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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.04.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190104212
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19010421
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19010421
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-04
- Tag1901-04-21
- Monat1901-04
- Jahr1901
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.04.1901
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Bezugs-Preis 1« der Hauptexpeditiou oder den im Stadt bezirk und de« Vororte» errichteten Aus gabestellen abgehokt: vierteljährlich 4 50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau» ^tl 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vterteljährl. 8. Man abonuirt ferner mit entsprechendem Postausschlag bet den Postanstalteu in der Schwei», Italien, Belgien, Holland, Luxem burg Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese» Blatte» möglich. Die Morgen-AuSgabe erscheint um >/,7 Uhr, die Abeud-AuLgabe Wochentags »m 5 Uhr. Le-artion und Erve-Mon: Johanntögaffe 8. Filialen: Alfred Hahn vorm. v. Klemm'» Sortim. Umversitätsstraße 3 (Pauliuum), Louis Lösche, Kathariuenstr. 14, part. und LönigSplatz 7. MMcr TagMaü Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes un- Nolizei-Ämtes -er Lta-L Leipzig. Sonntag den 21. April 1901. Anzeigerr-PreiS »ie 6 gespaltene Petitzeile LS H. Reclamen unter dem Redactto«»ftr1ch (»gespalten) 75 H, vor den Familinwach- richteu («gespalten) 50 Tabellarischer und Zifsrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Grtra-Beilage« (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesörderung V0.—, mit Postbesörderung 70.—. 2in«ahmeschluß für Äryeige»: Abend-Ausgab«: vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde fmher. Anzeige« sind stets an die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag» mnmterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz ia Leipzig. 95. Jahrgang. Aus der Woche. Immer kostbarere Opfer fordert diechinesischeExpedition von Deutschland. Innerhalb einer Woche ohne Gefecht der Verlust dreier Ofsiciere, darunter ein, wie der gleichfalls in China verunglückte Graf Horck von Wartenberg, zu den größten Hoffnungen berechtigender General und ein im colonialen Dienst hochverdient gewordener SauitätSosficier! Solche vereinzelte Fälle verstärken mehr noch als Nach richten von Gefechte» den Wunsch, unsere Truppen bald zurückkehren zu sehen, und zwar, wie eS sich dieser Tage gezeigt hat, auch bei Personen, von denen manchmal ein Zuviel an kriegerischem Geiste bezeugt worden ist. Die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Wirren hat sich aber leider neuerdings mindern müssen. Man stellt neue Expeditionen unter deutschen Befehlshabern in Aussicht. Dabei mag cS sich zum Theil um Streiszüge handeln, deren vielleicht wichtigster Zweck ist, die Mannschaften in den Quartieren nicht rosten zu lassen. Aber man berichtet gleich zeitig von einer neuerlich beobachteten Gäbrung und von der Möglichkeit, wieder mit regulären chinesischen Truppen zu sammen zu stoßen. Bei dieser Sachlage kann sich die Er örterung des besten ModuS der Regelung der Entschädigungs frage leicht als verfrüht Herausstellen. Für England hat die chinesische Expedition finanziell wenig zu bedeuten. Aber dieses capitalreichste Land der Welt steckt deshalb doch nicht gerade in einer guten Finanzhaut. Ueber 3 Milliarden hat eS bisher für den Transvaalkrieg auSgeben müssen, d. h. in einem Kriege gegen ein Volk, das mit Frauen und Kindern rund eine Million Seelen zählt. Das ist verhältnißmäßig schon jetzt ungeheuer viel mehr, als den etwa vierzig Millionen Franzosen der letzte Krieg gegen ungefähr ebensoviele Deutsche gekostet hat. Da die Kriegsentschädigung bei diesem Vergleich nicht in Betracht kommt, so stehen