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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.04.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010420028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901042002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901042002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-04
- Tag1901-04-20
- Monat1901-04
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M. Sonnabend den 20. April 1901. Anzeige«'Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklame» »ater dem Redaetton»strich (4 gespatte») 75 vor den Familien nach richte» (S gespalten) 50 Lj. Tabellarischer und Htffernsap entsprechend höher. — Gebühre» für Nachweisungen und Offertenannahme 25 L, (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbefürdernng 70.—, Ännahmeschlrß str Atyeize«: Abend-Au»gabe: vormittag» tO Uhr. Morgeu-Au»gabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei de» Filialen »nd Annahmestelle» je «in» halbe Dt»nde früher. Anzeigen sind stet» an di» Expedition z« richte». Die Expedition ist Wochentag» »nunterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Mead» 7 Uhr. Druck und Verlag von -. Polz in Leipzig. 95. Jahrgang. Die Wirren in China. TuSpendirung der Literatenprüsungcn. Nach einem Telegramm des „Standard" aus Shanghai verursacht die Aufhebung der Literatenprüfungen in der Provinz Tschekiang Unruhen. Die Stu denten drohen, die Damen nieverzubrennen und die Mandarinen zu verjagen. — Dir „Morning Post" erfährt auö Shanghai: Als Antwort auf die Denkschriften, die Li-bung-tschang und der Gouverneur von Sckansi an den Thron gerichtet haben, ist am 17. April ein kaiser liches Evict ergangen, daS den General Liu anweist, sich über die Grenzen PetschiliS zurückzuziehen. Oeftcrretchischcs Settlement. * Wien, 19. April. (Abgeordnetenhaus.) In seiner Antwort aus die Interpellation wegen der Errichtung eines Eon- sulatS in Tientsin führte der Ministerpräsident noch Folgende- auS: Für die in China etablirten Handelsfirmen ist die Niederlassung in einem gesicherte und geordnete Verhältnisse aus weisenden Settlement die wesentliche Vorbedingung für die gedeih liche Entfaltung ihrer Thätigkeit. Selbstverständlich werden durch die Erklärung einer Oertlichkeit zum Settlement die chinesischen SouveränetätS-Rechte über dieselbe nicht berührt. Nachdem nun die meisten in Tientsin konsularisch vertretene» Staaten auch Settlements daselbst besitzen, und nachdem gerade i» den letzten Monaten wieder mehrere Neugrün- düngen dieser Art, so von Japan, Rußland, Belgien und Italien, vorgenommen wurden, schien eS auch für Oesterreich-Ungarn ongezeigt, sich in Verbindung mit der geplanten Errichtung eines ConsulatS in Tientsin ein zur Gründung eines Settlements geeignetes Grundstück rechtzeitig zu sichern. Weiteres Zögern unsererseits hätte zur Folge gehabt, daß die wenigen für diesen Zweck noch vorhandenen großen Terrains von anderen Staaten occupirt worden wären. Der Krieg in Südafrika. Tie Zustände in Transvaal. AuS Pretoria, 18. März, schreibt uns unser ständiger Mitarbeiter: Der Ernst der durch daS Auftreten der Pest geschaffenen Lage ist nicht zu verkennen und überall sind Commissionen ernannt worden, welche die nöthigsten Maß regeln zur Abwehr der Pest treffen sollen. Auch sonst ist an Krankheiten kein Mangel. Typbus und Dysenterie, welche besonders unter den Truppen enorm herrschten, sind in der Abnahme. Dagegen sind hier und da die Blattern auf- getreten und in Pretoria herrschen die Masern, hauptsächlich