01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.04.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010413013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901041301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901041301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-04
- Tag1901-04-13
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Di« wiirtiembergische Regierung hat bekannt lich vor Kurzem beim Reichskanzler die Anregung gegeben, im Weg« der Verständigung unter den Bundesstaaten (das Reich selbst wäre nicht competenl) eine einheitliche deutsche Rechtschreibung herbeizuführen. In Berlin ist man auf die Anregung sofort bereitwilligst eingrgangen und es soll nun im Laufe dieses Frühjahrs oder Sommers eine von sämmtlichen verbündeten Regierungen zu beschickende fachmännische Con fer e n z zusammentreten. Man muß es mit besonderer Freude begrüßen, daß diese Verhandlungen, wie der Staatssekretär Graf Posadowsky am 31. Januar dieses Jahres im Reichstage aus drücklich erklärte, sich nur werden gründen können auf das System, das jetzt in den preußischen Schulen und auch in den Schulen anderer Staaten Anwendung findet. Die kleinen Abweichungen der einzelnen Schulorthographien (über die grundlos so oft ge spöttelt wird) sind in der That kein« grundsätzlichen, Die end liche formelle Einigung irgendwie hindernden. ES ist wahrlich die allerhöchste Zeit, daß dem nun schon über 20 Jahr« währenden unerträglichen Zustande ein Ende gemacht werde, wonach unsere Beamten größtentheils die Rechtschrei bung, die sie auf staatliche Anordnung (in der Schule) gelernt haben, im Amte nicht anwonden dürfen und daß sie Gefahr laufen, als unwissende Menschen bezeichnet zu werden, wenn sie sich unterstehen, eine altmodische Schreibung mit einer besseren, die amtlich (von der Schule) anerkannt ist, zu vertauschen. Und die mit Unrecht auf den Namen „Puttkamer" getaufte Schul orthographie ist besser als ihr Ruf; sie bedeutet unzweifelhaft (darüber sind die Fachmänner einig) einen Fortschritt gegen über der „herkömmlichen" Schreibweise. Die Gegner der „Puttkamer'schen" Orthographie berufen sich mit Vorliebe auf Bismarck, und unfraglich ist an dem Riß, der heute noch zwischen Schulrechtschreibung und amtlicher Recht schreibung klafft, unser großer Staatsmann schuld, der, zum großen Befremden sehr vieler Freunde der deutschen Sprache und der deutschen Schuljugend — bezeichnender Weise diesmal in völliger Uebereinstimmung mit Eugen Richter — die Einführung dieser Rechtschreibung bei den Reichsämtern in schroffer Form ver bot, «was zur Folge hatte, daß auch die Regierungen der Bundes staaten, ja sogar di« anderen preußischen Minister sich mehr oder weniger ablehnend gegen die neue Schreibweise verhielten. Wer wollte deshalb auf unseren großen Staatsmann, der Deutsch land in den Sattel gehoben hat, einen Stein werfen? Er war eben auch ein Mensch und hatte die Fehler seiner Tugenden: sein unbeugsamer Wille konnte gelegentlich zum Starrsinn werden. „Niemand giebt sich gern mit Kleinigkeiten ab", sagte Jacob Grimm einmal mit Bezug auf die Schwierigkeit der Einführung von Rechtschreibungs-Besserungen. Die deutsche Rechtschreibung war, im Vergleiche zu den Dingen, die «inen Bismarck be schäftigten, wohl ein« „Kleinigkeit", zu nennen. Aber, absolut ge nommen, hat doch das Gewand, in dem unsere Muttersprache erscheint, eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Mag ein Sprachgelehrter, der es vor seinem Gelehrtengewissen nicht ver antworten zu können meint, eine von ihm verworfene Recht