Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.04.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010422013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901042201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901042201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-04
- Tag1901-04-22
- Monat1901-04
- Jahr1901
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs »Preis di her Hauptrxpeditio» oder de» im Stadt bezirk nnd dea Vororten errichtete» Lar- aabestellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, bei zweimaliger täglicher Zu stell »ag in- Hans 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. 8. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postaufschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese» Blatte» möglich. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag» um 5 Uhr. Lr-action und ErpedUio«: Johannisgasse 8. Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm'» Sortim. Umversitätsstraße 3 (Paultnum), Louis Lösche, Katharinenstr. ^4, purt. und König-Platz 7. 2V2. Morgen-Ausgabe. MipMer... TaMalt Anzeiger. Ämtsölatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes nnd Nolizei-Ärntes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redacrtonsstnch (»gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richte» (8 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffenisatz entsprechend höher. — Gebühren sür viachwrisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Vrtra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ./L V0.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß fnr Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je »ine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Montag den 22. April 1901. 95. Jahrgang. Aus dem Leben der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsens. n. Wiederholt ist geklagt worden, daß, wenn sich Personen minder gebildeten Standes zum Austritt aus der katholischen Kirche meldeten, diesen ihr Vorhaben durch unfreundliche und hinhaltende Behandlung erschwert oder auch verleidet worden ist. Der Bericht schließt dieses wichtige Capitel, bei dem wir länger verweilen zu sollen glaubten, mit der Be merkung: Was wir vor der Landeskirche erklärt baden, als Rom zur Verherrlichung des Jesuiten Canisius neue Schmähungen auf Luther und die Reformation gehäuft hatte, das haben wir auch vor der Landessynode jetzt nur zu wiederholen: „Wir wissen unS eins mit der Ge meinde unserer Landeskirche in der entschiedenen Abwehr solcher Angriffe, aber auch in dem Be wußtsein, daß wir sie nicht zu fürchten haben. Die wirksamste Abwehr erkennen wir in der Ver tiefung und Befestigung unserer eigenen Kirche, unserer Gemeinden im lebendigen evangelischen Glauben." WaS die S onntagsh eilig ung betrifft, so kann der vorliegende Bericht wesentlich Günstigeres als der vorher gehende nicht melden. Hier und da, insbesondere in den Großstädten, lebt sich eine strengere SonntagSordnung ein, aber noch ist die öffentliche Meinung und die christliche Sitte in den Gemeinden nicht so weit beeinflußt und gestärkt, daß die alten Klagen über Sonntagsarbeit hinter verschloßenen Thüren, in Comptoirs und öffentlichen Burcaux, in ärztlichen Sprechstunden, über Ausdehnung landwirthschaftlicher Näh arbeit, noch viel weniger aber dir über Ueberladung der Sonntage mit Vergnügungen allerlei sür innerliche Samm lung und wahre Erholung keineswegs förderlichen Art etwa verstummt wären. „Bratwurstschmäuse" sind selbst an Buß- und am Todtensvnntag veranstaltet worden. Hebungen der Turner und Feuerwehr unmittelbar vor und nach den gottesdienstlichen Stunden, Durchzüge der Radler und anderer Ausflügler, Sonntagsextrazüge mit Preisermäßigung