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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.04.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010415017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901041501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901041501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-04
- Tag1901-04-15
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Ruthes und Rolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. ^-189. Montag den 15. April 1901. Anzeigen-Pret- die 6gespaltene Petitzeile 2d Reklamen unter dem RedacnonSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach» richten («gespalten) 50 L,. Tabellarischer und Ztffernsap entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteuannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgeu-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.-. Ännahmeschluß für Alyrizea: Abend-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei de« Filialen und Annahmestellen je ein halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Druck »sd Verlag von E. Polz tu Leipzig. 95. Jahrgang. Amtlicher Thetl. Vermiethungen. 1. Rufchurarkt Nr. 4 — alte Handclsbörse — der z. Zt. von der Firma Gebr. Kietzel benutzte Laden mit Niederlage zu 2600 jährlich zum 1. Oktober dieses IahreS. L. Lange Straffe Nr. S2d Ranstsche «affe Nr. 1 ». Laden mit Wurstküche, für ein Produkrengeschäft Paffend, zu 600 jährlich — sofort — d. 1 Wohnung im I. Obergeschosse zu 850 ./s jährlich zum 1. Oktober dieses Jahres. 3. Uferstraße Nr. 7 1 Wohnung im I. Obergeschosse mit Badeeinrichtung zu 900 jährlich zum 1. Oktober dieses Jahres. 4. Kleine Klcischergaffe Nr. IS I Wohnung im l. Obergeschoß zu 520 .al jährlich zum 1. Oktober dieses IahreS. 5. Aürstcnstratze Nr. IS 1 Wohnung im Erdgeschosse mit Badeeinrichtung, Nieder- lagen und Kellerei, für ein Flajchenbiergeschäst passend, zu 990 jährlich zum 1. Juli dieses Jahres zu vermiethen. Miethgesuche werden auf dem Rathhause II. Obergeschoß, Zimmer Nr. 20, entgegengenommen. Leipzig, den 3. April 1901. Der Rath der Stadt Leipzig. vr.Tr öndlin. Römer. Oeffentliche Zustellung. Der Schmied Friedrich Eduard Theil« in Leipzig-Schleußig, Könneritzstraße Nr. 104, II., klagt gegen den Maurer Walter Schopeck, früher in Leipzig-Schleußig, Könneritzstraße 104, HI., jetzt unbekannten Aufenthalts, auS Mietvertrag mit dem Anträge auf vorläufig vollstreckbare Verurtheilung des Beklagten zur Zahlung von 25 Der Kläger ladet den Beklagten zur mündlichen Ver handlung de» Rechtsstreits vor das Königliche Amtsgericht zu Leipzig, Zimmer 103 auf de» 31. Mat 1SS1, vormittags S Uhr. Leipzig, am 11. April 1901. Der GerichtSschreibcr des Königlichen Amtsgerichts. Das alte Herzogthum Sachsen. Bis zum Jahre 1423 kannte man die Bezeichnung unseres Landes als Sachsen nicht. Die Herrschaft der Wettiner breitete sich über Meißen und Thüringen aus und erst die Er werbung des Herzogtums Sachsen und damit der Kurwürde durch Friedrich den Streitbaren gab unserem Lande seinen jetzigen Namen. Zur Zeit Karl's des Großen traten die alten Sachsen, die an den Ufern der Nieder-Elbe und vom Meere bis zur Weser wohnten, und die von den Briten einst zu Hilfe gegen die Scotcn gerufen wurden, in der Geschichte mehr hervor. Einer ihrer Herzöge war Wittekind, und von diesem Wittekind wird die Herkunft eines