schreibung anzunehmen, immerhin seine höchst persönliche Leib orthographie beibehalten. Wer dies Gelehrtenrecht aber verallge- mrinevn und einem Jeden zusprechen möchte, der hat keine Ahnung von der Bedeutung der Rechtschreibung für das Volksleben. Um nur ein praktisches Beispiel anzuführen: Welche Vermögens verluste dem Buchhandel, den freilich die Sache ganz besonders nahe angeht, durch jede auch scheinbar geringfügig« Minderung der Rechtschreibung zugefügt werden können, ist daraus zu ermessen, daß eine einzige Firma den Herstellungswerth ihrer Stereotypplatten (Wörterbücher) einschließlich des Neusatzes auf 700 000 angiebt! Und entsprechend steht es um alle Ver leger. Da «war es denn ein sehr verdienstliches Unternehmen, daß der Vorstand des Börsenvereins der deutschen Buchhändler, in Ausführung eines Beschlusses der Hauptversammlung vom 13. Mai 1900, durch Umfrage eine Ermittelung darüber an stellte, in welcher Ausdehnung di« Rechtschreibung vom Jahre 1880 Eingang in die Literatur und Presse gefunden hat. Aus dem Ergebnüß dieser Umfrage geht nun klar hervor, „daß in dieser neuen Rechtschreibung schon jetzt die erdrückende Mehr heit aller im deutschen Sprachgebiete er scheinenden Bücher und Zeitschriften gedruckt wird und daß es nur des Zutrittes der Reichs- und der Staatsbehörden bedarf, um in der deutschen Rechtschrei bung eine nahezu völlige Einheit herbeizuführen, so weit ein« solche überhaupt von oben her erwirkt werden kann.* Etwa vor Jahresfrist waren wir aber in Gefahr, durch «eine einflußreiche Behörde die Verwirrung in der deutschen Rechtschrei bung vermehrt und eine Einigung wiederum ferner als je gerückt zu sehen: die Reichspostvcrwaltung machte nämlich den Versuch, die „Rechtschreibung des Bürgerlichen Gesetzbuches" im Dienst- Vereich der Post amtlich einzuführen. Glücklicher Weise hat sich der Staatssekretär des Reichsamts des Innern durch diesen Ver such nicht beirren lassen, an der seit 20 Jahren bestehenden Schul orthographie als der. .gegebenen Grundlage für di« Vereinheit lichung der Rechtschreibung festzuhalten. Denn Verfasser und Hersteller des Bürgerlichen Gesetzbuches waren ja gar nicht be rufen, auf diesem Gebiete Regeln auszustellen, und haben auch selbst nicht im Entferntesten daran gedacht, solche geben zu wollen. Aber ein Verdienst hat bas Bürgerliche Gesetzbuch an der Sache doch: es hat die Bestrebungen nach einer einheitlichen Deutschen Rechtschreibung wieder in Fluß gebracht und auch die von der württembergischen Regierung ausgegang«ne Anregung unmittelbar beeinflußt. ES ist das eine schöne Nebenwirkung der Einheitsbestrebungen, denen das Bürgerliche Gesetzbuch selbst sein Entstehen verdankt. ES ist nun begründete Aussicht vorhanden, daß auf der bevorstehenden orthographischen Confrrenz die noch vorhandenen geringen Abweichungen der Schulorthographien von «inander ausgeglichen werden und daß dann diese deutsche Gchulrechtschreibung auch im amtlichen Verkehr allenthalben «tngeführt wird. Im deutschen Reichstag« und auch im württembergischen Land tage wurde die Anregung gegeben, auch Oesterreich und di« Schweiz an den Verhandlungen über die Schaffung einer deutschen Rechtschreibung theilnehmen zu lassen. Dem stehen indess manch« Schwierigkeiten entgegen, und so schön dieser Gedanke an und für sich ist, zumal vom „alldeutsch:»" Stattdpuncte be trachtet, so unpraktisch ist er, denn er gefährdet «ben das baldig« Zustandekommen des Nächstliegenden und vor allem Noth- wendigen: die einheitliche Regelung der Rechtschreibung in Deutschland! Der Staatssekretär