unter den Boerenfamilien; bei der Uebersüllung mancher Häuser und der unpassenden Nahrung, welche die Leute von der Regierung erhalten, ist eS leider nur zu begreiflich, daß die Sterblichkeit unter den Kindern sehr hoch ist. ES muß übrigens anerkannt werden, daß die Behörden sich Mühe geben, die sanitären Verhältnisse der Stadt zu bessern. Die Versorgung der Stadt mit Lebensmitteln und Kleidungs-Artikeln war in den letzten Wochen recht be- friedigend, so zwar, daß die hiesigen Geschäfte bereit- wieder beginnen, Vorräthe anzusammeln, welche auf einige Zeit Fenrlletsn. Der Oger. Roman von Hermann Birkenfeld. Nachdruck verboten. „Wenn ich dies Helene schreibe Oh, Du glaubst nicht, wie sie an ihrem Großvater hängt!" „Go?" fragt Weber wieder. „Das Schreiben laß nur sein. Ist überflüssig, weil ich noch heute nach Braunschweig fahre, mit meinem Bankier di« Sache in Ordnung zu bringen. Denn so in 'der Westentasche stecken mir doch keine vierzehntausend Thaler — den Teufel auch! — Bon Braunschweig geht das Geld sofort nach Sprakensee ab." „Sprakensen", verbessert Rudolf. „Ach so!" Der Doctor drückt ihn in seinen Schreibseffel. „Da setz' Dich hin und schreib' mir mal genau di« Adresse Deines BaronS und auch des liebenswerthen Schulmeisters auf, von dem Du mir erzählt hast." Rudolf thut es mit bebender Hand. Das Mittagsmahl verläuft heute ungemüthlich. Der alte Herr ißt ohne rechten Genuß die letzten Spargel (noch dazu mit gelber Sauce, ein Lieblingsmericht von ihm) in sich hinein und murrt über Frida, die sich alle Augenblicke draußen zu schaffen macht; sein Neffe Fritz vergißt in offenbar schlechtester Laune die einfachsten Höflichkeitsformen dem Gaste gegenüber und dieser, sich selbst überlassen, empfind«» mit Unbehagen, daß er allen Grund hat, den Urheber der gedrückten Stimmung in seiner eigenen Person zu vermuthen — eine Idee, die sich zur Gewißheit verhärtet, als eine halbe Stunde nachher der Doctor im Begriff, den alten Schimmel vor seine: Halbchaise in Bewegung zu setzen, noch einmal von seinem Neffen angeredet wird. Wie — das entgeht dem hinter der Gardine seines Stuben fenster- Stehenden. Nicht aber di« Antwort Les Doctors, der unwirsch ausruft: „Ich glaubte, wir hätten vor Tisch diesen Punct vollkommen erledigt. Wenn Du für Deine Allotria da draußen" — bei diesen Work» schwippt der Doctor mit der P«itsche hinter sich, wo in kurzer Entfernung vom Dorfe ein rotheS Steindach zwischen dem Grün der Bäume heroorlugt — „wenn Du dafür Geld wegwerfen wolltest, so hattest Du zum Mindesten nicht auf meine Börse zu zählen. Das weißt Du schon seit letztem Winter." Hi«r murmelt Fritz Weber zunächst etwas Unverständliches, bricht dann aber in den lauten Borwurf aus: „Selbstverständlich habe ich kein Recht Dir zu wehren, wenn Du vierztgtausrnd Mark reichen würden, falls die Zufuhr wieder mangelhaft werden sollte. Unter diesen Umständen ist eS sehr zu verwundern, daß die arme Goldstadt Johannesburg so stiefmütterlich bc- bandelt wird. In einer der letzten Nummern veS „Natal Witneß", eines Blattes, welches selbstverständlich auch der militärischen Censur unterworfen ist, wird erwähnt, daß der Andrang zu den militärischen Verkauf-localen enorm ist, daß man sich buchstäblich um den Zugang scblägt und daß Frauen und Kinder ost in dem Gedränge schwer verletzt werden. Ein in der Nähe eines RegierunzSmagazinS wobnender Arzt soll sich drm Berichterstatter deö genannten Blattes gegenüber geäußert haben, daß fast kein Tag vergebt, wo nickt drei bis vier verletzte oder