bringen bereits am Vormittag Unruhe in solche Orte, die früher sich ivoblihuciider Sonntagsstille erfreuten. Von einer, wenn auch langsamen Hebung des Kirch en - besuchs darf in vielen Gemeinden gesprochen werden. Betrübend aber ist die Wahrnehmung, daß unter den jungen Leuten die Entfremdung von der Kirche wächst und die Ver suche kirchlich gesinnter Herrschaften, ihre Dienstboten zum Kirchenbesuche anzuhalten, oftmals geradezu auf Widerstand derselben stoßen. Die absolute Zahl der AbendmablSgäste bei beiden Geschlechtern hat bis in das Jahr 1898 'zugenommen, ist dann im Jahre 1899, ebenfalls bei beiden Geschlechtern, sehr erheblich zurückgegangen, im letzten Berichtsjahr 1900 aber wieder bedeutend gestiegen, ganz besonders aber beim weib lichen Geschlecht. Diese letztere Wiederzunahme hat denn auch ein Wiederansteigen deS Proccntsatzes der Communi- canten im Verhältniß zur Bevölkerungsziffer bewirkt, nämlich von 44L (i. I. 1896) auf 46,4. Dabei ist aber durch die viel stärkere Zunahme der Zahl der weiblichen Communi- canten im Jahre 1900 der Anthcil deS männlichen Geschlechts an der Communicantenziffer, obwohl auch die Zahl der männlichen Communicanten wieder zugenommen hat, doch so tief herabgedrückt worden, wie er noch nie gestanden hat (42,54 Proc.). Dem Alter nach darf man etwa 70 Proc. der evangelisch-lutherischen Bevölkerung als zur Theilnahme am Abendmahl berechtigt erachten. Hält man dieser An nahme gegenüber, daß die jährliche Communikantenzahl 43 bis 44 Proc. betragen hat und daß hierbei nicht wenige, welche jährlich wiederholt zum Abendmahle gehen, zweimal und öfter gezählt sind, so ergiebt sich eine betrübend große Anzahl von Abendmahlssäumigen. Weit mehr als 37 Proc. der Berechtigten bleiben fern. Die Entfremdung nimmt zu. Socialdemokratiscke An schauungen breiten sich auS, und an Verhetzungen derjenigen, die regelmäßig zur Communion geben wollen, fehlt es leider auch nicht. DaS üble Beispiel vieler „Honoratioren" in den Städten, auch mancher Ritterguts herrschaften auf dem Lande wirkt ansteckend auf den gemeinen Mann, und das WirthShausleben an den Abenden der Sonn abende drängt manchen guten Vorsatz zurück. Schuld ist vor Allem die religiöse Oberflächlichkeit der Zeit. Die Geburten sind in der BerichtSperwde um 7,3, die der Taufe um 8 Procent gestiegen. Im Jahre 1900 kamen im ganzen Lande auf 1000 Geburten lebender Kinder evangelischer Eltern 969 Taufen. DaS Jahresmittel betrug 96,2 Procent. Selten war die eigentliche Verschmähung der Taufe. Nur im letzten Jahre 1900 hat sich wieder eine Zunahme bemerkbar gemacht. Consirmationsverweigerungen durch die Eltern sind vorgekommen: 189l: 7, 1892: 19, 1893: 14, 1894: 20, 1895: 11, 1896: 6, 1897: 9, 1898: 5, 1899: 12, 1900: 7. Die Zahl ist also eine schwankende. Tief zu beklagen ist, daß eine nicht unbeträchtliche Zahl von Confirmanden und Confirmandinnen wegen verschiedenartiger sittlicher Vergehen von der öffentlichen Consirmation hat ausgeschlossen werden müssen. Der Ausfall an Trauungen bei Ehen rein evangelischer Paare hat während deS Berichtszeitraums nur im Jahre 1899 noch einmal zugenommen, ist aber im letzten Jahre 1900 auf ein uoch nicht dagewesenes geringes Maß (1 Procent der Eheschließungen) herabgegangen. Seit der reichSgesetzlichcn Einführung der bürgerlichen Eheschließung sind überhaupt 18 433 Ehen ohne kirchliche Betheiligung geschlossen worden, doch haben zweifellos viele von diesen Paaren die Trauung nachträglich nachgesucht und erlangt. Rein evangelische und gemischte Ehen zusammengenommen betrug in dem zehn jährigen Zeitraum von 1891 —1900 das Jahresmittel 97 Procenk, in dem Jahrfünft 1896—1900: 97,6 Procent, für die vorausgegangenen fünf Jahre 