fränkischen Miffus Namens Ludolf abgeleitet, der, mit der Aufsicht der Grafen an der unteren Elbe betraut, eine größere Gewalt als diese besaß. Die vem Ludolf zuge hörigen Landschaften mögen den Namen eines Herzogtums Sachsen geführt haben'. König Heinrich I. war ein Nachkomme dieses Ludolf. Feste Gestalt nimmt das Herzogthum Sächs elst unter Hermann Billung an, dessen letzter männlicher Sproß, Magnus, 1106 starb. Kaiser Heinrich V. verlieh darauf das Herzogthum Sachsen dem Grafen Lothar von Supplinburg, welcher dadurch, sowie durch seine Erbgüter und die Besitzungen, die ihm seine Gemahlin Richenz-a zugebracht, einer der mächtigsten Fürsten Norddeutschlands wurde. Bei Vieser Verleihung hatte man das Welfengeschlecht übergangen, dessen Sprössling Heinrich der Schwarze mit der ältesten Tochter des letzten Äillungers, Magnus, Wulsilve, vermählt war uno durch diese Heirat wenigstens die Hälfte der billungischen Erbgüter erworben hatte. Als aber Herzog Lothar zur deutschen Königswürde gelangte, gab er, vielleicht bald nach der Zeit, als er Konrad von Wettin in dem erblichen Besitze der Martgrafschaft Meissen bestätigte, das Herzogthum Sachsen seinem -Schwiegersöhne Heinrich dem Stolzen von Bayern, dem Sohne des Schwarzen, so daß nun dieser Welfe einer Macht sich rühmen konnte, die sich von einem Meere bis zum andern erstreckte. In der Furcht vor ihr erstarb manche Abneigung gegen das Hohenstaufengeschlccht, und in Folge der mehrmals erwähnten Kämpfe dieses Kaiserhauses mit den Welfen geschah es, dass nur zwei Fürsten des letzteren Geschlechtes das Herzogthum Sachsen besaßen; denn schon im Jahre 1180 verlor Herzog Heinrich der Löwe durch Friedrich's I. Achts erklärung mit Bayern auch Sachsen und behielt nur seine braun schweigischen Allodialbesitzungen. Eine Schwester der Wulfilde war Eilicke. Diese letztere heirathete Otto aus dem Stamme der Askanier, deren Besitzungen in Schwaben, Nordthüringen und der Ostmark lagen und von deren hauptsächlichen nördlichen Burgen hier Anhalt, Vallenstevt, Aschersleben, Bernburg genannt seien. Eilicke hatte Otto die Hälfte der Billung'schen Erbgüter mit in die Ehe gebracht, und Otto unterliess nicht, seine Ansprüche auf das Herzogthum Sachsen geltend zu machen. Otto hatte mit Elicken einen Sohn, Albrecht der Bär, auch der Schöne genannt. Dieser Askanier vorzüglich war es, der die Besitzungen seines Hauses auf die mannigfachste Weile vergrößerte und sicherte. Eine kurze Zeit hatte er auch das Herzogthum Sacbsen, das ihm der Kaiser ver liehen hatte, inne, doch behauptete sich Heinrich der Löwe in seinem Besitze. In den von ihm erworbenen Ländern hatte Albrecht oer Bär genug zu thun, um die slawischen Stämme, vornehmlich die an der Elbe und Havel wohnenden, zu besiegen, welche hier länger als in Meißen nach Heinrich's I. Unter nehmungen ihre Unabhängigkeit behauptet zu haben scheinen, obgleich verschiedene ihrer Sudpanien den Sprengeln der Bis- thümcr Meißen und Brandenburg zugetheilt waren oder als Zu behör deutscher Grafschaften angesehen wurden. Wahrscheinlich erhielten diese Gegenden wie anderwärts eine auf deutschen Fuß gegründete Organisation, und darum wurden auch hier, viel leicht schon zu Albrecht's Zeiten, zu ihrer Sicherung Burgwarten angelegt, unter denen, freilich erst nach dem im Jahre 1170 er folgten Tode des Fürsten, Wittenberg (Weiße