ohnmächtige Frauen zu ihm gebracht werden. DaS sind recht erbauliche Zustände und daS christliche englische Volk hat alle Ursache, darauf stolz zu sein, um so mehr, da der Gouverneur von Johannesburg erklärt, daß er aus diesem philanthropischen Unternehmen be trächtliche Ueberschüsse erziele! Wenn ein englisches Blatt von bekannter Jingo-Tendenz solche anmulhigen Schilderungen veröffentlicht, kann man e» den Boercn im Felde verdenken, wenn sie sich in Betreff der Behandlung ibrer der Gnade der Engländer überlassenen Frauen und Kinder recht trüben Ahnungen hingeben? Hi» Hugländcr über den Krieg. Der englische Oberst Jvor Herbert, der jüngst auS Südafrika, wo er den fremden Militärattaches beizegebcn war, nach England zurückgekehrt ist, hat in einer Versamm lung in New Dork über den Krieg Englands gegen die Boeren Folgendes gesagt: Mein Eindruck ist, daß er in verbrecherischer Weise be gonnen wurde. Ich sollte richtiger sagen, daß er in seinem Ur- sprung verbrecherisch war. Er wurde unnützerweise be gonnen und ohne Vorbereitung, ohne Berücksichtigung der Kosten oder Lessen, was zur erfolgreichen Durchsührung nötlfig war. Man ging in denselben leichten Herzens; er war iu seinem Ursprung verbrecherisch und ich glaube, wir sind darin einig, daß der wirkliche Ursprung Jameson'S Einfall war.... Die Angelegenheit war (so halte man drm Obersten zu Johannes- bürg gesagt. Red.) ganz und gar arrangirte Spekulation Von La wurden sie weitcrgesührt und Transvaal hatte nur Recht, sich selbst zu schützen. Der englische Oberst erklärte ferner, in Johannesburg hätten ihm die Leute gesagt, daß sie das Wahlrecht gar nickt brauchten und all das Gerede habe nur den Zweck gehabt, den Krieg herbcizusübren. " London, 20. April. (Telegramm.) „Daily Telegraph" berichtet auS Bathfontein unter dem 17. April, Plumer siehe jetzt am Oliphantflusse (südlich der Zoutpansbcrge im Norden Transvaals); sein Erscheinen in dieser Gegend bewege viele Boeren- slücktlinge, sich unter seinen Schutz zu stellen. So befände sich über ein Dutzend Wagen, die mit ganzen Boerenfamilien besetzt seien, im Gefolge der Engländer. — Dasselbe Blatt erfährt, Miln er werde, wenn nicht unvorhergesehene Zwischenfälle einträten, zu Beginn deS nächsten Monats Südafrika zum Besuche Englands verlassen. * London, 20. April. (Telegramm.) Tie „Times" berichten aus Pretoria: In den Districten Bethel und Ermelo haben in Verbindung mit englischen Bewegungen an anderen Stellen eben falls Operationen begonnen, um die Versuche der Boeren, nach einfach verschenken willst — um Les dankbaren Gesichtes eines Lummen Jungen wegen, der Dir so lange um den Bart zu gehen weiß, bis Du mehr für ihn übrig hast, als für Deines eigenen Bruders Sohn." Rudolf muß an sich halten, nicht ein Pfui! auf den Sprecher hinabzurufen. Er sieht, wie der Doctor sich auf seinem Sitze reckt, als wolle er aus dem Wagen springen. Aber er besinnt sich wohl gleich eines Anderen, denn plötzlich wendet er den Kopf von seinem Neffen ab, schnalzt mit der Zunge, ohne den Grollen den noch einer Silbe zu würdigen. Rudolf weiß jetzt, was er von FritzWeüer'sWorten halten darf. Warum soll er noch bleiben? Sein Auftrag hier ist erledigt und er fragt sich selbst, warum er nicht mit dem Alten zusammen ab gefahren ist. Er hat sich hier eben so heimisch gefühlt, als ge höre er von Kindesbeinen an hierher, hat seiner Stellung in Bremen fast vergessen und deshalb eine Abreise noch gar nicht ernstlich erwogen. Die Entscheidung des DoctorS heute früh ist ja auch so rasch gekommen! Aber