96,3 Procent. Die Zahl der völligen Ablehnungen der Trauung (Trau- ver Weigerungen) — wie die der evangelischen und gemisch ten Ehen zusammengcnommen — hat sich im Verhältniß der Zahl der Eheschließungen einerseits und zum Ausfall an Trauungen andererseits, 1896 wie 1898 ausgenommen, wesentlich gesteigert. Sie betrug im Durchschnitt der Jahre 1891/95: 92 8 jährlich, dagegen im Durchschnitt der Jahre 1896/1900: 103,4. Namentlich ist neuerdings der Antheil der ausdrücklichen Trau verweigerungen an der Zahl der Trauungsausfälle gestiegen (1891: 5,16 Procent; 1900: 7,58 Procent). Die Zahl von 116 Trauverweigerungen im Jahre 1900 ist zwar noch weit entfernt von der bisherigen Höchstzahl 286 (im Jahre 1876), aber doch auch schon wieder recht weit entfernt von der niedrigsten Zahl 27 (im Jahre 1883). Die Zahl der kirchlichen Begräbnisse betrug im Verhältniß zur Zahl der Todesfälle 1891: 96,3 (Minimum), 1899: 98,9 (Maximum), 1900: 98,8 Procent. Neber die sittlichen Zustände in den Gemeinden: Ehescheidungen (erhebliche Zunahme), uneheliche Geburten (der Procentsatz ist etwas günstiger geworden, doch sind Sittlich- keitSverbrechen gerade in Sachsen noch sehr häufig), Selbst morde (stete'Zunahme, hohe Ziffern des obern VogtlandeS), läßt sich der Bericht ziemlich pessimistisch vernehmen. Es sind tiefe Sckatten, welche die unerbittlichen Zahlen auf das ver feinerte Culturleben unserer Tage werfen. Eine gründliche Besserung der sittlichen Zustände will sich noch immer nicht zeigen. Besonders muß der Blick auf die zu einer ungeheuren und unheimlichen Macht der Sünde der Selbstvernichtung, welche je und je die betrübcndste Begleiterscheinung sittlichen Nieder ganges gewesen ist, die ernsteste Besorgniß wecken. Nicht minder bat die Zerstörung und Verwüstung des häuslichen Lebens (ganz erhebliche Zunahme der Ehescheidungen), die unter den gegenwärtigen socialen Verhältnissen und unter den gegenwärtigen Verhältnissen und unter dem Einfluß der naturalistischen, in Literatur und Presse immer stärker hervortretenden, besonders die Jugend berauschenden Zeitströmung bedenkliche Fortschritte macht, für jeden ernsten Beobachter etwas Beängstigende-. Der Er schütterung elterlicher Autorität und der Abnahme kindlicher Pietät, der Lockerung deS Verhältnisses zwischen Herrschaften und Dienstboten, der alles Maß überschreitenden, durch die Ausartungen des modernen VereinSlebenS fortwährend ge nährten Vergnügungssucht und im Zusammenhänge damit dem Anwachsen der Prostitution und Unzucht, der Böllerei und Trunksucht scheint kaum noch Einhalt geboten werden zu können .... Bereits ist daS gegenwärtige Geschlecht in weiten Kreisen der Kirche zu sehr entfremdet. Auch WaS über die Heiligbaltung des Eides berichtet wirb, weist darauf bin, raß Gottesfurcht und vaS seinerc Gesübl für Wahrheit und Recht zwar noch nicht erstorben, aber doch zurückgegangen sind. Die Klage über leichtfertige Eide ist allgemein. -;>. Die Leipziger Freihäuser. (Schluß.) Die beiden Freihäuser auf der Schloßgasse kamen Ende der siebziger Jahre kurz hinter einander in dea Besitz deS Raths, zuerst daS, daö 1541 dem vr. Melchior von Osse gehört hatte. ES lag unmittelbar neben dem Ordinariatshause (jetzt Juridicum) und war in den siebziger Jahren in den Besitz von Georg Blanck oder Planck in Wahren. Blanc! hatte aber eine Schuld vvn 1000 Thalern bei dem kurfürstlich brandenburgischen Hoforganisten Jakob Morß oder Moorß, und da er diese nicht bezahlen konnte, klagte Mvrß und er hielt das Haus am 10. Juli 1576 gerichtlich zugesprochen. Da er aber fremde Leute hineinsetzte, suchte es der Rath an sich zu bringen und kaufte eS von Morß am 13. December 1578 sür 850 Thaler, nachdem der Kurfürst seine Zu