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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.04.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010423022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901042302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901042302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-04
- Tag1901-04-23
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April gemeldet: Botha'S Frau kehrte heute zurück, nachdem sie ihm neue englische Friedens vorschläge überbrachte. Sie soll «in wiederholtes Zusammen treffen Kitchener'S mit Botha vermittelt haben. * London, 23. April. (Telegramm.) Die Morgenblätlrr berichten aus Stand er ton unter dem 22. Avril: Frau Botha, die Gattin deS Oberstcommandirendra der Boeren, ist soeben von einem zweiten Besucht bei ihrem Gemahl zurückgekehrt. Sie scheint große Hoffnung zu hegen, daß ihre Bemühungen, den Frieden herbeizusühren, Ersolg haben werden. Sie hat sich jetzt nach Pretoria begeben, um Lord Kitchener über ihren Besuch bei ihrem Gatt« Bericht zu erstatten. ES wäre nicht zu verwundern, wenn englischerscitS neue Versuche gemacht würden, die Boeren durch direkte Ver handlungen zur Niederlegung der Waffen zu bewegen; wird doch die Reise Miloer'S nach London jetzt allgemein als die Beseitigung eines der Hindernisse sür daS Zustandekommen deS Frieden» aufgefaßt. Aus Milner coiiceulrirl sich be kanntlich der ganze Haß der Boeren. Wird er vollsiänbig auSgeschaltet, so ist eS schon möglich, daß Botha bereit ist, neue Vorschläge entgegenzunehmen, daß sie aber acceplirt werden, glauben wir nicht, denn sie werden, wie die kürzlich abgelebnten, auf der Vernichtung der Unabhängigkeit der Boerenstaaten bestehen. La» rohe Auftreten der Engländer wird in der „TLgl. Rundschau" durch folgenden Auszug au» einem Privatbrirf deutlich illustrirt. „. . . . Eine Abtheilung der „soläiers ok tke tzueen" besuchte den 82jährigea Jan Bernaaid, Vater de» VolkSrathsmitglieds, der kürzlich bei Derdrpoort durch Koffern ermordet wurde, aus seinem Hof in Rustenburg. Natürlich hielten sie sich nicht lange mit Höf- lichkeitSphras« auf, sondern forderten ohne Umschweife ein« kleine Brandschatzung. Um doch ja keine Zeit zu verlieren mit Suchen, und um daS Grdächtulß de» Greises ein biSchen auszusrischen, fetzten sie ihm und seiner gleichalterigen Gattin ein paar Gewehr läufe auf die Brust. „Hülle lpeulden maar zoo'n bieije" sagte der Alte zum Schreiber Diese-, aber die Wirkung de» „Spiels" war doch eine solche, daß die alten Leute ihre ganzen Ersparnisse, etwa 150 Lftrl., unter der Oienplatte hervorholten und der Soldateska au-händigten. Der Ersolg versetzte die TommieS in eine recht fröhliche Stimmung, die allerdings wieder verdorben wurde, al- sie bemerkten, daß der alle Mann noch eine Tabak-pfeise besaß, die er im Munde behielt. Und dann rin Besuch ohne Freuden feuer l Rein, da- wäre nicht hübsch. Die Särge der alten Leute und ihre Todtrohemden eigneten sich vorzüglich zur Illu mination; oben draus wurden die Pfeife und ein paar verdorrte Kränze vom nahe beiliegenden Grabe deS Sohne- gelegt, der vor Kurzem »m Kamps gesallen war, und dann ein Feuerchen an» gezündet; daß diese» zufällig auch den Hof in Brand setzte, war sicherlich nicht beabsichtigt. Und e» schadete ja auch nicht viel, denn die Altchen wurden mit nach Pretoria genommen, wo