den 3 Milliarden englischer Kriegsausgaben etwa 8^ Milliarden französischer gegenüber. Arithmetik» mögen berechnen, wie viel höher England ein Frieden zu stehen kommt, als vor dreißig Jahren Frankreich. Daß daS südafrikanische Gold, auf daS RhodeS und seine hohen und höchsten CompagnonS speculiren, den bei dem Geschäfte nicht betheiligten Landsleuten so viel kosten würde, haben diese Wohl nicht erwartet. Aber man muß anerkennen, daß sie sich verhältnißmäßig ruhig verhalten. Freilich die Regierung will auch das Ausland und zwar recht ausgiebig zu den Ausgaben heranziehen. Daß der ge plante Zuckerzoll auch die zuckerausführenden Staaten in Mitleidenschaft ziehen werde, erkennen sogar freisinnige Blätter an und geben damit ihre Behauptung preis, daß diese Zölle auf Lebens- und Genußmittel immer und ungetheilt von der Bevölkerung des zollerhebenden Staates zu tragen seien. Der Ausfuhrzoll auf Kohle trifft, soweit er nicht eine Verminde rung der englischen Production nach sich zieht, was nicht in beträchtlichem Maße der Fall sein wird, das Aus land ohnehin ausschließlich. Das Kennzeichnende der geplanten indirecten Aufschläge ist, daß sie, mag Herr Hicks Beach sagen, was er will, die englische FreihandelSära ab schließen. „Der Anfang vom Ende deS Freihandels", so resumirt sich ein Londoner Blatt nach einer Erörterung deS englischen Budgets. Bresche in'S Manchesterthum war schon gelegt, als das Mutterland die Colonien Canada und Barbados vermocht hatte, die englische Einfuhr zollpolitisch günstiger zu behandeln als die sonstige. Und nun soll die Schutzzollpolitik auch „ut domo" inaugurirt werden. Für Deutschland und für die bei uns bevor stehenden handelspolitischen Entschließungen ist die Wendung in Großbritannien natürlich von größter Bedeutung und eine ernste Wendung zum Maßhalten für die Extremen beider handelspolitischen Lager. Inzwischen ist aber auch bei uns daS Thema „neue Steuern" auf die Tagesordnung gelangt. Die Verbesserung der Lage der Kriegsinvaliden gab den Anstoß. Eine Reihe von Zeitungen bekämpft den „neu aufgekommenen Brauch", die Befriedigung neuer Bedürfnisse an bestimmte neue Steuern zu binden. Auch wir verurtheilen solches Flickwerk, wir sehen aber keinen anderen Ersatz, als durch die ganze Arbeit einer Reichssteuerreform, die auch ohne Flottenverstärkung und Kriegsinvaliden eine Notbwendigkeit wäre. Herr Richter freilich meint, daß die Sache sehr einfach liege: man brauche nur die Matricularbeiträge kräftig zu er höhen. Das aber ist gerade das, waS kein Bundesstaat wollen und ohne schweren Nachtheil ertragen kann. Ein deutschfeindliches russisches Blatt findet, der deutsche Kronprinz habe in Wien, indem er eine evangelische Kirche besuchte und mit den Herren vom Kölner Manner gesangverein sich unterhielt, der deutschen Politik der Ein verleibung Oesterreichs vorgearbeitet. Daß eine solche Politik von Deutschland verfolgt werde, ist ja für gewisse russische und französische Zeitungen ein „Axiom". Für den neuesten Unsinn genügt der Hinweis, daß Kaiser Franz Josef bei seinem letzten Aufenthalt in Berlin die katholische HedwigSkirchr besucht und daß er österreichische Künstler empfangen hat. Einem von ihnen hat der Kaiser sogar seine Genugthuung darüber auSgedrückt, daß ihm, dem österreichischen Bildhauer, die Herstellung einer Gruppe in der SiegeSallee übertragen wurde. Die Demonstration in Wort und That, die der Erz- Herzog Fran) Ferdinand sich angelegen sein ließ, hat man, um der StammeSgeooffen jenseits der Ost- und Süd grenze willen, auch in Deutschland bedauert. Da CiSleithanieu fast ganz katholisch ist und bleiben wird und eS trotzdem geraume Zeit ein liberale» Regiment hatte, WaS wieder kommen kann, so ist die Kundgebung deS Thronfolgers weniger eine klerikale als eine nationale. Den« der „Katholische Schulverein" verfolgt vor Allem EntdeutschungStendenzen. Er verwelscht in Südtirol, slovenisirt in Krain, vertschecht in Böhmen und Mähren und mit der Polonisirung der Deutschen in Galizien ist er schon so gut wie fertig. Insofern stellt die Rede des Erzherzog« «in Programm dar, daS für die Deutschen wenig günstige Aussichten eröffnet, der Wieder- consolidirung deS Kaiserstaate» freilich auch. Die Wirren in China. Berlin, 20. April. („Wolfs'S Telegr.