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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.04.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010422020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901042202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901042202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
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- Tag1901-04-22
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M Kathartneastr. part. »ab KSmgsplatz 7. Bezugs,Preis k» der Hauptexpedition oder den 1» Stadt bezirk und den Bororten errichtete« Aus gabestelle» ab geholt: vierteljährlich 4 80, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau» 8.80. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: viertrljährl. ^l S. Man abounirt seruer mit entsprechendem Postaufschlag bei den Postanstallen in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland. Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Douaustaaten, der Europäischen Türkei, Ägypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese« Blatte- möglich. Die Morgen-Ausgab« erscheint um >/,7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag« um 8 Uhr. , LrLactiou und Expedition: Johannttgasse 8. Filialen: Alfred «ahn vorm. O. Klemm'» Sorftm. UmversitätSstraße S (Paulinum), Abend-Ausgabe. Leip)igcrTagtl>lait Anzeiger. Amtsblatt des Königliche« Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes «nd Volizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Montag den 22. April 1901. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petltzcüe 25 H. Reklamen unter dem Redactionsstrich («gespalten) 78 H, vor den Familtennach- richten («gespalten) 80 L,. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteuannahme 28 H (excl. Porto). Extra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 66—, mit Postbeförderung .M 70.—. Änvahmeschinß für Anzeige«. Ab end-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richten. Di« Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 93. Jahrgang. Die Wirren in China. Zur La«e. L-ntzon. 22. April. (Privattelegramm.) Au« englischer Diplomatenquelle verlautet: Di« Krisi« in China ist in eine nru» Phase getreten infolge diplomatischer Complicationen, worüber London mit Berlin und Washington unterhandelt. Eia neuer Schachzug Rußland« gelte al« bevorstehend. * Peking, 2l. April. (.Reuter'« Bureau".) Die Pendschab. Compagnie, die, wie gemeldet, bei Suningfu rin Gefecht batte, war dorthin von Schanhaikman entsandt worden, um eine Räuberbande zu zersprengen. Außer zwei Tobten hatte die Compagnie mehrere Verwundete. Der Feind war anscheinend mit modernen Gewehren gut bewaffnet. * Shanghai, LI. April. (Daily News.) Wie die Eingeborenen berichten, hat Feuglopetrai mit 6000 Man» Infanterie und 2000 Mann Cavallerie, gut bewaffnet und diSciplinirt, kürzlich Tjcheugufu auf dem Marsche nach Singaufu passirt. Der Tartarengeneral la Mulden (Mandschurei) verschaffte sich von den Russen 400000 TailS zur Schaffung einer Militärvolizritruppe. AIS Sicherheit verpsäadete der General die Land- und Personalsteuer. Zum Brande des Winterpalastcs in Peking. Der „Frkf. Ztg." wird geschrieben: Da man sich nun in Europa unter einem Palaste etwas ganz anderes vorzustellen pflegt, als man in China unter Palästen versteht, «wird es vielleicht nicht unangebracht sein, den bisherigen Aufenthaltsort des Hauptquartiers des Grafen Waldersee etwas näher in Augenschein zu nehmen. Auf der Deichsel des Maulthierkarrens sitzend, erreichen wir den W i n te r p a la st nach etwa dreiviertelst-Ündiger Fahrt vom Gesandtschaft-viertel aus. Lin verständiges Maulthier legt