sie, da sie nicht mehr am Kriege theilzunrhmrn vermögen, volle Ration empfangen. Ja, e» sind fürsorgliche Leut», die Engländer!" * Pretoria, 22. April. Ein au» 106 Manu bestehendes Com- maudo vo» Vvk-burg ergab sich mit Wag« und Gewehren bei Middelburg. * London, 23. April. Ein Telegramm Lord KitchenerS meldet: 39 Compagnien Südafrika-Freiwilliger traten heute die Heimreise an, brz. erhielten Befehl, sich zur Einschiffung an die Küste zu begeben. * Bombay, 22. April. Der Dampfer „Hawarden Castle" ist mit gefangenen Boeren an Bord heute früh hier eingetroficn. Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. April. Der Reichstag nahm gestern in erster und zweiter Lesung den Zusatzvertrag zu dem AuSlieferungSvertrage zwischen dem deutschen Reich und Belgien unverändert an und trat dann — bei ebenso spärlicher Besetzung wie in voriger Woche — in die GeneraldiScussion des Saccharin st euergesetzeS ein. Die Debatte wurde von dem CentrumSmitgliede Speck eröffnet, der seinerseits sich der Aufgabe unterzog, der dem Entwurf abgeneigten Strömung in seiner Partei zu ihrem Rechte zu verhelfen. Nachdem er eine CommissicnSverwei- sung empfohlen hatte, nahm Abg. Graf Kanitz den Stand- punct der Deutschconservativen und Abg. Wurm den der Socialdemokraten war. Abg. vr. Paasche (nat.-lib.) wie» darauf bin, daß Abg. Wurm früher gesagt bade, eS handle sich beim Saccharin nicht um ein Genußmiltel des armen Volke», sondern um ein BetrugSuutiel. Wenn man die Steuer ab lehnen wolle, weil sie die armen Consumenten treffe, so müsse man fragen, warum der Zucker besteuert werte. Die Arbeiter selbst seien eS nickt, welche süße Speisen genössen, sondern eS seien die Kinder. Und diesen solle statt deS nährenden Zuckers dieses Mittel ohne jeden Näbrwertb ge geben werden?! Der Süßkraft des Saccharins im Ver- hältniß zum Zucker entsprechend würde nach dem Muster der Zuckersteuer eine Steuer von 110 ^t! erforderlick sein. Die Regierung scklage nur 80 vor, der Reichstag werde prüfen müssen, ob nicht darüber hinau-gegangen werden kann. Staats sekretär Frbr. v. Tbielmann gab der Hoffnung Ausdruck, daß die Socialdemokratie bei ihrer Opposition-allein bleiben werde. Abg. Eickhoff (fr. Vp.) legte Werth darauf, diese Annahme allein nicht berechtigt zu bezeichnen, da seine Fraciion mit der Socialdemdkratie geben werde. Von der freisinnigen Bereinigung machte Abg. Schrader Bedenken geltend, nach dem Abg. Röficke-Kaiserslautern auf die Mängel hin gewiesen, die der Entwurf vom Standpunkt der Agrarier aufweise. Schließlich erfolgte die Verweisung an eine Com mission von 21 Mitgliedern. Heute Branntweinsteuernovelle. Ueber die Sonnabendsitzung der Canalcommisston hat sich bekannttich die .Natlib. Correip." in etwa» naiv optimistischer Weise geäußert, wenn man nicht annimmt, daß der betr. Bericht mehr sein sollte, al» diese harmlose Be zeichnung besagt. Heute schon sieht sich denn auch die Correspondenz genötbigk, ihren Jrrtbum webmütbig zu bekennen. Sie meinte, die gestrige EommissionSsitzung babe den Eindruck hinterlassen, daß der günstige Wind, der am Sonnabend die Segel aufgebläht hätte, völlig wieder abgeflaut sei. Herr v. Zedlitz kam auf einmal mit dem Plan, doch vor läufig erst ein allgemeine» wasserwirtdschaftlickeS Programm aufzustellen und da» allmählich von Jahr zu Jahr in Tbeilstrecken von Canalbauten auSzu- führen; er überträgt also