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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.04.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010418027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901041802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901041802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-04
- Tag1901-04-18
- Monat1901-04
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Donnerstag den 18. April 1901. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redactionsftrich (4 gespalten) 75 H, vor deu Familiennach- richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsap entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto. Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung .4k «0-, mit Postbeförderung ^ll 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen. Abend-Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei deu Filialen und Anuahmrstelle» je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen find stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr Druck uud Verlag von E. Polg in Leipziz. 95. Jahrgang. Die Wirren in China. Eine neue Hiobspost kommt aus Peking und sie trifft wiederum Deutschland. Schon durch Extrablatt machten wir die folgende Meldung bekannt, die nicht verseblen wird, einmal auf-ichtige- Be dauern mit dem tragischen Schicksal deS Koben deutschen OfsicierS :u erwecken, der sein Leden lasten mußte, dann aber auch den schweren Ernst der Lage auch Denen wieder erkenn bar zu machen, die meinen, die Hauptsache sei in Cbina gethan und es sei Zeil, die Zügel weniger straff zu halten oder gar daS Steuer heimwärts zu richten. Die Nachricht besagt: * Berlin, 18. Avril. (Telegramm.) „WolssS Telcgr. Bureau" berichtet aus Peking: Ter vom Feldmarschall Graf Waldersee bewohnte Theil des kaiserlichen Palastes ist eiuschlicstlich des Asbcsthanses völlig abgebrannt. Graf Eüalderfee hat sich mit knapper Roth durch ein Fenster »es Asbest Hanfes gerettet. General v. Lchwarzhoff wird vermisst; er ist anscheinend Krim Wicocrbrnetcu Ser Brandstätte nmgckominen, nachdem er bereits ins Freie entkomme» war. Sonstige UnatücksiäUe sind bisher unbekannt. Tao Fener soll ,n der Wohnung des at>- wcsendcn Majors v. Lauenstcin berausgekommc» sein. Es wird Brandstiftung vcrmutkct. Die Meldung ist so gut wie amtlich, es ist also nicht an der betrübenden Tbatsacke zu zweifeln. Weitere Einzelheiten lagen bis in die Mittagsstunden nicht vor. Erst vor wenigen Tagen wurde der deutsche Hauptmann Bartsch von einem Cbmesen erschossen. Wenn sich jetzt — die Richtigkeit der Bermuthung auf Brandstiftung voraus gesetzt — der Fanatismus und die Rachsucht chine sischer „Patrioten" abermals gegen Deutsche und noch dazu gegen Len Mann lickten, der gegenwärtig als Höchstconimandirender der internationalen Streitkräfte, die deutsche Wehrmacht in hervorragendster Weise repräsentirt, so kann man daraus ersehen, daß Deutschland in noch höherem Grade als bisher die bestgehaßte Macht in Cbina ist. Ob dies allein darauf zurückzufükrcn ist. daß Deutschland den obersten Lener der kriegerischen Action gegen das ver rottete Cbinescnthuin gestellt bat, oder ob die unverantwort lichen Hetzereien der cnglichen Presse gegen daS „barbarische" Verhallen der Deutschen in Cbina daö Ihrige mit dazu bei getragen haben, mag vorerst dahingestellt bleiben. Auf alle Fälle zeigt das neue Vorkommniß, daß