-Bureau") Feldmarschall Graf Waldersee meldet aus Peking: Die Leiche des Generals v. Schwarzhosf ist aosgefunden worden; am Sonnabend er- olgt ihre provisorische Beisetzung. Es gelang, den Brand aus die sechs großen Gebäude deS eigentlichen Winterpalastcs und des ASbesthanses zu beschränken, aus denen nichts zu retten möglich war. Die wirksamste Hilfe leisteten unter der Führung des Oberstleutnants Marchand französische Truppen; auch Japaner, Engländer und Italiener erschienen auf der Brandstätte. Bös willige Brandlegung scheint nicht vorzuliegen. DaS Armee-Obercommando wird auch weiter im Winterpalast Unterkunst rnden können. * Loudon, 20. April. Hiesige Blätter berichten aus Peking unter dem 19. April: Die Mitglieder des diplomatischen Corps und die höheren Ofsiciere besuchten den Feldmarschall Grasen Waldersee und gaben ihrem Bedauern über den Tod des Generals v. Schwarzhofs und ihrer Theilnahine an dem Mißgeschick, das dem Grafen Waldersee betroffen habe, Ausdruck. Der durch die Feuersbrunst verursachte Schaden wird auf eine Million TMS geschätzt. * London, 20. April. Der „Morning Post" wird aus Shanghai gemeldet: Auf Anregung Li-Hung-Tschang's wurde am 17. d. M. ein kaiserlicher Befehl erlassen, der dem General Liu anbesiehlt, sich über die Grenze nach S chansi zurückz uziehe.n. Gleich- zeitig wurde Li beauftragt, den Grasen Waldersee zu ersuchen, keine fremden Truppen nach Echansi zu entsenden. Damit sei der Grund für die geplante deutsch-französische Expedition be seitigt. Zugleich sei aber auch Anlaß für die Annahme vorhanden, daß die Deutschen, vielleicht auch die Franzosen, die gegenwärtige Gelegenheit benutzen, um Taiyuensu, die Hauptstadt dtr Pro vinz Schansi, zu besetzen, waS beide wünschen, die Deutschen au- allgemeinen Priucipien, die Franzosen im Interesse ihrer Eisen- bahnbauten. (M. Z.) Der Lrieg in Südafrika. Sine Unterredung mit dem Generalpostmeister von Transvaal Auf der Rundreise durch Europa ist Dienstag der General postmeister von Pretoria, Isaac v. Alphcn, in Wien ange- kommen, um dort kurzen Aufenthalt zu nehmen. Der General postmeister kommt aus Holland und wird sich von Wien über Berlin, wohin er Freitag abreist, und Köln wieder nach Brüssel begeben, um dort abzuwarten, bis 'der Krieg in Südafrika beendet ist und wieder geordnete Verhältnisse in Transvaal Platz greifen. Mit einem Mitarbeiter des „Wiener Frbl." sprach der Generalpostmeister Mittwoch über die Ereignisse in Süd afrika, die er zum großen Theile miterlebt hatte. „Ich verließ", so erzählte der große, stattliche Mann mit gebräunter Gesichts farbe und scharfblickenden, blauen Augen, „am 28. Mai Pretoria und habe die Stadt, in der ich meine Familie zurücklasscn mußte, während der Einzug der Engländer bevorstand, seither nicht wieder gesehen. Als sich die feindlichen Truppen der Stadt näherten, mußte die Regierung von Transvaal die Stadt ver lassen, wollte sie nicht den Engländern in die Hände fallen. Al ain 4. Juni Roberts seinen Einzug hielt, waren wir bereits einige Hundert Meilen weit weg. Ich hatte nicht nur die Postverwal- tung zu führen, sondern auch die Lozarethe 'der Boeren, die Niederlassungen des „Rothen Kreuzes" zu inspiciren, und ich be gab mich daher in di« Feldlager der einzelnen Commandirenden, die ich Alle persönlich kenne." Interessant ist, was der Generalpostmeister über die gegen wärtigen Befehlshaber der Boeren sagt. Delarcy, bemerkte er, ist meiner Ansicht und