nun — fort? Was hält ihn, hindert ihn, die zwei Meilen bis zur Station zu Fuß zu gehen, wi« er zu Fuß gekommen ist? Mit unentschlossener Hast rafft er die paar Sachen, die er vorgestern aus seiner Tasche gepackt hat, zusammen, steckt sie «in, hängt die Tasche um und — im nächsten Augenblick wieder an die Wand. Sich daoonschleichen wie ein Dieb in der Nacht? — Nein, der Alte hat es nicht um ihn verdient. Morgen, spätestens übermorgen, wird er zurückkehren, und dann soll kein Zaudern mehr gelten. Mit solchem Entschluß im Kopf geht er di« Treppe hinab, in den Garten, verläßt denselben aber bald wieder, als er im Hinter gründe Frida's Sommerkleid schimmern und Fritz Weber bei ihr sieht, und schlendert die Dorfstraße hin. Wohin, ist ihm ziemlich gleich. Er merkt'S gar nicht. Bis der Sommergluth drückend« Schwüle weicht und bei der vollkommenen Windstille Loppelt er quickenden Schatten Platz macht. Da erst sieht er um sich und wird gewahr, daß er eine Allee prächtiger Kastanien durch wandert, geradewegs auf «in ziemlich umfangreiches Gebäude zu, auf dessen röihlicher Fassade wieder die Junisonne gleißt und flimmert. Nun weiß er, daß er sich dem nähert, was Fritz Weber gestern sein Sanatorium genannt hat. Die Kastanienreiben mündeten auf einen mäßig großen Hof, auS dem eine offenbar noch ganz neue Pforte in die Parkwildniß führt, von der er gehört hat. Das Thörchen ist nur angelehnt, und unbedenklich tritt er ein. Fritz Weber hat nicht zuviel ver sprochen: wie auf alle jugendlichen, mit einiger Phantasie be gabten Naturen, so übt auch auf die seine die ungebändigte Urppigkeit diese» entfesselten WachSthum», dieses Sprossen und Norden zum Buschwald durchzubrechen, zu verhindern. — Dasselbe Blatt berichtet auS Bankfontein, außer dem „Langen Tom", dessen Trümmer General Walter fand, sollten auch ein Maxim- geschütz und mehrere Maschinenkanonen kleinsten Kalibers von den Boeren zerstört worden jein. Politische Tagesschau. * Leipzig, 20. April. Im Reichstage ist es gestern gelungen, die zweite Lesung Les Urheberrechts-Gesetzes zum Abschluß zu bringen, so daß dieselbe insgesammt Doch nur drei Tage beansprucht hat. Während an Len ersten beiden Berathungstagen alle Abände rungsversuche zurückgewiesen worden waren, wurden gestern ver schiedene Abweichungen von den Commissionsvorschlägen zum Beschluß erhoben. So gleich zu Beginn beim H 24, der als Grundsatz aufstellt, daß bei Vervielfältigung fremder Werke jederzeit «ine Bornahme von Aenderungen zu unterbleiben habe, der aber diesen Grundsatz in mehreren Punkten durchbricht. Beispielsweise dürfen Werke der Tonkunst in eine andere Ton art oder Stimmlage übertragen werden. Ohne großen Wider spruch von irgend einer Seite wurde auf Antrag Richter hin zugefügt, daß auch solche abändernde Bearbeitungen eines musi kalischen Werkes statthaft sind, welche sich als bloße adaptirende Einrichtungen für die mechanischen Musikinstrumente (Musik automaten) — natürlich insoweit letztere überhaupt gemäß Z 22 zur Wiedergabe befugt sind — darstellen. Ausgedehnte und lebhafte Kämpfe veranlaßte «in anderer Antrag Richter zum 8 33, der aber schließlich ebenfalls zur Annahme gelangt«. Der Paragraph erhöht die Schutzfrist für Bühnenwerke und Werke der Tonkunst, insoweit es sich nicht um Abdruck, sondern um deren öffentliche Aufführung handelt, von 30 auf 50 Jahre. Die Regierungsvorlage hatte dies für nothwendig gehalten, theils um in diesem Puncte mit dem Auslande parallel zu gehen, iheils um den Componisten — wie im Laufe der Debatte der