den Weg auch in kürzerer Frist zurück. Die durch ihre Einsamkeit und Kahlheit wirtenden Vorhöfe zum Palast, die von einander durch dunkle große Thore getrennt und nach außen hin durch gewaltige hohe Mauern abgegrenzt sind, werden ohne Aufenthalt passtrt, nicht ohne daß man das Gefühl hätte, daß derartige Thor« und Plätze ungemäthlich sind und wohl der Schauplatz düsterer Lhaten werden lönnten. — Bevor man aber den eigentlichen Palastgrund betritt, hat man die deutsche Wache zu Pas- stren, und daß dies« ihr« Pflicht, keinen Unbefugten rintreten zu lassen, wenigsten» Europäern gegenüber ernst genug nimmt, da von hab« ich mich persönlich überzeugen können. — Der Winter palast selbst, der an Ausdehnung allerdings mit seinen Gebäude- complexen, Tempeln und Gartenanlagen unsere Erwartungen übertrifft, ist ein höchst enttäuschender, wenn man vor seinem Besuche Beschreibungen von ihm gelesen hat, die höchst wahr scheinlich von Leuten gegeben wurden, die nicht der eigenen Be obachtung, sondern der leichter zu habenden chinesischen, und da her stets übertriebenen, Schilderung Ausdruck geben. — Die Anla^n erheben sich nicht über Mittelmäßigkeit; die so viel ge rühmt Marmorbrück« vermag uns absolut keine Bewunderung abzuringen, weil sie in der That nichts Verwunderliches Hai, weder an Größenverhältnissen, noch an Schönheit, und die zahl reichen Gebäude sind äußerlich anderen chinesischen Häusern so ähnlich, wie ein Ei dem andern. Der See, in dessen Mittelpunct da» „Schloß" Kegen soll, in dem der von der bösen Kaiserin- Wittwe gefangen gehaltene Kaiser seine Strafzeit für die Reform versuch« verlebt haben soll, ist ein ziemlich elender, halb versan deter Teich, und das Schloß, oder der Palast auf dir Insel, «in nicht übertrieben großes Sommerhäuschen. Freilich rm I n - nein deS eigentlichen Winterpalastes sieht man noch kaiserlichen Prunk in wunderbar geschnitztem und reich vergoldetem Holzwerk und in Seidenstickereien aller Art, aber das ist auch das Einzige, was uns den Eindruck von Reichthum zu geben vermag. Die Tempel lassen, wie alle chinesischen Tempel, den Beschauer nicht warm werden. Nicht etwa, daß uns der Stil abstiehe, nein, mich stieß vor allen Dingen die Unechtheit ab. Alles ist Schein. Wie in Li-Hung-Tschang's Tempel in Tschifu wird man auch hier den Eindruck nicht los, daß die Götter betrogen werden sollen, daß man annimmt, di« Himmlischen wüßten nicht zu unter scheiden zwischen echten Metallen und Steinen und falschen, zwischen Marmor oder Steinwerken und bunt angrtünchtem Stuck. Die Ueberreste der kaiserlichen elektrischen Bahn mit ihren zweryhaftrn Wägelchen erinnern an Kinoerspielzeug, und selbst di« kaiserliche Staatskutsche, mit ihrem allerdings heute zer fetzten und zerstochenen gelben Drachenpolster vermag uns nicht den Eindruck eines nur einigermaßen kaiserlichen Prunkes zu goben. Weshalb man die Wagen der elektrischen Bahn und die kaiserliche Staatskutsche zerstörte, weiß ich nicht, und ich habe mir darüber, weil wir uns nun einmal in einem Kriege befinden, auch nicht iveiter den Kopf zerbrochen, da ich selbst immer di« Ansicht vertreten habe, daß cs das Richtigste gewesen wäre, ganz Peking n^bst Paotingfu für seine Verbrechen zu zerstören, und den Druck auf China von den Küstenstädtcn, oder besser gesagt von den europäischen Niederlassungen aus, auszuüben. Die kaiserlichen Gebäude im Winterpalast hatten «in durchaus militärisches Gepräge «rhalten, al» ich sie sah. In dem Gebäude, welches früher den Köbsweibern zur Ver fügung stand, lag das Musikcorps d«S trefflichen Capell- meisters Mablm-nn, und merkwürdig genug hörte es sich in diesen chinesisch-verschnörkelten Räumen an, wenn