stimmung dazu gegeben hatte. AlS das Geschäft schon abgeschlossen war, wurden dem Verkäufer von anderer Seite 900 Thaler geboten. Er bat daher den Rath, indem er darauf hinwies, daß er zum Abschluß deS Geschäfts drei Wochen in Leipzig habe zubringen müssen und dabei allein 50 Thaler verzehrt habe, ihm doch die 50 Thaler und außerdem die Steuer für das kurfürstliche Amt (gegen 30 Gulden) noch zuzulegen; hierzu verstand sich auch der Rath. Auch dieser Kauf hatte einige Jahre später ein Nachspiel. Der Rath hatte bei Abschluß deS Kaufs 500 Thaler an gezahlt, die übrigen 400 Thaler verzinste er. Im December 1583 kam nun Morß und bat um Auszahlung deS Restes. Sowie daS in Leipzig bekannt wurde, meldete sich der Leipziger Instrumentenmacher Peter Zeidler, genannt Hoffmann, klagte, daß ihm Mvrß noch über 143 Gulden für „aberkaüfte Instrument, nnd Lauten" schuldig sei, und legte Beschlag auf das Geld. Aus einer Abrechnung, die er beifügte, ging hervor, daß Jakob Morß zu Neujahr 1580 von Peter Hoff mann für 260 Thaler „zwei Instrument und 6 Lauten" be zogen hatte, die er dann an den Kurfürsten von Sachsen (nicht Brandenburg) weiter verkauft hatte. Hierauf und auf Auslagen für das Haus schuldete er ihm noch die an gegebene »Lumme. DaS Ebelebische Freibaus — daö kleinste von allen, eS stieß an daS Plancksche — ging am 13. Juli 1580 „mir allen seinen Gerechtigkeiten" durch Kauf von Apel von Ebeleben auf den Rathsherrn Georg Hütter über. Hütter trat es aber kurz darauf für 300 Gulden an den Rath ab. Im September bat der Rath den Kurfürsten, ibm auf dieselbe Weise wie zwei Jahre zuvor mit dem Planckschen Freihause, auch mit dem Ebelebischen „FreihäuSleiu" zu belehnen, und nachdem am 3. October die Belehnung auSgeserligl war, wurde am Tage darauf auch der Kaufvertrag zwischen Hütter und dem Rathe vollzogen. Nicht so leicht sollte es dem Rathe mit dem größten und wichtigsten der vier Freibäuser, dem Pflugkschen Frechanse an der Ecke der Sporergasse gemacht werden. Fast andert halb Jahrhunderte hat es noch gedauert, bis er auch dieses endlich unter seine Botmäßigkeit brachte. Von Andreas Pflugk zumKnauthein gingdaSHauS zunächst auf dessenSöhneValentin Pflugk zum Knauthain und HanS Pflugk zum Störmthal über. Tann blieb es in den Händen von deren Nachkommen, bis es im Jahre 1606 Andreas Pflugk zu Eythra und Mausitz dem damaligen Besitzer deS Gutes Störmthal Martin Schumar; von Kriechelbxrg abließ. Als dieser später in Schulden gerietb, sollte es 1615 versteigert werden. Vielleicht suchte es der Rath schon damals in seine Hände zu bringen, L»nu der Sohn deS Besitzers, Gottfried Schumarz, beklagt sich bitter. FeirLlletsn. knospenleben und Ltüthenflor. Eine Aprilwanderung durch Feld und Haag. Von Or. Curt Rudolf Kreusner. Nachdruck verbcNii. Wenn es nach Heine der wundervolle Monat» Mai ist, in welchem alle Knospen springen, so ist dies eine poetische Licenz, die sich der Dichter zwar erlauben darf, die mit den Thatsachen aber nicht im Einklang steht. Wir müßten ein wahrhaft boreales Klima, wie Island oder Spitzbergen, haben, wenn erst im Mai die Vegetation sich zu rühren begänne und das frische Grün aus den Knospen hervorbräche. Aber auch wenn man unter dem Springen der Knospen die Entfaltung des noch geschloffenen Kelches zur vollentwickelten bunten Blume versteht, ist der Mai nicht der prioilegirte Monat des Blühens, denn letzteres zieht sich von Anfang März, wo die ersten Schneeglöckchen und Primeln sich hervorwagrn, bis in den spaten Herbst hin, wenn die Herbst zeitlose auf öder, sturmumwehter Haide ihre wunderliche Blüthe treibt. Mag der Mai auch immerhin den mit Milliarden von Blüthen durchwirkten Teppich unserer Wiesen und der Juni gar die Königin