Burg), Dobin, Wiesenburg, Zahne, Elstermünde u. m. a. genannt werden. Aus ihnen gingen später ansehnliche Städte und Dörfer hervor. Da indeß der Kampf gegen die Slawen hier und da die Gestalt eines Vertisgungskriegcs angenommen hatte, so führte Albrecht in die menschenleeren Gegenden flandrische und rheinische Colo nisten ein, die, durch Ueberschwemmungen aus ihrem Vaterlande vertrieben, nicht nur die schon vorhandenen slawischen Orte be setzten, sondern auch neue Ortschaften anlegten, welche noch heute ihren Ursprung durch ihre Namen, wie z. B. Kemberg (6unao- raouw), Brück (Brügge), Niemegk (Xsomaxum) u. s. w. ver- rathen. Auch hier erhielt von ihnen ein bedeutender District des nachherigen Kurkrcises -die Benennung „Fläming". Die diesen Colonisten gestatteten Freiheiten scheinen vorzüglich die Ursache geworden zu sein, daß hier die Leibeigenschaft nicht zu einem so hohen Grade der Härte stieg, wie anderwärts. Im Jahre 1170 segnet« Albrecht der Bär das Zeitliche. Auf seinen ältesten Sohn Otto ging die Mark zu Branoenburg (mit der Nord- und Altmark) über. Getrennt von dieser blieb das frühere Besitzthum des Hauses; doch wurde 'der fürstliche Stand der übrigen Nachkommen Albrecht's, auf welche jenes überging, nicht angetastet. Einer derselben, Albrecht, wurde der Schwiegervater des Meißner Landgrafen Otto des Reichen, dem er seine Tochter Hedwig vermählte. Des Bären zweiter Sohn aber, Bernhard von Anhalt, erhielt insbesondere das von seinem Vater den Slawen abgenommene Land an der Elbe, und als er die herzoglich sächsische Gewalt erworben hatte, wurde später vornehmlich dieser Landstrich unter dem Namen des Herzogtums Sachsen begriffen. Diese Erwerbung erfolgte nach dem Sturze Heinrich's des Löwen (1180), und Bernhard mochte sich nicht allein durch seine Verwandtschaft mit den Billungern, die schon seinem Vater auf kurze Zeit die Belehnung mit dem Herzogthum Sachsen verschafft hatte, sondern auch durch seine geringere Macht, welche kein Uebergewicht des neuen Herzogs befürchten ließ, dem Kaiser Friedrich I. empfehlen. Auch erhielt er bei Weitem nicht dasjenige, was die Bestandtheile des ehemaligen billungi schen Herzogtums ausgemacht hatte, und wenn gleich darauf hingedeutet wird, daß Bernhard durch eigene Zögerung die meiste Schuld in dieser Hinsicht getragen habe, so mochten doch die politischen Zwecke der Hohenstaufen und anderer geistlicher und weltlicher Großen das Meiste zur Zersplitterung des früher so mächtigen Herzogthums beitragen. So wurde nun der Theil Westfalens und Engerns, der sich in das Kölnische und Pader- bornische Bisthum (wohl mit Ausnahme der Stiftslande) er streckte, an des Löwen erbitterten Feind, den Kölner Erzbischof Philipp, verliehen, währenv die übrigen Bischöfe Sachsens wacker zugriffen. Die Rechte des Herzogthums, welches nicht so eng wie die Grafschaft mit gewissen Gütern in Verbindung stand unö daher leichter ein Amt blieb, welches jedoch hinsichtlich der kleineren Herren und Dynasten die Gestalt der Lehnsherrlichkeit annahm, wurden dem Askanier Bernhard hauptsächlich im Lauenburgischen, Holsteinischen und in einigen Grafschaften Uber der Elbe zu Theil. So konnte er insbesondere die Grafen von Ratzeburg, Danneberg, Lüchow und Holstein auffordern, wegen der zu empfangenden Lehen vor ihm zu erscheinen; und wenn gleich der Letztere damals nicht erschien, so beweisen doch spätere