Wagner'sche Weisen einstudirt wurden. In den verschiedenen Tempclgebäuden lagerten Truppen verschiedener Nationen, und vor einem Tempel lagen, zu hohem Berge aufgehäuft, di« chinesischen Joste oder Götzen, die lebenden Soldaten hatten Raum machen müssen für di« Aufspeicherung prosaischer Gepäckstücke. Steigt man hinauf zum dreifachen Gesicht des allergrößten der Götzen, von dessen Schultern unzählige weiß angestrichene Stangen, die in ebenso viele Holzhänochen enden, ausgehen, und wahrscheinlich ein Bild der Allmacht s«in sollen, so thut «S einem in der Seele leid, daß nicht auch dieses Monstrum von Häßlichkeit draußen bei den Bronzegöttern liegt. Doch über Geschmacksrichtung ist nicht zu streiten und ich muß denn auch zugeben, daß man von chinesischem Dtandpuncte aus vielleicht Manche» schön finden, kann was un» geradezu ungenießbar oder lächerlich erscheint. Weiter muß ich zugeben, daß man von dem künstlich errichteten Kohlenhügel aus, den man durch sein Inneres ersteigt, einen guten Ausblick auf die ganze Anlage des Wmterpalastis hat, die Großartigkeit der A n - lag« zu bewundern nicht umhin kann. Nun kann mir aber die Großartigkeit einer Anlag« nicht sehr imponiren, wenn man zu deutlich sieht, daß entweder die Mittel zur Auiführung des groß artig angelegten Planes fehlten, oder daß die den Plan Durch führenden vor den Kosten zurückschreckten und deshalb Schein werke an Stelle echter Werke treten ließen. Eins aber wird dem Beschauer dieser Pseudoherrlichkeit unbedingt klar, nämlich, daß die g a n z e n G eb ä u d e wie Zunder brennen müssen, wenn man sie brrnnen lassen will. Ein Officier, der im Häuser- ackbremttn einige Fähigkeit zu besitzen behauptete, versichert« mir «inst, daß Lhinesenhäuser prachtvoll brennten — „wie die Fackeln" — wenn man nur für ein Loch im Dache sorgte. Nun, un Wintenpalaste war diese Vorsorge überflüssig, denn diese mit brennbaren Gegenständen vollgestopften fast ganz hölzernen Ge bäude müssen „wie eine Fackel" brennen, wenn man auch nur im Geringsten mit dem Feuer unvorsichtig umgeht. Steht aber ein mal ein solcher natürlicher Scheiterhaufen in Brand, so kann ihn die bist« Feuerwehr der Welt nicht mehr retten, und di« Insassen können von Glück sagen, wenn sie den rasend um sich greifenven Flammen mit heiler Haut entkommen. So ging es dem Zahl meister in Tientsin, der bei dem Brande seines Regiments - Bureaus nur mit Pantoffeln und Nachthemd bekleidet durch «ine kurz vorher zufällig auf seine Anordnung gebrochene Fensteröffnung dem schnell um sich greifenden Elemente entwich; so ging es den Officier« n der berittenen Infanterie in Peking, die nichts retteten, als das, was sie auf dem Leibe trugen, trotzdem das Feuer nicht in der Nacht, sondern Sann ausbrach, als sie beim Essen saßen und alle Mannschaften zur Löscharbeit zur Verfügung hatten. — Keine bessere Erfahrung machte die provi sorischeNegiirung in Tientsin, die aus dem brennenden Hamen nichl einmal ihre Acten alle zu retten vermochte. (Schluß folgt.) Der Krieg in Südafrika. Englische Rückschritt« Nach dem eben auSgrgebenen englischen Blaubuche gab Milner, der „Generalgouverneur" ter beiden neuen „Colonien", kur; vor seinem Urlaubsgesuch in einem sehr ausführlichen Schreiben an Chamberlain einen Rückblick über die Ereignisse während deS letzten Halbjahres, dem wir folgende Abschnitte entnehmen: „ES hat keinen Zweck, es zu leugnen, daß daS letzte Halb jahr eine Zeit deS Rückschritts war. Bor siebe» Monatea war die Capcolonie wenigstens bis zum Oranjefluß hin vollständig ruhig. Die südliche Hälsle der Lranjesluv-Eolonie war im Proceß schneller Consolidirung, und sogar ein erheblicher Tdeil von Transvaal, namentlich