Staatssekretär Nieberding besonders hervorhob — ein Aequivalent dafür zu geben, daß sie sich nach den 22 und 27 in gewiss« Arten der Vervielfältigung und des öffentlichen Vor trags ihrer Werke schicken müssen, ohne dagegen durch einen Vor behalt Verwahrung «inlegen zu können. Die Commission hatte in der Frage, ob 30 ckder 50 Jahre Schutzfrist, geschwankt. In einer ersten Lesung hatte sie es bei 30 Jahren belassen, in einer zweiten Lesung dagegen die 50jährige Schutzfrist acceptirt. Der Abgeordnete Richter, der darin einen Culturrückschritt erblickte, der noch dazu weniger den Componisten, als den Verlegern, im günstigsten Falle aber den — sehr ost vielleicht aus ganz ent fernten Verwandten bestehenden — Erben der Componisten zu Gut« komme, beantragte Streichung des Paragraphen, das hrißt Wiederherstellung der nur 30jährigen Schutzfrist. Auch hierbei wieder stieß er auf entschiedensten Widerspruch seines Fractions- gcnofsen Müller- Meiningen, der überhaupt während des ge- sammten Verlaufs der Berathung dieses Gesetzes den Eigen- thumsbegriff zu rücksichtslosester Geltung zu bringen bemüht war. Dafür traten aber in diesem Falle, abweichend von ihrem Verhalten bei den 22 und 27, die meisten Socialdemo kraten, sowie ein «rheblicher Theil des Cent rums unter Führung des Abgeordneten Spahn dem Standpunkte des Ab geordneten Richter bei, so daß dessen Antrag, wenn auch nur mit i schwacher Mehrheit, angenommen wurde. Mit so schwacher Mehrheit, daß es beinahe schien, als wü^Se eine Auszählung nöthig werden, in welchem Falle natürlich die Berathung wegen Beschlußunfähigkeit hätte abgebrochen werden müssen. Denn mehr als 100 Mann waren in keinem einzigen Augenblicke der Sitzung anwesend. Die fehlenden scheinen offenbar zu glauben, daß sie immer noch zurecht kommen, venn sie sich erst zur dritten Lesung einstrllen. Der Staatssekretär Nieberding, der in dieserDebattt mehrmals dasWort nahm, um diekOjährigeGchntz- frist zu rett«n, sah sich übrigens durch eine Provocation seitens des socialldrmokratischen Abgeordneten Dietz zu der Erklärung veranlaßt, daß zu Gunsten dieser Ausdehnung der Schutzfrist in keinerlei Weise eine Einflußnahme auf ihn selbst oder auf den Reichskanzler oder auf eine sonstige amtliche Stell« seitens der Familie Richard Wagner'S versucht worden sei. Eine aus gedehnte Debatte entspann sich endlich noch über einen von linkS gemachten Anlauf, die Beseitigung des „fliegenden Ge richtsstandes" auf dem Gebiete de» Zeitung»- und über haupt des DruckschriftenwefenS zu erzwingen durch Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung (als § 39 ») in diese» Urheber rechtsgesetz. Der Versuch mußte mißlingen, einmal weil ein solches Autoren-Gefetz in der That nicht der richtige Ort ist für eine derartige Reformvorschrift und weil außerdem die Reichs regierung schon in der Commission offen ausgesprochen hatte, daß hieran eventuell das ganze Urheberrechtsgesetz scheitern würde. Auch gestern wieder deutete der Staatssekretär dies offen an, indem er davor warnte, zu dem angestrebten Zwecke einen Weg zu beschreiten, der den Eindruck einer Pression auf die verbündeten Regierungen erwecken müßte. Der Staats sekretär machte gleichzeitig Andeutungen, als ob der BundeSrath, wenn er auch mit seinen Erwägungen über den fliegenden Ge richtsstand noch nicht zum Abschluß gekommen sei, doch einer Beseitigung desselben augenblicklich nicht gerade abgeneigt erscheine. Von dem Sprecher der nationalliberalen Partti, Herrn Büsing, d:r ebenso wie Herr Spahn vom Centrum in der