Lehnsbriefe hinlänglich, daß auch er die Lehnsherrlichkeit der neuen Herzöge von Sachsen anerkannt habe. Auch suchten mehrere dieser Grossen bei Veräußerungen um die lehnsherrliche Einwilligung nach und folgten dem Aufgebote des Herzogs, welcher bald nach der Erlangung seiner Würde Beden erhob und wahrscheinlich auch die Vogtei über die Stifter behauptete, wenn es ihm gleich nicht gelang, dieselben in die Kategorie der Vasallen zu bringen. Auch die höchste Gerichtsbarkeit übte der Herzog von Sachsen aus, was sich schon aus der Gewalt, die der Kölner Erzbischof in dem von dem früheren Herzogthume ab getrennten Theile.erhielt, schließen läßt und später auch durch ausdrückliche Zeugnisse, z. B. im Jahre 1334 durch ein Schreiben der Grafen von Holstein an den Papst, anerkannt wurde. Bedeutender als diese Rechte erscheinen freilich die per sönlichen Vorzüge, welche Bernhard mit der sächsischen Herzogs würde erwarb. Dahin gehörte vor Allen das Erzmarschallamt des Reiches, welches schon aus den Zeiten der fränkischen Mon archie stammte und ursprünglich die Aufsicht über die königlichen Pferde und die Anführung der Reiterei umfasste. Wahrscheinlich war es schon in früheren Zeiten, obgleich sich wenig Spuren da von vorfinden, mit dem sächsischen Herzogthum« verbunden und wurde nun auch von Bernhard selbst bei der 'Krönung Philipp's von Schwaben (1198) feierlich ausgeübt. Das von dem Erz marschallamt abhängige Reichserbmarschallaml ist damit nicht zu verwechseln, welches letztere der Familie von Pappenheim oder einem angeblichen Zweige derselben, den Herren von Kaladin, zuständig war, wiewohl es für jetzt dieser Famile, die erst in späterer Zeit deutlicher hervortritt, nicht mit Bestimmtheit zu geschrieben werden kann. Ein anderes mit dem sächsischen Her- zogth'ume verknüpftes Vorrecht war der Antheil, welchen der Her zog an der Wahl des deutschen Oberhauptes hatte, sowie sich auch muthmaßen läßt, daß das Reichsoikariat in den Ländern des sächsischen Rechtes (im nördlichen Deutschland) schon jetzt mit dieser Würde verbunden war, während es später durch die gül dene Bulle mit der sächsischen Kur gesetzlich vereinigt ward. So bildete sich ein neues Herzogthum Sachsen; aber alle die genannten äußeren Vorzüge, welche den Inhaber desselben aus zeichneten, vermochten doch nicht, ihn zu einem mächtigen Fürsten zu machen, da ihm oer Besitz bedeutender Güter abging. So ward zwar Herzog Bernhard durch seine Reichswürd« einer der ersten Fürsten Deutschlands; allein an wirklicher Macht stand er weit unter seinem Nachbar, dem Meißner Markgrafen. Auch zeigte sich die geringe Kraft des neuen Sachsenherzogs bald nach Bernhard's Regierungsantritt. Denn als Heinrich der Löwe, aus England zurückkehrend, von Neuem losbrach und das von seinen Erbgütern Getrennte durch Waffengewalt (1189) wieder zu erobern suchte, vermochte Bernhard nicht, das Land des ab wesenden Grafen von Holstein, sowie insbesondere die Stadt Bardewick gegen den Welfen zu schützen, ja er verlor selbst die Lauenbürg, welche er im Lande der Polaben (daher Polaben- burg) zur Sicherung desselben erbaut hatte. Der Mangel an finanziellen Kräften verhinderte auch den Herzog, vou dem An träge einiger deutscher Fürsten Gebrauch zu machen, welche ihn nach dem Tode Kaiser Heinrich's VI., dessen herrschsüchtigen, gegen die deutsche Wahlfreiheit gerichteten Plänen sich auch