Graf Posadowsky war deshalb voll kommen im Recht«, als er es ablrhnt«, den vom Reichstagsavgeord- neten Müller-Sagan bezeichneten Weg zu betreten, denn „schon durch die Schwerkraft der Thatsache, daß das gesammte deutsche Volk sich eine einheitliche Rechtschreibung schafft, wird letztere maßgebend und vorbildlich sein für die deutsche Sprach« überhaupt, soweit sie außerhalb Deutschlands zur Anwendung kommt". Also: schaffen wir zuerst Ordnung im eigenen Hause! Die Wirren in China. Kaiserlicher Erlaß zum Schutz »er Fremden. AuS Peking, 16. Februar, wird der „Köln. Ztg." geschrieben : Der zehnte Paragraph der Friedensbedingungen der Mächte fordert, daß in allen Städten Les chinesischen Reiches bis hin unter zu den kleinen Ortschaften vom sechsten Ranze, den „Hsien" oder Kreisstädten, auf zwei Jahre ein kaiserlicher Erlaß ange schlagen werde, in welchem die Zugehörigkeit zu einer fremden feindlichen Verbindung als todeswürdiges Verbrechen erklärt, eine Auszahlung der wegen fremdenfeindlicher Vergehen be straften Beamten gegeben und schließlich die Verantwortlich keit der Provinzbehörden für die zukünftige Sicherheit der Fremden verkündet werden soll. Bisher bat sich im Ver laufe der Friedensverhandlungen bei jedem einzelnen zur Sprache gebrachten Puncte daS hartnäckige Bestreben der chinesischen Bevollmächtigten gezeigt, in der Auslegung und Ausführung der Forderungen möglichst viel von der am 16. Januar gegebenen Annahme der Bedingungen nachträglich wieder abzuzwacken und auf diese Weise, um daS „Gesicht" zu wahren, die bittere Demüthignng, die dem Lande durch die Forderungen der Mächte aufcrlegt wird, dem Volke gegenüber etwas zu verschleiern. Auch dieser zehnte Paragraph macht dabei keine Ausnahme. Der kaiser liche Erlaß, der darüber in der gestrigen Ausgabe der amtlichen chinesischen Pekinger Zeitung aus Hsinganfu (Sian) unterm 1. Februar veröffentlicht wird, bleibt in verschiedenen wesentlichen Punkten hinter dem zurück, was im tz 10 deutlich gefordert wird. Mit der allen amtlichen Ver fügungen hierzulande üblichen Weitschweifigkeit geht diese jüngste Kundgebung des Kaisers in der Einleitung auf die früheren zwischen China und den Mächten abgeschlossenen Ver träge zurück, in denen ebenfalls den Fremden das Reisen und der Aufenthalt im Innern deS Reiches gestattet und Schutz zugesagt worden sei. Trotz wiederholter kaiserlicher Befehle feien aber immer wieder Belästigungen von wissenschaftlichen Reisenden, Kaufleuten und Missionaren, die über die Meere und Berge gekommen seien, um die Leute zum Guten zu mahnen, in allen Tbeilen des Reiches vorgekommen, da die OrtSbehörden im Innern zu dumm oder zu nachlässig seien. „ES lag an unfern geringen Fähigkeiten", heißt es dann wörtlich mit löblicher Selbsterkenntniß, „daß wir nicht im Stande waren, die unwissende Bevölkerung auf den richtigen Pfad zu leiten, weshalb wir ungeheuere Fehler verschuldet haben". So könne eS nicht mehr weiter gehen, und da Hunderttausende von chinesischen Auswanderern über See ihr Leben und den Erfolg ihrer Arbeit nur dem Schutze der Mächte dankten, „und da China sich rühmt, ein civilisirteS Land zu sein, so muß eS gegen die hier lebenden Ausländer die Pflichten des Wirthes gegen seine Gäste erfüllen". Daher ergehe noch einmal an alle bürgerlichen und militärischen Behörden der Provinzen der Befehl deS Kaisers, bei allen Belästigungen oder Schädigungen der Fremden sofort strengstens emzugreifen, die Schuldigen ohne Rücksicht zu bestrafen, unbeirrt durch den mißbräuchlichen Vorwand der Schuldigen, aus Vaterlandsliebe