da» Flottengesetz auf die Canal vorlage! Dann soll erst der Grund und Boden der Emscker Linie angekauft und letztere schließlich ohne Weiterführung bis an die Weser hergestellt werden. Um da» Maß seiner Wünscke voll zu machen, verlangt auch er die Tarif ermäßigung in daS Gesetz geschrieben! Finanzminister v. Miquel trat diesem Wunsche als einem in die Kron rechte eingreifenden Verlangen entgegen; über den Bau von jährlichen Tbeilstrecken deS CanalS, wenn die ganze Summe bewilligt würde, ließen die Minister v. Miquel und Thielen mit sich reden; aber die übrigen Forderungen deS Herrn v. Zedlitz wiesen sie als unannehmbar zurück; vor Allem müsse der Mittellandkanal als Ganzes gedacht werden, auS dem kein beliebiger Tbeil herauSgenommen werden dürfe. Die stetig wiederkehrenden Forderungen der Conservativen und deS CentrumS, die Lippe statt der Emsckerlinie zu canalisiren, be zeichnete Abg. v. Ebner» (nl.) als reinen Hohn. Die Com- milsion habe bi» letzt für den Osten 130 Millionen Mark bewilligt, dagegen werbe der Westen an seiner Entwickelung durch die Conservativen gebindert. Ohne Folgen könne eine solcke Taktik der Conservativen nickt bleiben. DaS würde bereits bei den Provinzialdotationen und auch beim Zolltarif in die Erscheinung treten: eS könne, wenn die Conservativen in der Erdrückung de- Westen» fortführen, kein Abgeordneter der Jndustriebezirke deS Westens im Reichstage ^ür den erhöhten Getreidezoll stimmen! Den Schluß der Sitzung bildet: eine merkwürdige Rede deS CentrumSabgeordneten vr. am Zehnhoff, die zwar wiederholt mit schallender Heiterkeit ausgenommen wurde, aber den ernsten Sinn enthält, daß da» Centrum mit der Bewilligung oder Nicht-Bewilligung deS Mittellandkanals nur ein Spiel treibt. Konnte man nach den Darlegungen deS Abgeordneten Herold das Centrum für den Mittel landcanal eintreten sehen, so wirft Herr am Zebnboff dir Auffassung völlig wieder um; für ihn existirt nur die Lippe-Canalisirung; sie ist sein A und O; die Emsckerlinie will er nicht bewilligen. Durch welche Agi tation deS Bundes der Landwirthe übrigen» Petitionen gegen den Canal zu Stande kommen, führte Abg. Wall- brecht an einzelnen Beispielen auS; so wurde den Leuten vorgespiegelt, sie müßten die Kosten deS CanalbaueS tragen; und die Anwohner deS Flusses Leine wurden dadurch in Schrecken gesetzt, daß man ihnen sagte, ihnen solle das Leine wasser genommen werden, weil mit letzterem der Canal gespeist werden müßte. Am Donnerstage wurde in Belgrad die neu«, vom König Alexander octroyirte serbische Verfass»«« proclamirt. Sir liegt uns jetzt im Wortlaut vor: Der di« Erbfolge-Ord nung in der Dynastie Obrenowitsch regelnde Artikel bestimmt, daß die Krone Serbiens in der Nachkommenschaft d«S gegen wärtigen Königs Alexander erblich ist, und zwar erben die männlichen Nachkommen aus gesetzlicher Ehe auf Grund der Erstgeburt. Hinterläßt der König keine männlichen Nachkommen, so geht die Thronfolge auf die Seitenlinie über; ist aber eine solche nicht vorhanden, so geht die Erbfolge auf seine directen weiblichen Nachkommen aus gesetzlicher Ehe über. Im Falle der Minderjährigkeit des Thronerben über die Kömgin-Wittw« bis zu der mit dem 18. Jahre «intretenden Großjährigkeit desselben als Regentin di- Regierung aus. ES folgen nun jene Be stimmungen, welche die von dem unverantwortlichen König auSgeübte Staatsgewalt regeln, betreffend