an ein Zurückgehen der internationalen Truppen im gegenwärtigen Moment nicht zu denken ist, zumal die Wiederaufnahme der Feiudseligkeiten Lurch die Chinesen, Boxer sowohl wie reguläre kaiserliche Truppen, von allen Seiten gemeldet wird. So trifft unS beute die folgende Meldung: * London, 18. April. (Telegramm.) Dem '„Standard" wird aus Tientsin unter dem 17. April berichtet: Es bestätigt sich, daß di« Chinesen einen Theil der Eisenbahn jenseits Paotingfus zerstört haben. Dem Vernehmen nach fand ein leichtes Gefecht statt. Von Tientsin sind Verstärkungen ent sandt worden. — Nach Nachrichten auS vertrauenswürdiger chinesischer Quelle hat sich General Ma entschlossen, die Feind seligkeiten wieder zu beginnen. Hält man das neue kriegerische Aufbegehren deS bewaff neten China mit der Hinterhältigkeit seiner Diplomaten zu sammen, die di« jetzt thatsäcklich nur ein paar Mandarinen köpfe geopfert hat und gar nicht daran zu denken scheint, auch die übrigen Vertrag-Verpflichtungen zu erfüllen, so muß man leider mit der Möglichkeit rechnen, daß jetzt erst die zweite Etappe in der Pacisicirung Chinas beginnt. Der Krieg in Südafrika. Der Urlaub Milner S, des „General-Gouverneurs" der beiden „unterworfenen und annectirten" Republiken, wird Anlaß zu einer Fluth von Comnientaren geben. An zweierlei wird man dabei denken müssen. Milner ist zunächst diejenige Persönlichkeit, an der die Beeren den schwersten Anstoß nehmen, wenn eS sich um den Frieden und die zukünftige Gestaltung der Verhältnisse in Südafrika bandelt. DaS einzige Wesentliche, waö Chamberlain dem englischen Unterbause von der sachlichen Stellungnahme Botba'S bei der Verhandlung mit Kilckener mittbeilen konnte, war daS Geständniß, daß der Boerensührer scharfe Einwen dungen gegen Milner gemacht habe. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß eine baldige Verständigung zwischen den kriegführenden Parteien in ganz erheb lichem Maße erleichtert würde, wenn dieser persönliche Stein deS Anstoßes verschwände. Es ist ruckt unmöglich, daß England endlich der Sprache der täglichen Verlustlisten und der enormen Budgelsorderungen ein willigeres Gehör schenkt als bisher und die Person Milner'S, natürlich in verschleierter Form, zum Opfer bringt. Andererseits ist Milner aber, wie der „B. L. A." hervorhebl, auch derjenige, der zum Tbeil im Verein mit Kilckener den Boercn FriedenSbedingungcn zubilligen wollte, die weil milder waren, als sie Cbamberlain annehmen mochte. Vielleicht geht er jetzt nach England, um seine und Lord Kitckener'S Auffassung jenem schlimmsten Scharfmacher in der südafrikanischen An gelegenheit gegenüber zu vertreten. Welche von beiten Er klärungen der Urlaubsreife Milner'S die richtige ist, wird nun die Zeit lehren. Englisches Blaubuch. Gestern ffl in London ein Blaubuch über die Angelegen heiten iuSüdafr i ka veröffentlicht worden. ES enthält Depeschen, die die nied erlän dische R eg ierung vor dem Kriege an den Präsidenten Krüger gesandt hat, um in ibn zu dringen, die englischen Vorschläge nicht abzulebnen. Zn den Depeschen beißt eS, die deut s che Regierung ebenso wie die bolländische seien überzeugt, daß jede Aunäberung deS Präsidenten Krüger an eine der Großmächte in diesem sehr kritischen Zeitpuncte ohne jedes Ergebniß und sehr gefährlich für die Republiken sein würde. DaS Blau buck enthält ferner eine Depesche Milner'S vom 6. März, in der dieser einen