gehandelt zu haben, und diesen neuen Befehl durch Anschlag und Drucklegung dem Volke bekannt zu geben. Beamte, die nicht nach dieser Vor schrift handeln, solle» abgesetzt werden uud der Möglichkeit verlustig gehen, jemals wieder Anstellung im Staatsdienste zu finden. — Soweit erfüllt der Erlaß nur die in der zweiten Hälfte de» Paragraphen gestellten Forderungen, und ob diese mit ausreichender Genauigkeit auSgeführt werden, ist auch noch fraglich. Wa« aber in § 10a gefordert wird, daß die Zugehörigkeit zu einer fremdenfeiadlichen Vereinigung an sich schon mit dem Tode bestraft werden muß und daß dieser Erlaß volle zwei Jahre lang überall auShängen soll, davon ist nichts zu lesen. Voraussichtlich werden die Ge sandten die Verfügung deS Kaiser« in dieser Fassung nicht als die gebührende Erfüllung der gestellten Forderung ansehen. * Peking- 11. April. Die Annahme, daß ein Chinese au» einem Verstecke den Hauptmann Bartsch ermordet habe, ist aus gegeben worden; die Revolverkogel ist von unten in den Unterleib deS Hauptmann» gedrungen. Sech» Augen- zeugen sind verhaftet worden. Am Freitag erfolgt die Be erdigung. (Köln. Ztg.) Der Krieg in Südafrika. Sie »te Vn»liin»er i« Transvaal „Lympattzien" erwecken. Aus einem Schreiben unseres Mitarbeiters in Johannes burg vom 7, März geht in drastischer Weise hervor, wie die Engländer du ch kleinliche Schikanen es verstehen, jeder Möglichkeit, si q Sympathien zu gewinnen, aus dem Wege zu gehen. Der :richt lautet: Anderthalb Jahre unterm Kriegsrecht zu leben ist schon an und für sich keine Annehmlichkeit; gewiß die größte Unannehm lichkeit sind die Paßvorschriften und die g e w a l t i g e n H e m - mungen im Verkehr. Seitdem um Johannesburgs (md um die meisten anderen Orte von einiger Bedeutung) ein Draht zaun gezogen i^, ist diese Derkchrseinschränkung noch viel fühl barer geworden; nicht einmal spazieren gehen kann man, und so sehr hat man sich an die Gefangenschaft unter den Paßvor schriften gewöhnt, daß man gar nicht mehr weiß, ob es früher einmal anvers war, und ob es je wieder anvers werden wird. Und wie es mit der Bewegungsfreiheit steht, so auch mit dec Gedankenfreiheit und der Ernährungsfreiheit; das Denken oder in Bezug auf Nriegsereignisse eine eigene Mei nung zu haben, gewöhnt man sich besser ab, Aortheil hat man davon nicht, zumal wenn man geneigt ist, was man denkt, auch zu reden; es wird solch lauten Denkern erfahrungsgemäß leicht Gelegenheit gegeben, unter anderem Himmel ihren Gedanken und Reden freien Lauf zu geben. Wird cs möglich sein, daß wir auch noch einmal uns der Ernährungsfreiheit, in „was" und „wie viel", erfreuen werden; wird es möglich sein, daß unsere leiblichen Bedürfnisse durch den Inhalt unseres Geldbeutels und nicht durch Schema so und so regulirt werden; wird's möglich sein, daß wir kaufen können, wo wir wollen; und wird es möglich sein, daß wir uns nicht für unser gutes Geld zwei Stun den im Sonnenschein oder Regen stoßen, drängen und ausschimpfen lassen, ehe wir un sere Einkäufe machen können? Dieses Stoßen und Drängen für mindestens zwei Stunden in einer höchst gemischten Gesellschaft ist das Unangenehmste an dem ganzen Verpflegungs system; wenn man dieses Drängen erst überwunden hat, ist das Schlimmste überstanden, und es bleibt dann noch das eine bange Erwarten übrig: wasgiebt'szu kaufen? und dann giebt es auch manchmal für den Einen oder Andern eine arge Ent täuschung: nachdem man zwei Stunden unter der gestrengen Auf sicht eines oder zweier Khakis gewartet hat, bis man an die Reihe kommt, um z. B. Mehl zu kaufen, dann