die Bestäti gung und Verlautbarung der Gesetze, Ernennung und Enthebung der Minister. Verleihung der militärischen Grade und Ovden, Ernennung von Beamten, das Münzprägungs-, BegnadigungS- und Derurtheilungsrecht, Einberufung, Vertagung und Auf lösung der Volksvertretung u. s. w. Den VerfassungSeid hat der König vor der Volksvertretung abzulegen. Derselbe hat folgenden Wortlaut: „Ich schwöre zu Gott, dem Allmächtig«, daß ich die Unabhängigkeit unv die Integrität de» Königreiches bewahren, daß ich im Sinne der Verfassung und der Landes gesetze regieren, daß ich die Rechte der Nation unverletzt beibe- halten und in allen meinen Thaten und Bestrebungen stets das Volkswohl vor Augen halten werde. So wahr mir Gott Hesse." Nach Artikel 3 ist die S t a a t s r e l i g i o n in Serbien die griechisch-orientalische, die zwar gemeinsam« Dogmen mit der orientalischen Kirche hat, jedoch unabhängig und autokephal ist. Ein anderer Artikel proclamirt unbeschränkte Ge wissensfreiheit für alle anerkannten Glaub-nsgenoffen- schaften. In sehr eingehender Weise sind in der Verfassung die bürgerlichen Freiheiten aufgezählt. Da alle serbischen Bürger vor dem Gesetze gleich sind, so können auch Adel» titel weder verliehen noch anerkannt werden. All« Serien ist die persönlich« Freiheit gewährleistet, und darf kein Serbe, wenn er nicht auf frischer That betreten wurde, ohne schriftlichen Bescheid der Untersuchungsbehörde verhaftet werden, und es muß dieser Bescheid dem Verhafteten im Augenblicke der Verhaftung oder längstens innerhalb vierundzwanzig Stunden eingehändigt werden. Gegen dies« Bescheid kann der Verhaftete beim erstinstanzlichen Gericht« Einspruch erheb«. Unterläßt er dies innerhalb dreier Tage, so ist di« UntersuchungSbrhörde ver pflichtet, am vierten Tage die Angelegenheit dem Gerichtshof« zu übermitteln. Der Gerichtshof muß seinen Bescheid innerhalb vierundzwanzig Stund« fällen. Derselbe ist sofort vollstreckbar, obgleich der Recurs an den CassationShof zulässig erscheint. Der- urtheilt taust nur Derjenige werden, der vorher von seinem kom petenten Gerichte verhört und aufgefovdrrt wurde, sich zu ver- theidigen. ^Die Todesstrafe darf nur in Fällen deS vorsätz lichen Mordes und des Attentats auf den Herrscher oder die Mitglieder seines Hauses, sowie in jenen Fällen verhängt werden, in welchem sie im Militärstrafgesetzbuche angeordnet wird. DaS Hau s^?ch t ist unverletzbar; Hausdurchsuchung kann nur unter VorweMng eines amtlichen Bescheides erfolgen, und Be schränkung der Rede-irnd Preßfreiheit kann nur auf Grund der Gesetze erfolgen, doch darf die Censur auch durch ein Gesetz nicht eingeführt werd«. Da» Dersammlung»- und Dereinsrecht ist zwar prinripiell anerkannt, doch soll dasselbe durch eigene Bestimmungen geregelt werden. Artikel 42 bestimmt, daß Niemand wegen politischer Delikte ausgeliefert werden kann. Soweit di» hauptsächlichsten Bestimmungen. Nach Artikel 44 wird die gesetzliche Gewalt vom König in Gemeinschaft mit der Volksvertretung auSgcübt. Dieselbe be steht aus der Skupschtina und dem Senat. Die Dahlen für dieSkupschtina finden am 21. Mai, jene für den Senat am 8. September statt. Die Volksvertretung wird alljährlich spätestens am 1. Oktober in die Hauptstadt de» Königreichs emberufen. Das Recht, Gesetze einzubringen, haben sowohl der König als die Volksvertretung. Die Gesetzentwürfe werden stet» zuerst