Ueberblick über die der zeitige Lage in Südafrika giebt und sagt: „Es ist nutzlos, u leugnen, daß das letzte halbe Jahr eine Zeit deS Rück- chrittS war, sowohl in materieller, wie in moralischer Hinsicht. DaS Land ist glücklicher Weise in der Lage, ich bald zu erholen, und wird nicht viele Jahre brauchen, um die ungeheueren Verwüstungen deS Kriegs wieder gut zumacken. Die Loyalen sind aufs Aeußerste eines Krieges müde, durch den viele von ibnen ruinirt sind, aber sie sind bereit, so lange zu kämpfen, bis Südafrika unbestreitbar für immer ein Land unrer britischer Flagge ist. Wenn dies erreicht sein wird, sind sie bereit, allen Raffenhaß zu begraben und dem Feind alles Entgegenkommen zu beweisen, damit er sich unter den ihm bereits ariHebotenen Bedingungen ergiebt." Zn Er widerung auf e,n Gesuch Milner'S bewilligt Chamberlain diesem, bevor er seine Berwaltungsarbeit beginnt, einen die Frist von drei Monaten nicht überschreitenden Urlaub. * Pretoria, 17. April. (Reuters Bureau.) Nach sorgfältig ausgestellter Schätzung betrugen die Verluste der Boeren tm Monat Mürz LOO Tobte und 1000 Gefangene. Politische Tagesschau. * Leipzig, IS. April. Wenn die ganze zweite Lesung des Urheberrechts gesetzes im Reichstage in demselben Tempo sich vollzieht, in dem da- Haus gestern arbeitete, so wird eine ganze Reibe von SitzungSkagen nöthiz sein, um diese Lesung zu Ende zu führen. Gleich die erste, beim §11 entstehende Debatte — die vorauegcbenren Paragraphen wurden ohne jede DiScussion erledigt — füllte die ganze fünfstündige Sitzung aus. Der § 11 betrifft zwar nur daS Urheberrecht an „Bühncnwerken" und spricht bezüglich desselben aus, daß eS auch die ausschließliche Bcsugniß zur öffentlichen Auf führung des Werkes cinsckließe. Tie Erörterung darüber griff aber in Folge eines von dem Abg. Nintelen vom Centruin gestellten Antrages gleich auch auf die Frage der öffentlichen Aufführung der im Druck erschienenen „musikalischen Werke" über. DaS bestehende Recht schützt die Componisten gegen einen öffentlichen Vortrag ihrer Compositionen bekanntlich nur, wenn sie diese mit dem ausdrücklichen Vermerke, sich daS Auf führungsrecht vorbebalten zu haben,erscheinen lassen. Fehlt dieser Vermerk, so kann die Compositum auch ohne besonders eingeholtc Genehmigung deS Urhebers öffentlich aufgeführt werben. Dem soll auf Wunsch der Meistbetheiligten, also der Componisten, sowie nach dem Willen der Regierungsvorlage, den auch die Commission sich ungeeignet hat, ein Ende gemacht werden. Der in der Berathung mit § 11 verbundene § 27 bestimmt deshalb, daß ohne specielle Einwilligung de« Verfasser- Werke ter Tonkunst künftig nur "ann noch öffentlich sollen äufgcfUbrr werden dürfen, wenn die Aufführung keinem gewerb lichen Zwecke dient und für die Zuhörer unentgeltlich ist; zweitens, wenn die Ausführung bei Volksfesten (Musikfeste ausgenommen) erfolgt; drittens, wenn der Ertrag für wohl- tbäiige Zwecke bestimmt ist und die Mitwirkenden keine Vergütung erkalten; endlich viertens, wenn die Auffüh rung „von Vereine» nur für ibre Mitglieder und deren Haushalts-Angehörigen veranstaltet wird". Der schon erwähnte Antrag des Abg. Nintelen vom Centrum, der mit großer Lebhaftigkeit besonders von dem Abg. Richter unter stützt wurde, bezweckte, es bei dem bestehenden RechtSzustande zu belassen, einestheil-, weil den Componisten ja schon so wie so rin hinreichender Schutz gegen ihren nicht