der Ansicht meiner Lands leute nach der klügste und weitausblickendste Anführer und dabei ein tüchtiger Stratege, der die Chancen eines Zuges vorher wohl überlegt. Botha, der Hauptcommandirende, steht an Muth und Tapferkeit seinen Collegen nicht nach, dabei zeichnet er sich durch große Kaltblütigkeit aus. De Wet, den sie jetzt den „fliegenDen Teufel" nennen, ist bekannt durch die Schnelligkeit, mit der er seine Truppen bald da, bald dorthin wirft, ver schwindet und wieder auftaucht. Wenig bekannt ist, wie De Wet Heerführer der Boeren geworden ist. Im Kaffernkriege stand er als einfacher Kämpfer in den Reihen der Boeren; als der Krieg vorüber war, wurde er Mitglied Des Volksraads in Pretoria. Aber dieses ruhige Arbeiten sagte ihm nicht zu, und oft bemerkte er, dies sei „ein altes Weiberleben". De Wet verließ auch später Pretoria und ging nach dem Freistaat. Dort wurde er gleichfalls in die Volksvertretung gewählt, und nebenbei betrieb er seinen Viehhandel, der ihn im Laufe der Jahre zu einem wohlhabenden, wenn nicht reichen Mann gemacht hatte. Als der Krieg ausbrach, stellte er sich sofort in die Reihen der Kämpfer. Nach einigen Wochen wurde er Feldcornet und lag als solcher bei Jacobsdal. Den Oberbefehl über die dort versammelten Boeren führte zu jener Zeit General Fereira, dem auch De Wet unterstcnd. Eine» Abends machte Fereira die Runde um das Lager, um die Wachen zu inspiciren. Einer der Wachtposten war, das Gewehr zwischen den Füßen, eingeschlafen. Als ihn Fereira wecken wollte, stieß er mit dem Fuße an das Gewehr des Schlafenden, der Schuß ging los, und die Kugel drang dem General in den Kopf. Al» die alarmirten Boeren ihren An führer fanden, war er bereits todt. Die Präsidenten Krüger und Steijn beriefen die Generäl« zu einer Canferenz, um darüber schlüssig zu werden, wer zum Nachfolger des verstorbenen Genirals zu ernennen sei. Depeschen wurden zwischen dem Freistaat und Transvaal gewechselt. Jeder wollte einen anderen Nachfolger auf Fcreira'S Platz sehen, bi» ein alter Anführer sagt«: „Macht De Wet zum Kommandanten!" Der Rath wurde befolgt; De Wet hatte sich durch kleine Handstreiche gegen den Feind hervorgithan, er besaß das Vertrauen der Leute, die erklärten, sich ihm unterottnen zu wollen. Das war im Fe bruar, ninf Monate nach dem Ausbruch des Krieges, und heute ist De Wet'S Nome als erfolgreicher Anführer der Boeren der ganzen Welt bekannt. Die De Wet zur Verfügung stehenden Truppen dürften nach der Ansicht des GcnrralpostmeisteiS noch etwa 5000 Mann betragen; im Ganzen dürften noch ca. 10— 15 000 Mann im Felde stehen. Darüber befragt, was er von den Chance nder Boeren für die Zukunft halte, und wie lange 'der Krieg noch dauern könne, antwortete der Generalpostmeister, daß die Lage der Boeren noch nicht die schlechteste sein müsse, denn sonst hätte Botha, als er jüngst mit Kitchener in Unterhandlungen stand, die Bedingungen des englischen Befehlshabers wohl angenommen. Die Dauer des Krieges lasse sich gar nicht vor aussehen. Die Engländer, meinte der Generalpostmeister, sagen zwar immer, jetzt dauert der Krieg nicht mehr lange, jetzt sind wir mit den Boeren bald fertig, und Lord Roberts hat sich sogar schon nach England begeben, weil «r seine Aufgabe in Südafrika für beendigt hielt, aber das haben sie ja zu Beginn des Feldzuges auch gesagt und sich darin ebenso gründlich ge täuscht, als sie jetzt irren, wenn sie glauben, der Krieg sei bald beendet. Die Boeren sind ein zähes Volk, voll Ausdauer für ihre gerechte Sache, und sie werden nicht Frieden schließen, wenn ihnen nicht anständige Bedingungen bewilligt werden. Daß Krüger'ä Bemühungen, eine europäische Großmacht zur Inter vention zu bewegen, vergeblich waren, hat meine Landsleute zwar enttäuscht, denn auch sie sehnen den Frieden herbei, aber nicht cntmuthigt, und De Wet, Delarey und Botha dürften den