der Skupschtina vorgelegt. DaS Wahlrecht für die Skupschtina besitzt jeder geborene oder naturalisirte serbische Bürger, der das 21. Lebensjahr vollendet hat und jährlich 15 Dinare an directen Steuern zahlt. DaS Wahlrecht sür den Senat haben alle Skupschtinawählcr, die jährlich 45 Dinare an directen Steuern entrichten. Officiere und Soldaten unter der Fahne können weder wählen noch gewählt werden. Die Mitglieder der Volksvertretung haben einen Erd zu leisten. Zur iBeichlußfähigkeit ist dre Anwesenheit von mehr als der I Hälfte der Mitglieder nöthig. Lehnt die Skupschtina oder der I Senat eine Vorlage ab, so kann sie im Laufe derselben Tagung ' nicht mehr cingebracht werden. Die Mitglied! beider Hauser Femrlletsn. Der Oger. Roman von Hermann Birkenfeld. N.ltdni« verteten. Sein Chef hält es nicht der Mühe Werth, von der Durchsicht einiger Briefschaften aufzusehen, als er entgegnet: „Unser Geschäftsbote hätte ja auch die Unwahrheit sprechen und selbst die Briefe unterschlagen können. Aber Sie wissen wohl, daß daS nicht der Fall, sondern daß ein paar Arbeiter Ihrem Gespräch mit Dransfeld zugehört haben. Ich erwarte deshalb auch gar nicht, daß Sie den Empfang der Briefe leugnen würden. Was Sie mit ihnen gemacht haben, geht mich eigent lich nichts an. Dennoch will ich Ihnen gestehen — hier hebt sich Herrn Langsen'S kühler Blick für einen Moment fast bis zu Rudolf'L Antlitz — ich will Ihnen gestehen, daß ich glaube, Sie haben das Geld nicht für Ihre eigene Person verwandt, auch daß Sie durch Ihr Guthaben bei mir unsere Firma ge deckt und sich selbst bis zu einem gewissen Grade entschuldigt fühlten. Sie sehen, für geradezu schlecht halte ich Sie nicht. Nicht einmal für daS, waS man gemeinhin leichtsinnig nennt." „Aber dennoch für einen Dieb!" ächzt Rudols. Und dann summt ihm daS srlbstgesprochene gräßliche Wort im Ohre nach, und in seinem Kopfe klirrt und braust eS, daß er mit einer impulsiven Bewegung auf den Tisch zuftürzt, hinter dem Herr Lanas« sitzt. Dieser zuckt bei seiner drohenden Haltung nicht einmal zu sammen, obgleich er entschieden der Schwächere. Er hat im Laufe der Zeit gesehen, wie gerade seine vornehme Kaltblütigkeit ihm die unbedingte Herrschaft über Untergebene gesichert hat; und seine Ruhe, ob natürlich oder gezwungen, zu wahr«, ge hört bei ihm zum GeschäftSprinrip. Auch auf Rudolf verfehlt da» Princip seine Wirkung nicht. „Ihre letzten Worte habe ich nur halb verstanden", sagt er. .HerauSgehört habe ich nur, daß ich der Unterschlagung be schuldigt werdr, ohne daß man mir ein Dort der Bertheidiguna gönnt. Und dazu habe ich ein Recht!" braust er wieder aus. Hier drückt Herr Lanas« auf einen der drei an seinem Schreibtisch angebrachten Elfenbeinknöpfr. „Es steht Ihn« ja frei, auf Grund Ihres Entlassungs briefes Nagbar zu werden. Ich aber darf diese Unterredung wohl al» abgeschlossen betrachten. — Führen Sie den Herrn die Tasse!" befiehlt er dem eintrrtrnden Hausdiener. Dieser steht einen Augenblick verblüfft vor Rudolf, bis er sich heftig bei Seite geschleudert fühlt. Der Oger stürmt ins Freie. Planlos, ziellos streift er durch die Straßen, nur einen Gedanken immerfort frsthaltend: Du sollst Dich an eines Anderen Eigenthum vergriffen haben. Ein Dieb! — Hier und da sehen die Leute ihn neugierig an, wie er mit der Hand durch sein Haar, über die heiße Stirn fährt. Das ist ihm gleichgiltig. Vor