unserer Blumen, die Rose, zur Entfaltung bringen, so ist doch für unsere mittleren Breiten der eigentliche Monat ver wiedrrerwachenden Vegetation der vielgcscholtene, verlästerte April, welcher unsere Sträucher und Laubbäume neu ergrünen läßt, und über unsere Obstgärten den Blüthenschnee ausschüttet. Es wird wohl nur wenige Menschen geben, welche sich nach dem langen und strenge« nordischen Winter, der fast die Hälfte des Jahres «innimmt, dem bezaubernden Eindruck zu entziehen vermöchten, welchen da» Neuerwachen der Natur auf jedes nur einigermaßen empfängliche Gemiith ausübt. Unwiderstehlich zieht es aber namentlich den Stadtbewohner aus seinen Steinkästen hinaus, wenn die Blüthezeit der Obstbäume gekommen ist und der Ausflügler läßt sich in seinem Naturgenuß wenig stören, wenn er auch dabei eine Portion echten, rechten Aprilwetters mit Regenschauern und körnigem EiS in den Kauf nehmen muß. Das eigentliche Wesen deS Knospens und Erblühens ist den meisten, die sich nicht intim mit der Natur beschäftigen, «in fast völlig fremdes Ding, von welchem in mehr oder minder un zutreffenden Redensarten gesprochen wird, die sich durch lang jährigen Mißbrauch ein Bürgerrecht nicht erworben, sondern er schlichen haben. Hierher gehört auch der allenthalben gebrauchte Ausdruck, daß an der Schwelle vom Winter zum Frühjahr di« Knospen hervorbrechen. Der verehrt« L«ser, der nur ein einzige» Mal im Winter «inen Zweig «ine» Strauche» oder ObstbaumeS ab gebrochen und oberflächlich betrachtet hat, wird sich ohne Weitere» von dir Jrrtgtrit dieser Änstcht Über^ugt haben. Di« Kno»pen, welche die Anlage für oic Blätter und Blüthen des nächsten Jahres enthalten, finveu sich schon im Herbste vor, und die ersten Anlagen zu denselben entstehen für das nächste Jahr bei den meisten mehrjährigen Pflanzen sogar balv, nachdem dje Blülhe- zeit des jeweiligen Jahres vorbei ist. Wenn wir darum zu An fang Mai einen abgevlühten Kirschbaumzweig zur Hanv nehmen, so können wir mit dem Mikroscop di« sich gerade um diese Zeil vollziehende erste Keimanlage für Vie Knospen des nächsten Jahres nachweisen, und zwar befindet sich dieselbe immer dort, wo im vergangenen Jahre ein Blattstiel gesessen hat, oder, wie der botanische Ausdruck lautet, in der Achsel der Blätter. Nur wenige Bäume und Sträucher giebt es, an denen wir nicht im Herbst und Winter schon auf den ersten Blick Vic Knospen des nächsten Jahres gewahren. Hierher gehört z. B. die meistens fälschlich als Akazie bezeichnete liobiniu ksoucivuosoia; aber auch hier sind sic natürlich längst vorhanden und wir brauchen nur die paarweise auf den Zweigen aufsitzen- den spitzen Dornen auseinander zu spreizen, um sofort die in einem Grübchen sitzende Knospe zu entdecken. Im Herbste bildet sich zum Schutze der Knospe eine Kappe aus schuppen örmig gebogenen Blättchen, welche obendrein zum besseren Abschluß gegen außen und gegen das Eindringen von Wasser mit einem undurchdringlichen harzigen Ueberzug versehen ist. Unter dieser dicht verkitteten Schutzdecke arbeitet nun das Pflanzenleben den ganzen Winter hindurch in einer äußerlich wenig bemerkbaren, deswegen aber durchaus nicht bedeutungs losen Weise. Die Pflanze scheint zwar den Winter über zu schlafen und di« Knospen unterscheiden sich am Ende desselben, abgesehen davon, daß sie etwas größer geworden sind, in ihrem Aussehen nur wenig von demjenigen, welches sie im Herbst hatten. Inwendig hat aber die Entwickelung nicht stillgestanden; denn wenn cs im Sommer nur einige wenige, fast mikroscopische Spitzen und Zacken waren, welche die Knospe bildeten, hat sich deren Anlage trotz der strengen Winterkält« bis zum Beginn des Frühjahrs wesentlich differencirt. Aus ihren eigenen