heißt es plötzlich: heute giebt'skein Mehl, komm morgen. Morgen kommen heißt aber in mehr fühlbarer Sprache: sich wieder zwei Stunden drücken, drängeln und stoßen z'>. lassen. Die Meinungen über diese Betriebsleitung, diese Regierungsverkaufsstellen sind denn auch ungetheilt und Niemand, der nicht diese „Wohlthaiseinrich- tungen" mit dem Seufzer verläßt: Gott sei Dank, wieder fertig für eine Woche. Eine Quelle ungetheilten Interesses ist auch die Ankunft einer europäischen Post, holen Sie Briefe, holen Sie Zeitungen. Der Herr Censor liest seit einigen Wochen wieder Alles, was ankommt; oder besser, er öffnet die Briefe, klebt sie mit dem rothen Zettel zu und setzt seinen Stempel darauf; dadurch kann man zwei bis drei Tage nach Ankunft der Post immer noch Briefe erwarten. Zeitungen giebt's immer noch nicht wieder, nur englische, und von diesen auch nur die re gierungsfreundlichen oder neutral gehaltenen. Auch in diesem Puncte fragt man sich: wird's möglich sein, einmal wieder nach Herzenslust deutsche Zeitungen zu lesen? All diese kleinen Ent behrungen wirken zusammen zum Nachtheile der Eng- länder; an und für sich sind ja schon die Sympathien der Aus länder auf Seiten der Boeren; je mehr man entbehrt und der Druck der Regierung unangenehm gefühlt wird, müssen sich dies- Sympathien zu Gunsten der Boeren erhalten und steigern, zumal wenn man Vergleiche zieht zwischen den Zuständen, wie sie jetzt, in der zweiten Hälfte des Krieges, herrschen, und denen, in der ersten Hälfte, als die Boeren noch im Besitz des Landes waren. Sehr auffallend ist die große Zahl der Personen, welche jetzt noch immer das Land verlassen; in den letzten Tagen hat der Fortzug etwas nachgelassen, vor einigen Wochen ging etwa täg lich ein Dutzend fort, während nur etwa ebenso viel während einer ganzen Woche von Durban hierhin kommen durften. In manchen Fällen sind unter Denen, die jetzt weggehen, solche, die auf zweifelhafte Weise Geld verdient haben und denen jetzt der Boden unter den Füßen zu warm wird. An den gewöhnlich als deutsche Goldminen bezeichneten „van Ryn"-Minen haben die Boeren sehr erheblichen Schaden durch Abbrennen und Dynamit angerichtet, ebenso an dem deutschen Elektricitätswerk zu Brockpom: beide Ereignisse haben dazu ge führt, daß als ein besonderer Zweig der Civilfchutztruppe Rand- Rifles eine Rand-Risles-Minen-Division gebildet ist; außerdem noch die aus Flüchtlingen in Natal und der Capcolonie gebildete Mines-Guards (Minenschutztruppe), deren Mitglieder zumeist früher Angestellte und Arbeiter an den Minen waren. In den Natalzeitungen werden mit unverändertem Eifer durch große Annoncen Recruten für alle möglichen Regimenter gesucht, anscheinend mit nur sehr mäßigem Erfolg, hier in Johannesburg hat das Werben für Recruten be deutend nachgelassen. Neuesten Gerüchten nach soll der Verkauf von Lebensmitteln wieder Privaten überlassen werden, bisher ist noch nichts darüber bekannt. Deutsches Reich. Berlin, 12. April. (Die Reichstagsersatzwahl in Konstanz.) Wie verlautet, beabsichtigt der den Reichs tagswahlkreis Konstanz seit 1890 vertretende Centrums- abgcordnete Hug sein Mandat niederzulegen. Der Wahlkampf in diesem Kreise dürfte sich alsdann sehr interessant gestalten. Bis zum Jahre 1890 war Konstanz stets nationalliberal vertreten, von da ab aber gelangte der Kreis regelmäßig in die Hände des Ccntrums. Dieser Umschwung fällt zusammen mit der Coalition von Ccntrum, Demokratie und Socialdcmokratie gegen den Nationalliberalismus im Großherzogthume Baden. Erst seitdem das Centrum von den Demokraten