der Wachtstube eines Polizeireviers bleibt er stehen. Warum soll er nicht Frau Wiemanns Rath befolgen und den Verlust der Briefe zur Anzeige bringen? Warum kann nicht sein« Wirthin selbst den Diebstahl ausgeführt haben? Er traut ihn ihr eigentlich nicht zu, aber — wie sagte doch jüngst Onkel Gerhard in WeißenhauS? — Hart werden, hart! — Warum kann die Frau, von der er weiß, daß sie für Demmler die Horcherin spielte, nicht dasselbe gethan haben, dessen Langs« ihn beschuldigt? Schon ruht seine Hand auf dem Thürdrücker des Bureaus, da zieht er sie langsam wieder zurück. Was dann, wenn die Polizei keinen Diebstahl feststellen kann? — Ein Aufbauschcn der Sache zu einem allgemeinen Skandal, schlimmer noch als der, den das Zeitungsblatt, daS ein Anonymus ihm unter Couvert nach Sprakens« geschickt, und daS er in WeißenhauS für Onkel Gerhard zurückgrlaflen hat, seinen Lesern auftischte. Jener Artikel — so gehässig er gehalten war — verschwieg wenigstens seinen und seiner Firma Namen. Solche Rücksichten würden fortfallen, wenn die Polizei sich mit der Sache befaßte. So geht er, ob er sich schon ein« Feigling schilt, von der Thür kort und schlendert weiter, der Weser zu, wo er sich an den Pfosten eine» Brückengeländer» lehnt und in die wallende Fluth schaut. Unwillkürlich fällt ihm ein Wort auS dem „Tell" ein, den er seiner Zeit auf der Secundanerbank in Karnin ge lesen: „Ein Sprung von dieser Brücke macht mich frei." Frei! Au» den Banden dieser am Schmutz, am Gelde hanaenden, einander gleich Thier« die Bissen vor dem Munde wrgschnappmden, sich am Leid de» Nächsten ergötzenden, heuch lerischen, sogenannten korrekten Gesellschaft, die ihn von sich — au- sich herausstoßen, ihn brandmark« will — zum Ver brecher! Sein glühend beißender Gram, seine kochende Wuth bleichen sein Urtheil, machen e» zu dem eine» Kindes. „Nanu, Männrken! Den Pfeiler kriegen Sie nich um; der is Sie zu feste, selbst for Ihre Fäuste!" ruft ihm rin lungernder ,S«legenheit»arbeiter" zu, der, die Schnap»flasche in. der Hand, am jenseitigen Geländer lehnt und ihn schon eine Weil: mit einer Art philosophischer Neugier beobachtet hat. Wie ein Wort, selbst daS trivialste wie daS dieses B,:mm- lerS, ein Menschcnschicksal wenden kann! Rudolf Lammert ist sich gar nicht bewußt gewesen, daß er den Brückenpfosten umklammert hat, als wolle er ihn auS seiner Verankerung reißen. Nun erwacht er wie aus einem Traum, löst seinen Körper von dem Geländer los und — träumt weiter. Der Abend — der späte laue Juniabend — dämmert schon, als er sich auf einer Bank am Ufer des Bassins im Bürgerpark findet. Seine gestrige Thätigkeit im Weihenhauser Felde, der nächtliche Marsch, die Eisenbahnfahrt hierher, das Umherirren am Wasser, auf den Straßen, den Promenaden der Stadt, haben ihn ermüdet bis zum Einschlafen. Im Park wird es immer einsamer. Längst ist mit Sonnenschein und Vogelsang die letzte Kinder schaar geschwunden, selten noch kommt ein Spaziergänger ast seiner Bank vorbei. Wie rin gewaltiges, tiefschwarzes Geheim- niß liegt das Wasser im Bassin. Kaum daß ein Lufthauch ein Blatt erzittern macht. Wer sollte den Schläfer auf der Bank wecken? Wer? Ja, wenn Heini Flügge nicht wäre! „Hab'» doch nicht umsonst schon von Weitem behauptet, daß er es ist", sagt er zu seiner Schwester Lisa. Diese steht zaudernd neben dem Schlafenden. Aber nicht lange. Dann dreht sie sich