Sache selbst mit den Antragstellern eines Sinnes war und nur gerade das Urhebergesetz nicht als paffende Gelegenheit für di« gewünschte Reform ansah, wurde noch ausdrücklich für dtt dritte Lesung ein« Resolution zu Gunsten der Abschaffung des fliegen den Gerichtsstandes angekündigt. Nachdem der bezügliche An trag (Antrag Dietz) abgelehnt war, wurde der Rest deS Gesetzes ohne weitere bemerkenswerthe Debatten in der Commissions fassung erledigt. Die Resolution, sowie das Verlagsrecht sollen heute berathen werden. Das gleichfalls auf der Tagesord nung stehende Süßstoffgesetz dürfte erst am Montag zur ersten Lesung kommen. In derReichStagScommission, die den flerikalen„Toleranz« Antrag" zu berathen hat, baden e» die nichtklerikalen Mit glieder anscheinend unterlassen, die Antragsteller auf Ehre und Gewissen zu befragen, ob di« Freiheit und Gleich berechtigung der bonfesfionen wirklich da» ihnen vorschwebende Ziel sei. Auf diese Frage batten die Antragsteller jedenfalls ebenso schweigen müssen, wie s.Z. die polnischen Abgeordneten, als der Reichskanzler Fürst BiSmarck sie einmal in öffent licher Parlamentssitzung fragte, ob sie ihm ihr Ehrenwort daraus geben könnten, daß sie nicht die Wiederaufrichtung deS polnischen Reiches wünschten. Ist eS aber auch den ultra montanen Antragstellern erspart geblieben, über da», wa» sie mit dem Anträge nicht wollen, wenigsten» durch Schweige« aufzuklären, so bat die nltramontane Presse über da», wa» sie wirklich in Uebereinstimmung mit jenen Abgeordneten er sehnt und erstrebt, sich unzweideutig durch den Jubel aus gesprochen, mit dem sie die Kampfrede de» öster reichischen Thronfolger» an die Leiter de» katho lischen SchulvereinS in Wien begrüßt. Bekanntlich bat der Erzherzog Franz Ferdinand in dieser Rede eine Art Kreuzzug gegen die Los von Rom-Bewegung gepredigt Quellen, dieses regellose Dahinfluthen von Strauch- und Blatt massen «inen magnetischen Zauber, den er im langsamen Vor schreiten auf sich wirken läßt. Diese gras- und unkrautüber wucherten Pfave scheinen seit Jahrzehnten von keinem mensch lichen Fuß betreten, und hinter dem Dickicht eines kleinen Fichten- bestarrdrs, dessen Spitzen von dem schwärzlich-grünen Gewässer eines Teiches reflectirt werden, hinter dem Gewirr über-, in- und durcheinander hängenden trockenen und frisch-grünen Laub werkes läßt sich Dornröschens Schloß vermuthen, so friedlich, schläfrig still ist es hier. Wach ist nur die Natur in ihrem ewigen Werden- und Schwindenlassen. Sonst Alles wie im Traum! Kaum daß ein Vöglein verstohlen zwitschert, daß ein dürres Blatt von der Blutbuche am Teichufer langsam auf Has Wasser sinkt, dessen Fläche in kaum merklichen zarten Ringen seine Auf nahme bestätigt. Zu Füßen der Buche steht eine ehedem einmal grüngestrichene halbmorsche Bank. Auf die setzt sich der Einsame und sieht dem Treiben der Wolken zu, wie der dunkle Wasserspiegel es ihm hin malt. Und dabei tauch«», gleichsam aus dem Grund« des Teiches, allerlei alte Erinnerungen in ihm auf. Wie Nixenzauber. Wie oft hat er — in Bremen — am Weserstrand gestanden und auf die glitzernde glatte oder windgepeitschte Fläche hinab- aesehcn, ohne Laß ihm solche Erinnerungen gekommen wären! Aber das war ja die bewegliche, bewegte, Leben und Thätigkeit anregende Fläche des schiffbaren Stromes, nicht zum Träumen ladend, sondern zur Arbeit, zu nachdrücklicher Entfaltung mensch licher Kräfte. Hier dagegen — die geheimnißooll schwarze Tiefe mahnt ihn an den kleinen stillen Hafen daheim, an dessen Rand er als Knabe gespielt, an