genedme öffent liche Aufführungen ihrer Werke durch daS Recht deS VorbehaltS-VerinrrkS gewährleistet sei, andererseits aber auch aus Gründen deS Allgemein-ZntereffeS, da« heißt des Interesses an der Fortdauer derjenigen Musikpflege, namentlich durch die Gesangvereine, deren Deutschland sich zur Zeit in einem Maße wie kaum ein anderes Land erfreue. Zm Verlaufe der Erörterungen stellte sich rasch heraus, daß in dieser Frage die sonst bestehenden Parteigegensätze ganz außer Spiel blieben. Uud speciell die Herren Ninielen und Rickter wurden bei ihrem Ansturm gegen die Vorlage und die sich mit dieser deckenden Vorschläge der Commission von ihren Fraktionen beinahe ganz im Sticke gelassen. Mit Herrn Nintelen stimmte nur noch rin einzige- EentrumS- Mitglied und mit Herrn Richter gingen von der freisinnigen Volkspartei auch nur ein paar Mann. Mußte der letzt genannte Parteiführer doch sogar den Schmerz erleben, daß zwei seiner FractionSgenossen, Traeger und Müller-Meiningen, den Schutz der Componisten gegen öffentliche Aufführung ihrer Werke durch Gesangvereine noch über das Maß der Vorlage hinaus ausgedehnt wissen wollten. Dafür batte Herr Richter freilich das Vergnügen, einmal Herrn Gamp von der Reichspartei an seiner Seite für die Gesangvereine rintreten zu sehen. DaS Lade vom Liede war, daß die Beschlüsse der Commission (die R-gierungs-Vorlage) mit großer Mehrheit, zu der diesmal auch die Socialdemökraten gehörten, zur Annahme gelangten. Sowohl die Anträge Nintelen und Richter (der letztere, der im Laufe der Debatte einging, lief mit geringen Variationen auf dasselbe hinaus, wie der Antrag Nintelen) wie auch der auf einen noch weiteren Schutz der Componisten anstrebende Antrag Träger-Oertel wurde gegen wechselnde Minderheiten abgelehnt. Staatssekretär Nieber- ding, der wiederholt das Wort für die Vorlage nabm, wurde dabei von einem Commiffar auS dem preu- ßffchen CultuSministerium unterstützt, der erklärte, daß ge legentlich privater Besprechungen d,e Genossenschaft Deutscher Componisten durck ihren Vorstand die Versicherung habe ab geben lassen, aus den öffentlichen Aufführungen kleinerer Gesangvereine keine Einnahmequelle für sich machen zu wollen. Das mag für die Gegenwart ganz dankenswerth sein, für die Zukunft ist eS aber, darin wird man Herrn Richter Recht geben müssen, eine unzuverlässige Brücke, da ja die Personen wechseln. Endlich nimmt der „Reichsanzeiger" das Wort zu der vielbesprochenen Meldung, der Kaiser habe gelegentlich ge äußert, „ehe sie den Canal nicht geschluckt haben, unterschreibe ich den Zolltarif nickt". Das amtliche Blatt erklärt, der Kaiser habe sich weder mündlich, noch in einer Rand bemerkung zu einem Zeitungsausschnitte, „noch in irgend einer anderen Form in dem Sinne ausgesprocken, daß die Bebandlvnz der Z-rlltariffrage im Reiche von dem Gange der Beralhungen über die Canalvorlage im preußischen Landtage irgendwie abhängig zu macken sei." Das Dementi ist so bündig und so umfassend wie möglich; um so mehr aber drängt sich die Frage auf, warum eS nicht früher erfolgt ist. Der „Reichsanz." spricht allerdings von dem „bereit anderwärts bementirten angeblichen Kafferworte", aber damit ist die Frage nicht gelöst. Die „Conserv. Corr.", in der der angebliche Ausspruch dementirt wurde, ist doch kein amtlicher Dementirapparat und gilt nickt einmal im conservativen Lager als ein solcher. Diese- Dementi bat daher auch