lässig um. Erst als sie schon zehn, zwölf Schritt weiter gegangen ist, nimmt Heini von ihrer Ent fernung Notiz. «Frauenzimmerlaunen!" brummt er und ruft dann laut: „Ahoi! Lisa!" Nun hebt der Schläfer den Kopf. Sie hat ihm eben — im Traum — verächtlich den Rücken ge dreht, und er hat sie gerufen. Geschah'» so laut? Verstört blickt er dem Freunde ins Gesicht. „Aufgerapprlt, Ruding!" ruft der. Lisa ist stehen geblieben. „Daß irgend etwa» recht Dämliches mit Dir passirt ist, Weitz ich von Lisa, und datz Du Dir den Quark — mehr wird'» ja wohl nicht sein — ganz nach Deiner schwarzseheriscken Manier über alle vernünftigen Grenz« hinaus zu Gemüth ziehst, seh« ich an Deiner Verfassung", sagt Heini, der sich, während seinem Freunde allmählich daS Bewußtsein seiner Lage ausdämmert, breitspurig, die Hände in den Taschen, vor ihm hingepflanzt hat. „Oder", fährt er langsamer fort, „ist wa» lo«, da» der Müh« Werth ist, daß Ihr die Flagge streicht, Du und Lisa dahinten? 'mal wieder Oger gewesen?" Bei dem Spottnamen zuckt Rudolf zusammen. Dann richtet er sich mit raschem Entschluß auf: „Ich wollte, ich wär'S!" Eine umheimliche Gluth flackert in seinem Blick. „Ich bin 'waS Schlimmeres, Heini: ein Dieb!" Am liebsten hätte Heini Flügge laut gelacht. Wenn nur seines Rudi Miene sich etwas weniger trostlos angelassen hätte. Dennoch sagte er, ohne seine Stellung zu ändern: „Go ist's recht. Ich habe heute schon so viel Gequassel zu hören gekriegt, daß es auf 'ne halbe Schiffsladung mehr nicht ankommt. Denn daß das Blech ist, was Du da auspackst, fühlt ein Blinder mit der Stange. Nur bitte ich Dich, 'mal kurzweg auf den Fleck lo» zu halten, wo der oder das Wurm herumkriecht, da» Dir solche Niedertracht nachsagt. Hoffentlich ist daS Dirt von derbe« Holze, damit es mir nicht gleich auf den Anhieb zusammen- knaxt." Heini Flügge's geballte Fäuste scheinen durchaus bereit, die Worte in die That umzusetzen. Rudolf schüttelte nur den Kopf; nach einem freundlichen Rippenstoß, aber — „damit die Maschine 'mal in Sang kommt", sagt Heini — erzählt er Alle». „Hü — itt!" zischt der Seemann zwischen Zähn« und Lipp« hervor. „So kommt man doch nachgerade in 'n« festen CurS. Deshalb da» Miaue und Gemauze unserer Lisa! Deshalb! Sie ist nämlich von Rechts wegen Schuld, datz ich hier Eure stickige Binnenluft athme. Wollte durchaus, kaum datz die Elisabeth — ich bin jetzkstbeim Lloyd, weißt Du — kaum datz unser Schiff in Bremerhaven anlegt, soll ich auf anderthalb Tage mit ihr nach Bremen. Sie hätte Dir dringend geschrieben, ohne Antwort zu kriegen, und darum hätte sie Ahnung« — alle Frauenzimmer hab« ja von Zeit zu Zeit Ahnung«, ich glaube al» Ersatz für'n männlich« Katzenjammer —, und dir-mal hat sie die ja auch nicht umsonst gehabt, da» muß ihr der Neid lass«. Ich also mit ihr, und während sie Dich hol« gebt, Mick im Seehecht verankert. Zartgefühl von mir, da» Wiedersehen zwischen Euch Seid« nicht stör« zu wollen, »a»?" Heini grient ihn autmütyig an. „Hm!" murmelt Rudolf, mit sein« OMmEn nur halb bet der Sache. „Nun also! Aber sie blieb drei kalte Moise und dann noch eine Selter» mit Cognac lang au», und al» ste wieder bei mir anlegt, da ist sie'» allein. Du wärest nicht mehr da — in Bremen nicht und im Geschäft Deiner werth« Firma auch nicht, und wo, da» vlltztrn die Sterne am Himmel und uns«
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