und den Social demokraten in der Stichwahl Mann für Mann unterstützt wird, ist eS ihm geglückt, den Wahlkreis zn erwerben. Im ersten Wahlgange ist noch niemals der Centrumsmann gewählt worden, was um so merkwürdiger ist, als der Wahlkreis zu nicht weniger als 93 Proc. katholisch ist. Wenn irgendwo, so wird also hier die klerikale Behauptung, Katholicismus und Zu gehörigkeit zur Centrumspartei seien eins, Lügen gestraft. Auch bei der Ersatzwahl dürfte es voraussichtlich zur Stichwahl zwischen der Centrumspartei und den Nationalliberalen kommen. Ob auch diesmal wieder Demokratie und Socialismus ge schloffen für das Centrum eintreten werden, ist angesichts der Haltung des Centrum» zur Getreidezollfrage noch sehr fraglich. Verhalten sich die beiden Parteien neutral, so ist der Sieg eines nationalen Bewerbers wohl möglich, denn mit Ausnahme der Wahlen von 1893 und 1898 hat der nationale Candidat in der Hauptwahl stets mehr Stimmen erhalten als der Centrums mann. * Berlin, 12. April. Gegen gewisse äußerliche Veränderungen im deutschen Officiercorps erhebt ein „alter deutscher Ofsicier" in den „Neuen Militär- Blättern" seine warnende Stimme. Seine Mahnungen sind vielleicht zu allgemein, jedenfalls aber nicht unbegründet und verdienen, nicht überhört zu werden: „Früher war der deutsche Ofsicier die Zurückhaltung selber. Still und sich selber genug, that er seine Pflicht. Nur auf das Bewußtsein, sie erfüllt zu haben, und auf die Anerkennung feiner Vorgesetzten und seines Kriegsherrn ging sein Streben. Gegen nichts sträubte er sich so sehr, als gegen ein Heraus- treten in die Oeffentlichkeit. Wer sie aufsuchte, lief Ge- fahr, von Vorgesetzten wie Kameraden hierfür getadelt zu werden. Welchen! Ofsicier wird es dagegen heute verdacht, wenn er sein Conterfei einem beliebigen Photographen zur Verfügung stellt, damit dieser es in einem der jetzt wöchentlich erscheinenden großen Bilderbücher dem Publicum zusühre? Und wenn wirklich noch einige unverbesserliche Nörgler, die da meinen, daß Derartiges früher unmöglich gewesen wäre, böswillig wie sie sind, ihm bei diesem Au-stellen seines Bilde» die Absicht unterschieben sollten, ebenso leicht wie schnell dort bekannt zu werden, wo sich da- Schick sal der Officiere zu entscheiden pflegt wen würde die» noch anfechtcn? Heute trägt ein General kein Bedenken, sich von Zeitungsreportern in besonders hierzu gewährten Unterredungen auS« forschen und das Ergebniß des Zwiegesprächs in Tagesblättern ver öffentlichen zu lassen. Heute erfahren wir aus einer Broschüre, daß ein Ofsicier von nicht minder hohem Rang inmitten de» Preß getriebes stehen und vermittels dieses in Verfolgung bestimmter Ziele sehr erfolgreich für seinen Ruf als Militär und Politiker sorgen konnte. Und wer nimmt an dem Allen Anstoß? Ueber das, was dem Ofsicier geziemt, haben sich eben die Ansichten geändert, und die abscheulichen Nörgler werden das Rad der Welt nicht mehr rückwärts drehen können." Der Verfasser kommt dann auf eine peinliche Scene zurück, die sich gelegentlich der Hinrichtung des Taotai von Tientsin abspielte: „Tort, in Tientsin, sollte der Taotai in aller Oeffentlichkeit dem Schwerte des Nachrichters verfallen. Zur Richtstätte wurde ein kleiner Platz der Stadt gewählt. Zu den Ersten, die sich zu dem grauenvollen Acte einfanden, gehörte ein deutscher Leut nant, der sofort begann, aus einer Erhöhung einen gewaltigen photographischen Apparat aufzubauen. Biele officielle Persönlichkeiten der Verbündeten erschienen ebenfalls aus dem Richtplatze; unter ihnen auch verschiedene höhere deutsche