die südwestlichen Districte, schienen di« britische Oberhoheit endgillig angenommen zu haben und schienen sich der Gelegenheit zur Rückkehr zu geordneter Regierung und zu friedlicher Thätigkrit zu freuen. Heute hat sich daS Bild vollständig geändert." Um die Mitte des IabreS 1900, so führt Milner näher auS. babe ein friedliches Bestreben geherrscht, die Bewohner seien deö Kriege» satt gewesen. Aber die Engländer hätten e» nicht vermocht, da» Land vor Einfällen der Boeren zu schützen, vie Bewohner der Farmen in dem von den Boeren überschwärmttu (Neblet hätten sich pn diese an schließen müsse») weil 'sie sich nicht gegen sie hätten wehren können, und Biele hätten darum den Unterthanen- eid brechen müssen, die ihn gern gehalten hätten. Dann mußten die englischen Truppen wieder über daS Land berfallen und Schuldige mit Unschuldigen bestrafen. „Männer, die uns tbatsächtich treu geblieben waren, wurden in einigen Fällen zu Kriegsgefangenen gemacht, oder sie sahen ihr Eigenthum zerstört, nur weil e« un möglich war, zwischen ihnen und der größeren Zahl derer, welche den Eid gebrochen batten, einen Unterschied zu macken. DaS führte natürlich dazu, daß die Reihen der Feinde verstärkt wurden.... Die jetzige Lage der Dinge so wohl in den neuen Territorien wir in einem großen Theile der Capcolonie ist, wenn nicht die kritischste, dann doch vielleicht die am meiste» Kopszerbrechen bereitende, der wir je seit Beginn des Krieges gegenüber standen." Milner hält es für unmöglich, zu verhindern, daß Schaaren von Boeren über die Grenze kommen, und die einzige Hilfe dagegen erblickt er in der Bewaffnung der loyalen Bewohner der Capcolonie. „Die selben sind", schreibt Milner, „ganz und gar des Krieges, ver Biel« von ihnen ruinirt und fast Allen erhebliche Opfer auferlegt hat, satt. Aber dieselben möchten lieber den Krieg unbestimmt lange fortgesetzt sehen, als die Gefahren eines CompromisseS auf sich nehmen, das auch nur die ent fernteste Möglichkeit der Wiederkehr einer so furchtbaren Geißel zuläßt." Acht Tage darauf ersuchte Milner unter Hinweis darauf, daß er zwei Zabre ununterbrochen in Thätigkeit gewesen sei und daß nach Beenvigung des Krieges von ihm vie admini strative Reconstruction vorgenommen werden müsse, um Ur laub. Nach fünftägiger Uebrrlegung beantwortete Chamber lain das Gesuch zustimmend und fügte hinzu: „Ich setzte voraus, daß Sie nickt über drei Monate von Südafrika ab wesend zu fein beabsichtigen." * Cavftaöt, 2l. April. („Reuter's Bureau".) Der Bruder des früheres Ministers Sauer, einer der zur Zeit in England sich aufhaltenden Afrikander-Delegirteu, wurde als einer der Führer der Caprebellen überführt. Der UrtheilSjpruch über ihn ist aufgeschoben worden. * Lonvo», 22. April. (Telegramm.) Wie Lord Kitchener unter dem 20. April auS Pretoria meldet, sind von den Generalen Blood, Beatson, Plumer, Kitchener und Benson seit dem 16. April lOl Boeren gefangen genommen, 100 000 Pfund Gewehr munition, 200 Pferde, sowie zahlreiche Wagen und Vieh erbeutet worden. * London» 22. April. Die „Times" melden auS Pretoria: Das Hauptquartier deS Generals French kehrte vom Osten Trans vaals nach Johannesburg zurück und berichtet, daß im Osten unter den Boeren dieselbe Hoffnungslosigkeit herrsche, wie überall, daß aber die Macht der sogenannten Regierung eine perjöoliche Action nicht zulasse. General French muß wegen eines leichten Unwohlseins kurze Zeit der Ruhe pflegen. * Lapstaot, 14. April. („Reuter's Bureau".) Bisher find hier 456 Pcstsälle vorgckommeu, von Vrueu 18» tödtlich verliefe». Politische Tagesschau. * Leipzig, 22. April. Am Freitag verschob der Reichstag die Brrathung der zum Urheberrecht cingebrackten