Nah- rungsoorräthen, welche sie in überreichem Maße bereits im Sommer und Herbst angelegt hat, bestreitet die Pflanze nicht nur das Material zum Weiterbau in d«n Knospen, sondern pro- ducirt außerdem auch so viel Wärme, daß di« feinen Organe der Knospe durch Frost nicht zu Grunde gehen. Die ver schiedenen Höckerchen und Hervorragungen der KnoSp« dehnen sich und strecken sich in die Länge und verzweigen sich nach links und rechts zu einem dichten Geäste. Dies ist daS eigentliche Gerippe des Blattes, welches von den saftführenden Gefäßen gebildet wird, und zwischen diesen entsteht dann im weiteren Verlauf ein ganz dünne» Häutchen, di« eigentliche, zukünftige Blattfläche. Die Anzahl der Blätter, welche in der Knospe angelegt sind, ist bei den einzelnen Pflanzen sehr verschieden. Bei einigen von ihnen sind, wre beim Weinstock, nur wenige Blätter in der KnoSpe enthalten, und die Pflanze treibt bi» in den H«rbst hin ein fortwährend neu« Blätter. Bei anderern tritt, nachdem sich die yrühjahr»knolp«n »oll entfaltet haben, im Juni noch eine zweite Serie Knospen (der Johannistrieb) auf, und noch andere sprengen erst dann die Knospenhülle, wenn die ganz« Blattanlage oer kommenden Vcgetationsperiove vollendet ist. Bei dieser Differencirung in den Knospen findet eine nicht un erhebliche Wärmeentwickclung statt, welche es ermöglicht, vaß sie Blattbildung weiter fortfährt, trotzdem in der freien Lust noch strenge Kälte herrscht, und daß, wenn wirklich erst einmal Sie dicke Eiskruste im Boden durchgethaut ist, das Grünwerden so rapid schnell vorwärts geht. Gleichzeitig mit den grünen Blättern erscheinen aber bei den meisten Bäumen auch die Blüthen. Besonders unsere Obst bäume haben es damit so eilig, daß bei «inigermaßen reichlichem Ausfall der Baumblüthe unter dem dichten weißen oder röthlich weißen Blumenflor das grüne Blätterwerk kaum sichtbar wird. Dies könnte nicht der Fall sein, wenn nicht die Knospen auch schon die völlig vorgebildeten Bküthenanlagen enthielten. Im Allgemeinen entsteht nun die Blüthe wie jede andere pflanzliche Sprossung als halbkugeliger, warzenförmiger Körper aus Bildungsgewebt, an dessen äußerem Rande sich zuerst die Kelchblätter und dann die Blumenblätter herausbilden; beide sind genetisch mit den grünen Laubblättern äquivalent und unter scheiden sich von ihnen nur dadurch, daß an der Achsenspitze das Wachsthum sehr bald aufhört, so daß es den Anschein hat, als ob die benachbarten Blumen- und Kelchblätter die eigentlich end ständigen Organe wären. Die ursprüngliche Anlage dieser Blüthen ist so klein, daß, um nur ein Beispiel anzuführen, sämmtlich« Blüthen einer Kerze unserer Roßkastanie sammt den darunter stehenden Laubblättern, inSgesammt etwa 10 000 ein zelne Blätter, in einem gewissen Stadium der Entwickelung nur den Platz eines Kubikcrntimeters einnehmen. Sie wachsen aber dann überraschend schnell, damit sie rechtzeitig der Aufgabe ge recht werden können, das Brautgemach für daS ewig neue Ge- beimniß der Fortpflanzung, der Vermählung von Samen und Ei auf der Narb« der Blüthe zu bilden, und damit es den «den ent stehenden Keimen einer neuen Generation nicht an der schützen den Brutwärme fehlt, entwickelt sich in der nächsten Nähe der Blüthe und in derselben eine Temperatur, welche meistens um 3—4 Grad, manchmal aber auch um 10—20 Grad höher ist als diejenige ihrer Umgebung. ES wird sich gewiß schon Jeder die Frage vorgelegt haben, auf welche Weise die überraschend« Mannigfaltigkeit der Blumen pracht in Gestalt und Farbe zu Stande gekommen ist. Wir be zeichnen im gewöhnlichen Sinne deS Schmuckes für unsere Gärten und Zimmer nur solch« Blüthen als Blumen, welche eine große lebhafter gefärbt« weiße, gelbe, rothe, blaue oder