Engländern noch manch« sorgenvolle Stunde bereiten, bevor sie sich als Herren von Südafrika betrachten können. Ueber das Vorgehen der Engländer in Feindesland befragt, äußerte sich der Generalpostmeister nicht im allergünstigsten Sinne. Ueberall dort, wo die Befehlshaber und Obercommandirenden sind, halten auch die Truppen ziemlich Disciplin, und nur selten kommt cs vor, daß sich die Mannschaft Ausschreitungen erlaubt. Aber dort, wo die Truppen die Generale in weiter Ferne wissen, läßt auch die Manneszucht Manches zu wünschen übrig, und die Truppen erlauben sich manchen Uebergriff. In Pretoria, wo Kitchener ist, herrschen vollkommen geordnet« Verhältnisse. Der Generalpostmeister steht mit seiner in Pretoria befindlichen Fa milie in regem Briefwechsel, er erhält allwöchentlich einen Brief, der ihn über die Vorgänge in der Heimath unterrichtet. Alle Briefe werden von den englischen Behörden einer Censur unter worfen und dürfen dann erst befördert werden. Deshalb kann ich, schloß d«r G«neralpostmeist«r, auch nie den wahrer Stand der Dinge in Transvaal erfahren, denn die Depeschen der engli schen Zeitungen sind ebenso renfurirt wie alle Briefe, und die Engländer üben strengst« Controle, sie lassen kein Wort passiren, WaS zu ihren Ungunsten spricht. Der Generalpostmeister wird in Europa «das Ende des Krieges abwarten und dann nach Südafrika zurückkehren. Ob er dort seine amtliche Stellung wieder übernehmen wird, hängt von den Friedensbedingungen ab und ob Transvaal seine Selbst verwaltung belassen wird. Herr v. Alphen ist in Holland ge boren; als er vier Jahre alt war, wanderten seine Eltern nach Südafrika aus, was damals das Ziel aller Emigranten war. Dort hat er es vom einfachen Ansiedler zum Gemralpostmcister von Transvaal gebracht. In Londoner liberalen Kreisen wird mit Bezug auf den an geblichen längeren Urlaub Str Alfred Milner S unverhohlen die Ansicht discutirt, daß seine Erholungsreise nach England Nichts Anderes ist, als eine verschleierte Ab berufung, die den Zweck haben soll, weiter« baldige FriedcnSverhandlungen mit den Boeren, wie sie that- sächlich als nicht ausgeschlossen betrachtet werden, zu ermög lichen und zu erleichtern. Auch in parlamentarischen Kreisen wurde gestern Nacht diese Möglichkeit lebhaft in Erwägung ge zogen, zumal das vom Schahkanzler offengelegte riesige Deficit di« bereits sehr große Kriegsmüdigkeit im Volke an Hand der neuen schweren Steuern ganz ungemein fördern wird. Es steht nunmehr fest, daß Milner bereits in nächster Woche von Capstadt nach England absegelt. Die Kriegslage. Man schreibt uns aus London unter dem 19. April: „Lord Kitchener läßt nichts unversucht, um im nordöstlichen Transvaal das beabsichtigte große „Kesseltreiben" so effektvoll als möglich in Scene zu setzen, und er hat denn auch bereits verschiedene Colonnen nach Norden und Nordosten ausaesandt, welche diese Treibjagd im Großen ausführcn sollen. Sein Bruder, der Generalmajor Kitchener, rückt von Leydcnburg aus vor und berichtet, daß er ein von den Boeren zerstörtes großes Creusot Geschütz gefunden hat, welches den Transvaalern wahrscheinlich für den Transport in die Berge zu schwer gewesen ist. Oberst Douglas hat mit seiner Brigade den Ort Dullstroom, wenige Meilen nördlich von Belfast, öccupirt, wahrend General Plumer nach Baithfontein, südöstlich von Pietersburg, marschirt ist. Ueber den Aufenthalt des Generalcommandanten Botha hat sich bi» jetzt absolut nichts feststellen lassen, und es bleibt vorläufig eine offene Frage, ob derselbe die Bewegungen der Boerencom mandos in den nördlichen Zoutpansbrrgen persönlich leitet, oder ob er sich mit dem Vicepräsidenten Schalt Burger südwärts ge wandt hat, um die Operationen gegen den von Süden andringen den General French zu dirigiren. In wie weit General De Wet in der Lage sejn wird, gegen French irgendwie erfolgreich