Resolutionen au- dem Grunde, weil man an« Sonnabend eine stärkere Besetzung de- Hauses erwartete. Aber siehe da: Präsident Graf Ballestrem mußte die Sitzung bei einer Anwesenheit von etwa 20 Abgeordneten eröffnen und die erste Resolution, welche beantragt, daß die Uebertragung von Musikstücken auf solche Instrumente, die zu deren mrchaniscker Wiedergabe dienen, nicht zulässig sei, gelangte mit ungefähr 24 gegen 12 Stimmen zur Annahme. Angenommen wurde eben- sall» die Resolution, welche ven Urheberschutz auf Werke der bildenden Kunst und der Photographie gegen unbefugt« Nach bildung und auf Muster und Modelle au-zudehnen die Re gierung auffordert. Die Resolution Büsing: baldmöglichst eine Strafgesetznovelle vorzulegen, welche den „fliegenden Gerichtsstand der Presse" beseitigt, wurde gegen die Stimmen der Socialdemokraten und Freisinnigen angenommen, abgelebnt dagegen die gutgemeinte, aber schwer durchführ bare Resolution, welche bei neuen Ausgaben von nicht mehr geschützten Werken der Literatur und Tonkunst den Verlegern und Unternehmern eine Abgabe zur Bildung einer Unter- stützungSeass« für bedürftige Hinterbliebene von Autoren aus erlegen will. Die zweite Berathung deS Verlagsrechts gestaltete sich viel weniger umständlich, als die des Urheber recht«. Hier war eS in-besonvere die schon in der Commission vielumstntlene Frage der Uebertragbarkeit des Verlagsrechtes, Feuilletsn. Der Oger. Roman von Hsrmann Birkenfeld. Hochdruck »krtoU» Der „junAe Herr" wettert so selbstbewußt über de» Onkel» un verantwortliche Handlungsweise — ihn zera.de jetzt, wo man all« Hände voll Arbftt habe, in dem Wirrwarr der Geschäfte allein zu lass«» — daß sie mit stummem Achselzucken und einem langen Blick auf Rudolf aus 'der Thür geht. Hat sie mit den Auaen gewinkt? Jedenfalls ist Rudolf ihr sehr bald gefolgt. „Wenn die Geschäft« drängen Ich fühle mich ohnehin so überflüssig hier; vielleicht könnte ich —" ^So glauben Sie an das Märchen von der Arbeitslast? Ach nein, d-ie ist'» nicht. Ich wette, daß noch eine reichliche Stunde vergeht, ehe der Ueberburdete sein« Zeitung gelesen, sein« Morgen cigarre geraucht Hai und seinen gewichtigen Fuß in >di< Hutt» oder in» Comptoir setzt. Aber der gnädige Herr find uniwirsch, und da» müssen doch Andere zu fühlen bekommen. Rücksichten diebt'» da nicht. Und dem wollten Sie bei seinem Nichtsthun helfen? Ich glaube, dazu haben Sie gar nicht da» Zeug. Damit Sie sich aber nicht mehr überflüssig fühlen, wie Sie sagen, mögen Sie meine kranke Nähmaschine in ärztliche Behandlung nehmen. Sie ist schon seit acht Lagen Patientin und hat «igent» lich mehr zu thun, al» Herr Fritz." Am dritten Tage gegen Abend — gerade, al» der Wsber'sch« Schimmel mit dem Halbverdeckten dahinter um die nächst« Weg eckt biegt — steht er, die Füße ip Onkel Gerh-rV» herbsten Rind-ledern,n, und diese wieder einen Fuß tief im Morast, an «tmm Durchlaß, dessen Verstopfung mit einer Ueberfchneemmung dreht. Onkel Gerhard giebt dem neben ihm sitzenden Kutscher di, Zügel, läßt halten und klettert lachend au« dem Wag«n. „Mußtest Dir Arb^t machen? —> Irgend nn bischen um d« Hand, wie mein Vater zu sagen pflegt«? Ist ober recht von Dir und sieht Dir ähnlich. Da- gnädig« Fraulein in kpra- Fnsen wußte in Betreff diese» ja auch Dein Lob zu singen — d-ch Mtn, st« flötet liebn. Flötet famo», » la t«nn« staurol — Wie heißt'» doch bei Shakespeare, „Romeo und Juka", Act drei? — E» war die Nachtigall und ntcht d» Lerch«. Meinrtholben wich abwechselnd die Eine und dir Andere." Rudolf hat die Rindsledernen aus dem schlammigen Grunde gezogen und steht mst offenem Mund« vor dem Riesen, die dicke Stange, mit der er in dem Erdloch