Officiere. Keinen von diesen letzteren befremdete der photographische Apparat. Erst als mit dem Delinquenten, an der Spitze einer Compagnie, der mit der Leitung der Hinrichtung beauftragte englische Hauptmann anrückte, mußte auf dessen Geheiß der deutsche Leutnant seinen Apparat bei Seite schaffen. Eine äußerst peinliche Situation für die anwesenden deutschen Officiere, im Besonderen für den Leutnant. Um die Gefühle, mit denen er der Weisung des Eng länders nachkam, ist er wirklich nicht zu beneiden. Durchaus nichts Böses brauchte sich jener deutsche Leutnant zu denken, als er den photographischen Apparat ausbaute, um sich eine greifbare Erinnerung an eine „interessante Episode aus dem Chinafeldzuge" zu verschaffen, mit der er vielleicht in der Heimath Furore machen könne. Tie Schuld ist bei Denen zu suchen, die so bedenklich« Anschauungen über Schickliches und Unschickliches, wie sie sich in der Handlungs weise des jungen Officicrs offenbaren, in dem deutschen Officiercorps haben aufkommen lassen." DaS klingt hart, dürfte aber doch wohl im Sinne unserer großen Heere«-Reorganisatoren und Heerführer geschrieben fein, welche in der Vermeidung deS HinaustretenS an die Oeffentlichkeit einen Theil jener dem Officiercorps ein zuimpfenden militärischen DiSciplin erblickten, deren Erfüllung das Ansehen des deutschen Officiercorps in der Heimath wie im Ausland niemals in den Schalten gestellt oder eine ab fällige Kritik auf sich gezogen Hal. D Berlin, 12. April. (Telegramm.) Der Kaiser empfing gestern in Potsdam noch Deputationen der Familien von Maltzahn, von Zitzewitz und von Below, sowie eine Deputation der Stabt Potsdam; ferner den Bild hauer Professor Herter und ferner den Leutnant von Rauch, letzteren zur Rückgabe der Orden seines verstorbenen Vaters. Heute morgen unternahm der Kaiser einen längeren Spazierritt, besuchte das Atelier des Professors Lessing und nahm um 1 Uhr das Frühstück bei dem Cbef deS Civil- cabinctS vr. von LucanuS ein. — Die Kaiserin ertheilte gestern im Laufe des Nachmittags dem Fürsten zu Hohen lohe-Bartenstein die nachgesuchte Audienz und empfing zugleich dessen Gemahlin, die Erzherzogin Anna von Toskana. (7) Berlin, 12. April. (Telegramm.) Der „Reichs - anzeigcr" schreibt: Am 19. April werben wieder internationale Ballonfahrten zu wissenschaftlichen Zwecken veranstaltet, bei denen die Ballons unbesetzt find und nur sclbstregistrircnde Apparate tragen. ES ist zu wünschen, daß überall, wo die BaÜonS landen, verständige Leute sich finden möchten, die der hochwichtigen wissenschaftlichen Forschung dadurch zu dienen bereit sind, daß sie, ohne die Apparate zu öffnen oder auch nur mit den Fingern hineinzugreifen, die durch Placate vorIeschriebenen Mel dungen erstatten, wofür außer dem Ersatz der Kosten noch Belohnungen gewährt werden. v. Berlin, 12. April. (Privattelegramm.) Die vom Herzoge von A bercorn geführte außerordentliche »roft- britanntsche vtesaudtschaft Hat heute Mittag 1 Uhr 20 Min. Berlin wieder verlassen und ist vom Anhalter Bahnhof nach Dresden gefahren, um dort vom König Albert em pfangen zu werden. O. U. Berlin, 12. April. (Privattelegramm.) Gros von Hohcnthal, Leutnant im 12. Husaren-Regimente, ist zur Gesandtschaft im Haag commandirt. — An die Meldung der „Nordd. Allg. Ztg.", daß Minister v. Miquel zu einem vier- bi« fünfwöchigen Cur- gebrauch nach Wiesbaden gereist sei, sind verschiedentliche Mulbmaßungcu über feine Stellung zur Canalvorlage ge knüpft worden. DerHannoversche Courier" erfährt de«
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