auf- zutrrten, muß abgewartet werden; jedenfalls soll er bereits sein Corps inzwischen auf etwa 5000 Mann verstärkt haben und auch wieder über verschiedene Geschütze verfügen, so daß er jedenfalls in der Ldge ist, seine Gegenwart in der einen oder anderen Hin sicht entscheidend fühlbar zu machen. Inzwischen bann Lord Kitchener immer mehr frische Verstär kungen und besonders berittene Truppen ins Feld stellen, wenn es auch fragwürdig bleibt, wie es mit der Qualität derselben be stellt ist. Wenn man den englischen Berichten glauben soll, so wird die Uebrrmacht seiner Colonnen immer größer, und die letz teren sollten eigentlich neuerdings längst wieder in der Lage sein, die kleinen reisigen Häuflein der Boeren vollständig zu erdrücken, wenn diese sich nur fassen und erdrücken lassen wollten. Ganz unzweifelhaft gehört es jedoch in das Gebiet der sattsam bekann ten englischen Uebertrribungen und absichtlichen Entstellungen, wenn die verschiedenen KriegScorrespondenten der führenden Londoner Blätter' heute mit merkwürdiger Ucbereinstimmung melden, daß di« Beeren im Transvaal allmählich, aber sicher in die Zoutpansberge getrieben werden, >vo sie dann rettungslos in der Falle sitzen würden und sich bald vor der englischen Um zingelung und der erdrückenden Uebermacht de: Kitchener'scheu Colonnen nicht mehr retten könnten. Das ist eine dem englischen Publicum allerdings sehr willkommene Zukunftsmusik, die jevoch sicherlich wieder in manchen grellen Mißtönen der Enttäuschung ausklingen wird. * East London, 19. April. Ein Zug mit Lieh und Kohlen- vorräthen ist gestern Abend in der Näh« von Molteno von den Boeren genommen worden. Die vorn am Zuge befindliche Locomotive konnte vom Zuge loSgetrennt werden und gelangte nach Stromberg. Als die englischen Truppen aus dem Schauplätze deS Vorfalles eintrasen, sanden sie den Zug in Flammen. Deutsches Reich. -7- Berlin, 20. April. (Antisemiten, Bund der Land wirthe und Getreiloezölle.) Die Auslassung der antisemitischen „Staatsbürgerzeitung", daß es ihr durchaus nicht einfalle, in der Getreidezollfrage einfach hinter dem Bunde dec Landwirthe herzulaufen, hat die „Deutsche Tagesztg." stark verschnupft. Sie verlangt, daß die deutsch-socialen Abgeordnete« im Reichstage, insonderheit die Herren Gräfe, Lotze und Werner, die „Staatsbürgerzeitung" schleunigst dementiren, andernfalls würden, wie zart angedeutet wird, diese mit der Unterstützung des Bundes gewählten Abgeordneten nicht wiedergewählt werden. Das klingt für diese Abgeordneten bedrohlicher, als es thatsäch- lich ist. Die Abgeordneten Gräfe und Lotze insbesondere sind von dem Bunde der Landwirthe ja doch nicht aus herzlicher Zuneigung gewählt worden, sondern weil, wie da» Ergebniß der vorhergegangenen Wahlen gez«igt hatte, die Auf stellung «igener konservativer Kandidaten lediglich zu einer Blamage geführt hätte. Denn im Wahlkreise des Abgeordneten Lotze (Pirna) erhielten bei den Wahlen von 1893 die Conser- vativen ganze 1100 gegen circa 8000 antisemitische Stimmen und im Wahlkreise Bautzen (Vertreter Abgeordneter Gräfe) kamen bei den Wahlen von 1893 die Conservativen auf 5600 gegen 10 500 antisemitische Stimmen. Die Auf stellung eigener conservativer Kandidaten bei den Wahlen von 1898 hätte also lediglich den Erfolg haben können, die Schwäch« der Conservativen zu documentirin. Nicht ganz so ungünstig standen die Chancen für die Conservativen im Werner'schen Wahlkreise (Hersfeld), aber immerhin hatte auch dort bei den Wahlen von 1893 Werner bereits mit erheblicher Mehrheit (3000 Stimmen) über den konservativen Kandidaten gesiegt. Di« Auf stellung eigener bündl«rischer Kandidaten b«i den nächsten Wahl«» würde, besonders in dem Lohe'schen Wahlkreise Pirna, ledig lich die Aussichten der Socialdemokraten steigern, und damit wär« dem Bunde der Landwirthe ja auch nicht gedient. Daß die Antisemiten