nichts gefrumlet und die Treibereien gegen den Canal nicht beseitigt. Warum man erst jetzt daran denkt, dem nichtamtlichen und deshalb unwirksamen Dementi ein amtliche« folgen zu lassen, bleibt unaufgeklärt. Allerdings liegt die Annahme nicht fern, man sei nur ungern an ein amtliches Dementi gegangen, weil man gefürchtet habe, e« werde von den Canalgegnern zu der Ausstreuung aulgebrutet werden, dem Kaiser liege nicht mehr viel an der Ausführung der wasserwirth- schaftlichen Projekte und deren Ablehnung werde auch für Niemand eine unangenehme Folge haben. Und e- ist nickt unmöglich, daß solche Ausstreuungen nunmehr an da amtliche Dementi sich knüpfen. Aber auch da- hätte ver mieden werken können. Zweifellos ist da- Gerücht von einer derartigen Auslassung des Kaisers entstanden au- der Meldung, der Kaiser habe beim Empfange de- Herrenhaus- Feuilleton. - ' - —o— — —— . Der Oger. Roman von Hermann Birkenfeld. Siachtnick verboteu. Eine tiefe Bewegung durchzittert des Doktors Worte, und Rudolf fühlt seine Hand gefaßt, so fest, als wolle man sie nie wieder freigeben. Er weiß kaum, ist dies Alles Wirklichkeit? Im Schlaf ist ihm das Gute bescheert. Wohl hat er den Weg über einmal den Gedanken gehabt, der Mann in der Lodenjoppe möchte der Ge suchte sein, ihn aber gleich wieder fallen lassen; eS schien ihm nach dem vergeblichen Suchen so unwahrscheinlich, plötzlich mitten im Walde ans Ziel zu gelangen. An welches Ziel! Doll goldiger Hoffnungen geht Rudolf mit dem Doctor zwischen den niedrigen Häuschen des Walddorfes dahin. Auf seine Entdeckung hat er mit nichts anwortrn können als mit einem staunenden Oh!" „Da fällt mir ein", sagt Weber nach längerem Schweigen, „ich habe Sie nicht einmal nach dem Namen gefragt." ..Ich heiße Rudolf Lammert." Doctor Weber nickt gelassen. „So kann ich Sie doch unter einer bestimmten Etikette bei w r vorfiellen", brummt er, indem er die Thür eines lang- gestreckten einstöckigen Wohnhause« mit dem Fuße aufstößt. „Also Herr Rudolf Lammert auS Bremen. Bitte!" Fast wäre hier unserm Helden ein junges Mädchen, sylphen- haft graziös, mit großen, gleich einem ewigen Fragezeichen in di« Welt lugenden braunen Äugen und einem Gewirr sich eigen sinnig ringelnder Goldlocken um die Stirn, geradenwegs an dir Brust geflogen, hätte es nicht im letzten Augenblick seinen Irr- thum erkannt, um sich in holdester Verwirrung mit einem hin gehauchten Ach! abzuwenden und dergestalt dem Onkel Doctor den ihm zugedachten üblichen Willkomm zu entziehen. Weber hat die kleine Scene mit behaglichem Lachen begleitet. Nun macht er die beiden jungen Leute miteinander bekannt. „Mein Lrziehungssubstrat!" erklärt er Rudolf. „Das einzige Kind, das ich großgepäppelt habe. Sprach J^nen ja im Walde davon. Sonst heißt das Ding auch Frida. — Ach, was! Gebt Euch nur gleich die Hand!" ruft er, al» Rudolf Lammert den Versuch einer förmlichen Verbeugung macht. „Und nun, liebes Kind — hast Du kür diesen jungen Landstreicher und mich ein anständiges lllbenbirod?" In Rudolf'» Rechte hat sie unbefangen «ingeschlagen und entgegnet jetzt lachend: „In zehn Minuten, Onkel Gerhard." Dann verschwindet sie im Hintergrund des Hausflurs. „So, Sie börfengefährlicher Wanderer, nun machen Sie sicht bequem! Haben ein Recht, müde zu sein", sagt Doctor Weber, alt er mit seinem Gast in da- einfach ausgestaltete Wohnzimmer geirrten ist. Ein anheimelnder Hauch von Behaglichkeit ist hier