Hemmgebohrt hat, in Der Hand. „Du warst beim Baron?" fragt er endlich. „Wo sonst? Sollte ich mich etwa in Braunschweig au dem nneserigen Sommertheater begeistern oder piksolo 'ne Ver gnügungsfahrt in den Harz unternehmen? Hatte ja nur die Wahl, mit einem Dutzend mehr oder minder gerissener Geld menschen zu verhandeln oder mit Deinem Baron selbst, der sich übrigens als ein prächtiges Denkmal aus großen Tagen präsen- tirte. Potz Colomb! Das Kraftwort hatte ich von meinem Vater selig so oft gehört, daß es mir aus dem Munde des Herrn von Rheinern und seines alten Schweden — denn Christian Flügge auf dem Buchberg ist doch noch Schwede von Geburt — wie Musik klang. Hätt's mir bei den Beiden schlechter gefallen, so wäre ich schon gestern wredergekommen." Doctor Weber ist offenbar in vorzüglichster Stimmung. „Du mußtest gestern in der Haide sein. Gerade Du!" Weber nickt. „Wäre am liebsten gleich da geblieben, zumal jetzt, zu Beginn in der Ernte. Potz Colomb — um mit dem Zwickauer zu reden — ist da» da 'ne Heidenwirthschaft! Und al» primum nicht» dahinter, al» Dein tapfere» Fräulein — brauchst nicht roth zu nxrdrn, m,in Junge. Ich bin'» nicht 'mal geworden, alt st» mir mit voll» Zustimmung ihre» Herrn Vater» auf meine Bitte zum Abschied «inen regelrechten Kutz gab — dahin!" Der Gvaubart lacht behaglich, als er sich mit dem Tuch, Vas er kn der Hand hält, auf di, recht« Wange tupft. Rudolf aber starrt verlegen zu Podsn. Hat st, ihm gesagt „Pie ist — der Baron kann ja nicht Ich glaube auch, daß die Bewirthschastung des Gutes viel zu wünschen läßt" bringt er schlioßkich hervor. „Alle»", antwortet der Alt». „Allas. Weshalb ich mich unter Anderem erbot«: habe, ihnen eimn tüchtigen Inspektor zu b«. sorgen." „Hast Du schon Jemand dafür in Aussicht?" fragt Rudolf, froh, daß da» Gespräch ein« mehr sachliche Wendung nimmt. Der Doctor schmunzelt. „So hakb und halb. Am liebsten ginge ich sekbst hin, aber — bas geht ja nicht. Ich kann nicht Knall und Fall Alles liegen lassen, wie'» liegt, hier, wo ich mit Kopf und Geld und auch einen gutem Thkil meine» Herzen» in dem Hüttenkram stecke. Und dann >die verschtedenen Boden- und Arbeittvechältnjsse! Nein, nein, e» geht nicht. Einen alten Baum soll man nicht ver pflanzen. Da muß schon ei» Jüngerer aushelfen. Und — na, kommt Zeit, kommt Rath!" Die feinen, scharfen Falten in des Doctors Augenwinkeln haben sich noch nicht geglättet. Mit behaglichem Blinzeln sieht er Rudolf an. „Um von etwas Anderem zu'reden — Tein Jodocus Wirsch, Dein Schulmeister! Mein Mann stu'oirt, sagt mir seine Frau und führt mich in sein Arbeitszimmer. Das Ding ließ sich wohl so an, aber Herr Wirsch sah nicht sehr veranlagt aus. Ein paar Dutzend Bücher lagen auf dem Tisch, als ich eintrat, und der Studiosus erhob sich mit glübendem Kopf von seiner Sisyphusarbeit. Der letzter« Ausdruck stammt, nebenbei bemerkt, von ihm selber, nicht von mir. Denn im Laufe meiner Unter- und Verhandlung erfuhr ich — so auf die Art, wie man in einem Brief zwischen den Zeilen liest — daß Frau Alma, geborene Fehlhaber, nicht nur Moneten, sondern auch Ehrgeiz mit in vie Eh« gebracht hat, und daß es ihr kein« innere Befriedigung gewährt, zeitlebens Frau Schullehrer in Sprakensen zu spielen. Frau Rector oder Frau Seminarlehrer, das wäre was Anderes. Und deshalb muß Jodocus studiren. Ich könne mir keine Vorstellung machen, welche Anforderungen heutzutage in Mittelschul und Rectorats- prüfungon gestellt würden, und dann — was Hänschen nicht ge lernt hab«, werde dem Han« jetzt sehr sauer, seufzte er, und ich glaubte ihm Beides. Mir die Hypothek von dreißigtausend Mark abzutreten, weigert« er sich allerdings sehr bestimmt, und erst, als