Bern hard widersetzt hatte, zum deutschen König wählen wollten. Dann erschien er in den Kämpfen Philipp's von Schwaben gegen Otto von Braunschweig auf ver Seite des Ersteren und erkannte Otto, der nachher großes Vertrauen in ihn setzte, erst nach Philipp's Tode (1208) als rechtmäßigen König an. Um das Jahr 1211 starb Bernhard. Die sächsische Herzogswürde war nicht auf das ursprüngliche anhaltische Stammland, sondern auf das durch Albrecht den Bären den Slawen an der Elbe abgenommene Land, folglich auf ein Gebiet übergetragen worden, welches so klein und so wenig bevölkert war, daß es auf keine Weise zum Unterhalte eines Her zogs hinzureichen schien. Dies mochte auch der Grund sein, daß Heinrich, der ältere John Bernhard's, die einträglicheren anhaltischen Stammlande erhielt, die ja auch als ein Fürsten- thum und selbst dann noch als ein solches galten, als die Graf- Warum wurde Tolstoi ercommunicirt? Bon Richard Degen. Nachdruck «ertöten. Was ist, und was bedeutet Tolstoi? — Diese Frage hat schon lange die Gebildeten der ganzen Welt beschäftigt, ehe der Name des eigenartigen Mannes durch ocn Bannstrahl des heiligen Synods in Aller Munde kam. Gewaltiges Aufsehen hat dieser Schritt des allmächtigen Pobjedonoszew, weit über die Lande des weisen Zaren hinaus, erregt. Denn seitdem Pius IX. das savoyische Königsgeschlecht von den Segnungen der Kirche aus schloß— derselbe unfehlbare Papst, der einen Pedro Arbues heilig sprach, nachdem ihn Alexander VII., zweihundertundfünf Jahre zuvor, selig gesprochen hatte —, hat kein Bannstrahl mehr solches Aufsehen erregt, wie der gegen den Grafen Leo Tolstoi. Mannig facher Art waren die Vermuthungen über den Grund dieser Maß regel, und ein Berliner Blatt behauptet soeben auf das Be stimmteste, daß die Excommunication Tolstoi's auf die beiden letzten Werke des Dichter-Philosophen zurückzuführen sei. Diese Werke seien zwar noch nicht gedruckt gewesen, ihr Inhalt sei jedoch in russischen Blättern mitgethe-ilt worden, und das habe dem Synod genügt, um die-Excommunication auszusprechen. Es sei ein Roman „Pater Sergius" und das Drama „Der Leich nam". In dem Roman „Pater Sergius" handele es sich um die traurige Geschichte eines Lebemannes, der sich in die Stille des Klosters flüchtete, im Klosterleben aber keinen Halt und in der Religon keinen Trost findet, so daß er auch in der kirchlichen Ab geschlossenheit seine Leidenschaften nicht «rtödten kann und an den Folgen der inneren Kämpfe zu Grunde geht. In diesem Romane ziehe Tolstoi die Schlußfolgerung, daß die orthodoxe russische Kirch« mit ihrem äußeren Glanze nicht im Stande sei, die inneren Bedürfnisse einer gläubigen Seele zu befriedigen. Ebenso scharf urtheile der Dichter über die orthodoxe russische Kirche in seinem Drama „Der Leichnam". Hier wende er^q gegen die 'Ehesatzungen der Kirche, diHasWeib zur Sklavin des Mannes machen und Minzen, an der Seite des verkommensten Mannes ein qualvolles Dasein z^l führen. Sei dem wie ihm wolle, nicht richtig ist jedenfalls, daß diese beiden Werke der Grund der Excommuni cation sind. Denn jeder Kenner der russischen Verhältnisse mußt« einen solchen Schritt bei Synods mit sicherer Bestimmt heit schon längst voraussehen. Solche Entschlüsse pflegen auch nicht kurzer Hand gefaßt zu werden — sic reifen allmählich heran, im -Laufe der Jahre, im Wechsel der Jahrzehnte. Die Saat, deren Frucht der dreiundfiebzigjährige Greis heute erntet, hat schon der vierundzwanzigjährigc Artilleriefähnrich ausgestreut, als er im kaukasischen Kosakendorf Starogladow „Die Kindheit", „Der Morgen des Gutsherrn", „Der Ueberfall", „Das Knabenalter" schrieb, ReminiScensen an ähnliche Phasen feines eigenen Lebens, da er -mit zwanzig Jahren, übersatt der weltlichen Vergnügungen Genüsse, und verschuldet. Moskau den Rücken gelehrt hatte, um zu Pyatigorsk im Kaukasus durch strenge Sparsamkeit seine Spielschulden zu tilgen. In einer einfachen Bauernstube hatte er da gewohnt und war der Schwärmerei eines einfachen Natur lebens im Kreise einfacher Naturmenschen nachgcgaugen. Tolstoi's Leben hat viele Ähnlichkeit mit dem des Augustinus. Auch er ist erst nach langen inneren Seelenkämpfen zu dem inneren Frieden gelangt und hat ein sittenstrenges Leben geführt nach einer Jugend voll Ausschweifungen und Zweifelns. In allen Zeiten und bei allen Völkern kommen ähnliche Gedanken zum Durchbruch und tauchen gewaltige Geister auf, die verwandte Züge zeigen. Aber die Erfolge sind verschieden, wie Zeit und Oertlichkeit im Gegensatz zu einander stehen. Gerade ein Ver gleich Tolstoi's mit Augustin zeigt, wie nicht religiöse Momente es in erster Reihe gewesen sind, die dem Grafen die Thüren seiner Kirche schließen, wie vielmehr in den innerpolitischen socialen und moralischen Verhältnissen der tiefste Urgrund liegt für den Ent schluß des heiligen Synods. Es würde hier zu weit führen, wollte ich diese Parallele bis ins Einzelne verfolgen. Es möge ge nügen, sie angedeutet zu haben. Denn wenn'Tolstoi sagt: „Gott ist für mich Dasjenige, wonach ich mich sehne, wonach ich strebe, derart, daß in diesem Streben mein ganzes Leben besteht, und daher «xistirt er für mich, er ist, aber er ist durchaus ein solcher, daß ich ihn weder begreifen noch nennen kann; wenn ich ihn begreifen, wenn ich ihn erreichen würde, so hätte ja das Streben keinen Zweck und ich wurde nicht leben *) Ich hege das Bewußtsein, meines Lebens, das Bewußtsein der Frei heit -ist Gott.**) wenn Gott nicht gut ist, -dann ist er überhaupt nicht"***), so giebt er sich hier allerdings Gedanken hin, -die seiner Kirche ketzerisch erscheinen müssen, weil diese Kirch eben keine Gemeinschaft denkender, nach Wahrheit ringender Geister, sondern eine verknöcherte, in Formelkram erstarrte Hierarchie oarstellt. Aber das Aussprechen dieser Gedanken allein schon ist nie ein Grund für den heiligen -Synckd, deren Träger aus der Gemeinschaft seiner Gläubigen ausziestoßen. Erst die Fol gen dieser Ideen und der innige Zusammenhang zwischen Staat und Kirche, wie er im heiligen Rußland herrscht, machen Tolstoi in den Augen des Synods zum Ketzer und seine Schriften zu Irrlehren. Als Aurelius Augustinus seine Schriften schrieb, hat er nicht wenig Gegner und Feinde gefunden. Aber man hat ihn nie aus der Gemeinschaft 'der Kirche ausgeschlossen, weil die gesammte Christen heit damals noch selbst im Ringen nach einer Einheit sich befand und weil, obgleich das Christenthum Staatsreligion war, doch noch kein einheitliches Dogma bestand, das, von der Kirche festgesetzt, als^ Norm zu gelten gehabt hätte für den getreuen Bürger des Staates. Will man Tolstoi und seine Gefährlichkeit für die russische Hierarchie richtig verstehen, so muß man, wie ich schon oben sagte, vor Allem die innerpolitischen kulturellen Zustände des Riesen- *) Vgl. Graf Leo Tolstoi, Aufruf an die Menschheit: Ge danken über Gott. Leipzig, Eugen Diederichs. 