über Allem ausgebreitet. Keine pedantische Ordnung, aber auch kein Chaos. Weber hängt sein Gewehr an einen Haken, setzt sich Rudolf gegenüber ans Fenster, fährt einem Schweißhund, der an ihn heranwevelt, liebkosend über den klugen Kopf und sieht auf die Dorfstraße hinaus. Gegenüber rauchen die Schlote einer Glashüirr. Bei Tisch macht Rudolf dann eine neue Bekanntschaft. „Mein Neffe Fritz Weber —" stellt der Doctor einen jungen Herrn, zu Ende der Zwanziger, vor, mit kräftigem Körperbau und ven Manieren, auch der Blasirtheit des Salonmenschen, dessen scharfe Augen mit einem gewissen Freimuth den Gast mustern. Dieser findet, daß seine sonst lebhaften Züge in un beobachteten Augenblicken einen schlaffen, matten Ausdruck an nehmen. Frida wird von ihm in dem patronisirenden Ton des Aek- teren behandelt, den sie aber durch manche kecke Antwort vergilt. Rudolf oermuthet zwischen den Beiden etwas wie rin geheimes Einverstcinvniß. Warum auch nicht? Und was geht'S ihn an! Er selbst wechselt mit dem jungen Herrn nicht mehr als ein paar Redensarten. Nachher — eS ist draußen noch taghell — will der Doctor ihm das Glasmachen zeigen. „Wenn er eS noch nicht kennt —" Natürlich kennt er eS nicht, hat auch noch gar nicht gewußt, welcher Art daS jenseitt der breiten Dorfstraße liegende Fabrik gebäude sei. Um so williger folgt er dem Graubart in die kochende At mosphäre der Hütte, in der schweißtriefende Gestalten, dir nackten Füße in Lederpantoffeln, an langen Pfeifen gewaltige glühende Ballen schwingen, rollen, aufblasen, bis sie zu hohen, röthlich gleißenden Cplinvern geworden sind, die dann, neu erweicht und mit einer Scheere ausemander geschnitten, ihre klaren Wände von einer ebnenden Walze auseinanderrecken lassen. Er hat kaum eine Ahnung gehabt, daß so die gewöhnlichen Fensterscheiben hergestellt werden. Während er dem einfachen Verfahren zuschaut, erzählt der Alt«, wie er selber mit der Zeit eigentlich mehr Fabrikant als Arzt geworden sei. Vor vierzehn Jahren hat er nach dem Tode seines älteren Bruders sich in diese Waldeinsamkeit zurückgezogen, um für den unmündigen Neffen die Verwaltung der zwei Hütten — einer für Tafel, und einer für Hohlglat — und — l«ider auch — di« verantwortlich« Er ziehung zu übernehmen. Nur nebenher behandelt er als Arzt — Hüttenarzt ohne Salarr, wie er es lächelnd nennt — noch die Dorftranten. Mit beinahe ehrfürchtiger Scheu sieht Rudolf zu ihm auf. „Wurde es Ihnen nicht schwer, Ihren Beruf aufzugcben?" „Beruf?" fragt der Alte. „Was das ist, liegt eigentlich schon im Worte selbst. Schwer? — Nein —." Hier athmrt er lang sam auf — „schwer ist mir'L nicht geworden. Wo der Mensch nöthig ist, da soll er stehen; daS können Sie sich merken, junger Mann." „Demnach bist Du es jetzt hier rn der Hütt«, Onkel Gerhard? So nöthig, daß Du mich einfach meinem Schicksal und dem Herrn Fritz überläßt?" Die Zwei haben Frida'- Eintreten gar nicht bemerkt. Der Docior wendet nur rin wenig den Kopf und murrt: „Habt Euch wieder 'mal gezankt, Krötenzeug?" Aber obwohl er dabei lächelt, Frida lächelt nicht. „Das ist sein Dank dafür, daß man ihm nachläuft", sagt sie mit schmollendem Munde und tritt dicht an Rudolf Lammert heran. Geben Sie Acht, jetzt bekommen Sie Ihren Gruß — „Wie das?" stottert Rudolf. „Still!" flüstert sie. Zwei Arbeiter treten hinzu, jeder an eiserner Stange mit einem glühenden Glasklumpen, die sie miteinander verbinden und zu