sonstwie farbige Krone besitzen, die sich von den grünen oder grünbraun«n Tönen der Blätter deutlich abhebt. Daneben existirrn aber zahllose Blüthen, welche unscheinbare, winzige, meist blumenblattlose Hüllen tragen. Zeichnet sich di« erste Classe durch auffällige Gestalt und Farbe aus, welche man in der Pflanzenphysiologie als Schauapparate bezeichnet, so be sitzt die ander«, namentlich die sog. Kätzchenbäume und Sträucher I wie Weiden und Haselsträucher einen g«rad«zu phänomenalen j Reichthum an ieichtbeweglich«m Samen, der wie ein feiner dichter Staub durch den leisesten Luftzug überall hin verschleppt wird. In der That besorgt nun auch bei letzteren, den sog. Windblüth lern oder Anemophilen, der leise Hauch der Luft die Uebertragung des Samens auf di« weibliche Narb«, während bei den färben prächtigen Blumen der ersten Classe, den insectenblüthigen Pflanzen oder Eirtomophilcn, das zahllos« geflügelte Heer der Schmetterlinge, Käfer und Jnscctcn, die sich von Blüthe zu Blüthe schwingen, dieses Uebertragungsgeschäft übernehmen. Diese eigentliche Differenzirung ist nun das Ergedniß eines oieltausendjährigen Züchtungsprocefles, dessen Ende noch keines wegs abrusehen ist. In früheren geologischen Epochen entbehrte die Erve gänzlich des eigentlichen bunten Blumenschmuckes; un geschlechtliche, kryptogame Pflanzen, wie sie namentlich zur Bil° düng unserer Steinkohlen beigetragen haben, bedeckten den sumpfigen Boden. Als dann später Pflanzen entstanden, deren phanerogame Fortpflanzung in der weiblichen Narbe der Blüthe erfolgt, geschah die Uebertragung des Samens von vornherein entweder durch den Wind oder durch honigsuchende Jnsecten. Pflanzen mit ungeheuren Samcnmaffcn bedurften begreiflicher Weise Dank dem Winde zu ihrer Fortpflanzung nicht der Jn secten; sie konnten sich daher auch den Luxus einer auffällig ge stalteten und gefärbten Blüthe ersparen. Die anderen Blüthen mit spärlichem Samen waren aber gar sehr auf die honig suchenden Jnsecten angewiesen. I« mehr sie im Stande waren, durch eine farbenreiche Reclame ihren Honig ihren geflügelren Gästen anzupreisen, um so eher wurden sie von diesen Thieren aufgesucht und durch Uebertragung von Pollen befruchtet. Die kleinen, nahrung-fuchenden Thiere haben in dieser Weise, ohne es zu wollen, ähnliche, aber viel wunderbarere Ergebnisse erzielt, als unsere Gärtner bei ihren KreuzungS- und ÄeredeilungSoer- suchen. Untersucht man die Flora der verschiedenen Länder auf Farbe, so ergiebt sich im Allgemeinen eine Zunahm« der gelben und rother. Blüthen nach der ivarm«n Zone hin, während der Norden das Land der weißen Blüthen ist. ES sind natürlich die günstigern Licht- und Temperaturverhältnisse, welche di« Farben Pracht des Südens heroorzaubern. Am allerungUnstigsten für den Jnsectenbesuch ist di« blaue Farbe; sic wird daher verhältniß- mäßiq am seltensten angetroffen; am befkn hebt sie sich noch im Frühjahr, wo das Grün der Vegetation noch nicht so dominirend geworden ist, vom braunen Erdboden ab, und «» ist daher kein Zufall, daß sich namentlich viel Frühlingsblumen, wie Veilchen, Leberblümchen, Scilla und Lungenkraut in die Ferrbe d«S Htm mels und der Hoffnung kleiden. Leider reifen, wie schon Goethe den Prometheus sprechen läßt, nicht alle Blüthentrirume. Nur «in geringer Theil des Blüthen flor», Sen wir zur Zeit der Baumblüthe erblicken, entwickelt die volle Frucht. Wir ;eh«n die» namentlich in Jahren, in welchen die Baumblüthe durch anhaltende Regengüsse gestört wird. Der Ertrag der Obsternte ist dann ein höchst kümmerlicher, währens sich vielleicht schon im nächsten Jahr« die Aeste unter der Last der Frücht« Li» zum Brechen bürgen.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite