleichen Zwecken in Paris zusammengetretenen französischen Commission auf deren Wunsch überlassen worden. — Ein neues Mittel zur Linderung der Wohnung-- noth und zur Förderung des Baues von kleinen Wohnungen hat der Magistrat von Eharlottenburg als erster er griffen. Wie der Vorstand bekannt giebt, ist die städtische Sparkasse bereit, Häuser, die ausschließlich zu dem Zweck erbaut werden, unbemittelten Familien gesunde und zweckmäßig eingerichtete Wohnungen zu beschaffen, im Gemeindebezirk von Charlottenburg mit 3 Procent zu beleihen. Die Beleihung soll bis zum löfachen Betrag deS amtlichen Gebäudc-NutzungSwertheS zulässig sein. Den Anträgen auf solche Beleihungen sind Pläne beizusüzen. Die einzelnen Wohnungen sollen auS 1 oder 2 Zimmern nebst eigener Küche bestehen. Die Höhe der Zimmer muß im Durchschnitt mindesten- 3 m betragen. Die Größe der Zimmer darf bei nur einem Zimmer nicht unter 20 gm Bodenfläche, bei zwei Zimmern nicht unter 15 gm auf daS Zimmer bemessen sein. Nur solche Objecte kommen in Frage, die allen Anforderungen entsprechen. (-) Danzig, 11. April. (Telegramm.) Die hiesigen Stauer sind seit heute früh in den Ausstand getreten. (-) Schwerin, 11. April. (Telegra:n m.) Der Groß herzog empfing heute eine Abordnung der Stände, sowie die Landräthe und Bürgermeister von Schwerin, Rostock und Wis mar. Darauf wurde im Thronsaale eine Defilircour der Hof staaten abgehalten. (7) Potsdam, 11. April. (Telegramm.) Heute Mittag wurde das von der Provinz Brandenburg er richtete und von Professor Heiter mowellirte Reiter st and- bild Kaiser Wilhelm ' s I. auf der Langen Brücke feier lich e n t h ü l l t. An der vom Bahnhose bis zum Stadtschlosse sich hmziehenden, reich geschmückten Feststraße bildeten die Schulen, Krieger- und Sportvereine, Innungen und Gewerken mit Fahnen urid Musikcorps Spalier. Vor dem Denkmale hatte die Leibcompagnie des 1. Garde-Regiments zu Fuß mit Fahne, Musik und Spielleuten Aufstellung genommen. Auf dem linken Flügel befanden sich die directen Vorgesetzten, während auf dem rechten Flügel die Leibescadron des Regiments der Gardes «du Corps in Zugcolonne mit Musik und Standarte stand. Die übrigen Truppen der Garnison standen während der Enthüllungsfeier im Lustgarten, mit der Front nach dem Denk male. In den Straßen, die in Blumen- und Flaggenschmuck prangen, herrschte bereits um 10 Uhr früh ein äußerst lebhaftes Treiben. Der Kaiser unv die Kaiserin trafen um 12 Uhr Mittags auf dem Festplatze ein. Bevor die Hülle des Denkmals fiel, hielt Landesdirector v. Manteuffel «ine An sprache, in der er ausführte, diese Feier sei eine Feier der Dankbar keit zuerst gegen Gott, der in seiner Gnade und Allmacht bei jener unseligen That am 26. März das geheiligte Leben des Kaisers behütet habe, der Dankbarkeit aber auch gegen den Kaiser, der durch sein Erscheinen dem Feste die wahre und letzte Weihe gegeben habe, und insbesondere der Dankbarkeit gegsn des großen Kaisers Wilhelm Majestät. Redner warf einen Rückblick auf bke ruhmvolle Vergangenheit der Provinz Brandenburg und fuhr fort: Seit den Tagen von Friesack sei es den Söhnen der Mark beschicken gewesen, an erster Stelle mitzuarbeiten an dem großen Werke ihrer Hohenzollern'schrn Herren. — Da mußte ja zwischen den Fürsten und dem Volke ein Band entstehen, unzerreißbar und unverwüstlich. Wir Märker aber wollen, schloß der Redner, den erlauchten Großvater im Enkel ehrend, laut rufen: Unser ge liebter Kaiser, König und Markgraf Wilhelm II. lebe hoch! koch! koch! — Darauf fiel unter dem Donner der Geschütze und, während die Truppen präsentirten, um 12 Uhr 15 Minuten die Hülle des Denkmal». Dann besichtigte der Kaiser da» Denkmal eingehend mit dem Künstler Herter und verschiedenen anderen Herren, sowie den Mitgliedern der englischen Speeialmission. Alsdann wurden vor dem Denkmale verschieden« Kränze nieder gelegt. Nachdem der Kaiser den Vorbeimarsch der Leibcom pagnie, sowie der Leibescadron der Gardes du Corps abge nommen hatte, begab sich die Kaiserin zu Wagen nach dem Stadtschlosse, der Kaiser zu Pferde nach dem Lustgarten und nahm dort eine Parade über die sämmtliche» Truppen der Pots damer Garnison ab. Di« Kaiserin wohnte an «inem Fenster de^ Ltadtschlosse dem militärischen Schauspiele bei. — Nach der Parade im Lustgarten fand im Marmorsaale de» königlichen
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