ein weinlaubumsponneneS Häuschen, darin er so manche trübe Stunde mit Mutter und Bruder Johannes — und so manche stillglückliche mit Schwester Gabriele — ver lebt hat. Seine Schwester, von der er seit Jahren keinen Brief, keinen Gruß erhalten! Er faltet die Hände zwischen den Knien, eine Thräne perlt ihm langsam die Wange hinab und fängt sich in seinem weichen Barthaar, bis er sich mit "der Hand über LaS Gesicht fährt. Ein ander Bild: Der Nachen dort — ein morsches, selbst zu der kurzen Fahrt über das kleine Wasser wohl kaum noch taug liches Fahrzeug — zaubert es ihm hervor. Heini Flügge! Ein« ganz ähnliche unbeholfene Form hatten die Dinger, die seine Hand für ihn oder Gabriele schnitzte und die trotz aller Mängel der Kinder aufrichtigste Bewunderung erregten, wenn sie, von der Waschbank am Bollwerk losgelassen, ihrem Schicksal, d. h. dem Untergang, prciSgegeden wurden. Noch mit einer andern hatte er das gleiche Spiel getrieben — nicht am Hafenbollwert unter aller Vorübergehenden Augen, sondern draußen vor dem Thore, wo nahe einem Hünengrab« ein Paar Dutzend alte Kiefern Uferrand rauschten, dessen untere Partie, wenn der Sturm binnenwärts strich, die steigende Fluth ti«f unterwühlt hatte. Ihre Höhle nannten sie das. Sie war schwer und nur bei nor malem Wasserstande zugänglich; aber das macht« ja ihren Hauptreiz. Er erinnert sich, wie Lisa Flügge dort einmal ihr Schiffchen auf die Wellen setzte und er das seine daneben. „Wollen seh'n, w«r länger lebt, Du oder ich", hatte sie ge rufen, und er hatte den Athem ang«halten und war allen Ernstes nachdenklich geworden, als ihr Boot ein paar Schritt« unterhalb der Abfahrtsstclle an einem aus dem seichten Wasser ragenden Granitblock umkippte. Sie dagegen hatte nur gelacht, in ihrer kurzen, wilden Art. Die Art hat sie behalten, aber sie ist längst kein Kind mehr. Und er ebenso wenig. Um so drückender beschwert ihm sein Verhalten zu ihr das Gewissen. Sie kann ja nicht die Seine werden, dessen ist er sich schon auf der Reise hierher bewußt gewesen, und nun hat dieses Be wußtsein den Entschluß, er werde ihr daS sagen müssen — offen und ehrlich, wie er es ihr und sich selber schuldig — bis zur Ausführungsnothwendigkeit gereift. Aber dieser Nothwendigkeit zu gehorchen hat er noch nicht den Muth gefunden. Nicht den Muth, ihr zu schreiben! Lisa hat ja selbst nicht recht an die Möglichkeit einer Hrirath mit ihm geglaubt — aber, was verficht das! Hat er ihr deshalb weniger leidenschaftlich sein« Liebe betheuert — für immer und ewig? — Wie feig er sich vorkommt: Wortbrüchig! — Pfui! In die Bitterkeit solcher Gedanken versenkt starrt er vor sich hin und hat dessen kein Arg, daß di« goldene Sonne verschwand, oaß die weißen Wölkchen längst nicht mehr im Teichwaffer dahin schwimmen, daß an ihre Stelle schwärzlich« Ungeheuer getreten sind, die in der jetzt bewegteren Fluth sich übereinander thürmen, sich drängen, schieben, ein» das ander« verschlinaend oder mit sich fortreißend, daß ein Wehen und Brausen durch di« Kronen der Bäume streicht und «in Regen von dürrem Nadelwerk aus den Fichten in die wellige schwarze Masse da unten schleudert. Als aber hinter ihm eine klare Stimme laut fraat: „Nanu! Der Herr will doch nicht hier da» Gewitter abwarttn?" da fährt er erschrocken um und sieht in das lachende Gesicht eines jungen WeibeS. Dunkle, windzerzaufie Locken, kräftig rothe Wangen und zwei Reihen gesunder Zähne, die ihn zwischen derben Lippen keck an lachen. Er steht auf.
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