in der Zollfrage nicht mehr schlechthin nach der Pfeife des Bundes der Landwirthe tanzen wollen, war nach der Entwickelung dieser Partei oder wenigstens ihres größeren Theilcs selbstverständlich. Die Antisemiten sind mehr und mehr «ine Partei geworden, die auf Wählerschaften Rücksicht nehmen muß, denen eine übermäßige Erhöhung der Getreidezölle durchaus nicht so am Herzen liegt, wie dem Bunde der Land wirthe. Im Uebrigen ist dieser Vorfall aus einem Grunde be sonders interessant: wril er nämlich abermals die Richtigkeit der letzthin von dem führenden bayerischen Centrumsorgan auf- gestMten Behauptung beweist, daß im Reichstag« noch nicht drei Dutzend Abgeordnete vorhanden sind, die der Fahne des Bundes der Landwirthe durch Dick und Dünn folgen. Die CentrumS- presse hat wiederholt diese übertriebenen Forderungen zurück gewiesen, die „Kreuzzeitung" ist ihr darin nachgefolgt, jetzt lehnt sich auch ein Theil der Antisemiten dagegen aus; was bleibt da übrig? Berliu, 20. April. (Das Elsaß in Berlin.) Die persönlichen Beziehungen des Reichslanves zu Alt-Deutsch land sind, obwohl Elsaß-Lothringen und seine Bewohner seit einem Menschenalter wieder den deutschen Bruderstämmen an gegliedert sind, doch immer noch recht spröder Natur. Zwar er weist sich auch hier die allgemeine militärische Dienstpflicht als ein sicheres, wenn auch recht langsam wirkendes Mittel zur Wieder-Germanisirung der Reichslande, indeß steht der alteinge sessene Bürger- und Handwerkerstand noch im Schmollwinkel und vermeidet cs thunlichst, durch Aufenthalt in Altdeutschland, namentlich jenseits der Mainlinie, sich in seinen persönlichen und politischen Vorurtheilen gegen das neue deutsche Reich erschüttern zu lassen. Zeichen der Wandlung zum Besseren machten sich je doch in den letzten Jahren bereits vielfach bemerkbar. Und jetzt soll die Kunst die Brücke schlagen, um das Elsaß und seine Bewohner dem Norden Deutschlands persönlich näher zu bringen: Eine Anzahl altelsässischer Bürger hat im Jahre 1898 ein „El sässisches Theater" zu Straßburg gegründet; die Mitglieder ge hören sämmtlich Sem Bürgerstandc an, die ihrem Berufe nach gehen, sind also keine Berufsschauspielcr. Sic wollen jetzt den Versuch wagen, in der R e i ch s h a u p t st a d t in den Tagen vom 1.—15.Mai elsässisch« Volkskunst zu zeigen und Theaterstücke von elsässischen Autoren und in elsässischer Mundart zur Auf führung zu bringen. Bei dem unleugbaren Zusammenhang zwischen Kunst und Politik, d«r in der Gründung des „Elsässi schen Theaters" und seinem Besuch in Berlin besteht, wünsch«» wir den Elsässer Bürgern in Berlin die herzlichst« Aufnahme und den besten Erfolg. An chauvinistischen Elementen des Reichs landes, die einen etwaigen Mißerfolg der Elsässer hier in Berlin mit Triumphgeschrei begleiten würden, fehlt es leider im Elsaß nicht. * Berlin, 20. April. (Die Canalcommission al« Fortbildungsschule.) Eine ergötzliche Schilderung von der „Arbeit" m der Canalcommission entwarf am Mittwoch der Abgeordnete vr. Krieger in der Generalversammlung deS Wahlvereins der freisinnigen Volk-Partei zu KAnig«- berz i. Pr.: Die Verhandlungen der Kommission sind äußerst lehrreich. Man könnte die Commission «Ine „Commission zur Verbreitung all« gemeiner Bildung" nennen. So schöne «nd gediegen« Borträge wi« hier habe ich noch in keinem Bildungsverein gehört. Neulich hat der Herr kisenbahnminister v. Thielen einen hochinteressanten Vortrag über Hochöfen gehalten. Ich hab« über diesen Gegrastem» vor Jahren auf der Universität Vorlesungen gehört, aber ich mnk gestehen, daß das Colleg, das ich damals gehört hab«, durch den schönen Bortrog de» Herrn Minister vollständig in den Schalter gestellt worden ist. In der letzten Sitzung beschäftigte sich di- Commission mit etymologischen Fragen von äußerster Nichtigkeit
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