seine Frau ihm versprach, ihm bis zu dem gefürchteten Examen noch «in halbe» Jahr Gnadenfrist zu bewilligen, da gab er — mit einer höchst schmerzlichen Grimasse, di« zwischen >vem unvertilg baren Groll gegen das freiderrkich« Haus und der Furcht vor seiner besseren Hälfte die Mitte hielt, endlich nach, zumal er sah, daß ausreichende Deckung vorhanden »n!d sftn Widerstreben auf die Dauer zu nicht» nutze wäre. Al» Anerkennung für seiireu guten Willen und al» Pflaster aus die Wund« in Frau Alma'» ehrgeizigem Busen habe ich dann versprochen, bei dem zuständigen Schulrath in Lüneburg, der mir von der Hochschule her befreunvet ist, rin Wort für Jodaeu» einzulegen, wa» ich gleich morgen und um sa lieber thun werd«, al» Dein Baron dadurch «in« unerquick liche Nachbarschaft los wird. Mein« Schuld von zweiundvierzig- tausendsechshundert unld ein paar Mark habe ich dann dem Baron «ingehandigt, in anständigen Papieren, mit denen er sich helfen muß," Die letzten Worte gaben Rudolf Lammert's Gedanken eine» förmlichen Ruck. „Du wjSst D» hast im Ganzen über sirbzigtauseud Mark geopfert?" Weder lächelt. „Geopfert? Ist mir nicht eingefallen. Erstens halbe ich meine Schulden bezahlt, und zweitens ist bei einigermaßen ver ständiger Bcwirthschaftung des Gutes sie Hypothek des Herrn Jodocus eine ebenso sichere Capitalsanlage, wie jede andere, nur mit dem Unterschiede, daß ich in Sprakensen eine Art Ide« ver folge — Prioatsport. Doch — da fällt mir ein — hier greift der Doctor in die Brusttasche — ich haft« da einen Brief — nein, gleich zwei, die der Postbote gerade vor meiner Abreise brachte." „Nach Sprakensen für mich?" fragt Rudolf erstaunt. „Für wen sonst? Di« Sache scheint mir doch leiblich plau sibel: Deinen hiesigen Aufeifthalt wußten die Leute in Bremen wohl schwerlich." „Ich habe allerdings erst gestern an meinen Chef geschrieben, daß ich morgen etwa zurücktehren würde." „So — so?" fragt der Doctor gedehnt. „Hättest mich allen falls erst drum fragen können. Doch, gleichviel — frühestens heute Morgen könnte Dein Brief an seine Adresse gelangen, und verweile — Weißenhaus kennt man dahinten nicht, die Namen von Rheinern und Sprakensen aber pfeifen um das Haus Friedrich Wilhelm Langsen herum, scheint's, die Spatzen von den Dächern." Von der vergnüglichen Miene des Onkels nimmt Rudolf kein; Notiz. Die beiden Briefe brennen ihm in der Hans. Die Firma F. W. Langsen steht auf dem einen; der Umschlag des anderen, schivereren enthält kein« Angabe de» Absenders. Wittwe Wiemann in der Pfotengasse zu Bremen fährt mkt verdrießlichem Gestöhn aut ihrem Lehnstuhle am Küchenfenster in die Höhe, um zu sehen, wer denn da die Corridorklingel reißt. „Wie'n complett Wilder!" brummt sie. „Ist ja heut« ein netter Tag! Kaum daß der Mensch seine Kaffeeruhe kriegt!" Da über diesem knappen Monolog die Klingel schon zum zweiten Male schrillt, reißt sie die Thür mit einem Ruck auf, prallt aber sogleich blassen Antlitzes zurück. „Du meine Seele, Herr Lammert! Haben Sie mich er schreckt! Ich hatte ja keine Ahnung, wo Sie waren, und nun mit 'n Mal so plötzlich —" Ehe sie noch recht wieder zu sich gekommen ist, steht Rudolf Lammert schon in seiner Stube, wirft Hut und Tasche auf das Sopha und schließt nebenan den Kkeiderfchrank aus. Die» graue Jacket da gehört zu feinem ArbeitSanzuge. Den hat er neulich getragen, als Helene Rheinern bei ihm war. Hastkg durchsucht- er die einzelnen Taschen. Die beiden Geldbriefe, deren Besorgung ,r dem Geschäftidiener Johann Dransfeld ab genommen und die ihm im «luthetfer für dir Rheinern'sche Angelegenheit bis gestern Abend nicht wieder in den Sinn ge-
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