1901. S. 70. **) Ebda. S. 76. »**) Ebda, S, 7S.. reiches ins Auge fassen. Die zersetzenden Elemente, die an dem uralten Riesenbau diesen heiligen Rußlands zehren und dasselbe dahinschwinden machen eben in den Volksmassen, sind vornehm lich die Sectirer. Während die Aufklärung sammt den mit ihr verknüpften liberalen Ideen bisher nur zersetzende Wir kung gezeigt hat, repräsentiren die fortschrittlichen edleren Fractionen Vieser Sectirer positive, das heißt religiös fundirte Anfänge dieser Zukunft. Es ist, paradox genug, eben die kul turelle Zurückgebliebenheit, die primitive Stufe des Volkslebens in Rußland, welche den Uebergang zu neuen, höheren Formen des Bewußtseins und der Cultur gerade in den einfachen Volkskreisen in hohem Maße erleichtert. Man beginnt hier das Wort des Evangeliums zu verstehen: „Selig sind die Einfältigen, die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich." (Eugen Heinrich Schmitt: Leo Tolstoi und sein« Bedeutung für unsere Cultur. Leipzig, Eugen Diederichs. 1901. S. 94.) Die augen blicklichen Zustände in Rußland haben eine auffallende Aehn- lichkeit mit den Verhältnissen in Deutschland im ersten bis dritten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts. Dort der Kampf um Besthaupt und Zehnten, hier der drückende Zwang halb oder ganz leibeigener Dienstbarkeit. Dort die Lehren der Reformation und ihrer Vor läufer, hier das Eindringen abendländischer verfeinerter Cultur und der Ansturm reiner christlicher Gotteserkenntniß gegen den verknöcherten Formelkram slawisch orthodoxer Hierarchie. Was aber der russischen Bewegung eine höhere internationale Bedeutung verleiht, ist der Umstand, daß es sich im Gegensatz zur deutschen Bewegung, die die Errichtung einer nationalen deutschen Kirche, gegründet -auf ein reines Christenthum ohne Kirchenväter und Tradition, erstrebte, vielmehr um die Verwirk lichung eines angeblich christlichen Gottesreiches handelt, das keine nationale Schranken kennt. Denn die Endconsequenz der Lehre Tolstoi's gipfelt darin, daß dieser der „in kulturelles Flittevwerk gehüllten, schlecht übertünchten Barbarei, die sich europäisch« Cultur nennt, nachweist, wo die Wurzel ihres Nebels liegt indem «r d«r „durch solche fundamentalen Lügen faulen öffentlichen Cultur die Forderung einer Cultur entgegenstellt, deren 'Lebensideale in Harmonie sind mit den im öffentlichen Leben geltenden und hier geheiligten Lebensgrund sätzen. Er fordert eine Cultur ves guten Gewissens an der Stelle der europäischen Cultur. Seinen Gegnern sei daher vor Allem der wichtige Satz festgestellt, daß die Lehre Leo Tolstoi's den herrschenden Lebensnormen dieser westlichen Cultur sittlich weit überlegen ist: daß sie vor Allem innerlich wahrhaft ist, während jene an der ungeheuersten inneren Lüge krankt." (Schmitt: Leo Tolstoi, S. 138, 133/40.) ES liegt nah«, die Excommunication Tolstoi's mit ver Bannung Luther's zu vergleichen. Uns gerade bei Viesern Vergleiche werden wir am lüsten erkennen können, welche Stellung Tolstoi ein nimmt uns warum seine Bannung erfolgen mußte. Denn in der Thal haben beide einen großen gemeinsamen Zug. Beide wuchsen aus politischen Gründen. Lange vor Lur'her hat es genug Männer gegeben, w«lche wie er die Lehren der Kirche