einem dünnen Faden ausspinnen, und einer beginnt dazu: „So spinnen wir Fäden Für einen Jeden —" „Ach waS!" ruft der Andere. „Dies sind ja zwei." „Auch gut! Also den Brautspruch!" Erröthend will Frida fliehen, aber schon ist sie von der glühenden Linie umzogen, und diese zu übertreten, wäre eine Kränkung der Arbeiter. Sie kennt den Brauch. „Seh'n wir verliebte Herzen zusammen steh'n, Thun wir mit unferm Faden ringsum geh n. Und spinnen sie ein Recht zart und fein. Nun soll eS ein glücklicher Brautstand sein. Und dann die Ehe, Die soll ohne Weh« Und flüssigem Glas gleich so warm sein und zähe." Der Doctor lacht,Rudolf greift verlegen in die Tasche, um dem Arbeiter, der ihm da» ausaesponnene GlaS al- noch warmes Fadenbüschel überreicht, ein Trinkgeld zu geben; Frida aber ist rasch zu Onkel Gerhard gehüpft, dessen Arm sie ergreift. „Wie oft hab« ich Euch gffaat, daß ich die Prellerei nicht will?" klingt da Fritz Weber'- Stiznmr. Entschuldigen Sie da», Herr Lammert! 'Die Kerle können von ihrem alten Unfug immer noch nicht lassen." Mir hat das Spinnen Freude gemacht. E- ist ja etwa Vas selbe, wie bei der Ernte in manchen Gegenden das Binden." „Ich habe gegen den Unfug auch nicht viel", brummt der Doctor. „Macht unfern Gast nicht viel ärmer." Frida nickt dazu: „Es war so nett!" Dann jedoch, als habe sie zuviel gesagt, schmiegt sie ihren Lockenkopf an des Onkels Arm. Sie ist nicht klein; dem Riesen aber reicht sie längst nicht bis zur Schulter. „So!" grollt der junge Herr. „Wozu habe ich denn die neue HLtrenorvnung dort an die Wand gehängt?" „Hm! Weiß es auch nicht. Bin lange genug ohne da? Placat ausgrkommen." Aber die Zeiten haben sich geändert", fährt Fritz erregt fort. „Und wer ist überhaupt für die Ordnung im Betrieb verant wörtlich, Du oder ich, Onkel? Ich sollte meinen, daß ich nach gerade alt genug wäre, hier selbst den Herrn zu spielen." Der Alte, der sich von einem Jungen hat einen glimmenden Spahn bringen lassen, um seine Pfeife anzuzündrn, paffte schweigsam vor sich hm. „Meinst, ich könnt« gehen?" fragt er dann, nach einer ganzen Weile. Sein Neffe macht eine unwillig« Bewegung „Wer spricht davon? Nur — ein wenig Selbststänoigteir! Vor den Leuten —" „Bist Du genau der, als der Du Dich ihnen zeigst. Das stimmt. — Kommen Sie, junger Mann!" Die letzten Worte gelten Rudolf Lammert. Fritz Weber kneift die Lippen zusammen und sieht mißmulhig hinter den Dreien her, denn auch Frida hat mit dem Onkel die Hütte verlassen. Noch diesen Abend will Rudolf an Helen« von Rheinern schreiben — ein Entschluß, den der Doctor nur zögernd gebilligt bat. Man könnte ja nicht wissen, ob sich zwischen den Papieren seine» Vater- nicht irgend ein Au-w«is find«, der dir Nichtigkeit der Schuld beweisen würde; und dann stehe da» Fräulein vor einer großen Enttäuschung. Al- Rudolf endlich auf dem kleinen Zimmer, da- der Docior ihm angewiesen hat, vor dem Tisch fitzt, um sein Schriftstück abzufassen, weiß er nicht recht, welcher Anrede er sich bedienen soll. Wie steht er mit Helen« — ftjt fünf Tagen? Liebt er sie eigentlich — sie oder Lisa Flügge? — Lisa — waS hat er der versprochen! — Er kommt sich srbr, sehr niedriadenkend vor — er! — Und in diesem Zwiespalt schrrrbt er „Meine lieb« Freun din!" und al- er di« Worte auf dem Papier fiebt, «fallen st« lbm gar nicht; »r streicht st» aut, und »t folgt »in »»«!»»
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