be zweifelten, di« wie er ihre Stimme erhob«» wider den Papst. Aber alle diese Streitfragen tonnten von dem heiligen Vater als interne Angelegenheiten der Kirche angesehen werden, da es sich eben um Dogmenstreitigkeiten handelte. Bei Luther war es etwas Anderes. Was Luther die gewaltige Bedeutung verlieh, war sein Deutschthum. Er war ein gehorsamer Sohn seiner Kirche und wollte es bleiben sein Lebtag, aber er wollte als ein freier deutscher Mann nicht unterthan sein dem römischen Papst, der sich der Stellvertreter Christi auf Erden nannte, wo er doch «in sündiger Mensch war, mit Schwächen und Fehlern, wie jedwedes Menschenkind. Hierin lag die Gefahr für das Papst- thum, für die römische Kirche. Der Papst erkannt« und fühlte instinctio, daß der Sieg des Wittenberger Augustinermönchs ein Losreißen der deutsch?» Nation von Rom bedeutete. Und war der Anfang mit den Deutschen gemacht, so konnten Slawen und Romanen leicht nachfolgen. Und was der Papst vor bald 400 Jahren erkannte, das trieb auch den heiligen Synod in unserer Zeit. Siegt Tolstoi, so sinkt die russische Orthodoxie und mit ihr die Macht des Slawenthums. Denn nur durch das straffe Zu sammenwirken zwischen Staat und Kirche kann das Ricsenreich bestehen. Tolstoi bedeutet aber für Rußland seine Existenz. Warum hat denn der Papst einen Hubmaier und Hofmeister in Säckingen und Waldshut nicht gebannt, als sie am Anfang des zweiten Jahrzehnts des sechzehnten Jahrhunderts ihre Kirche gründeten- Weil sie eben das Christenthum vom rennen Stand punkt der christlichen Nächstenliebe, der allgemeinen Menschen liebe aufsaßten und, wenn sie auch zahlreich«) Anhänger fanden, doch der Kirche nie gefährlich werden konnten; weil es ihnen nie einfiel, Deutsche sein zu wollen. Daß sie untcrgingen, lag in den Zeitverhältnissen und ihre Vernichtung wurde nicht herbcigeführt wegen ihrer religiösen Ideen, sondern weil ihr« Städte politisch im Bündniß standen mit den Bauern gegen die Annexionsgelüste des Erzhauses Oesterreich. Luther's Auftreten war eine nationale That im eminen testen Sinne des Wortes. Für ihn galt es nicht nur in dogma tischer Hinsicht als Theologe, ein reineres Christenthum zu bringen, Luther wollte sein deutsches Volk frei machen von dem unlauteren Wesen des römischen Jesuitismus. Er hatte einen starken und festen Halt an einem großen, lebensfähigen, gesunden Volke. Anders Tolstoi. Die russische Intelligenz ist religiös gleichgiltig, moralisch verkommen. An ihr hat «r keinen Rück halt, er muß daher »othgedrungen die nationalen Schranken fallen lassen und kann eine Besserung der traurigen wirthschaft lichen Verhältnisse, der verwahrlosten inneren Geistesbildung nur erhoffen von einer alle Menschen gleichwerthig umfassenden Re ligion ver christlichen Liebe. Darum ist Tolstoi's Auftreten ein Zeichen vom Verfall des russischen Reiches. Seine Excommuni cation war ein vom Selbsterhaltungstrieb eingrgebener Act der Nothwehr seitens des heiligen Synods, d. h. der russischen Re gierung; denn der weise Zar ist auch der erste Priester seines Landes, und wird der Glaube an die alleinige Wahrheit der heiligen orthodoxen Kirche erschüttert, dann wanit auch das ganze Staatswesen. Die Unterdrückung Tolstoi's ist darum «ine Lebensbedingung der in der Person des Zaren verkörperten slawisch-orthodoxen Welt.
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